Entscheidungsdatum
06.12.2022Norm
GewO 1994 §41 Abs5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Dr. Grünstäudl als Einzelrichter über die Beschwerde des A, in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 6. September 2022, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§ 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 6. September 2022, Zl. ***, wurde A (in der Folge: Beschwerdeführer) die folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:
„Tatbeschreibung:
Mit dem Beschluss des Landesgerichtes *** vom 17.06.2022, ***, wurde über das Vermögen von der B GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
Gewerbe: Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, GISA-Zahl ***
Standort: ***, ***
Mit Schreiben vom 27.06.2022 haben Sie als Masseverwalter den Fortbetrieb für das Gewerbe Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, der Gewerbebehörde angezeigt, somit ein Fortbetriebsrecht für ein Gewerbe ausgeübt, ohne bis zum 29.7.2022 die gemäß § 41 Abs.4 GewO 1994 erforderliche Bestellung eines Geschäftsführers der Gewerbebehörde angezeigt zu haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 367 Z.9 Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 45/2018“
1.2. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 367 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) verhängt und ein Kostenbeitrag zum verwaltungsbehördlichen Verfahren in der Höhe von 20 Euro vorgeschrieben.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde. In dieser führte er im Wesentlichen aus, dass die Behörde nicht begründet habe, warum es sich beim Gewerbe „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten“ um ein sensibles gefahrengeneigtes Gewerbe handle. Darüber hinaus lasse sich eine Verpflichtung des Masseverwalters für die Bestellung eines Geschäftsführers weder aus § 39 Abs. 4 GewO 1994, noch aus § 367 Z 1 oder Z 9 GewO 1994 ableiten.
3. Feststellungen:
3.1. Mit Beschluss des Landesgerichts *** vom 17. Juni 2022, ***, wurde über das Vermögen der B GmbH mit Standort in ***, ***, das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Masseverwalter wurde der Beschwerdeführer bestellt.
3.2. Mit Schreiben vom 27. Juni 2022 meldete der Beschwerdeführer als Masseverwalter den Fortbetrieb für das Gewerbe „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten“ bei der belangten Behörde (als Gewerbebehörde) an.
3.3. Die belangte Behörde (als Gewerbebehörde) forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Juni 2022 sowie vom 15. Juli 2022 auf, einen Geschäftsführer zu bestellen. Der Beschwerdeführer zeigte bis 29. Juli 2022 keine Bestellung eines Geschäftsführers für diese GmbH an.
4. Ermittlungsverfahren und Beweiswürdigung:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten unbedenklichen Verwaltungsakt der belangten Behörde und in den Gerichtsakt. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem Akteninhalt und ist nicht strittig.
5. Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen der GewO 1994 lauten auszugsweise:
„b) Fortbetriebsrechte
§ 41.
(1) Das Recht, einen Gewerbebetrieb auf Grund der Gewerbeberechtigung einer anderen Person fortzuführen (Fortbetriebsrecht), steht zu:
1. der Verlassenschaft nach dem Gewerbeinhaber;
2. dem überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partner, in dessen rechtlichen Besitz der Gewerbebetrieb des Gewerbeinhabers auf Grund einer Rechtsnachfolge von Todes wegen oder einer Schenkung auf den Todesfall ganz oder teilweise übergeht;
3. unter den Voraussetzungen der Z 2 auch den Kindern und Wahlkindern sowie den Kindern der Wahlkinder des Gewerbeinhabers bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres;
4. der Insolvenzmasse;
5. dem vom Gericht bestellten Zwangsverwalter oder Zwangspächter.
[…]
(4) Wenn das Fortbetriebsrecht einer natürlichen Person zusteht, die das Vorliegen der für die Ausübung des betreffenden Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen nicht nachweist oder der die etwa erforderliche Nachsicht (§ 26) nicht erteilt wurde, ist von dem oder den Fortbetriebsberechtigten, falls sie nicht eigenberechtigt sind, von ihrem gesetzlichen Vertreter, ohne unnötigen Aufschub ein Geschäftsführer (§ 39) zu bestellen. Können der oder die Fortbetriebsberechtigten den für die Ausübung des betreffenden Gewerbes allenfalls vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erbringen, so kann die Behörde (§ 346 Abs. 1) auf deren Antrag die Bestellung eines Geschäftsführers nachsehen, wenn mit der Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer keine Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden sind.
(5) Steht das Fortbetriebsrecht der Verlassenschaft oder der Insolvenzmasse zu, tritt der Vertreter der Verlassenschaft oder der Insolvenzverwalter mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebes in die Funktion des Geschäftsführers ein. Er gilt nicht als Geschäftsführer, wenn mit der Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden sind. In diesem Fall hat der Fortbetriebsberechtigte einen Geschäftsführer zu bestellen.
[…]
V. Hauptstück
Strafbestimmungen
[…]
§ 367. Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2 180 € zu bestrafen ist, begeht, wer […]
9. ein Fortbetriebsrecht für ein Gewerbe ausübt, ohne die gemäß § 41 Abs. 4 erforderliche Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt zu haben; […]“
6. Rechtliche Erwägungen:
6.1. Das Recht, einen Gewerbebetrieb auf Grund der Gewerbeberechtigung einer anderen Person fortzuführen heißt Fortbetriebsrecht. Der Kreis der Fortbetriebsberechtigten ist abschließend in § 41 GewO 1994 geregelt. Zu den Fortbetriebsberechtigten gehören natürliche Personen sowie sonstige Rechtsträger (Verlassenschaft und Insolvenzmasse). § 41 Abs. 1 Z 4 GewO 1994 legt fest, dass im vorliegenden Fall die Insolvenzmasse die Fortbetriebsberechtigte und somit Gewerbetreibende ist (vgl. § 38 Abs. 2 GewO 1994; VwGH 6. Oktober 2009, Zl. 2009/04/0213).
6.2. Gemäß § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 tritt der Insolvenzverwalter mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebes ex lege in die Funktion des Geschäftsführers ein. Nur in Fällen, in denen mit der Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden sind, ist gemäß § 41 Abs. 5 zweiter Satz GewO 1994 die Bestellung eines Geschäftsführers vorgesehen, die durch den Fortbetriebsberechtigten vorzunehmen ist. In der Literatur werden in diesem Zusammenhang insbesondere die Gewerbe Augenoptiker, Bandagisten, Baumeister, Brunnenmeister, Bestattung, Chemische Laboratorien, Drogisten, Elektrotechnik, Erzeugung von kosmetischen Artikeln, Fußpflege, Gas- und Sanitärtechnik, Herstellung von Arzneimitteln und Giften und Großhandel mit Arzneimitteln und Giften, Hörgeräteakustik, Kontaktlinsenoptik, Kosmetik, Kraftfahrzeugtechnik, Massage, Miederwarenerzeugung, Orthopädieschuhmacher, Orthopädietechnik, Pyrotechnikunternehmen, Schädlingsbekämpfung, Sprengungsunternehmen, Steinmetzmeister, Waffengewerbe, Zahntechniker und Zimmermeister angeführt (vgl. Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 41).
6.3. Im vorliegenden Fall soll das Gewerbe mit der Bezeichnung „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten“ fortgeführt werden. Es ist offenkundig, dass mit der Ausübung eines derartigen Gewerbes Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden sind, weil bei diesem Gewerbe die fachlich einwandfreie Ausübung bei der Herstellung/Errichtung eines Bauwerkes und den damit verbundenen Bauarbeiten von besonderer Wichtigkeit ist. Bei dieser Art von Gewerbe können bereits geringe Fehler bei der Ausführung gravierende Folgen für das Leben und die Gesundheit von Personen nach sich ziehen.
6.4. Im angefochtenen Straferkenntnis hält die belangte Behörde dem Beschwerdeführer allerdings vor, dass er als Masseverwalter es zu verantworten habe, dass ein Fortbetriebsrecht ausgeübt worden sei, ohne die „gemäß § 41 Abs. 4 GewO 1994 erforderliche Bestellung eines Geschäftsführers der Gewerbebehörde angezeigt zu haben“ und der Beschwerdeführer daher gegen § 367 Z 9 GewO 1994 verstoßen habe.
6.5. Die belangte Behörde übersieht bei der Subsumption dieser Handlung unter die Strafbestimmung des § 367 Z 9 GewO 1994 allerdings, dass im Fall der notwendigen Geschäftsführerbestellung nach § 41 Abs. 5 letzter Satz GewO 1994 es lediglich darauf ankommt, dass die Fortbetriebsberechtigte einen Geschäftsführer zur Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes bestellt. Eine Verpflichtung der Insolvenzmasse, die Bestellung eines solchen Geschäftsführers auch bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, lässt sich jedoch weder aus § 39 Abs. 4 GewO 1994, noch aus den Bestimmungen des § 367 Z 1 und Z 9 GewO 1994 entnehmen: Einerseits richtet sich § 39 Abs. 4 GewO 1994 allein an den Gewerbeinhaber, während die fortbetriebsberechtigte Insolvenzmasse nur als Gewerbetreibende im Sinne des § 38 Abs. 2 GewO 1994 (nämlich als Ausübende des Gewerbes eines anderen Gewerbeinhabers) anzusehen ist. Andererseits stellt § 367 Z 1 GewO 1994 nur die Nichtanzeige der Geschäftsführerbestellungen gemäß § 8 Abs. 2 oder 3 GewO 1994 (bei nicht eigenberechtigten Personen), gemäß § 9 GewO 1994 (bei Rechtspersönlichkeiten) und gemäß § 16 Abs. 1 GewO 1994 (bei fehlender Befähigung) unter Strafe. Auch § 367 Z 9 GewO 1994 erklärt nur bei einem Fortbetriebsrecht einer natürlichen Person nach § 41 Abs. 4 GewO 1994 die Nichtanzeige einer Geschäftsführerbestellung als strafbar (dazu ausführlich LVwG Steiermark vom 5. März 2019, Zl. 30.25-531/2019).
6.6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Insolvenzmasse als Fortbetriebsberechtigte im verfahrensgegenständlichen Fall zwar zur Bestellung eines Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 GewO 1994 verpflichtet gewesen wäre, allerdings keine Anzeigeverpflichtung der Insolvenzmasse über die Bestellung eines solchen Geschäftsführers bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde besteht. Die Nichtbestellung eines Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 GewO 1994 wurde dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht vorgehalten. Da das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten, nämlich keine Anzeige der Bestellung eines Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 vorgenommen zu haben, keine Verwaltungsübertretung bildet, war der Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
7. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung entfällt allerdings nach § 44 Abs. 2 VwGVG, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Im gegenständlichen Fall ergab sich bereits aufgrund der Sachverhaltslage, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war. Eine Verhandlung hatte daher zu entfallen.
8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Insolvenzverfahren; Fortbetriebsrecht;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2600.001.2022Zuletzt aktualisiert am
27.12.2022