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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1.) des Dr. W und weiterer 40 Beschwerdeführer, alle in W, alle vertreten durch Dr. WK, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 21. März 1994, Zl. MD-VfR - B XVII - 43 u. 44/93, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: H Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W),
Spruch
I. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde des Acht-, des Neunt- und der Zehntbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen;
II. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde der übrigen Beschwerdeführer wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer zusammen haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 22. September 1992 beantragte die Mitbeteiligte die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 10 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 10 Stellplätzen auf dem Grundstück Nr. n/14, EZ 744, KG X, an der Adresse Wien, R-Straße 43. Die Beschwerdeführer sind zu beiden Seiten des Projekts bzw. an der gegenüberliegenden Seite der R-Straße mit ihren Liegenschaften Nachbarn. Sie erhoben anläßlich der Verhandlungen vom 22. Jänner und 2. Juni 1993 Einwendungen. Danach änderte die Bauwerberin das ursprünglich eingereichte Projekt insoferne, als einerseits die Abwasserbeseitigung nicht durch Senkgruben, sondern durch einen in der R-Straße zu errichtenden, zur O-Straße führenden Privatkanal erfolgen und andererseits eine Zufahrtsstraße auf der unbefestigten R-Straße durch Befestigung eines 3 m breiten Streifens hergestellt werden soll.
Mit Bescheid vom 12. November 1993 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, antragsgemäß entsprechend den mit dem Sichtvermerk versehenen Plänen die begehrte Baubewilligung. Die Schmutz- und Regenwässer sollen über einen neuen Privatkanal im öffentlichen Gut der R-Straße in den öffentlichen Mischwasserkanal in der O-Straße abgeleitet werden. Die Einwendungen der Nachbarn wurden teils ab-, teils zurückgewiesen bzw. als nicht das Projekt betreffend (weil zu den früheren Senkgruben erhoben) zurückgewiesen. Vorgeschrieben wurde u.a. (Punkt 20 der Auflagen), daß gemäß § 19 Bauordnung für Wien eine beleuchtete, 3 m breite Zufahrt mit befestigter Oberfläche in entsprechender Breite bis zum bestehenden Straßennetz herzustellen und so lange zu erhalten sei, bis die vor dem Bauplatz gelegene Verkehrsfläche ausgebaut werde. In der Begründung der Baubewilligung wurde ausgeführt, daß gemäß § 19 Abs. 2 lit. b Z. 3 BauO eine Ausnahme vom Bauverbot zu gewähren gewesen sei, weil aufgrund der bewilligten Projektspläne i.V.m. den geltenden Rechtsvorschriften und Bescheidauflagen die Herstellung einer beleuchteten Zufahrt von mindestens 3 m Breite mit befestigter Oberfläche sowie die Herstellung eines Privatkanals im öffentlichen Gut sichergestellt sei. Der Privatkanal und die Zufahrt würden in jenem Bereich des öffentlichen Gutes der R-Straße errichtet werden, der von der Stadt Wien - MA 28 im Jahre 1961 in deren Besitz übernommen worden sei.
Der Erst- und der Elftbeschwerdeführer machten in ihrer Berufung geltend, daß die R-Straße von der Liegenschaft des Elftbeschwerdeführers R-Straße 42 bis zur O-Straße eine Steigung von 5 bis 10 % aufweise, aber von der Baubewilligung nicht erfaßt sei, durch welche technischen Vorrichtungen der Höhenunterschied bei der Abwasserkanalisation überwunden werde. Würde eine Pumpenanlage herangezogen werden, so bestünde bei deren Ausfall die Gefahr, daß das gesamte Gelände und die gesamte Liegenschaft des Erst- und des Elftbeschwerdeführers mit Fäkalien und Abwässern unterschwemmt und verseucht würden. Im Straßenbereich R-Straße bis zur Einmündung O-Straße bestehe keine befestigte Verkehrsfläche und kein Straßenkanal, weshalb gemäß § 19 BauO für Wien ein Bauverbot auszusprechen wäre. Bei diesem Bereich der R-Straße handle es sich auch nicht um einen öffentlichen Grund. Im übrigen würde der große Gebäudekomplex den gesamten Landschaftsbereich und Straßenbereich stören und würde diese Tatsache der Stadtbildpflege nicht entsprechen. Das Vorhaben verstoße auch gegen die Bestimmungen der §§ 75 bis 81 sowie 84 und 85 BauO für Wien.
Die Zweit- bis Siebentbeschwerdeführer machten in ihrer Berufung geltend, daß der gegenständliche Straßenbereich nicht in den physischen Besitz der Gemeinde Wien übertragen bzw. übernommen worden sei, daß es sich also um eine Privatstraße handle, weshalb die Ausnahmegenehmigung (gemäß § 19 BauO für Wien) nicht hätte erteilt werden dürfen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Vorschriften, die der Wahrung des Stadtbildes und der schönheitlichen Rücksichten dienten, gehörten nicht zu jenen Bestimmungen, die außer öffentliche Interessen auch die Interessen der Nachbarschaft wahrten. Die Frage des Landschaftsbildes und der Einfügung eines Bauvorhabens in eine bestimmte Landschaft könne nur öffentliche Interessen betreffen. Weiters besitze der Nachbar kein subjektiv-öffentliches Recht auf das Vorliegen einer Zufahrt. Der Privatkanal falle zur O-Straße hin ab, sodaß eine Beeinträchtigung der Grundstücke des Erst- und des Elftbeschwerdeführers nicht in Betracht komme. Die angeblich verletzten Bestimmungen der §§ 60, 75 bis 81, 84 und 85 BauO für Wien beinhalteten keine subjektiv-öffentlichen Rechte. Schließlich besitze der Nachbar wegen der mangelnden Anbaureife kein subjektiv-öffentliches Recht.
Mit der vorliegenden Beschwerde begehren die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Mit der Beschwerde haben sie ein Schreiben des Bezirksvorstehers des 17. Bezirks vom 5. Juni 1986 und einen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 64, vom 6. April 1951 vorgelegt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift. Die Beschwerdeführer gaben mit Schriftsatz vom 25. Juli 1995 bekannt, daß die bauausführende Firma nicht den Bestimmungen des Berufungsbescheides entsprechend die Baumaßnahmen durchführe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I.
Der Acht-, der Neunt- und die Zehntbeschwerdeführerin sind im Verwaltungsverfahren nicht als Berufungswerber aufgetreten. Der angefochtene Bescheid, mit dem die Berufungen anderer Rechtsmittelwerber abgewiesen wurde, greift nicht in ihre Rechte ein, sodaß ihre Beschwerde mangels Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.
II.
Gemäß Art. IV der Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 34/1992, ist für das vorliegende, vor dem 1. Oktober 1992 eingeleitete Bauverfahren die Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 (im folgenden: BO) anzuwenden. Gemäß § 134 Abs. 3 dritter Satz BO sind die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hierzu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.
Die Beschwerdeführer verweisen zunächst auf den (physischen) Zustand der R-Straße. Sie verkennen dabei, daß der Ausbau bzw. die Befestigung eines 3 m breiten Streifens Teil des bewilligten Projektes ist, sodaß es auf die in der Beschwerde dargestellten Behördenvorgänge in den Jahren 1984 bis 1986 nicht ankommt. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, daß die Stadt Wien grundbücherlicher Eigentümer der R-Straße ist. Welche Auswirkungen es auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführer haben soll, daß die Stadt Wien das gegenständliche Straßenstück nie ins öffentliche Gut übernommen hätte, ist den Beschwerdeausführungen nicht zu entnehmen. Jedenfalls begründen Vorschriften über das Erfordernis einer Zufahrt keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte (Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 289 f). Auch hinsichtlich des Einwandes der fehlenden Anbaureife (§ 19 BO) wies die belangte Behörde zu Recht darauf hin, daß diesbezüglich ein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn fehlt (Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften2, 205).
Bei den Ausführungen zu den Gefahren, die den Beschwerdeführern durch den bewilligten Privatkanal drohen, wird offenbar verkannt, daß mit dem Baubewilligungsbescheid ein bestimmtes, insbesondere durch die vorgelegten Pläne konkretisiertes Projekt bewilligt wurde. Laut dem mit dem Vidierungsvermerk der MA 30-Kanalisation vom 21. Juli 1993 versehenen Kanalplan weist die Kanalsohle bei der Einmündung des Hauskanales in der R-Straße eine Höhe von 112,24 m, bei der Einmündung des Privatkanales in den Straßenkanal O-Straße eine Höhe von 110,88 m und somit ein Gefälle von 1 % aus; weiters besitzt der konsentierte Kanal einen Durchmesser von 200 mm. Von einer durch eine Hebeanlage zu überwindenden Steigung ist den Plänen nichts zu entnehmen.
Da sich die Beschwerdeführer mit diesem Projekt nicht auseinandersetzen, versagt auch die diesbezügliche Verfahrensrüge:
Die Behörde mußte für die technische Durchführbarkeit aufwärts zu entsorgender Abwässer keinen Lokalaugenschein durchführen und keinen Sachverständigen beiziehen, weil das Projekt eine derartige Entsorgung nicht vorsieht. Hinsichtlich des genehmigten Kanales sind die Beschwerdeführer der Begutachtung durch die MA 30 aber nicht entgegengetreten.
Bezüglich des behaupteten Verstoßes gegen die Bestimmungen der §§ 60, 75 bis 81, 84 und 85 der BO verkennen die Beschwerdeführer die eingeschränkte Parteistellung des Nachbarn: Nur - berechtigte - öffentlich-rechtliche Einwendungen führen zur Versagung des vom Nachbarn bekämpften Bauvorhabens, und solche Einwendungen müssen sich auf baurechtliche Bestimmungen stützen, die nicht nur dem öffentlichen sondern auch dem besonderen Interesse der Nachbarschaft dienen. Der Nachbar hat ganz allgemein keinen Rechtsanspruch darauf, daß ein Bauvorhaben sämtlichen gesetzlichen Bestimmungen entspricht, sondern besitzt im Zusammenhang mit der Regelung des § 42 AVG nur einen Rechtsanspruch darauf, daß ein Bauvorhaben seine rechtzeitig geltend gemachten, durch baurechtliche Bestimmungen eingeräumten subjektv-öffentlichen Rechte nicht verletzt (siehe den Nachweis bei Hauer, Nachbar, 38). Eine Einwendung im Rechtssinn liegt nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat; es muß gefordert werden, daß wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers wendet und welche Rechtsverletzung behauptet wird (Hauer, Nachbar, 83 f). Eine bloße Aufzählung von zahlreichen Paragraphen aus der Bauordnung ohne konkrete Darlegung, inwieweit durch das Projekt gegen diese Bestimmungen verstoßen werde, läßt jedenfalls nicht erkennen, welche Rechtsverletzung behauptet wird, zumal auch sonst nicht hervorgekommen ist, daß in Nachbarrechte eingegriffen werde, die aus diesen Bestimmungen abgeleitet werden.
Die Beschwerdeführer räumen zwar ein, daß aus Vorschriften über die Berücksichtigung schönheitlicher Rücksichten, die Beachtung des Ortsbildes, Stadtbildes und Straßenbildes keine Nachbarrechte erwachsen (siehe die Nachweise bei Hauer, Nachbar, 286). Dabei ist es ohne Belang, ob EIN oder MEHRERE Nachbarn derartige Rechtsverletzungen geltend machen; die eingangs genannte Bestimmung des § 134 Abs. 3 BO schafft für eine Mehrheit von Nachbarn keine anderen Berechtigungen, als für einen einzelnen Nachbarn. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß, im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen, der Bezirksvorsteher, wie aus einem von ihm unterfertigten Aktenvermerk vom 17. Juni 1993 zu entnehmen ist, dem Projekt zugestimmt hat.
Im Verwaltungsverfahren haben die Beschwerdeführer nie behauptet, daß ein dem Bebauungsplan widersprechendes Flachdach errichtet werde. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es aufgrund des aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbotes verwehrt, auf diese erst in der Beschwerde aufgestellte Tatsachenbehauptung einzugehen.
Inwieweit durch das bewilligte Projekt der Schöpfbrunnen und der Wasserbehälter auf der Liegenschaft der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin beeinträchtigt würden, ist den Beschwerdeausführungen nicht zu entnehmen. Der bewilligte Privatkanal hält jedenfalls stets einen Abstand von rund 8 m zu deren Grundstücksgrenze ein.
Damit erwies sich das gesamte Beschwerdevorbringen als unbegründet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Mit Rücksicht auf die durch die zitierten Verweise auf die hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 25. Juli 1995 erfolgten Bekanntgabe ist abermals darauf zu verweisen, daß nicht die tatsächliche Bauausführung, sondern nur das eingereichte Projekt Gegenstand der Bewilligung war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994050133.X00Im RIS seit
03.05.2001