Rechtssatznummer
1Entscheidungsdatum
28.11.2022Index
10/10 GrundrechteRechtssatz
Im gegenständlichen Fall betraten die Sicherheitsorgane die Wohnung und griffen dadurch erstens in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung der Wohnung (Art 8 EMRK) des Beschwerdeführers ein. Zweitens liegt auch ein Eingriff in Art 9 StGG iVm Hausrechtsgesetz vor: Die Suche nach einer Person, wenn dabei systematisch ein Blick in sämtliche Räume einer Wohnung und auch in einen Kasten im Schlafzimmer geworfen wird, stellt eine Hausdurchsuchung dar.
Es kann – wie in der Beweiswürdigung näher ausgeführt – dahingestellt bleiben, wie sich die LVT-Organe Zugang zur Wohnung verschafften. Das von der belangten Behörde und den LVT-Organen hervorgehobene zentrale Element für das Vorliegen der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht – Aufschwingen der Wohnung nach dem Klopfen und Blick in eine abgedunkelte, offenbar unaufgeräumte Wohnung – konnte nicht bewiesen werden. Im Gegenteil, das eindeutige Beweisergebnis offenbart eine geschlossene Wohnungstür. Die Polizisten haben sich somit Zugang zu einer Wohnung verschafft, obwohl die Tür geschlossen war. Allein schon deshalb wird der Argumentation der belangten Behörde der Boden entzogen.
Durch das Fehlen dieses zentralen Arguments für das Einschreiten der Sicherheitsorgane fehlt es erstens an den Voraussetzungen zum Betreten der Wohnung gemäß § 39 Abs 1 SPG. Zweitens lag – umso weniger – eine Ermächtigung zur Durchsuchung der Wohnung (§ 39 Abs 3 SPG) vor. Einzig das Nicht-Öffnen der Wohnungstüre nach Betätigung der Klingel, weil der berufstätige Bewohner an einem Wochentag um 16:20 Uhr nicht zu Hause war, lässt weder auf eine gegenwärtige, unmittelbare oder bevorstehende Gefährdung seines Lebens oder seiner Gesundheit schließen, noch geht deshalb von ihm ein gefährlicher Angriff aus.
Auch wenn die Sicherheitsorgane die Wohnung widerrechtlich betraten, waren sie berechtigt, die dort aufgefundenen Cannabis-Zigaretten sicherzustellen. Deshalb war auch der damit verbundene, für die Dauer der Sicherstellung notwendige Aufenthalt am Tatort und somit in der Wohnung zulässig.
Schlagworte
MaßnahmenbeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.14.2137.13.Zuletzt aktualisiert am
03.01.2023