Entscheidungsdatum
19.09.2022Norm
StVO 1960 §5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag. Weber als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch die B Rechtsanwälte GmbH, gegen die Punkte 2 und 5 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt vom 01.07.2022, Zl ***, zu Recht erkannt:
I.
Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG Folge gegeben und die Punkte 2 und 5 des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben.
II.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG wird zu den Punkten 2 und 5 des Straferkenntnisses die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.
III.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Die Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt erkannte den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 01.07.2022, Zl ***, zu den Punkten 1 und 4 jeweils einer Übertretung gemäß § 5 Abs 5 erster Satz und Abs 9 BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 6/2017 iVm § 99 Abs 1 lit b StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 154/2021, zu den Punkten 2 und 5 jeweils einer Übertretung gemäß § 5 Abs 2 iVm § 5 Abs 4 BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. Nr. 6/2017 iVm § 99 Abs 1 lit b StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 154/2021, zu Punkt 3 einer Übertretung gemäß § 43 Abs 4 lit b, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. Nr. 94/2009 iVm § 134 Abs 1 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 62/2022 und zu Punkt 6 einer Übertretung gemäß § 37 Abs 1, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 74/2015 iVm § 39 Abs 5 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 169/2020 für schuldig und verhängte über den Genannten zu den Punkten 1, 2, 4 und 5 jeweils eine Geldstrafe von € 1.600,00 (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 336 Stunden), zu Punkt 3 eine Geldstrafe von € 70,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Stunden) und zu Punkt 6 eine Geldstrafe von € 363,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 167 Stunden).
Die Behörde erachtete es als erwiesen, dass der Beschwerdeführer nachstehende Verwaltungsübertretungen begangen hat:
Zeit:
siehe Punkt 1. - 6.
Ort:
siehe Punkt 1. - 6.
Fahrzeug:
***, Personenkraftwagen
Tatbeschreibung:
1. Die Verbringung zum Zweck der Feststellung der Beeinträchtigung durch Suchtgift zu einem im öff. Sanitätsdienst stehenden tätigen Arzt oder zum diensthabenden Arzt einer öff. Krankenanstalt gegenüber einem Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl Sie das Fahrzeug am 13.03.2022 um 15:10 Uhr im Ortsgebiet von ***, *** gelenkt haben und vermutet werden konnte, dass Sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befunden haben.
Tatzeit: 13.03.2022, 15.15 Uhr
Tatort: Ortsgebiet ***, ***
2. Die Untersuchung Ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl Sie das Fahrzeug am 13.03.2022 um 15:10 Uhr im Ortsgebiet von ***, *** gelenkt haben und vermutet werden konnte, dass Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben.
Tatzeit: 13.03.2022 um 15:18
Tatort: Ortsgebiet von ***, ***
3. Als Zulassungsbesitzer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen *** nicht abgemeldet, obwohl sein dauernder Standort am 04.06.2021 von ***, *** nach ***, ***, somit in den örtlichen Wirkungsbereich einer anderen Behörde verlegt wurde.
4. Die Verbringung zum Zweck der Feststellung der Beeinträchtigung durch Suchtgift zu einem im öff. Sanitätsdienst stehenden tätigen Arzt oder zum diensthabenden Arzt einer öff. Krankenanstalt gegenüber einem Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl Sie das Fahrzeug am 13.03.2022 um 16:30 Uhr im Ortsgebiet von ***, *** gelenkt haben und vermutet werden konnte, dass Sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befunden haben.
Tatzeit: 13.03.2022, 16:37 Uhr
Tatort: Ortsgebiet ***, ***
5. Die Untersuchung Ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl Sie das Fahrzeug am 13.03.2022 um 16:25 Uhr in ***, *** gelenkt haben und vermutet werden konnte, dass Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben.
Tatzeit: 13.02.2022 um 16:39 Uhr
Tatort: ***, ***
6. Sie haben das KFZ gelenkt, obwohl das Lenken von KFZ, für die der Besitz einer Lenkberechtigung vorgeschrieben ist, vor der Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines unzulässig ist. Ihr Führerschein war zum Lenkzeitpunkt vorläufig abgenommen.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 20.07.2022 fristgerecht ausdrücklich hinsichtlich der Spruchpunkte 2, 4 und 5 des Straferkenntnisses Beschwerde und führte begründend aus, dass die Behörde ihm zu Unrecht insgesamt vier Übertretungen des § 99 Abs 1 lit b StVO angelastet habe. Gemäß § 100 Abs 2 StVO würden sich die in § 99 Abs 1 lit a bis c, Abs 1a und Abs 1b enthaltenen Strafdrohungen ausschließen. § 100 Abs 2 StVO normiere eine Ausnahme vom Kumulationsprinzip des § 22 VStG. Dies treffe zunächst auf die in den Spruchpunkten 2 und 5 jeweils abgeurteilten Verweigerungen des Alkotests zu. Sobald eine Verweigerung der Mitwirkung bei der Schaffung eines Beweismittels im Sinne des § 99 Abs 1 lit b StVO erfüllt sei, sei eine Bestrafung wegen einer weiteren Verweigerung im Zuge der selben Amtshandlung gemäß § 100 Abs 2 StVO ausgeschlossen. Dieses Argument treffe überdies auf die zu Punkt 4 abgeurteilte Verweigerung der Vorführung zum Amtsarzt um 16:37 Uhr zu, da die Beamten ihre Aufforderung mit demselben Rauschzustand begründet hätten, wie bei den Aufforderungen zur amtsärztlichen Untersuchung und zum Alkotest um 15:15 Uhr und um 15:18 Uhr.
Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, der Beschwerde dahingehend stattzugeben, dass das Straferkenntnis zu den Spruchpunkten 2, 4 und 5 aufgehoben und das Verfahren hinsichtlich dieser drei Tatbestände eingestellt werde.
Mit Schreiben vom 15.09.2022 zog der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter seine Beschwerde hinsichtlich des Punktes 4 ausdrücklich zurück.
3. Rechtliche Erwägungen:
§ 5 Abs 2 StVO lautet:
Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und – soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt – von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,
1.die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder
2.bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
§ 5 Abs 4 StVO lautet:
Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmeßgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben.
§ 5 Abs 5 StVO lautet:
Die Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs. 2
1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder
2.aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.
Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen; die genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.
§ 5 Abs 9 StVO lautet:
Die Bestimmungen des Abs. 5 gelten auch für Personen, von denen vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befinden; wer zum Arzt gebracht wird, hat sich der Untersuchung zu unterziehen. Die in Abs. 5 genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.
§ 99 Abs 1 lit b StVO lautet:
Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.
§ 100 Abs 2 StVO lautet:
Die im § 99 Abs. 1 lit. a bis c, Abs. 1a und Abs. 1b enthaltenen Strafdrohungen schließen einander aus.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stellt fest, dass im VStG grundsätzlich für das Zusammentreffen strafbarer Handlungen das Prinzip der Kumulation (§ 22 VStG) gilt, es sei denn, es handelt sich um einander ausschließende Strafdrohungen, das bedeutet, dass aus der Fassung der betreffenden Strafbestimmung die Ablehnung des Grundsatzes der Kumulation hervorgeht. Nach § 100 Abs 2 StVO ist beim Zusammentreffen der dort angeführten Verwaltungsübertretungen nur wegen einer davon zu bestrafen, während das Verfahren hinsichtlich der übrigen zur Anzeige gelangten Handlungen einzustellen ist (vgl. VwGH vom 26.04.1991, Zl 91/18/0022).
Aufgrund der – die Spruchpunkte 1 und 4 des Straferkenntnisses wurden ausdrücklich nicht bekämpft – vorliegenden rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen der Delikte gemäß § 5 Abs 5 erster Satz und Abs 9 iVm
§ 99 Abs 1 lit b StVO 1960 im Zusammenhang mit der Weigerung der Verbringung zum Zweck der Feststellung der Beeinträchtigung durch Suchtgift zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden tätigen Arzt oder zum diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt gegenüber einem Organ der Straßenaufsicht bezüglich der Fahrzeuglenkungen am 13.03.2022 um 15:10 Uhr bzw. 16:25 Uhr darf der Beschwerdeführer gemäß § 100 Abs 2 StVO nicht zusätzlich wegen zweier Übertretungen gemäß § 5 Abs 2 iVm § 99 Abs 1 lit b StVO 1960 wegen der Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt bestraft werden.
Es war daher der Beschwerde zu den Punkten 2 und 5 des Straferkenntnisses Folge zu geben, das Straferkenntnis zu diesen beiden Punkten zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren zu den Punkten 2 und 5 gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.
4. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Strafdrohungen; Ausschluss; Kumulationsprinzip;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2132.001.2022Zuletzt aktualisiert am
27.12.2022