Entscheidungsdatum
22.12.2022Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art139 Abs6Text
Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst durch seinen Richter Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA, über die – durch die teilweise Aufhebung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 9.5.2022 durch den Verwaltungsgerichtshof (14.11.2022, Ro 2022/03/0050) noch unerledigte – Beschwerde von AA (BB), vertreten durch CC, Rechtsanwalt in **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z (belangte Behörde) vom 2.11.2021, ***, soweit damit der Antrag auf Vergütung des Verdienstentgangs gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für den Zeitraum vom 17.3.2020 bis 25.3.2020 abgewiesen wurde (zweiter Spruchpunkt), den
B E S C H L U S S:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der zweite Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides betreffend den Zeitraum vom 17.3.2020 bis 25.3.2020 wird aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
Mit dem Bescheid vom 2.11.2021, ***, erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im ersten Spruchpunkt gemäß §§ 20, 32 Abs 1 Z 5 und Abs 4 EpiG iVm VO-BH Imst-121 aufgrund der Schließung des Beherbergungsbetriebes BB in **** Y von 17.3.2020 bis 25.3.2020 eine Vergütung von € 64.365,63 zu. Im zweiten Spruchpunkt wies die belangte Behörde gemäß §§ 20, 32 Abs 1 Z 5 und Abs 4 EpiG iVm VO-BH Imst-121, und § 1 und 4 Abs 2 COVID-19-MG, BGBl I 2020/12 idF 23, den Antrag auf Vergütung des Verdienstentgangs vom 16.3.2020 bis 13.4.2020 aufgrund der Schließung des Gastgewerbebetriebes im BB als unbegründet ab. Den zweiten Spruchpunkt betreffend sei zwar der gegenständliche Gastgewerbebetrieb durch die VO-BH Imst-121 für den Zeitraum vom 17.3.2020 bis 25.3.2020 geschlossen worden. Am 17.3.2020 sei jedoch § 3 COVID-19-MV-96 in Kraft getreten, welcher ein bundesweites Betretungsverbot für Gastgewerbebetriebe angeordnet habe. Dadurch sei dem formell weiterhin in Geltung stehenden § 20 EpiG Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 4 Abs 2 COVID-19-MG materiell derogiert worden. Dies habe für die Schließung des Gastgewerbebetriebes zur Folge, dass für die Dauer der Geltung der genannten Verordnung die Bestimmungen des Epidemiegesetzes im selben Geltungsbereich nicht mehr zur Anwendung kämen, womit auch keine Entschädigung gemäß § 32 EpiG mehr gebühren könne. Die VO-BH Imst-121 sei mit Ablauf des 25.3.2020 aufgehoben worden. Somit seien für den Zeitraum 26.3.2020 bis 13.4.2020 keine auf § 20 EpiG gestützten Maßnahmen betreffend den Gastgewerbebetrieb erlassen worden, lediglich Maßnahmen auf Grundlage des COVID-19- Maßnahmengesetzes. Im Gegensatz zum Epidemiegesetz kenne das COVID-19-Maßnahmengesetz keine gesetzlich verankerte Vergütung des Verdienstentgangs. Einerseits sei somit die anspruchsbegründende VO-BH Imst-121 nach dem Epidemiegesetz im Zeitraum 17.3.2020 bis 25.3.2020 auf den Gastronomiebereich nicht mehr anzuwenden. Andererseits seien ab dem 26.3.2020 ausschließlich Maßnahmen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz in Kraft gewesen, welches keine Vergütung des Verdienstentgangs vorsehe.
In der ausschließlich gegen den zweiten Spruchpunkt gerichteten Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, die durch die – auf das Epidemiegesetz gestützte – VO-BH Imst-121 und die – auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützte – COVID-19-MV-96 erzeugte Situation führe zu einer Entschädigung für reine Beherbergungsbetriebe, während reine Gastronomiebetriebe einen gänzlichen Entfall einer Entschädigung akzeptieren müssten. Dieses Nebeneinander der Verordnungen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen widerspreche dem bundesstaatlichen Berücksichtigungsprinzip. Es stelle eine Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze und des Art 6 EMRK dar, dass die Behörde die Bearbeitungsdauer an sich von der Verwendung eines Formulars abhängig gemacht habe. Diese Vorschreibung der Verwendung eines Formulars verletze auch schon ein faires Verfahren, so stehe doch jeder Verfahrenspartei das völlig freie Recht zu, sich zu äußern, etwas zu beantragen oder verfahrensrelevante Ansprüche mit freien Worten zu stellen oder zu formulieren. Darüber hinaus sei eine Mitteilung der Behörde, wonach wesentliche Rechtsfragen „erst mit dem Bund“ geklärt werden müssten, eine Verletzung des Legalitätsprinzips, des Prinzips der Rechtstaatlichkeit und der Gewaltentrennung. Letztlich erweise sich ein derartiges Vorgehen als Willkürakt und sei gleichheitswidrig. Abschließend beantragte der Beschwerdeführer neben der Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Aufnahme näher bezeichneter Beweise der Beschwerde den zweiten Spruchpunkt betreffend Folge zu geben und die Entschädigung nach dem Epidemiegesetz vollinhaltlich auch für den Gastronomiebetrieb zuzusprechen.
Mit Erkenntnis vom 9.5.2022 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde als unbegründet ab. Durch die Erlassung des auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Betretungsverbots für Gastgewerbebetriebe (§ 3 COVID-19-MV-96) sei die auf das Epidemiegesetz gestützte Schließung von Betriebsstätten des Gastgewerbes (§ 1 lit b Satz 3 VO-BH Imst-121) nicht mehr anwendbar (§ 4 Abs 2 COVID-19-MG). Mangels Anwendbarkeit des Epidemiegesetzes könnten auch Entschädigungsansprüche nicht auf § 32 Abs 1 Z 5 EpiG gestützt werden. Daran ändere die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Gesetzwidrigkeit des § 3 COVID-19-MV-96 nichts. Darüber hinaus sei die VO-BH Imst-121 mit Ablauf des 25.3.2020 (durch eine erneute Verordnung der BH-Z) aufgehoben worden. Danach – und somit verfahrensgegenständlich bis 13.4.2020 – sei keine auf § 20 EpiG gestützten Maßnahme betreffend den verfahrensgegenständlichen Gastgewerbebetrieb erlassen worden, sondern lediglich Maßnahmen, die sich auf das COVID-19-Maßnahmengesetz stützen würden. Somit wäre auch aus diesem Grunde jedenfalls von 26.3.2020 bis 13.4.2020 keine Entschädigung zu leisten.
Aufgrund der dagegen erhobenen Revision des Beschwerdeführers hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14.11.2022, Ro 2022/03/0050, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 9.5.2022, soweit damit der Antrag auf Vergütung des Verdienstentgangs gemäß § 32 EpiG für den Zeitraum vom 17.3.2020 bis 25.3.2020 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Im Übrigen wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision zurück. Aufgrund der Anlassfallwirkung gemäß Art 139 Abs 6 B-VG hätte das Landesverwaltungsgericht den auf § 32 Abs 1 Z 5 EpiG gestützten Antrag auf Vergütung des Verdienstentgangs so zu beurteilen, als ob der – vom Verfassungsgerichtshof für nicht mehr anwendbar erklärte – § 3 COVID-19-MV-96 im gegenständlichen Anspruchszeitraum nicht der Rechtsordnung angehört hätte. Allerdings sei die Revision soweit sie sich auf die Vergütungszeiträume des 16.3.2020 sowie von 26.3.2020 bis 14.4.2020 beziehe, mangels Darlegung einer Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zurückzuweisen.
II. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist Inhaber des Beherbergungsbetriebes BB in **** Y. Dort befindet sich auch ein Gastgewerbebetrieb. Von 17.3.2020 bis einschließlich 13.4.2020 war der Beschwerdeführer gehindert, sein Restaurant zu betreiben.
III. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt.
IV. Rechtslage
Epidemiegesetz 1950 (EpiG, BGBl 1950/186 [WV] idF I 2022/195)
Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen
§ 20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde.
(2) Beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden.
(3) Die Schließung einer Betriebsstätte ist jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.
…
Vergütung für den Verdienstentgang.
§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
…
5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist,
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und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
…
(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.
…
(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen.
Zuständigkeiten betreffend COVID-19
§ 43a. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID-19 sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.
(2) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID-19 können vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung gemäß Abs. 1 erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen zu einer Verordnung gemäß Abs. 1 festgelegt werden.
(3) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID-19 können von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen gemäß Abs. 1 oder 2 erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen zu Verordnungen nach Abs. 1 oder 2 festgelegt werden.
(4) In einer Verordnung gemäß Abs. 1 bis 3 kann entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden.
(5) Durch Verordnung gemäß Abs. 1 können Verordnungen gemäß Abs. 2 und 3 oder Teile davon aufgehoben werden. Durch Verordnung gemäß Abs. 2 können Verordnungen gemäß Abs. 3 oder Teile davon aufgehoben werden.
(6) Verordnungen gemäß Abs. 2 und 3 sind vor deren Inkrafttreten dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister mitzuteilen.
COVID-19-Maßnahmengesetzes (COVID-19-MG, BGBl I 2020/12 in der den relevanten Zeitraum betreffenden Fassung 2020/16)
Betreten von Betriebsstätten zum Zwecke des Erwerbs von Waren- und Dienstleistungen wie Arbeitsorte
§ 1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zwecke des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.
Betreten von bestimmten Orten
§ 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist
1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege- und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,
2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder
3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.
Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.
Inkrafttreten
§ 4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
(1a) Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2020 tritt rückwirkend mit 16.03.2020 in Kraft.
(2) Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.
(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.
(4) Verordnungen aufgrund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.
(5) §§ 1, 2 und § 2a idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tage in Kraft.
COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG, BGBl I 2020/12 in der nunmehr geltenden Fassung 2022/103)
Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln
§ 3 (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung
1. das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,
2. das Betreten und das Befahren von Arbeitsorten oder nur bestimmten Arbeitsorten gemäß § 2 Abs. 3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) durch Personen, die dort einer Beschäftigung nachgehen, und
3. das Benutzen von Verkehrsmitteln oder nur bestimmten Verkehrsmitteln
geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
(2) In einer Verordnung gemäß Abs. 1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten und befahren oder Verkehrsmittel benutzt werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder Arbeitsorten sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.
Betreten und Befahren von bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit
§ 4 (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten und das Befahren von
1. bestimmten Orten oder
2. öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit
geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
(2) In einer Verordnung gemäß Abs. 1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen diese Orte betreten und befahren werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren bestimmter Orte gemäß Abs. 1 Z 1, nicht aber öffentlicher Orte in ihrer Gesamtheit gemäß Abs. 1 Z 2 untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.
…
Inkrafttreten
§ 13 (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2023 außer Kraft. Sofern dies aufgrund der epidemiologischen Situation unbedingt erforderlich ist, kann durch Verordnung der Bundesregierung ein anderer Zeitpunkt des Außerkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestimmt werden, wobei dieser nicht nach dem 31. Dezember 2023 liegen darf.
(1a) Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2020 tritt rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft.
(2) Wurde eine Verordnung gemäß § 3 erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.
(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.
Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-MV-96, BGBl II 2020/96 idF 112)
§ 3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Gastgewerbebetriebe, welche innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:
1. Kranken- und Kuranstalten;
2. Pflegeanstalten und Seniorenheime;
3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;
4. Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen.
(3) Abs. 1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.
§ 4 (2) § 3 tritt mit 17. März 2020 in Kraft.
…
(3) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 13. April außer Kraft.
Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Imst über verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz 1950 für alle Gemeinden des Bezirk Imst (in weiterer Folge VO-BH Imst-121, Bote für Tirol 10b/2020, 121)
Aufgrund stark zunehmend nachgewiesener an SARS-CoV-2 erkrankten Personen im Bezirk Imst sowie der hohen Anzahl der dort urlaubsbedingt aufhältigen Personen aus internationalen Ländern sind die nachfolgenden behördlichen Anordnungen aus medizinischer Sicht unbedingt erforderlich, um eine Weiterverbreitung dieser Erkrankung möglichst einzudämmen.
Die Bezirkshauptmannschaft Imst verordnet in Ergänzung zur Verordnung vom 11.03.2020, Zahl SANR-11/59-2020 als zuständige Behörde gemäß §§ 15, 20, 24 und 26 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 37/2018in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARSCoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“), StF: BGBl. II Nr. 74/2020 folgende Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung einer Krankheit, konkret des Corona-Virus (SARS-CoV-2):
§ 1
a) Für die Bewohner der Gemeinden im Bezirk Imst sowie für die in diesen Gemeinden aufhältigen Personen wird die Beförderung mit jenen Kursen des Kraftfahrlinienverkehrs, welche der Abwicklung des Schibusverkehrs dienen, sowie mit Seilbahnanlagen verboten.
Ausgenommen sind jene Kurse, die zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Personennahverkehrs dienen.
b) Weiters wird für die Bewohner der Gemeinden im Bezirk Imst sowie für die in diesen Gemeinden aufhältigen Personen wird der Besuch sämtlicher in den Gemeindegebieten befindlichen Gastgewerbebetriebe, die rein der Unterhaltung dienende Aktivitäten darbieten, verboten. Diese Maßnahmen gelten innerhalb der Betriebsräume und außerhalb auf den Freiterrassen, Gastgärten und den vorgelagerten Freiflächen.
Alle Gastgewerbebetriebe zu touristischen Zwecken im Bezirk Imst, insbesondere Gast- und Beherbergungsbetriebe, Hotelbetriebe, Appartementhäuser, Restaurants, Cafés, Bars, Chalets, Airbnb, Privatzimmervermietungen und dergleichen sowie Campingplätze sind zu schließen.
Davon ausgenommen ist die Verabreichung von Speisen zur Grundversorgung der Bevölkerung.
§ 2
Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Beschränkungen zu überwachen und gegebenenfalls sicherheitspolizeilich einzuschreiten.
§ 3
(1) Die Bestimmungen dieser Verordnung, mit Ausnahme des § 1 lit b, treten mit Ablauf des 15. März 2020 in Kraft.
(2) § 1 lit b dieser Verordnung tritt mit Ablauf des 16. März 2020 in Kraft.
(3) Die §§ 1 und 2 dieser Verordnung treten mit Ablauf des 13. April 2020 außer Kraft.
§ 4
Wer gemäß § 1 dieser Verordnung zuwiderhandelt, begeht gemäß § 40 Epidemiegesetz 1950 eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu € 1.450, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
(Anmerkung: Diese Verordnung wurde mit Verordnung Bezirkshauptmannschaft Imst, Bote für Tirol, 12a/2020, 178, am 26.3.2020 aufgehoben.)
V. Erwägungen
A. Gegenstand des Verfahrens
Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen den zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides und somit gegen die Abweisung des Antrags auf Vergütung des Verdienstentgangs von 16.3.2020 bis 13.4.2020 wegen der Schließung eines Gastronomiebetriebes.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol wies mit Erkenntnis vom 9.5.2022 die Beschwerde als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof (14.11.2022, Ro 2022/03/0050), „soweit damit der Antrag des Revisionwerbers auf Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 für den Zeitraum von 17. bis 25. März 2020 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts“ auf. Im Übrigen wurde die Revision zurückgewiesen.
Somit ist einzig der Antrag auf Vergütung des Verdienstentgangs vom 17.3.2020 bis 25.3.2020 unerledigt und Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens.
B. Wortlaut der Verordnungen
§ 1 lit b Satz 3 VO-BH Imst-121 vom 13.3.2020 ordnete – gestützt auf § 20 EpiG, mit Inkrafttreten am 17.3.2020 – an: „Alle Gastgewerbebetriebe zu touristischen Zwecken im Bezirk Z, insbesondere Gast- und Beherbergungsbetriebe, Hotelbetriebe, Appartementhäuser, Restaurants, Cafés, Bars, Chalets, Airbnb, Privatzimmervermietungen und dergleichen sowie Campingplätze sind zu schließen.“
Mit § 3 Abs 1 COVID-19-MV-96, kundgemacht am 15.3.2020, wiederum ordnete der Bundesminister für Gesundheit – gestützt auf § 1 COVID-19-MG, ebenfalls mit Inkrafttreten am 17.3.2020 – an: „Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.“
C. Verhältnis der Verordnungen (§ 4 Abs 2 und 3 COVID-19-MG)
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens beider Verordnungen sah – aufgrund des mit BGBl I 2020/16 rückwirkend mit 16.3.2020 in Kraft getretenen – § 4 Abs 2 COVID-19-MG für das Verhältnis zum Epidemiegesetz eine ausdrückliche Klausel vor: „Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes … betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.“
§ 1 COVID-19-MG ermächtigt unter anderem, das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen zu untersagen. Demgegenüber erlaubt § 20 Abs 2 EpiG bei Auftreten näher bezeichneter Krankheiten die Schließung der Betriebsstätte. Der Gesetzgeber verwendet zwar unterschiedliche Begriffe, § 1 COVID-19-MG spricht von Betretungsverboten, § 20 EpiG von Betriebsschließungen. § 4 Abs 2 COVID-19-MG bringt allerdings klar zum Ausdruck, im Falle der Erlassung einer Verordnung nach § 1 COVID-19-MG kommen in deren Anwendungsbereich die Bestimmungen des Epidemiegesetzes betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung.
D. Aufhebung des § 3 COVID-19-MV-96
Mit Erkenntnis vom 1.10.2020, V 405/2020, stellte der Verfassungsgerichtshof die Gesetzwidrigkeit des § 3 COVID-19-MV-96 (BGBl II 2020/96 idF 130) und mit Erkenntnis vom 29.9.2021, V 188/2021, die Gesetzwidrigkeit des § 3 COVID-19-MV-96 (BGBl II 2020/96) fest und sprach jeweils die Nichtanwendung dieser Bestimmung aus.
E. Keine Anwendbarkeit des § 3 COVID-19-MV-96
Im Kern des gegenständlichen Verfahrens steht die Frage, ob durch die Erlassung des auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Betretungsverbots für Gaststätten (§ 3 COVID-19-MV-96) und die dazu ergangenen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs die auf das Epidemiegesetz gestützte Betriebsschließung von Gaststätten durch § 1 lit b Satz 3 VO-BH Imst-121 anzuwenden war.
Diese Rechtsfrage klärte der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen vom 14.11.2022, Ro 2022/03/0048, 0049 und – den gegenständlichen Fall betreffend – 0050, sowie vom 22.11.2022, Ro 2022/03/0047.
Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof in 14.11.2022, Ro 2022/03/0048, Rz 23 ff, aus: „Strittig ist im Revisionsfall nunmehr, ob in Anbetracht dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes die Revisionswerberin einen Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang auf Grund der mit Verordnung der Stadt X angeordneten Schließung aller Gastgewerbebetriebe zu touristischen Zwecken, die auf § 20 EpiG gestützt war, hat.
Das Verwaltungsgericht vertritt dazu die Auffassung, dass § 4 Abs. 2 COVID-19-MG an die Erlassung einer Verordnung des Bundesministers gemäß § 1 dieses Gesetzes, wie sie durch die COVID-19-MV-96 erfolgt ist, lediglich tatbestandlich anknüpfe und dabei der als gesetzwidrig festgestellte § 3 dieser Verordnung nicht iSd. Art. 139 Abs. 6 zweiter Satz B-VG ‚angewendet‘ werde. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes V 188/2021 ua. ändere daher im Ergebnis nichts daran, dass die Vergütungsregelung des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG im Hinblick auf § 4 Abs. 2 COVID-19-MG im Revisionsfall nicht zur Anwendung gelange.
Damit verkennt das Verwaltungsgericht allerdings die sog. Anlassfallwirkung gemäß Art. 139 Abs. 6 B-VG. Im Anlassfall ist so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Anlassfall zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (vgl. VfSlg. 16.987/2003; vgl. auch VwGH 28.6.2012, 2012/15/0085). Gestützt auf Art. 139 Abs. 6 zweiter Satz B-VG hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis V 188/2021 ua. die Anlassfallwirkung auf alle Fälle erstreckt (‚nicht mehr anzuwenden‘), wodurch die Feststellung der Gesetzwidrigkeit auch auf den Revisionsfall zurückwirkt (vgl. VfGH 26.11.2020, E 2355/2020; vgl. zur Erstreckung der Anlassfallwirkung gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG VfSlg. 15.401/1999).
Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Februar 2022, Ra 2021/09/0229, Rn. 32 f, ausgeführt, dass § 3 COVID-19-MV-96 zufolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 2021, V 188/2021 ua., auch in einem Verwaltungs-(gerichts-)verfahren über einen Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG nicht mehr anzuwenden ist. Dies führte in jenem Revisionsverfahren dazu, dass Verordnungen nach (dort) § 24 EpiG nicht (mehr) durch § 3 COVID-19-MV-96 verdrängt wurden. Der Verwaltungsgerichtshof fasste dieses Ergebnis dahingehend zusammen, dass ein aus den Verordnungen nach dem EpiG ableitbarer Vergütungsanspruch daher nicht deshalb nicht mehr besteht, weil gleichzeitig die auf § 1 COVID-19-MG gestützte Verordnung des Bundesministers in Geltung stand.
Dass das hg. Erkenntnis Ra 2021/09/0229 Beschränkungen eines Gastgewerbebetriebes auf Grund von Verordnungen nach § 24 EpiG betraf und ein Vergütungsanspruch daher gestützt auf § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG zu prüfen war, ändert angesichts der gleichgelagerten maßgeblichen Rechtsfrage – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – nichts an der Maßgeblichkeit dieser Ausführungen für den Revisionsfall.
Im Revisionsfall hatte das Verwaltungsgericht daher den auf § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG gestützten Antrag der Revisionswerberin auf Vergütung für den Verdienstentgang so zu beurteilen, als ob § 3 COVID-19-MV-96 im gegenständlichen Anspruchszeitraum nicht der Rechtsordnung angehört hätte.
Dies hat das Verwaltungsgericht, welches selbst davon ausgeht, dass der Revisionswerberin auf Grund der auf § 20 EpiG gestützten Schließung ihrer Betriebsstätte durch die Verordnung der Stadt X ‚dem Grunde nach‘ ein Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG zugestanden wäre, verkannt und sein Erkenntnis dadurch mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.“
Auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwies der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis zum gegenständlichen Fall (14.11.2022, Ro 2022/03/0050).
Da der Verwaltungsgerichtshof der Revision Folge gab, ist das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß § 63 Abs 1 VwGG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofs entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
F. Aufhebung und Zurückverweisung
Gemäß § 28 Abs 2 und Abs 3 VwGVG kann das Landesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverweisen, wenn die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterließ, der maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann von der Möglichkeit der Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027 mwN; 19.4.2016, Ra 2015/01/0010). Diese Zurückverweisung kommt daher nur in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterließ, wenn sie lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte setzte oder bloß ansatzweise ermittelte (VwGH 12.11.2021, Ra 2014/20/0029 mwN; 6.7.2016, Ra 2015/01/0123; 22.6.2016, Ra 2016/03/0027 mwN; 24.6.2015, Ra 2015/04/0019; 26.6.2014, Ro 2014/03/0063). So ist eine Zurückverweisung zulässig, wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt sehr unzureichend feststellte, indem sie keine für die Entscheidung in der Sache brauchbaren Ermittlungsergebnisse lieferte (VwGH 28.3.2017, Ro 2016/09/0009), oder wenn diese keinerlei Schritte setzte, um die erforderlichen Beurteilungen vornehmen zu können (VwGH 17.3.2016, Ra 2015/11/0127). Auch muss der Grund der Aufhebung und Zurückverweisung für die Entscheidung des Falls präjudiziell sein (VwGH 30.7.2021, Ro 2017/06/0029; 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).
Im gegenständlichen Fall war die belangte Behörde der Ansicht, für den angeführten Gastgewerbebetrieb bestehe ein Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs dem Grunde nach nicht. Deshalb – so die belangte Behörde ausdrücklich – traf diese keine weiteren Erhebungen und Feststellungen zur Höhe des diesbezüglichen Verdienstentgangs. Aufgrund der nunmehr vom Verwaltungsgerichtshof geklärten Rechtsfrage besteht der Anspruch auf Verdienstentgang allerdings sehr wohl.
Die belangte Behörde ging (fehlerhaft) von der Unanwendbarkeit einer Bestimmung aus und ermittelte deshalb den dazu gehörigen Sachverhalt nicht. Die Ermittlung der Höhe der Entschädigung ist entscheidungswesentlich. Deshalb liegen im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung vor (übereinstimmend zu vergleichbaren Konstellationen Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 [2017] § 28 Rz 20 mwN).
Die belangte Behörde hat nunmehr im gegenständlichen Fall Erhebungen von erheblicher Schwierigkeit und Komplexität über die wirtschaftlichen Entwicklungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der EpiG-Berechnungsverordnung durchzuführen und damit einhergehend detaillierte Abgrenzungsfragen zu Buchungen, der Festsetzung des Fortschreibungsquotienten und allenfalls dessen Angemessenheit zu klären. Im Übrigen wären diese darauf zu treffenden Feststellungen durch Anforderung von Buchhaltungsunterlagen einer entsprechenden Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und gegebenenfalls eine Stellungnahme eines entsprechenden Amtssachverständigen einzuholen gewesen, sodass damit ein erheblicher betriebswirtschaftlicher und verrechnungstechnischer Aufwand einhergegangen wäre (ähnlich LVwG Salzburg 5.5.2022, 405-8/1247/1/8-2022).
Durch die Zurückverweisung an die belangte Behörde kann ferner eine erhebliche Verfahrensbeschleunigung und Kostenersparnis erzielt werden, zumal die belangte Behörde als Bezirksverwaltungsbehörde unmittelbar und direkt Beweiserhebungen vor Ort, zB im Rahmen einer Einsichtnahme in umfangreiche Buchhaltungsunterlagen des Beschwerdeführers direkt in dessen Betrieb, durchführen kann. Ferner kann dem Beschwerdeführer, Sachverständigen und allfälligen Zeugen eine öffentlich mündliche Verhandlung samt Anreise nach X und damit verbundenen Verdienstentgang erspart bleiben, da im Hinblick auf die nunmehr vom Verwaltungsgerichtshof eindeutig und klar vorgegebene Rechtslage von keinem neuerlichen Instanzenzug an das Landesverwaltungsgericht Tirol auszugehen ist.
Ein vor der belangten Behörde durchgeführtes Beweisverfahren würde damit einerseits einer erheblichen Verfahrensbeschleunigung zum Zweck der Gewährleistung einer angemessenen Verfahrensdauer und andererseits einer gewichtigen Kostenreduktion des durchzuführenden Verfahrens dienen.
G. Entfall der mündlichen Verhandlung
Zwar hat der Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt.
Erstens kann gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG die Verhandlungen fallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zweitens können Verwaltungsgerichte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstehen. Zu dieser Bestimmung hielt der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt fest, der Gesetzgeber hatte als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen. Zweck einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen. Der Verwaltungsgerichtshof wies in diesem Zusammenhang auf EGMR 19.2.1998, Jacobsson (2), 16.970/90, Rz 49 = ÖJZ 1998, 4, hin, in welchem der Entfall einer mündlichen Verhandlung als gerechtfertigt angesehen wurde, wenn angesichts der Beweislage vor dem Gerichtshof und angesichts der Beschränkung der zu entscheidenden Fragen „das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte“. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet in solchen Fällen eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist, die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen werden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Zusammenfassend ist gemäß § 24 Abs 1 VwGVG auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die der Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie der Erhebung der Beweise dient. Als Ausnahme von dieser Regel kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Antrags gemäß § 24 Abs 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdewerbers ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066 bis 0068 mwN).
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich eine Rechtsfrage, die der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis den gegenständlichen Fall betreffend klärte. Als Konsequenz ist der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Deshalb kann erstens § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG die Verhandlungen fallen. Zweitens bedarf es unter Berücksichtigung des § 24 Abs 4 VwGVG keiner Erörterung dieser Rechtsfrage im Rahmen einer mündlichen Verhandlung.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Der Verwaltungsgerichtshof entschied im gegenständlichen Verfahren schon einmal und klärte die Rechtsfragen. Somit liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung mehr vor.
Die einzelfallbezogene Anwendung des § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG berührt unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Auslegung dieser Bestimmung keine grundsätzliche Rechtsfrage, wenn sich das vom Verwaltungsgericht solcherart erzielte Ergebnis als vertretbar erweist (VwGH 30.6.2021, Ra 2018/16/0033; 25.1.2017, Ra 2016/12/0109).
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von € 240 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA
(Richter)
Schlagworte
EntschädigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.14.3050.9Zuletzt aktualisiert am
03.01.2023