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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. August 1995, Zl. MD-VfR - B V - 1/95, betreffend Erteilung eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. August 1994 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37-Baupolizei, den Eigentümern des Hauses Wien V, X-Gasse 9, gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien (BO) in Anwendung des § 57 AVG den Auftrag, innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung des Bescheides die losen Putzteile der Hoffassade abzuschlagen, die gesamte Hoffassade instandzusetzen und wieder verputzen zu lassen.
Infolge der dagegen gemäß § 57 Abs. 2 AVG erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin, welche Mit- und Wohnungseigentümerin dieser Liegenschaft ist, erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37-Baupolizei, mit Bescheid vom 12. Dezember 1994 den Eigentümern des vorbezeichneten Hauses den Auftrag, gemäß § 129 Abs. 2 und 4 BO, "die fehlenden Putzteile der Hoffassade (...) ergänzen zu lassen". In der mündlichen Verhandlung vom 23. November 1994 sei festgestellt worden, daß vor allem im Sockelbereich, aber auch im mittleren Bereich des letzten Stockwerkes, Putzteile der Hoffassade fehlten. Feinputzschäden bestünden im gesamten Bereich der Hoffassade.
In der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde ausgeführt, daß die Schäden ihrer Natur nach nicht geeignet seien, ein öffentliches Interesse zu beeinträchtigen, weil sie sich im Hof befänden und in ihrem Ausmaß unbedeutend seien.
Über Ersuchen der Berufungsbehörde erstellte die Magistratsabteilung 37-Baupolizei eine Skizze der Schäden an der Hoffassade, fertigte Lichtbilder hievon an und beschrieb die festgestellten Schäden im Schreiben vom 18. April 1995 wie folgt:
"Die in den Skizzen schwarz schraffierten Stellen kennzeichnen jene Stellen, wo der Putz komplett fehlt und nur mehr das Ziegelmauerwerk sichtbar ist. Das ungefähre Flächenausmaß dieser Stellen beträgt ca. 20 m2 und es ist zu befürchten, daß hinter diesen Stellen im Inneren des Gebäudes (Wohnungen) Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelbildungen entstehen."
Der Beschwerdeführerin wurden diese Erhebungsergebnisse mit Schreiben vom 19. Mai 1995 gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und es wurde ihr die Möglichkeit gegeben, dazu innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens schriftlich oder mündlich Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin wurde nicht erstattet.
Mit Bescheid vom 29. August 1995 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Das ungefähre Flächenausmaß der Stellen, an denen der Verputz komplett fehle, betrage ca. 20 m2, und es sei zu befürchten, daß hinter diesen Stellen im Inneren des Gebäudes (Wohnungen) Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelbildung entstünden. Damit sei erwiesen, daß die Verputzschäden ein derartiges Ausmaß erreicht hätten, daß eine Instandsetzung im öffentlichen Interesse liege.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichterlassung eines baupolizeilichen Auftrages verletzt. Bei einer kritischen Prüfung der genannten Beweisergebnisse hätte die belangte Behörde zu dem Schluß kommen müssen, daß sich aus den Erhebungsergebnissen der Baupolizei kein Hinweis auf eine Gefährdung der Standfestigkeit des Hauses finde. Der angefochtene Bescheid sei insofern aktenwidrig, als er sich zur Begründung seiner Annahme, die Standfestigkeit des Hauses sei gefährdet, auf Erhebungsergebnisse der Baupolizei stütze, welchen ein derartiger Hinweis nicht zu entnehmen sei. Da die Behörde selbst davon ausgehe, daß die Verputzschäden eine Auswirkung auf die Standfestigkeit und Tragfestigkeit der Außenmauer hätten, wäre sie verpflichtet gewesen, entsprechende Erhebungen durchzuführen. Die festgestellten Verputzschäden ließen ihrer Natur und ihrem Ausmaß nach keinen Schluß auf eine Gefährdung der Standfestigkeit und Tragfähigkeit des Hauses zu. Der bloße Hinweis auf die Befürchtung einer Schimmelbildung auf der Innenseite vermöge ein derartiges Beweisergebnis zum Thema Standfestigkeit und Tragfestigkeit nicht zu ersetzen. Die Erhebungen der Baupolizei seien unschlüssig. Es werde zwar davon ausgegangen, daß hinter den Verputzschäden im Inneren des Gebäudes Feuchtigkeitsschäden zu befürchten seien;
unberücksichtigt sei jedoch geblieben, daß die Mehrzahl der Verputzschäden im Sockelbereich bestünden. Tatsächlich lägen hinter den Stellen der Hoffassade, an welchen im oberen Bereich Verputzschäden bestünden, keine Wohnungen. Eine Gesundheitsschädigung sei daher auszuschließen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (BO) hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen und dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden.
Gemäß Abs. 4 hat die Behörde nötigenfalls den Eigentümer (Miteigentümer) zur Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist zu verhalten; sie verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen und ordnet die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen an.
Ein Baugebrechen liegt dann vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtert, daß dadurch öffentliche Interessen berührt werden. Ein öffentliches Interesse, das die Behörde zum Einschreiten ermächtigt, ist schon immer dann gegeben, wenn durch den bestehenden Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1970, Slg. Nr. 7789/A).
Gemäß § 99 Abs. 1 BO müssen die Außenwände der Gebäude standfest, tragfähig und, wenn nicht anderes bestimmt ist, feuerbeständig sein.
Gemäß § 101 Abs. 2 leg. cit. sind freistehende Feuermauern und ebensolche Feuermauerteile, auch wenn sie nur vorübergehend ungedeckt bleiben, von außen zu verputzen. Die Behörde kann, wenn es die Rücksicht auf das örtliche Stadtbild erfordert, eine entsprechende Ausgestaltung sichtbarer Feuermauerteile verlangen.
Ein Verputz an Außenmauern ist erforderlich, soweit sie nicht so gestaltet sind, daß sie, ohne eines Verputzes zu bedürfen, auf die Dauer den Anforderungen des § 99 BO genügen können. Aus den Bestimmungen des § 101 Abs. 2 BO ist zu schließen, daß auch andere Mauern als Feuermauern im Falle des Erfordernisses mit einem Verputz zu versehen sind (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1964, Slg. Nr. 6215/A). Ausgehend von dieser Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 129 Abs. 2 BO ausgeführt, daß das Fehlen des Verputzes an Hofschauflächen einen Instandsetzungsauftrag zwar unter dem Gesichtspunkt einer Störung des Stadtbildes im allgemeinen nicht rechtfertigt, aber dann ein Baugebrechen darstellt, wenn festgestellt wird, daß der Verputz an Mauern fehlt, die - wegen der Gefahr des Eindringens von Niederschlägen - eines Verputzes bedürfen, um dem gesetzlichen Erfordernis der Standfestigkeit und Tragfähigkeit zu genügen. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob nicht die Beschaffenheit des Mauerwerks (z.B. wasserabstoßende Ziegel) die Behebung von Verputzschäden entbehrlich macht. Gewöhnliches Rohziegelmauerwerk ist gegen Witterungseinflüsse anfällig, weil die Niederschläge in die freigewordenen Mörtelbänder eindringen. Demnach ist ein Auftrag, den schadhaften Verputz instandzusetzen, bei Vorliegen entsprechender Verputzschäden im Gesetz begründet (vgl. die bei Geuder - Hauer, Wiener Bauvorschriften, 2. Auflage, Seite 532 ff zu § 129, dargestellte hg. Rechtsprechung).
Die belangte Behörde hat daher den Eigentümern des gegenständlichen Hauses deshalb ohne Rechtsirrtum einen Instandsetzungsauftrag erteilt, weil der schadhafte Verputz die Außenmauer des gegenständlichen Hauses Einflüssen der Witterung gegenüber aussetzt, die im Inneren des Gebäudes zu Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelbildung und in der Folge zu einer Gesundheitsgefährdung der Bewohner des Hauses führen können.
Bereits in dem der Berufungsbehörde mitgeteilten und der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebrachten Erhebungsbericht der Magistratsabteilung 37 vom 18. April 1995 wurde auf die möglichen Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelbildung im Inneren des Gebäudes durch die Putzschäden hingewiesen. Die Beschwerdeführerin ist diesen Erhebungsergebnissen im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten. Die in der Beschwerde behauptete Aktenwidrigkeit liegt somit nicht vor. Das erstmals in der Beschwerde enthaltene Vorbringen, eine Gesundheitsschädigung sei deshalb auszuschließen, weil Wohnungen hievon nicht betroffen seien, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar.
Da bei schadhaftem Verputz ein Baugebrechen vorliegt, bei welchem die Umschreibung des Schadens niemals bis in alle Einzelheiten möglich ist, erweist sich der Instandsetzungsauftrag auch als hinreichend konkretisiert.
Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungBescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche ErfordernisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995050275.X00Im RIS seit
23.07.2001Zuletzt aktualisiert am
18.07.2011