TE Vwgh Beschluss 1996/1/24 95/21/1075

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Veröffentlicht am 24.01.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über den Antrag des N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 19. Jänner 1995, Zl. Fr-5923/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 FrG, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt.

Begründung

Mit hg. Verfügung vom 22. März 1995 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Mängelbehebung durch Anschluß einer weiteren Ausfertigung der Beschwerde sowie zur Vorlage eines ausgefüllten Vermögensbekenntnisses binnen zweier Wochen aufgefordert. Innerhalb der ihm gesetzten Frist kam der Beschwerdeführer zwar den vorangeführten Aufträgen nach, legte jedoch nicht den ihm zurückgestellten angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 19. Jänner 1995 wieder vor.

Mit hg. Beschluß vom 28. Juni 1995 wurde das Verfahren über die oben angeführte, zu Zl. 95/21/0236 protokollierte, Beschwerde gemäß § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt.

Mit dem vorliegenden, am 20. Oktober 1995 eingelangten Schriftsatz begehrt der Antragsteller unter gleichzeitiger Vorlage des oben näher bezeichneten angefochtenen Bescheides die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist mit dem Vorbringen, erst durch den Beschluß, mit welchem die Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt worden war, habe der Vertreter des Beschwerdeführers davon Kenntnis erlangt, daß dem Schriftsatz vom 24. April 1995 nicht der angefochtene Bescheid beigelegt worden sei. Die Kanzleileiterin, Frau B, leite bereits seit zwei Jahren die Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers und sei stets zuverlässig und gewissenhaft gewesen und ihren Obliegenheiten genauestens nachgekommen. Im vorliegenden Fall habe sie jedoch aus einem "unerklärlichen Versehen" den angefochtenen Bescheid dem Ergänzungsschriftsatz nicht angeschlossen, obwohl sie dazu ausdrücklich beauftragt gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei somit durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis daran gehindert worden, den angefochtenen Bescheid mit dem Schriftsatz vom 24. April 1995 vorzulegen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. den hg. Beschluß vom 18. Mai 1995, Zl. 95/18/0523).

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das durch Vorlage einer eidesstättigen Erklärung der B bescheinigte Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Das Verhalten der Kanzleibediensteten des Vertreters des Antragstellers stellt sich im Verhältnis zum Antragsteller als ein unvorhergesehenes Ereignis dar, durch welches dieser ohne sein Verschulden gehindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 650, angeführte Rechtsprechung). Ein Verschulden des Vertreters trifft auch die von ihm vertretene Partei (vgl. die bei Dolp, aaO, Seite 656, angeführte Rechtsprechung). Ein Rechtsanwalt mit einem ordnungsmäßigen Kanzleibetrieb darf sich im allgemeinen, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zu persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt wird, darauf verlassen, daß sein Kanzleipersonal einem von ihm diktierten Schriftsatz die aufgetragene Beilage auch tatsächlich anschließt (vgl. die bei Dolp, aaO, Seite 658, angeführte Rechtsprechung). Dem Vertreter des Antragstellers kann somit ein Sorgfaltsverstoß im Sinne einer mangelhaften Überwachung seines Kanzleibetriebes nicht angelastet werden, weshalb die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995211075.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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