Entscheidungsdatum
28.11.2022Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag.Dr. Wessely, LL.M. als Einzelrichter über eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde des Herrn A, vertreten durch C, Rechtsanwalt in ***, im Zusammenhang mit der Abnahme von Kennzeichentafeln am 28. Mai 2022 durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Horn, zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Abnahme der Kennzeichentafeln seines KFZ durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Horn am 28. Mai 2022 auf dem Parkplatz des *** in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG keine Folge gegeben.
2. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) gemäß § 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, € 368,80 (Schriftsatzaufwand) binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren (Vorlageaufwand) wird abgewiesen.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).
Entscheidungsgründe:
Zum bisherigen Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2022 erhob der Beschwerdeführer gegen eine durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Horn (in der Beschwerde fälschlich als solche der Landespolizeidirektion Niederösterreich bzw. der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt bezeichnet) am 28. Mai 2022 erfolgte Kennzeichenabnahme eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde. Zunächst sei in seinem KFZ ein BMW-Performance Schalldämpfer-System als Abgasanlage verbaut gewesen, bei der es sich um eine eigenständige Einheit (richtig: selbständige technische Einheit) i.S.d. RL EWG/70/157 mit europäischer Zulassung handle, sodass eine separate Eintragung oder Änderung der Fahrzeugpapiere nicht erforderlich gewesen sei. Darüber hinaus könne mit der auf dem Endschalldämpfer eingebrachten Zulassungsnummer die Behörden die Zulassungsdokumente einsehen und nachvollziehen. U.a. aus den der Einbauanleitung angeschlossenen Zertifizierungsunterlagen ergebe sich, dass der erlaubte Geräuschpegel am Stand 93 dB(A) bei 3.750 U/min betrage.
Weiters seien die Lärmmessungen rechts- und vorschriftswidrig durchgeführt worden, weil der notwendige Abstand des Mikrofons (horizontal wie vertikal) zur Lärmquelle nicht eingehalten worden sei, der Sachverständige das Mikrofon unzulässigerweise (anstelle der Verwendung eines Stativs) in der Hand gehalten habe und sich innerhalb des 2-m-Radius unzulässigerweise Personen befunden hätten. Auch seien die Umgebungsgeräusche überhöht gewesen, zumal ständig andere KFZ vorbeigefahren oder angehalten worden seien. Nicht zuletzt habe ein deutlich spürbarer Wind geweht und sei die Drehzahl von 3.750 U/min im Zuge der Messung deutlich überschritten worden.
Schlussendlich wäre selbst bei korrekter Messung „Gefahr im Verzug“ nicht vorgelegen, weil der gemessene Wert von 94,3 dB (A) weniger als 3 dB(A) über dem zulässigen Wert von 93 dB(A) liege.
Dem trat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, in der sie darauf verwies, dass das eingeschrittene Polizeiorgan zutreffenderweise von der Vorschriftswidrigkeit des Fahrzeugs ausgegangen sei; näherhin lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die gegenständliche Anlage in einem Verfahren §§ 32, 33 oder 35 Abs. 5 KFG als für die Type des Fahrzeugs, unter Einhaltung der Bestimmungen des § 8 KDV 1967, geeignet erklärt worden wäre, sodass von keiner anzeigefreien Änderung i.S.d § 22a Abs. 1 Z. 2 lit. p KDV hätte ausgegangen werden können. Darüber hinaus sei die Messung korrekt erfolgt und sei von Gefahr im Verzug auszugehen gewesen. Demgemäß sei auch die Abnahme der Kennzeichentafel rechtmäßig erfolgt.
Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Beweis wurde in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erhoben durch Einsichtnahme in die Beschwerde samt Beilagen, in die Gegenschrift sowie durch Vernehmung des Beschwerdeführers sowie der Zeugen B und D.
Feststellungen und Beweiswürdigung:
Aufgrund dessen sieht das Landesverwaltungsgericht folgenden Sachverhalt als erwiesen an: Am 28. Mai 2022 gegen 11:00 Uhr wurde das damals vom Beschwerdeführer gelenkte KFZ, 335i Coupé, ***, in *** einer Fahrzeugkontrolle mit technischer Überprüfung unterzogen. Nach Anhaltung durch den Zeugen B und Zuweisung des Fahrzeugs zur Lärmmessung führte der Zeuge D, KFZ-technischer Amtssachverständiger des Amtes der NÖ Landesregierung, die Lärmmessungen durch. Insgesamt erfolgte nach einer Standgeräuschmessung drei Messungen, die bei einer Drehzahl von maximal 3.750 U/min einen Wert von 94,3 dB (A) bei einer maximalen Geräuschstärke von 81 dB (A) ergab. Während der Messung befanden sich der Mechaniker im Fahrzeug und der Zeuge D, das Mikrofon haltend, im Messbereich. Weitere Personen oder Gegenstände befanden sich nicht im Messbereich (3 m um das Fahrzeug des Beschwerdeführers). Der Beschwerdeführer wurde mit den Messergebnissen in Form des Gutachtens konfrontiert und verwies auf das E-Kennzeichen, beanstandete aber die Messung selbst nicht. Hierauf wurden ihm vom Zeugen B die Kennzeichentafel abgenommen.
Diese Feststellungen gründen sich auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, seine Angaben und die der vernommenen Zeugen. Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, dass die Drehzahl höher als angegeben gewesen sei, bleibt er für diese Annahme jede Begründung schuldig. Vielmehr zieht er sich darauf zurück, dass die Drehzahl nicht vom Drehzahlmesser abgelesen werden dürfe, sondern mit einem besonderen Messgerät festzustellen wäre. Gleichermaßen sieht es das Verwaltungsgericht als erwiesen an, dass sich im Messbereich (vom Mechaniker und vom Zeugen D abgesehen) während der Messung keine weiteren Personen oder Gegenstände befanden. Hinsichtlich beider Aspekte ist zunächst davon auszugehen, dass der beigezogene (taugliche) Sachverständige Messungen grundsätzlich lege artis und den Vorschriften entsprechend durchführt. Dass der Sachverständige die Messung trotz Hindernissen im Messbereich durchführte oder sie mit einer höheren als der im Zulassungsschein festgelegten Höchstzahl durchführte, ist daher in einem ersten Schritt nicht anzunehmen, würde dem Sachverständigen doch gleichsam unterstellt, die Messung insoweit mit Gleichgültigkeit durchgeführt zu haben. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde und im weiteren Verfahren zu beiden Aspekten anderes vorbringt, wäre nicht erklärlich, dass er als – seinen eigenen Angaben zufolge – § 57a-KFG-Prüfer den Sachverständigen oder den einschreitenden Polizeibeamten nicht sogleich auf die seines Erachtens eklatanten Mängel in der Gutachtenserstellung aufmerksam gemacht hätte. Dass nämlich derartige zentrale Umstände bei der ersten sich bietenden Gelegenheit geltend gemacht werden, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung (z.B. VwGH 27.2.2007, 2007/02/0029) und wäre es so dem einschreitenden Organ ermöglicht worden, auf die behaupteten Mängel sofort zu reagieren. Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers steht jedoch unbestrittenermaßen fest, dass dieser trotz Konfrontation mit dem Gutachten keinerlei diesbezüglichen Beanstandungen zu Gutachtenserstellung äußerte. Erstmalig wurde derartiges in der verfahrenseinleitenden Beschwerde getan, wobei in dieser (bloß) die Anwesenheit des Messorgans im Messbereich, jene dritter Personen aber überhaupt erst in der öffentlichen mündlichen Verhandlung releviert wurde.
Rechtslage und Erwägungen:
Gegenstand der Beschwerde nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sind einzelne Amtshandlungen, mithin Lebenssachverhalte. Im gegenständlichen Fall ist entsprechend dem Beschwerdevorbringen die Abnahme der Kennzeichentafeln einer Prüfung zu unterziehen.
Wird gegen eine Amtshandlung Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erhoben, ist sie vom Verwaltungsgericht auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, wobei diese Prüfung – trotz der Gegenteiliges intendierenden Formulierung des § 27 VwGVG – unabhängig von den in der Beschwerde geltend gemachten Rechten in jede Richtung zu erfolgen hat (VfSlg 14.436/1996; VwGH 25.9.1996, 96/01/0286; 9.9.1997, 96/06/0096; 15.9.1997, 94/10/0027; 23.9.1998, 97/01/0407; vgl. insb. VwGH 30.3.2016, Ra 2015/09/0139, wonach eine Bindung an die Beschwerdegründe des § 27 VwGVG nicht besteht).
Den Beurteilungsmaßstab im Maßnahmenbeschwerdeverfahren bildet die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gesetzten Amtshandlung (VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063), näherhin jene Sachlage, wie sie dem eingeschrittenen Organ im Handlungszeitpunkt bekannt war bzw. (insbesondere im Hinblick auf den Zeitfaktor) bei zumutbarer Sorgfalt bekannt sein musste (VwSlg 14.706 A/1997; VwGH 6.8.1998, 96/07/0053. Im Ergebnis ist daher zu prüfen, ob das Organ vertretbarerweise das Vorliegen der Voraussetzungen für sein Einschreiten annehmen durfte (ex ante-Beurteilung; VwSlg 14.142 A/1994; 14.706 A/1997; VwGH 25.1.1990, 89/16/0163; 21.3.2006, 2006/11/0019).
Gemäß § 58 Abs. 1 KFG können die Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, oder die ihr zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes jederzeit an Ort und Stelle den technischen Zustand und die Vorschriftsmäßigkeit eines Fahrzeuges oder seiner Teile und Ausrüstungsgegenstände überprüfen. Wird die Verkehrssicherheit durch die weitere Verwendung des Fahrzeuges gefährdet, so sind die Bestimmungen des § 57 Abs. 8 KFG anzuwenden. Dieser Bestimmung zufolge sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln unverzüglich abzunehmen, wenn die Verkehrssicherheit durch die weitere Verwendung des Fahrzeuges gefährdet wird.
Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob das einschreitende Organ, mithin der Zeuge B, im Zeitpunkt der Amtshandlung vertretbarerweise von einem solchen Mangel ausgehen durfte, bei dem unter Zugrundelegung von kraftfahrtechnischem Erfahrungswissen befürchtet werden musste, es werde sich bei (bestimmungsgemäßer) weiterer Verwendung des Fahrzeuges im Straßenverkehr eine Unfallsituation ergeben (VwGH 30.5.2001, 2001/11/0037).
Insoweit vertritt der Beschwerdeführer zunächst die Ansicht, dass aufgrund der europäischen Zulassung des Bauteils von einem zulässigen Geräuschpegel von 93 dB (A) auszugehen gewesen wäre. Dem vermag aber nicht gefolgt zu werden. Vielmehr sind Änderungen an einem einzelnen zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug einer genehmigten Type, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit oder die Umweltverträglichkeit des Fahrzeuges beeinflussen können, vom Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges grundsätzlich unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen. Anderes gilt gemäß § 22a Abs. 1 Z. 2 lit. p KDV 1967 für Auspuffschalldämpfer einer anderen als im Typenschein oder im Bescheid über die Einzelgenehmigung angegebenen Type, wenn der Zulassungsbesitzer über den Nachweis verfügt, dass diese bereits in einem Verfahren nach §§ 32, 33 oder 35 Abs. 5 KFG als für die Type des Fahrzeuges geeignet erklärt wurde. Dass der Beschwerdeführer im Kontrollzeitpunkt über einen solchen Nachweis verfügte, wird aber nicht einmal von ihm behauptet, sodass das einschreitende Organ zunächst von der Verbindlichkeit der Eingabe im Zulassungsschein ausgehen durfte. Auch lässt sich aus dem Unionsrecht keine andere Regelung ableiten, die zufolge Anwendungsvorrangs das nationale Recht in diesem Bereich verdrängt hätte; alleine der Hinweis des Herstellers, dass es keiner Änderung der Fahrzeugpapiere bedürfte, vermag eine derartige Regelung nicht zu ersetzen.
Darüber hinaus beanstandet der Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht die Erstellung des der Kennzeichenabnahme zugrundeliegenden Gutachtens. Hierzu ist zu bemerken, dass sich das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu Beurteilung des Sachverhalts eines tauglichen Sachverständigen bediente. Bedient sich aber die Behörde bzw. deren Organ zu Beurteilung relevanter Sachverhalte derartiger Gutachten tauglicher Sachverständiger, so haben sie diese zwar auf ihre Vollständigkeit, auf Freiheit von Widersprüchen sowie insbesondere auf ihre Schlüssigkeit, das heißt darauf hin zu überprüfen, ob es den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht (VwGH 7.11.2013, 2010/06/0255). Eine Prüfung auf ihre inhaltliche Richtigkeit einschließlich der fachlichen Richtigkeit ihres Zustandekommens ist jedoch nur dann durchzuführen, wenn dem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene begegnet wird. Dass aber dem vorliegenden Gutachten ein vom einschreitenden Organ erkennbarer Mangel im oben umschriebenen Sinn zugrunde liegt, vermag das Verwaltungsgericht nicht zu erkennen. Selbst wenn man eine inhaltliche Prüfung des Messvorganges forderte, hätte das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bezogen auf das Messorgan bzw. die Unterlassung der Verwendung eines Stativs schon deshalb keinen Mangel erkennen können, weil diese Vorgangsweise in Übereinstimmung mit der ECE R 51, Amtsblatt der Europäischen Union L 138/1 vom 4.6.2018, erfolgte.
Davon ausgehend durfte das einschreitende Organ aber von einer ordnungsgemäßen Messung ausgehen, sodass aufgrund der Überschreitung des Lärmpegels auf Basis der PBStV von „Gefahr im Verzug“ ausgegangen werden durfte und sich daher die Abnahme der Kennzeichentafeln als zulässig erwies. Zumal schließlich (i.S. einer Verhältnismäßigkeitsprüfung) keine schonenderen Mitteln erkennbar sind, dem Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen, kein Erfolg beschieden.
Zum Kostenausspruch:
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs. 2). Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (Abs. 3).
Gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.
Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als unterlegene Partei zu betrachten und zur Kostentragung zu verpflichten ist, wobei der Schriftsatzaufwand (€ 368,80) zuzuerkennen war. Das Mehrbegehren (Vorlageaufwand) war mangels Vorlage von Akten abzuweisen (VwGH 30.12.2019, Ra 2018/01/0350).
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Fahrzeugkontrolle; Abnahme; Kennzeichentafel; Lärmpegelüberschreitung; Gefahr in Verzug; Verkehrssicherheit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.M.42.001.2022Zuletzt aktualisiert am
27.12.2022