TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/23 95/08/0069

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Veröffentlicht am 23.01.1996
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §140 Abs2;
SHG Wr 1973 §13 Abs1;
SHG Wr 1973 §13 Abs6;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
SHV Richtsätze Wr 1973 §5 Abs1 idF 1992/001;
SHV Richtsätze Wr 1973 §5 Abs2 idF 1992/001;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Mag. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 12. Oktober 1994, Zl. MA 12-2070/91/MB, betreffend Mietbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte mit Eingabe vom 7. April 1993 einen Grundantrag auf Gewährung einer monatlichen Mietbeihilfe. Sie sei Hauptmieterin einer Wohnung, die sie gemeinsam mit ihrem im Jahre 1971 geborenen Sohn bewohne; sie habe für die Wohnung monatlich S 4.025,27 zu bezahlen.

Mit Bescheid vom 15. Juli 1993 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, Referat Mietbeihilfe, diesen Antrag gemäß § 13 Abs. 6 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 (WSHG), in Verbindung mit § 5 Abs. 2 der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 13/1973 (WSHV), ab. Nach der Begründung habe aufgrund der Mitmeldung des Sohnes nur die halbe Mietbelastung berücksichtigt werden können. Unter Anrechnung des verbleibenden Mietenmehrbedarfes übersteige das Einkommen der Beschwerdeführerin den Sozialhilfebedarf.

Seiner Entscheidung legte der Magistrat folgende Zahlen

zugrunde:

    Richtsatz:                S 6.790,00

    Mietenmehrbedarf:         S 1.260,00

    Summe:                    S 8.050,00

    Einkommen:                S 8.866,00

    Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie im

wesentlichen ausführte, ihr Sohn sei Student der

Veterinärmedizin und beziehe daher - abgesehen von

Alimentationszahlungen (nach der Aktenlage S 780,-- monatlich)

und der Familienbeihilfe - keinerlei Einkünfte. Sein

beeinträchtigter Gesundheitszustand erfordere eine

entsprechende Behandlung, weshalb es ihm auch nicht möglich

sei, während der Ferien Einkünfte als Ferialpraktikant zu

erzielen. Da er außerstande sei, einen Beitrag zu den

Mietkosten zu leisten, stelle die Berücksichtigung nur der

halben Mietbelastung bei der Beschwerdeführerin eine besondere

Härte dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung wurde unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 2 WSHV ausgeführt, nach § 9 Abs. 1 und 2 WSHG sei Studenten mit abgeschlossener Berufs- oder Schulausbildung der Einsatz der eigenen Arbeitskraft zur Sicherung des Lebensunterhaltes zumutbar. Daher würden Studenten grundsätzlich keine Sozialhilfeleistungen gewährt. Im Hinblick darauf könne der Umstand, daß der Sohn der Beschwerdeführerin mangels eines eigenen Einkommens keinen Beitrag zu den Mietkosten leisten könne, nicht zur Zuerkennung einer höheren Sozialhilfeleistung an die Beschwerdeführerin führen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 WSHV ist der Mietbedarf durch eine Mietbeihilfe zu decken. Die Mietbeihilfe ist alleinunterstützten oder hauptunterstützten Sozialhilfebeziehern in der Höhe des tatsächlichen Mietzinses zu gewähren, soweit die Wohnung des Sozialhilfebeziehers einen angemessenen Wohnraumbedarf nicht übersteigt, und nur im Ausmaß des auf den einzelnen Sozialhilfebezieher entfallenden Mietzinsanteiles.

Diese Verordnungsbestimmung stellt - in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 6 WSHG - sowohl ihrem Wortlaut als auch dem Zweck der Regelung nach, Hilfe zur Sicherung des Unterkunftsbedarfes zu gewähren - unabhängig von der Art des Rechtsverhältnisses (Hauptmiete, Untermiete oder ein sonstiges Rechtsverhältnis), aufgrund dessen dem Sozialhilfebezieher die Benutzung der Wohnung möglich ist - auf den tatsächlichen Mietbedarf bzw. Mietzins, das heißt auf den vom Sozialhilfebezieher tatsächlich im betreffenden Monat zu tragenden Aufwand für Unterkunft, ab (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. Jänner 1987, Zl. 85/11/0306, und vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0015).

Hat der Sozialhilfebezieher gegenüber dem Wohnungsbesitzer einen Rechtsanspruch auf eine unentgeltliche Benützung der Wohnung und erwächst ihm demgemäß kein Aufwand hiefür, so steht ihm mangels eines Mietbedarfes auch keine Mietbeihilfe zu (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 30. Jänner 1987).

Daraus folgt umgekehrt, daß dann, wenn, wie im Beschwerdefall, der Sozialhilfebezieher in seiner Wohnung sein noch nicht selbsterhaltungsfähiges, studierendes Kind im Rahmen seiner Unterhaltspflicht (§ 140 Abs. 2 ABGB) betreut, dieses Kind, dessen Sozialhilfeanspruch - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - durch sein Studium nicht an sich ausgeschlossen ist (vgl. das Erkenntnis vom 17. Oktober 1995, Zl. 95/08/0110), bei der Anteilsregelung des § 5 Abs. 2 letzter Halbsatz WSHV jedenfalls nicht zu berücksichtigen ist (vgl. dazu etwa auch das Erkenntnis vom 26. September 1995, Zl. 94/08/0145).

Die belangte Behörde ist somit bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung einer Mietbeihilfe an die Beschwerdeführerin von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen. Der angefochtene Bescheid war daher - ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Zur Klärung der allein entscheidenden Rechtsfrage war die Durchführung einer Verhandlung nicht erforderlich, weshalb von dieser gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen wurde.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995080069.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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