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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §207;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. Februar 1994, Zl. GA 7-654/1/94, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer einer GmbH, welche ihrerseits (geschäftsführende) Komplementärin einer GmbH & Co KG war.
Mit Bescheid des Finanzamtes wurde der Beschwerdeführer nach Aufhebung der über die Vermögen beider Gesellschaften eröffneten Konkurse zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten (darunter insbesondere Umsatzsteuervorauszahlung für die Monate Dezember 1987 sowie Jänner und Februar 1988) der KG im Ausmaß von S 2,586.615,-- herangezogen.
In der dagegen eingebrachten Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, im Zeitraum Dezember 1987 bis Februar 1988 habe die Gesellschaft keine umsatzsteuerpflichtigen Geschäfte mehr getätigt, sodaß keine Umsatzsteuer habe anfallen können. Überdies sei die Umsatzsteuer für Jänner und Februar 1988 erst im März bzw April 1988 zur Zahlung fällig gewesen, zu diesem Zeitpunkt sei jedoch bereits der Masseverwalter eingesetzt gewesen, sodaß ein Verschulden des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben sein könne.
Mit Berufungsvorentscheidung wurde der Berufung insoweit teilweise Folge gegeben, als der Beschwerdeführer nur mehr zur Haftung für Abgaben (Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 1987) im Ausmaß von S 330.047,-- herangezogen wurde. In dem dagegen eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde darauf hingewiesen, daß im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlungen Dezember 1987, dem 10. Februar 1988 keinerlei liquide Mittel mehr zur Verfügung gestanden und auch keine (anderen) Verbindlichkeiten Dritter mehr getilgt worden seien. Überdies wurde Verjährung eingewandt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung im Umfang der Berufungsvorentscheidung stattgegeben. In der Begründung räumte die belangte Behörde hinsichtlich eines am 10. Februar 1988 fälligen Säumniszuschlages, für welchen der Beschwerdeführer ebenfalls zur Haftung herangezogen worden war, ein, daß dem Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt nach seinem Vorbringen KEINE Mittel (mehr) zur Verfügung gestanden seien und ihm daher keine Verletzung der Zahlungspflicht vorgeworfen werden könne (weshalb der Berufung ua diesbezüglich stattgegeben wurde).
Hinsichtlich der ebenfalls am 10. Februar 1988 fälligen Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 1987 ging die belangte Behörde hingegen, gestützt auf das hg Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, 90/15/0145, davon aus, daß es sich bei der Umsatzsteuer um eine mit den Preisen vereinnahmte Abgabe handle, weshalb der Vertreter zu ihrer gänzlichen Abfuhr ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft bei korrekter Geschäftsführung jedenfalls in der Lage sein müsse. Daß die der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlung zugrunde liegenden Forderungen nicht hätten realisiert werden können, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Vielmehr wäre vorgebracht worden, daß ua im Dezember 1987 keine umsatzsteuerpflichtigen Geschäfte mehr getätigt worden wären. Diesem Einwand könne aber auf Grund der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1987 vom 19. Februar 1988, in welcher ausgehend von steuerpflichtigen Umsätzen im Gesamtbetrag von rund S 2,4 Mill eine Vorauszahlung in der Höhe von S 437.570,-- gemeldet worden sei, nicht gefolgt werden. Zufolge der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 1987 am 10. Februar 1988 wäre auch die Verjährungsfrist von fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres 1988 zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides noch nicht abgelaufen gewesen, eine Verjährung daher nicht erfolgt.
Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte Teile der Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unberechtigt ist der Beschwerdevorwurf, die Umsatzsteuervorauszahlung, für welche die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung durch den angefochtenen Bescheid bestätigt wurde, sei verjährt, weil der Abgabenanspruch diesbezüglich im Dezember 1987 entstanden, der Haftungsbescheid aber erst im Februar 1993 erlassen worden sei. Der Beschwerdeführer übersieht hiebei, daß die Frage der Entstehung des Abgabenanspruches nur für die Frage der Bemessungsverjährung von Bedeutung ist. Da es sich jedoch bei der Erlassung eines Haftungsbescheides um eine Einhebungsmaßnahme handelt, ist für die Frage nach der Zulässigkeit eines Haftungsbescheides die Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO maßgebend, welche aber - wie die belangte Behörde zu Recht ausführte - auf die Fälligkeit der Abgabe abstellt (vgl Ritz, BAO, Kommentar, S 516). Da die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 1987 am 10. Februar 1988 fällig war, war die Einhebungsverjährung bei Erlassung des Haftungsbescheides im Jahr 1993 auch ohne Berücksichtigung allfälliger Unterbrechungshandlungen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038) jedenfalls noch nicht abgelaufen.
Auch die behauptete Aktenwidrigkeit hinsichtlich der Höhe der streitgegenständlichen Abgabe liegt nicht vor, weil die im angefochtenen Bescheid erwähnte Rückstandsaufgliederung vom 21. September 1993 in den vorgelegten Verwaltungsakten enthalten ist. Dabei handelt es sich entgegen der Annahme des Beschwerdeführers nicht um die Beilage zur Berufungsvorentscheidung, wenngleich auch diese mit 21. September 1993 datiert ist. Ob ein "Abgabenbescheid über diese Summe vorhanden" ist, ist im Hinblick darauf, daß es sich bei der Umsatzsteuer um eine Selbstbemessungsabgabe handelt und eine Umsatzsteuervoranmeldung tatsächlich abgegeben wurde, nicht von Bedeutung.
Verfehlt ist auch die Ansicht des Beschwerdeführers, Voraussetzung für seine Heranziehung zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der KG sei zunächst die Erlassung eines Haftungsbescheides an die GmbH. Die belangte Behörde hat sich in diesem Zusammenhang zu Recht auf das hg Erkenntnis vom 10. Juni 1980, 535/80, gestützt, wonach bei einer GmbH & Co KG die der geschäftsführenden GmbH gemäß § 81 Abs 1 BAO auferlegte Pflicht zur Abfuhr der Abgaben der KG in Ansehung des Tatbestandsbildes des § 80 Abs 1 BAO auch den Geschäftsführer der GmbH in seiner Eigenschaft als deren gesetzlichen Vertreter trifft und daher auch seine Inanspruchnahme nach § 9 Abs 1 BAO rechtfertigt (vgl auch das hg Erkenntnis vom 7. Juni 1989, 88/13/0127-0132). Daher kommt der Frage, ob der GmbH ein (gesonderter) Haftungsbescheid zugestellt wurde, keine Bedeutung zu.
Dennoch ist die Beschwerde berechtigt: Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid - insoweit sie der Berufung hinsichtlich Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 1987 nicht stattgegeben hat - gestützt auf hg Judikatur davon aus, daß es sich bei der Umsatzsteuer um eine mit den Preisen bereits vereinnahmte Abgabe handle und der Vertreter zur gänzlichen Abfuhr der Umsatzsteuer ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft bei korrekter Geschäftsführung jedenfalls in der Lage sein müsse.
In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038, auf welches gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, hat der Gerichtshof unter Hinweis auf die zu dieser Frage ergangene uneinheitliche Judikatur ausgesprochen, daß die von ihm verschiedentlich vertretene Ansicht, die Umsatzsteuer werde mit den Preisen für die erbrachten Lieferungen und sonstigen Leistungen bezahlt und stehe daher für die Abfuhr an das Finanzamt ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten zur Verfügung, nicht aufrecht hält. Vielmehr ist auch bei der Umsatzsteuer zu prüfen, ob ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, widrigenfalls dies eine für die Uneinbringlichkeit kausale schuldhafte Verletzung der Abfuhrpflicht des Vertreters ausschließen kann.
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde, wie sich insbesondere aus ihren Ausführungen zu dem am 10. Februar 1988 - somit zu dem dem Fälligkeitszeitpunkt für die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 1987 entsprechenden Zeitpunkt - fällig gewesenen Säumniszuschlag ergibt, davon ausgegangen, daß nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in diesem Zeitpunkt keine Mittel (mehr) zur Verfügung standen. Standen dem Beschwerdeführer aber - ungeachtet der Frage, ob nun im Dezember 1987 noch "umsatzsteuerpflichtige Geschäfte getätigt" wurden - zum 10. Februar 1988 KEINE Mittel mehr zur Verfügung, so erweist sich seine Heranziehung zur Haftung schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im pauschalen Aufwandersatz bereits berücksichtigt ist und Stempelgebühren nur für die drei Beschwerdeschriftsätze im Ausmaß von insgesamt S 360,-- und eine Beilage im Ausmaß von S 120,-- zuzusprechen waren, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung an Beilagen nur der angefochtene Bescheid und dieser nur einfach vorzulegen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994130069.X00Im RIS seit
11.07.2001