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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sacher sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; mangelhafte Auseinandersetzung mit der Asylrelevanz des Vorbringens (Konversion) im Rahmen des Folgeantrages sowie mit der extremen Volatilität der Sicherheitslage bei der Prüfung des subsidiären SchutzstatusSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an.
2. Der Beschwerdeführer stellte am 14. August 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11. Juli 2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 8. Jänner 2020 als unbegründet abgewiesen.
4. Der Beschwerdeführer stellte am 10. August 2020 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 12. April 2021 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen wurde. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
5. Mit Erkenntnis vom 21. Mai 2021 änderte das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werde.
5.1. Begründend wird in der Entscheidung ausgeführt, dass sich die Konversion nach den Angaben des Beschwerdeführers im Jahr 2016 – "und somit definitiv vor Beendigung des Verfahrens betreffend den Erstantrag des Beschwerdeführers" – ereignet habe, weshalb diesem Vorbringen die Rechtskraft des Erkenntnisses vom 8. Jänner 2020 entgegenstehe und der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei.
6. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
7. Die Gerichts- und Verwaltungsakten wurden vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2021, E2979/2021, zugrunde liegenden Beschwerde, die sich gegen eine in den wesentlichen Entscheidungsgründen gleichlautende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wendet.
2. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, insbesondere auf die Rz 17 bis 19 des gefällten Erkenntnisses hinzuweisen. Daraus ergibt sich, dass sich das Bundesverwaltungsgericht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union mit der Frage auseinanderzusetzen hat, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers, das "neue Elemente oder Erkenntnisse" iSd Art40 Abs2 und 3 RL 2013/32/EU darstellt (EuGH 9.9.2021, Rs C-18/20, XY/BFA), bereits im Rahmen des Folgeantrages auf das Vorliegen eines glaubhaften Kerns zu prüfen ist oder ob dies im Rahmen einer Wiederaufnahme des bereits abgeschlossenen früheren Asylverfahrens möglich ist (siehe zur Beantwortung dieser Frage VwGH 19.10.2021, Ro 2019/14/0006). Daran ändert auch nichts, dass die zitierte Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht ergangen war, weil der Verfassungsgerichtshof den nun offenkundigen Begründungsmangel des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls aufzugreifen hat (vgl idZ VfSlg 16.401/2001). Da das Bundesverwaltungsgericht in diesem wesentlichen Punkt seiner Begründungs- und Ermittlungspflicht nicht nachgekommen ist, erweist sich seine Entscheidung hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als objektiv willkürlich.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten. Die als "ERV" geltend gemachten Kosten in der Höhe von € 2,10 sind schon deshalb nicht zuzusprechen, weil diese bereits mit dem Pauschalsatz abgegolten sind (vgl zB VfGH 9.12.2014, B751/2013).
Schlagworte
Asylrecht, res iudicata, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung, EU-Recht, VorabentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E2606.2021Zuletzt aktualisiert am
23.12.2022