TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/23 96/08/0001

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.1996
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
60/01 Arbeitsvertragsrecht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AlVG 1977 §14 Abs2;
AlVG 1977 §14 Abs4 litd;
AlVG 1977 §21 Abs1;
AMPFG 1994 §2;
AngG §14 Abs2;
AngG §20 Abs1;
AngG §20 Abs2;
ASVG §46 Abs3;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 8. November 1995, Zl. 12/7022/7100 B, 920/3474 141167, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr angeschlossenen, angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin befand sich aufgrund der Geburt ihres Kindes am 12. November 1992 bis einschließlich 12. November 1994 in Karenzurlaub und bezog bis zu diesem Tag Karenzurlaubsgeld. Da es sich beim 13. November 1994 um einen arbeitsfreien Sonntag handelte, nahm sie am 14. November 1994 wieder ihre Arbeit auf. Ihr Beschäftigungsverhältnis endete mit 31. März 1995, einem Freitag. Am darauffolgenden Montag, dem 3. April 1995, stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Arbeitslosengeld.

Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid abgewiesen: Die Rahmenfrist gemäß § 14 Abs. 1 AlVG reiche vom 3. April 1994 bis "exklusive 3.4.1995". Innerhalb dieses Zeitraumes liege ein Dienstverhältnis vom 14. November 1994 bis 31. März 1995 im Ausmaß von 138 Tagen vor. Weitere anwartschaftsbegründende Zeiten seien nicht behauptet worden. § 14 Abs. 2 AlVG stelle offensichtlich auf 20 Wochen tatsächlicher Beschäftigung ab. 20 Kalenderwochen würden 140 Tage ergeben. Da die Beschwerdeführerin im angegebenen Zeitraum lediglich 138 Tage Beschäftigung aufweise, sei ihr Antrag auf Arbeitslosengeld abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, in der zusammengefaßt ausgeführt wird, daß die Kalenderwoche am Montag beginne und am Sonntag ende, sodaß sich bei der Umrechnung einer Arbeitswoche (Montag bis Freitag) auf eine Kalenderwoche die "zwangsläufige Hinzurechnung des arbeitsfreien Samstages und Sonntages" ergebe. Unter diesem Gesichtspunkt stelle daher § 14 Abs. 4 lit. d AlVG keinen Sondertatbestand dar, sondern dieser Regelung komme "eigentlich nur deklarative Bedeutung zu". Mit dieser Bestimmung werde nämlich bei verfassungskonformer Interpretation klargestellt, daß immer dann, wenn eine volle Arbeitswoche vorliege, auch die arbeitsfreien Tage als Anwartschaftszeit zu berücksichtigen seien. Die Tatsache, daß der Gesetzgeber 20 Wochen und nicht 140 Tage als Voraussetzung festgelegt habe, könne somit nur dahingehend verstanden werden, daß er bei der Bewertung der Anwartschaftszeit bewußt nicht auf 140 Tage habe abstellen wollen. Auch die mit 1. Mai 1995 wirksam gewordene Anhebung der Anwartschaftszeit für den wiederholten Leistungsanfall von 20 auf 26 Wochen (und nicht auf sechs Monate oder 182 Tage) bestätige diese Überlegung. Ungeachtet der im Zuge der Änderung des § 1 Abs. 6 AlVG durch BGBl. Nr. 297/1995 vorgenommenen Gleichschaltung der Arbeitslosenversicherungspflicht mit der Regelung der §§ 10 und 11 ASVG, sei jedenfalls vor dem 1. Mai 1995 eine eigenständige

arbeitslosenversicherungsrechtliche Bewertung vorzunehmen. Mit Erfüllung von 20 vollen (Arbeits-)Wochen sei daher die Anwartschaft nach § 14 Abs. 2 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 297/1995 erfüllt gewesen. Es lägen im übrigen sogar 141 Tage vor, da nicht nur der auf die tatsächliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses folgende Samstag (1. April 1995) und Sonntag (2. April 1995), sondern auch der vor der Beschäftigungsaufnahme liegende arbeitsfreie Sonntag (13. November 1994) heranzuziehen sei, da zu diesem Zeitpunkt ein laufendes Beschäftigungsverhältnis vorgelegen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Beschwerdefall ist nicht das Ausmaß der Rahmenfrist, sondern ausschließlich strittig, ob die Beschwerdeführerin bei der erneuten Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ab 3. April 1995 die Anwartschaft im Sinne des § 14 Abs. 2 AlVG erfüllt hat. Nach dieser Bestimmung ist bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 20 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Fall einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllte.

Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 letzter Satz (nämlich die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz AlVG: eine Beschäftigung im Ausmaß von 52 Wochen innerhalb der letzten 24 Monate vor Geltendmachung des Anspruches) zu erfüllen.

Den weiteren Überlegungen ist zunächst voranzustellen, daß (jedenfalls vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 297/1995) die Arbeitslosenversicherungspflicht nicht nur an das Bestehen einer Krankenversicherungspflicht, sondern überdies an das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses geknüpft war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 1989, Zl. 88/08/0157). Die Arbeitslosenversicherungspflicht endete daher auch mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, im Beschwerdefall daher mit 31. März 1995. Das darauffolgende Wochenende (1. und 2. April 1995) lag daher nicht mehr in einem Zeitraum arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung und kann daher schon deshalb für die Anwartschaft im Sinne des § 14 Abs. 2 AlVG nicht herangezogen werden. An diese Rechtslage knüpft auch die Bestimmung des § 14 Abs. 4 lit. d AlVG an, wonach auf die Anwartschaft bei Dienstverhältnissen von Arbeitern, die mindestens eine volle Woche gedauert haben und an einem Freitag oder Samstag enden, auch der darauffolgende Samstag und Sonntag oder der darauffolgende Sonntag anzurechnen sind. Diese Regelung knüpft an die bei Arbeitern übliche Beendigung von Dienstverhältnissen an einem Freitag an und will verhindern, daß durch die übliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen an einem Freitag bzw. dem Beginn des darauffolgenden Arbeitsverhältnisses an einem Montag zwingend eine Lücke von zwei Tagen an Anwartschaftszeiten in der Arbeitslosenversicherung entsteht. Dieses Problem besteht bei Angestellten insoweit nicht, als für sie regelmäßig nicht ein bestimmter Wochentag, sondern entweder der Monatsletzte, der Letzte des Quartals oder der 15. eines Monats für die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses in Betracht kommen (vgl. § 20 Abs. 1 und 2 AngG). Die an die besonderen arbeitsvertragsrechtlichen Verhältnisse bei Arbeitern anknüpfende Regelung des § 14 Abs. 4 lit. d AlVG begegnet daher auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 1980, VfSlg.8859).

Es trifft zwar zu, daß - wie im Beschwerdefall - in bestimmten Fällen auch bei Angestellten das Beschäftigungsverhältnis an einem Freitag enden kann, nämlich dann, wenn der letzte Tag der Kündigungsfrist (also der 15. oder der Letzte eines Monats bzw. Vierteljahres) zufällig auf einen Freitag fällt. Dieser vom Normalfall abweichende Sonderfall begründet aber nicht nur keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes, er läßt auch eine analoge Anwendung des § 14 Abs. 4 lit. d AlVG aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes nicht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch dem weiteren Argument der Beschwerde nicht zu folgen, daß der Gesetzgeber unter 20 Wochen einen Zeitraum von 20 "Arbeitswochen" (im Sinne von "5-Tage-Wochen") als Anwartschaft genügen lassen wollte. Der Verwaltungsgerichtshof ist vielmehr der Auffassung, daß immer dann, wenn der Gesetzgeber ohne weitere Einschränkung von Wochen spricht, ein Zeitraum von sieben Tagen gemeint ist, wie im übrigen auch aus dem Inhalt der - wenn auch im anderen systematischen Zusammenhang stehenden - Regelung des § 21 Abs. 1 AlVG "26 Kalenderwochen (182 Kalendertage)" deutlich wird. Auch die Anknüpfung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages an die allgemeine Beitragsgrundlage nach dem ASVG (§ 2 des Arbeitsmarktpolitikfinanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) führt zur sinngemäßen Anwendung des § 46 Abs. 3 ASVG, wonach für die Einreihung der Versicherten in die Lohnstufen der auf den Kalendertag entfallende Arbeitsverdienst maßgebend ist, wobei der Monat zu 30, die Woche zu 7 Kalendertagen anzusetzen ist.

Die belangte Behörde hat daher - in Ermangelung einer anderslautenden ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift - den Begriff der "Woche" im § 14 Abs. 2 AlVG zurecht mit 7 Kalendertagen gleichgesetzt. Es waren daher die 138 tatsächlichen Beschäftigungstage der Beschwerdeführerin zum Zwecke der Umrechnung in Wochen durch 7 zu teilen, woraus sich ergibt, daß die Beschwerdeführerin nur eine Anwartschaft von 19 Wochen und 5 Tagen aufzuweisen hat.

Bei dieser Sachlage kann auf sich beruhen, wie der 13. November 1994 (also der Sonntag zwischen dem letzten Tag des Karenzurlaubes bzw. des Bezuges von Karenzurlaubsgeld und der Wiederaufnahme der Beschäftigung am 14. November 1994) unter dem Gesichtspunkt der Anwartschaft im Sinne des § 14 AlVG zu beurteilen wäre, da auch unter Hinzurechnung dieses Tages die Anwartschaft im Ausmaß von 20 Wochen nicht erreicht würde.

Da somit bereits aus der vorliegenden Beschwerde zu erkennen ist, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996080001.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten