Entscheidungsdatum
30.11.2022Norm
B-VG Art132 Abs1 Z1Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Mag.a Victoria-Sophie Strasser, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der A, in ***, ***, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 15. September 2022, Zl. ***, betreffend (Nicht-)Zuerkennung einer Vergütung des Verdienstentganges nach dem Epidemiegesetz 1950 (EpiG), den
BESCHLUSS:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
Begründung:
1. Wesentlicher Verfahrensgang und Feststellungen:
1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (in der Folge: belangte Behörde) vom 9. Februar 2022, Zl. ***, wurde gegenüber Frau B, geboren am ***, aufgrund des Verdachts einer COVID-19-Erkrankung (Lungenkrankheit COVID-19) ihre Absonderung beginnend mit 9. Februar 2022 bis einschließlich 19. Februar 2022 an ihrer näher bezeichneten Wohnadresse behördlich angeordnet.
1.2. Am 11. Mai 2022, 10:18 Uhr, übermittelte Frau C den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) hinsichtlich Frau B (in der Folge: Dienstnehmerin), den sie als „natürliche Person“ gestellt hat. Darin nahm sie unter anderem etwa den expliziten Hinweis am Antragsformular zur Kenntnis, dass mit dem Antrag bestätigt wird, „dass Sie Ihrem Dienstnehmer den ihm gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts in Ihrem Betrieb üblichen Terminen ausbezahlt haben bzw. auszahlen werden“.
1.3. Mit dem ausschließlich an Frau C gerichteten Bescheid der belangten Behörde vom 15. September 2022, Zl. ***, wurde dieser Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges hinsichtlich der Dienstnehmerin für den Zeitraum der behördlich verfügten Absonderung von 9. Februar 2022 bis 19. Februar 2022 in Höhe von *** € abgewiesen.
Dabei lautet der Spruch auszugsweise wie folgt: „Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt weist Ihren Antrag […] ab.“.
Als Rechtsgrundlagen hierfür wurden § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 36 Abs. 2 EpiG angeführt.
Begründend wurde ausgeführt, dass eine Vergütung grundsätzlich von einem Unternehmen für den Verdienstentgang eines Dienstnehmers beantragt werden könne. Vorliegend würde es sich bei der Antragstellerin um eine natürliche Person und kein Unternehmen handeln, weshalb ihr Antrag auf Vergütung für den Verdienstentgang eines Dienstnehmers abzuweisen gewesen wäre.
1.4. Im Adressfeld dieses Bescheides ist – ausschließlich – die Antragstellerin Frau C genannt. Dieser Bescheid wurde nachweislich der Antragstellerin, Frau C in ***, ***, zugestellt. An dieser Abgabestelle wurde der Bescheid am 20. September 2022 übernommen.
1.5. Gegen diesen Bescheid brachte nunmehr die Einschreiterin Frau A fristgerecht Beschwerde ein. Zusammengefasst bringt sie darin vor, dass der Antrag im Auftrag des Dienstgebers als D Konzernpersonalabteilung gestellt worden sei. Sämtliche Daten seien vom Dienstgeber angegeben und nicht von der Privatperson (Kontodaten, Lohnkonto etc). So sei im „OnlinePortal“ lediglich das falsche Feld angekreuzt worden.
1.6. Die belangte Behörde hat diese Beschwerde mitsamt dem zugehörigen elektronischen Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Schreiben vom 28. Oktober 2022 zur Entscheidung vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die getroffenen Feststellungen und der wesentliche Verfahrensgang ergeben sich unzweifelhaft aus dem unbedenklichen Akteninhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Behörde zur Zl. ***, in dem insbesondere die Angaben zum Vergütungsantrag nachvollziehbar dokumentiert sind.
2.2. Die getroffenen Feststellungen hinsichtlich der behördlich aufgetragenen Absonderung hinsichtlich der Dienstnehmerin ist dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 9. Februar 2022, Zl. *** eindeutig zu entnehmen. Die getroffene Feststellung, dass der gegenständliche Bescheid nachweislich der Antragstellerin, Frau C in ***, ***, zugestellt wurde, ist der im Verwaltungsakt befindlichen Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments sowie der im Akt befindlichen Zustellverfügung eindeutig zu entnehmen.
3. Rechtslage:
3.1. Die maßgebliche Bestimmung des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 141/2022, lautet (auszugsweise):
[…]“
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 109/2021, lauten (auszugsweise):
„Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Anzuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
[…]
Erkenntnisse und Beschlüsse
Erkenntnisse[…]
Beschlüsse3.3. Die maßgebliche Bestimmung des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl. Nr. 186/1950 idF BGBl. I Nr. 89/2022, lautet (auszugsweise):
„Vergütung für den Verdienstentgang.4. Rechtliche Beurteilung
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist ausschlaggebend, ob der Beschwerdeführer nach der Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid – ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit – überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt sein kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so ermangelt diesem die Beschwerdeberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied macht, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (vgl. aus vielen etwa VwGH 28.4.2021, Ro 2020/09/0013, Rn. 12 ff mwH; VwGH 5.4.2022, Ra 2022/03/0073).
4.1. Zum Bescheidadressaten:
Vorausschickend festzuhalten ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits aus der verfassungsgesetzlichen Regelung des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG folgt, dass grundsätzlich nur der Bescheidadressat durch einen an ihn gerichteten Bescheid in seinen Rechten verletzt sein kann (vgl. VwGH 6.12.2021, Ra 2020/03/0067, Rn. 10 ff, mwN).
Ferner ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es für die „Gültigkeit“ eines Bescheides erforderlich, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist dann erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung im Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheides sowie für die Behörde (und das Verwaltungsgericht) sowie in weiterer Folge für den Verwaltungsgerichtshof die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht (vgl. erneut VwGH 6.12.2021, Ra 2020/03/0067, Rn. 11, mwN).
Dem Spruch des verfahrensgegenständlichen Bescheides lässt sich kein bestimmter Adressat entnehmen. Sowohl im Adressfeld als auch in der Zustellverfügung scheint jedoch die Antragstellerin Frau C auf, auch wurde der Bescheid nachweislich an die Antragstellerin Frau C zugestellt, nicht aber an die nunmehrige Beschwerdeführerin, weshalb der Bescheid auch nur gegenüber der Antragstellerin Frau C ergangen ist.
4.2. Zur Beschwerdelegitimation der Einschreiterin:
Aus Punkt 4.1. folgt, dass die Beschwerdeführerin A nicht Adressatin des an Frau C adressierten und nunmehr angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom 15. September 2022, Zl. ***, ist. Gegen Personen, die nicht als Bescheidadressat genannt sind, vermag der Bescheid nämlich keine Wirkungen zu entfalten.
Dem Beschwerdevorbringen ist demgegenüber zu entgegnen, dass es für die Prüfung der Rechtsmittellegitimation ohne Bedeutung ist, an wen ein bekämpfter Bescheid gerichtet werden hätte müssen. Für die Frage der Rechtsmittellegitimation ist nämlich ausschließlich der (tatsächliche) Inhalt des Bescheides insoweit maßgebend, als daraus zu entnehmen ist, über welche Sache der Bescheid abspricht und an wen er gerichtet bzw. für wen er bestimmt ist. Es kommt darauf an, ob im Bescheid über Rechte des Rechtsmittelwerbers abgesprochen – dh in die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers bestimmend eingegriffen – und dieser Bescheid gegenüber dem Rechtsmittelwerber erlassen wurde (vgl. VwGH 26.6.2013, 2011/05/0199, noch zu § 63 AVG).
Da der angefochtene Bescheid für die Beschwerdeführerin sohin keine Wirkungen entfalten konnte, war sie zur Einbringung einer Beschwerde auch nicht legitimiert. Frau A kann als „Nichtpartei“ dieses Verfahrens durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinn von Art. 132 Abs 1 Z 1 B-VG in ihren Rechten verletzt sein.
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen und ausschließlich an die Antragstellerin Frau C ergangenen Bescheid ist dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich demgemäß – mangels Vorliegens einer zulässigen Beschwerde der Bescheidadressatin – verwehrt.
Wird eine Beschwerde von einem dazu nicht Legitimierten eingebracht, so ist sie zurückzuweisen (vgl. zB VwGH 24.4.2014, 2012/06/0019). Die Beschwerde war daher mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin spruchgemäß zurückzuweisen.
5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war. Zudem wurde von keiner der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragt und es waren für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde keine Sachverhalts- sondern lediglich Rechtsfragen zu klären.
6. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Gesundheitsrecht; COVID-19; Verfahrensrecht; Beschwerde; Beschwerdelegitimation;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1309.001.2022Zuletzt aktualisiert am
28.12.2022