Entscheidungsdatum
03.10.2022Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §2 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Dr. Huber über die Beschwerde des A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 05.05.2022, Zl. MA67/…/2022, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung (StVO),
zu Recht:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von EUR 88,00 auf EUR 40,00 und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 21 Stunden auf 10 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die darin angeführte Übertretungsnorm durch „§ 24 Abs. 1 lit. c Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 123/2015“ und die zitierte Strafsanktionsnorm durch „§ 99 Abs. 3 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 154/2021“ ersetzt wird.
II. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 und 2 VStG beträgt der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens EUR 10,00 (das ist der gesetzliche Mindestkostenbeitrag).
III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, sofern diese nicht bereits nach § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Maßgeblicher Verfahrensgang
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 05.05.2022, Zl. MA67/…/2022, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:
„1.
Datum/Zeit: 29.01.2022, 16:50 Uhr
Ort: Wien, C.-gasse 7
Betroffenes Fahrzeug: Kennzeichen: W-1 (A)
Sie haben innerhalb von 5 m vor einem nicht durch Lichtzeichen geregelten Schutzweg, aus der Sicht des ankommenden Verkehrs, gehalten.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 24 Abs. 1 lit. c StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
1. € 88,00 0 Tage(n) 21 Stunde(n) § 99 Abs. 3 lit. a
0 Minuten (0) StVO
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 98,00“
2. In seiner gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht erhobenen Beschwerde bringt der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass seine Mutter, D. B. (geboren 1930), schwer geh- und sehbehindert sei. Sie könne nicht mehr als 30 Schritte gehen. Am 29.1.2022 habe er seine Mutter wieder einmal nach Hause gebracht. Allerdings sei kein regulärer Parkplatz frei gewesen. Den Behindertenausweis seiner Mutter habe er gut sichtbar hinter die Windschutzscheibe seines Kraftfahrzeuges gelegt. Das Kontrollorgan habe anscheinend den Behindertenausweis übersehen.
3. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde sowie den Akt des Verwaltungsverfahrens vor, wobei sie auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und für den Fall einer Durchführung auf eine Teilnahme daran verzichtete.
4. Am 4.8.2022 wurde die Rechtssache gemäß dem Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30.5.2022 der Gerichtsabteilung 068 (…) abgenommen und der Gerichtsabteilung 070 (…) zugewiesen (GZ: VGW-031/068/6297/2022-9).
Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 6.9.2022 wurde die Rechtssache am 7.9.2022 der Gerichtsabteilung 070 (…) abgenommen und der Gerichtsabteilung 100 (…) zugewiesen (GZ: VGW-031/070/6297/2022-20).
II. Sachverhalt
Für das Verwaltungsgericht Wien steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer stellte am 29.1.2022 um 16:50 Uhr das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-1 (A) vor der Adresse Wien, C.-gasse 7, ab, und zwar auf der Sperrfläche unmittelbar vor dem dort befindlichen Schutzweg, dessen Benützung nicht durch Lichtzeichen geregelt ist, aus der Sicht des ankommenden Verkehrs. Der Grund für das Abstellen des Fahrzeuges an dieser Stelle war, dass der Beschwerdeführer seine Mutter, D. B. (geboren 1930), nach Hause brachte. Die Mutter ist geh- und sehbehindert, weshalb sie nur wenige Schritte gehen kann und über einen Parkausweis für Behinderte im Sinne von § 29b StVO verfügt. Zum Tatzeitpunkt waren keine Parkplätze in unmittelbarer Nähe der Wohnung (Adresse: Wien, C.-gasse 7) der Mutter verfügbar. Der vom Beschwerdeführer gewählte Abstellort für das Fahrzeug befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Eingang des Wohnhauses der Mutter. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Fahrzeug länger als zehn Minuten am beschriebenen Tatort abgestellt war.
Der Beschwerdeführer weist zum Tatzeitpunkt eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung wegen Verstoßes gegen § 52 lit. a Z 11a StVO auf. Er verfügt über durchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
III. Beweiswürdigung
Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und Würdigung des Beschwerdevorbringens.
Die Feststellungen zu Tatort, Tatzeit und Tatvorwurf gründen sich auf den unbedenklichen Akteninhalt und dem damit übereinstimmenden Beschwerdevorbringen. Die Anzeige vom 29.1.2022 enthält eine vom Meldungsleger angefertigte Skizze, welche den Abstellort unmittelbar vor dem Schutzweg darstellt. Zudem wurde die Tatsache, dass das Fahrzeug am Tatort in der beschriebenen Form abgestellt war, durch den Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt bestritten, sondern bestätigt. Weder dem Akteninhalt noch dem Beschwerdevorbringen lässt sich entnehmen, dass das Fahrzeug länger als zehn Minuten am Tatort abgestellt war.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer das Fahrzeug am Tatort abgestellt hat, um seine gehbehinderte Mutter in unmittelbare Nähe zum Eingang ihres Wohnhauses zu bringen, war dem glaubwürdigen Beschwerdevorbringen zu entnehmen. Hierfür spricht auch der vom Beschwerdeführer vorgelegte Parkausweis für Behinderte der Mutter.
Die Feststellung der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkung gründet sich auf den im Akt einliegenden Auszug der Landespolizeidirektion Wien vom 24.5.2022. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers waren mangels Angaben im Verfahren als durchschnittlich zu schätzen.
IV. Rechtsgrundlagen
Die maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 154/2021, lauteten auszugweise:
„§ 2. Begriffsbestimmungen.
(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als
1.– 26. […]
27. Halten: eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu zehn Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit (§ 62);
28. Parken: das Stehenlassen eines Fahrzeuges für eine längere als die in Z 27 angeführte Zeitdauer;
29.–30. […]
(2)–(3) […]
§ 23. Halten und Parken.
(1) Der Lenker hat das Fahrzeug zum Halten oder Parken unter Bedachtnahme auf die beste Ausnützung des vorhandenen Platzes so aufzustellen, daß kein Straßenbenützer gefährdet und kein Lenker eines anderen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder am Wegfahren gehindert wird.
(2) Außerhalb von Parkplätzen ist ein Fahrzeug, sofern sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt, zum Halten oder Parken am Rand der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen. Auf Fahrbahnen mit gekennzeichnetem Radfahrstreifen, der kein Mehrzweckstreifen ist, dürfen Fahrzeuge auch parallel zu diesem aufgestellt werden. Einspurige Fahrzeuge sind am Fahrbahnrand platzsparend aufzustellen. Ist auf Grund von Bodenmarkierungen das Aufstellen von Fahrzeugen auf Gehsteigen vorgesehen, so dürfen auf diesen Flächen nur Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3 500 kg aufgestellt werden.
(2a)–(6) […]
§ 24. Halte- und Parkverbote.
(1) Das Halten und das Parken ist verboten:
a) im Bereich des Vorschriftszeichens „Halten und Parken verboten“ nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z 13b,
b) auf engen Stellen der Fahrbahn, im Bereich von Fahrbahnkuppen oder von unübersichtlichen Kurven sowie auf Brücken, in Unterführungen und in Straßentunnels,
c) auf Schutzwegen und Radfahrerüberfahrten und, wenn deren Benützung nicht durch Lichtzeichen geregelt ist, 5 m vor dem Schutzweg oder der Radfahrerüberfahrt aus der Sicht des ankommenden Verkehrs,
d)–o) […]
p) entlang von nicht unterbrochenen, am Fahrbahnrand angebrachten gelben Linien gemäß § 55 Abs. 8.
(2)–(8) […]
Menschen mit Behinderungen
§ 29b. (1) Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ verfügen, ist als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.
(1a) (Verfassungsbestimmung) Die Ausfolgung und Einziehung eines Ausweises gemäß Abs. 1 kann unmittelbar durch Bundesbehörden besorgt werden.
(2) Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 dürfen
a) auf Straßenstellen, für die durch das Straßenverkehrszeichen „Halten und Parken verboten“ oder eine nicht unterbrochene, am Fahrbahnrand angebrachte gelbe Linie (§ 24 Abs. 1 lit. p) ein Halte- und Parkverbot kundgemacht ist,
b) entgegen der Vorschrift des § 23 Abs. 2 über das Abstellen eines Fahrzeuges am Rand der Fahrbahn
mit dem von ihnen selbst gelenkten Fahrzeug oder mit einem Fahrzeug, das sie als Mitfahrer benützen, zum Aus- oder Einsteigen einschließlich des Aus- oder Einladens der für den Ausweisinhaber nötigen Behelfe (wie etwa ein Rollstuhl u. dgl.) für die Dauer dieser Tätigkeiten halten.
(3) Ferner dürfen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 das von ihnen selbst gelenkte Fahrzeug oder Lenker von Fahrzeugen in der Zeit, in der sie einen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 befördern,
a) auf Straßenstellen, für die durch das Straßenverkehrszeichen „Parken verboten“ oder eine unterbrochene, am Fahrbahnrand angebrachte gelbe Linie (§ 24 Abs. 3 lit. a) ein Parkverbot kundgemacht ist,
b) in einer Kurzparkzone ohne zeitliche Beschränkung,
c) auf Straßen, für die ein Parkverbot, das gemäß § 44 Abs. 4 kundzumachen ist, erlassen worden ist, und
d) in einer Fußgängerzone während der Zeit, in der eine Ladetätigkeit vorgenommen oder die Fußgängerzone gemäß § 76a Abs. 2a befahren werden darf,
parken.
(4) Beim Halten gemäß Abs. 2 sowie beim Befahren einer Fußgängerzone gemäß § 76a Abs. 2a hat der Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 diesen den Straßenaufsichtsorganen auf Verlangen vorzuweisen. Beim Parken gemäß Abs. 3 sowie beim Halten oder Parken auf den nach § 43 Abs. 1 lit. d freigehaltenen Straßenstellen hat der Ausweisinhaber den Ausweis bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar, bei anderen Fahrzeugen an einer sonst geeigneten Stelle gut wahrnehmbar anzubringen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 2 bis 4 gelten auch für Inhaber eines Ausweises, der von einer ausländischen Behörde oder Organisation ausgestellt worden ist und der im wesentlichen einem Ausweis nach Abs. 1 entspricht.
(6) Ausweise, die vor dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 16. November 1976, BGBl. Nr. 655/1976, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 80/1990, entsprechen, verlieren ihre Gültigkeit mit 31. Dezember 2015. Ausweise, die nach dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über den Ausweis für dauernd stark gehbehinderte Personen (Gehbehindertenausweisverordnung), BGBl. II Nr. 252/2000, entsprechen, bleiben weiterhin gültig.
[…]
§ 99. Strafbestimmungen.
(1)–(2e) […]
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,
b)–k) […]
(4)–(7) […]“
V. Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 24 Abs. 1 lit. c StVO ist das Halten und Parken auf Schutzwegen und Radfahrerüberfahrten und, wenn deren Benützung nicht durch Lichtzeichen geregelt ist, 5 m vor dem Schutzweg oder der Radfahrerüberfahrt aus der Sicht des ankommenden Verkehrs verboten. Eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu zehn Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit (§ 62 StVO) wird nach der StVO als „Halten“ bezeichnet (§ 2 Abs. 1 Z 27 StVO).
Nach § 29b Abs. 2 StVO darf die Inhaberin eines Parkausweises für Behinderte auf Straßenstellen, für die durch das Straßenverkehrszeichen „Halten und Parken verboten“ oder eine nicht unterbrochene, am Fahrbahnrand angebrachte gelbe Linie (§ 24 Abs. 1 lit. p StVO) ein Halte- und Parkverbot kundgemacht ist, mit dem von ihr selbst gelenkten Fahrzeug oder mit einem Fahrzeug, das sie als Mitfahrer benützt, zum Aus- oder Einsteigen einschließlich des Aus- oder Einladens der nötigen Behelfe (wie etwa ein Rollstuhl) für die Dauer dieser Tätigkeiten halten. Zudem darf mit einem Fahrzeug zu diesem Zweck auch entgegen der Vorschrift des § 23 Abs. 2 StVO am Rand einer Fahrbahn gehalten werden (vgl. VwGH 18.12.2009, 2009/02/0307).
§ 29b StVO erlaubt es der Inhaberin eines Parkausweises für Behinderte jedoch nicht entgegen § 24 Abs. 1 lit. c StVO ein Fahrzeug zum Aus- oder Einsteigen innerhalb von 5 m vor einem nicht durch Lichtzeichen geregelten Schutzweg aus der Sicht des ankommenden Verkehrs abzustellen.
2. Der Beschwerdeführer hat am 29.1.2022 um 16:50 Uhr mit seinem Fahrzeug vor der Adresse Wien, C.-gasse 7, auf der Sperrfläche unmittelbar vor dem dort befindlichen Schutzweg, dessen Benützung nicht durch Lichtzeichen geregelt ist, aus der Sicht des ankommenden Verkehrs gehalten. Somit hat der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen.
Der Umstand, dass er das Fahrzeug an dieser Stelle abgestellt hat, um seine Mutter dort aussteigen zu lassen, und die Mutter Inhaberin eines Parkausweises für Behinderte ist, ändert daran nichts. Denn § 29b StVO berechtigt die Inhaberin eines solchen Ausweises nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht dazu, ein Fahrzeug entgegen der Vorschrift des § 24 Abs. 1 lit. c StVO abzustellen.
3. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Die vom Beschwerdeführer begangene Verwaltungsübertretung des § 24 Abs. 1 lit. c StVO wird auch dann erfüllt, wenn durch das gebotswidrige Halten oder Parken eine Gefährdung anderer Straßenbenützer oder eine Verkehrsbeeinträchtigung nicht eingetreten ist (vgl. VwGH 29.10.1982, 81/02/0039).
Der Beschwerdeführer hat im Verfahren lediglich vorgebracht, dass das Abstellen des Fahrzeuges am Tatort aufgrund des Parkausweises für Behinderte seiner Mutter zulässig gewesen sei, was jedoch nicht der geltenden Rechtslage entspricht. Dadurch konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre. Denn als Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr mussten dem Beschwerdeführer die einschlägigen Bestimmungen der StVO bekannt sein. Kannte er diese Bestimmungen nicht, so hat er sich diesbezüglich fahrlässig verhalten (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely, VStG2 § 5, Rz 24 mwN). Im Übrigen kann eine Unkenntnis oder eine irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO bei Kraftfahrzeuglenkern nicht als unverschuldet angesehen werden (vgl. VwGH 24.9.1997, 95/03/0157; 8.11.1976, 1236/76).
4. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die Strafbemessung setzt entsprechende Erhebungen dieser Umstände durch das Verwaltungsgericht voraus, wobei allerdings in der Regel mit den Angaben des Beschuldigten das Auslangen zu finden sein wird (vgl. VwGH 22.12.2008, 2004/03/0029 mwN). Bei der Bemessung der Strafe dürfen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Überlegungen der Spezialprävention und Generalprävention einbezogen werden (vgl. VwGH 15.5.1990, 89/02/0093, VwGH 22.4.1997, 96/04/0253, VwGH 29.1.1991, 89/04/0061).
Das Verhalten des Beschwerdeführers schädigte in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß das mit der übertretenen Verwaltungsvorschrift verfolgte öffentliche Interesse an der Sicherheit im Straßenverkehr (Gewährleistung der Einsehbarkeit von Schutzwegen). Der Beschwerdeführer hat zumindest fahrlässig gehandelt, wobei er sich als Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr mit den einschlägigen Bestimmungen vertraut hätte machen müssen. Es kann daher nicht von einem geringen Verschulden ausgegangen werden.
Anhaltspunkte, die ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG rechtfertigen würden, sind keine hervorgekommen, zumal das tatbildmäßige Verhalten des Täters gerade nicht hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt (vgl. VwGH 27.2.2019, Ra 2018/04/0134, Pkt. 5.2, VwGH 9.9.2016, Ra 2016/02/0118).
Der Beschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten. Mangels Angaben des Beschwerdeführers ist von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszugehen.
Nach § 34 Abs. 1 Z 3 StGB, der gemäß § 19 Abs. 2 VStG bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren sinngemäß zur Anwendung kommt, liegt ein Milderungsgrund vor, wenn der Täter die Tat aus achtenswerten Beweggründen begangen hat (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely VStG2 § 19, Rz 15 f.). Es handelt sich dabei um Gründe, die auch einem rechtstreuen Menschen die Begehung einer strafbaren Handlung nahelegen (vgl. VwGH 30.3.2001, 2000/02/0195). Zu denken ist etwa an Handlungen zur Durchsetzung der Strafrechtsordnung, Förderung des Umweltschutzes, aus Tierliebe, Freundschaft, Mitleid oder Diensteifer (vgl. OGH 12.9.1980, 9 Os 64/80). Die Tatsache, dass das Tatmotiv menschlich begreiflich ist, genügt demgegenüber nicht (vgl. VwGH 23.10.1996, 96/03/0183).
Der Beschwerdeführer hat die Verwaltungsübertretung begangen, weil er seine gehbehinderte Mutter möglichst nahe beim Eingang zu ihrem Wohnhaus aussteigen lassen wollte, damit sie nicht weit gehen muss. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien liegt aufgrund dessen ein achtenswerter Beweggrund vor. Dieser Milderungsgrund wurde von der belangten Behörde im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren noch nicht berücksichtigt, weshalb eine Strafherabsetzung möglich ist.
Unter Berücksichtigung der Tatbegehung aus achtenswerten Beweggründen sowie in Ermangelung von Erschwerungsgründen ist die verhängte Strafe spruchgemäß herabzusetzen und erweist sich in Anbetracht des bis zu EUR 726,00 reichenden gesetzlichen Strafrahmens nun als tat- und schuldangemessen (ca. 5,5 % des Strafrahmens wurde ausgeschöpft; die Strafe liegt somit im untersten Bereich). Die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe konnte aufgrund der Herabsetzung der Strafe entsprechend reduziert werden.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.
6. Gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil im angefochtenen Straferkenntnis eine EUR 500,00 nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.
7. Die Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG absolut unzulässig, weil es sich um eine Verwaltungsübertretung handelt, für die eine Geldstrafe von weniger als EUR 750,– und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und lediglich eine Geldstrafe von EUR 40,– verhängt wurde.
Im Übrigen ist die Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung, insbesondere hinsichtlich der Strafbemessung, von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Zudem stellt die Strafbemessung im Allgemeinen keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. VwGH 8.3.2021, Ra 2020/17/0089).
Schlagworte
Halte- und Parkverbot; Sperrfläche; nicht durch Lichtzeichen geregelten Schutzweg; Parkausweis für BehinderteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.100.6297.2022Zuletzt aktualisiert am
04.01.2023