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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §26 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl un Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der R-GmbH in W, vertreten durch Dr. A in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. April 1994, Zl. GA 8-1590/94, betreffend Haftung für Lohnsteuer für den Zeitraum vom 1. Jänner 1986 bis 31. Dezember 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Anläßlich einer bei der Beschwerdeführerin, einer inländischen GmbH mit Sitz in Wien, durchgeführten Lohnsteuerprüfung über den Zeitraum 1. Jänner 1986 bis 31. Dezember 1989 wurde u.a. festgestellt, daß deren Geschäftsführer (in der Folge nur Geschäftsführer) einen "Wohnsitz mit seiner Gattin" an einer näher bezeichneten Adresse im
5. Wiener Gemeindebezirk habe. Es bestehe daher unbeschränkte Steuerpflicht, weshalb die Lohnsteuer für den Prüfungszeitraum neu zu berechnen und diesbezüglich ein Betrag von S 499.788,-- nachzufordern sei. Mit Haftungs- und Zahlungsbescheid des Finanzamtes wurde der Beschwerdeführerin u.a. dieser Betrag vorgeschrieben.
In einer dagegen eingebrachten Berufung wurde vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe keine Gelegenheit gehabt, zu den diesbezüglichen Prüferfeststellungen Stellung zu nehmen. Andernfalls hätte nachgewiesen werden können, daß der Geschäftsführer seinen ordentlichen Wohnsitz vom 14. Juni 1979 bis 30. August 1989 in der Schweiz gehabt und sich weniger als 180 Tage jährlich in Österreich aufgehalten habe. Die betreffende Wohnung in Wien V. befinde sich im Eigentum der Mutter des Geschäftsführers und sei vom Geschäftsführer im Prüfungszeitraum nur für kurzfristige Zwischenaufenthalte benützt worden. Der Geschäftsführer sei in der Schweiz im Prüfungszeitraum al Prokurist zweier Gesellschaften tätig gewesen. In der Folge legte die Beschwerdeführerin eine Bescheinigung einer Schweizer Gemeinde vor, wonach der Geschäftsführer seit 14. Juni 1979 in dieser Gemeinde ununterbrochen angemeldet gewesen sei, und gab über Vorhalt des Finanzamtes bekannt, daß es sich bei der Wohnung in Wien V. um eine Hauptmietwohnung im Ausmaß von 40 m2 handle, deren Hauptmieterin die Mutter des Geschäftsführers sei. In dieser Wohnung sei der Geschäftsführer vom 6. August 1953 bis 23. Oktober 1978, in den Jahren 1987 bis 1991 aber nur jeweils (durchgehend) zwischen rund ein bis fünf Monaten gemeldet gewesen. Die Gattin des Geschäftsführers se in der Wohnung von 1968 bis 1990 gemeldet gewesen, im Jahr 1990 habe sie sich in B angemeldet. Die Wohnung in B werde von der Gattin seit mehr als zehn Jahren als tatsächlicher Wohnsitz genutzt. Der Sohn des Geschäftsführers sei im Jahr 1973 angemeldet worden, wobei im Jahr 1990 eine Ummeldung in der Weise erfolgt sei, daß die Wohnung in Wien V. zum Zweitwohnsitz und die Wohnung in B zum ordentlichen Wohnsitz erklärt worden sei. Die entsprechenden Meldezettel wurden angeschlossen.
Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die polizeiliche Meldung oder die Unterlassung derselben sei für die Frag des Wohnsitzes nicht entscheidend. Der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff stelle auf keine bestimmte rechtsgeschäftliche Form ab, sondern knüpfe an die tatsächliche Gestaltung der Dinge an. Nach der tatsächlichen Gestaltung hätten sowohl die Gattin als auch der Sohn des Geschäftsführers den ordentlichen Wohnsitz ständig in Österreich, und zwar bis 1990 in Wien V. und danach in B. Hauptmieter der Wohnung in Wien V. sei die Mutter des Geschäftsführers. Gattin, Sohn und Mutter des Geschäftsführers lebten also ständig in Österreich, daher seien als Mittelpunkt des Familienlebens auch die Räumlichkeiten, die in Österreich zur Verfügung stünden und nicht jen in der Schweiz anzusehen. "Von der Wohnsitzfrage her (Mittelpunkt der Lebensinteressen als Ort, zu dem die stärksten persönlichen Beziehungen bestehen)" sei daher unbeschränkte Steuerpflicht im Sinne des § 1 EStG 1972 bzw. EStG 1988 (des Geschäftsführers) gegeben.
Die Beschwerdeführerin stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte in einem Nachtrag hiezu aus, daß sich der Geschäftsführer und seine Gattin im Jahr 1978 "de facto" getrennt hätten. Diese Trennung sei auch der Grund für die am 6. Dezember 1978 erfolgte Schenkung der Liegenschaft in B vom Geschäftsführer an seine Gattin gewesen. Der Schluß der belangten Behörde, daß Gattin, Sohn und Mutter des Geschäftsführers ständig in Österreich gelebt hätten und daher für de Geschäftsführer als Mittelpunkt des Familienlebens auch die in Österreich zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten anzusehen seien und nicht jene in der Schweiz, sei daher gedanklich nicht nachvollziehbar
In der dem Geschäftsführer von seiner Mutter fallweise zur Verfügung gestellten Wohnung in Wien V., welche von jener nicht regelmäßig benützt worden sei, was durch geringen Verbrauch an Gas, Strom und Telefon nachweisbar sei, habe sich keine persönliche Habe des Geschäftsführers, sondern nur die Einrichtung der Mutter befunden. Di persönlichen Beziehungen des Geschäftsführers zu seiner Ehegattin seien auf ein Minimum reduziert gewesen und nur zur Kontaktpflege mit seinem Sohn aufrechterhalten worden. Im Streitzeitraum hätten die Gattin des Geschäftsführers und sein Sohn jedenfalls ausschließlich i B gewohnt. Der Geschäftsführer habe sich in B nicht aufgehalten. Im Jahr 1984 habe sich die Gattin des Geschäftsführers scheiden lassen wollen, aus verschiedenen, hier nicht relevanten Gründen sei es aber nur zu einer (dem Schriftsatz angeschlossenen) Unterhaltsvereinbarung zwischen dem Geschäftsführer und seiner Gattin gekommen, aus welcher u. a. hervorgeht, daß die Ehegatten seit Jahren getrennt lebten und di Ehe unheilbar zerrüttet erscheine. Der Geschäftsführer habe in den Jahren 1986 bis 1989 den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Schweiz gehabt, wo er sich auch überwiegend aufgehalten habe. Über weiteren Vorhalt der Behörde führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, daß der Geschäftsführer auch private Gründe, die mit dem Anbot seiner Gattin auf Scheidung zusammenhingen, gehabt habe, sich überwiegend in der Schweiz aufzuhalten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Die im wesentlichen mit der Begründung, die Mutter des Geschäftsführers habe diesem die streitgegenständlichen Räumlichkeiten im Zuge seiner fallweisen Aufenthalte in Wien zur Verfügung gestellt, was nichts anderes bedeute, als daß diese Räumlichkeiten ihm stets dann zur Verfügung gestanden seien, wenn er sich in Wien aufgehalten habe. Damit liege aber ein Innehaben im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO schon deshalb vor, weil ihm ganz offensichtlich die Möglichkeit zur Verfügung gestanden sei, die Räume für den Wohnbedarf jederzeit benutzen zu können. Daß die jährliche Dauer dieser Aufenthalte nie mehr als 180 Tage betragen habe, sei in diesem Zusammenhang unbeachtlich, weil bereits mehrwöchige Aufenthalte einen Wohnsitz begründen könnten. Bedeutsam sei vielmehr die im Zusammenhang mit den beruflichen Aufenthalten in Wien stehende und mit einer gewissen Regelmäßigkeit erfolgende Benutzung der Wohnräumlichkeiten, was schon daraus hervorgehe, daß er in den Jahren 1987 bis 1989 stets einige Wochen an dieser Adresse gemeldet gewesen sei und auch in den folgenden Zeiträumen Meldungen über monatelange Anwesenheiten in W. erfolgt seien. Berücksichtige man weiters, daß seine Mutter die bezughabenden Räumlichkeiten nicht regelmäßig benutzt und ihrem Sohn bei Bedarf zur Verfügung gestellt habe, so sei davon auszugehen, daß derselbe diese eingerichteten und damit bewohnbaren Räumlichkeiten nach Maßgabe der beruflichen Erfordernisse ständig benutzen habe können.
Stets wiederkehrende Aufenthalte in Wien, die unbestrittenermaßen mit der Benutzung der in Rede stehenden Wohnung in Verbindung gestanden seien, seien aber ganz offensichtlich auch schon deshalb erforderlich, weil er als Geschäftsführer und Gesellschafter (25 %) der Beschwerdeführerin fungiert und für diese Tätigkeit im Streitzeitraum nicht unbeträchtliche Einkünfte bezogen habe, welche jedenfalls höher gewesen seien als die in der Schweiz erhaltenen Bezüge. Eine derart entlohnte Tätigkeit könne aber naturgemäß nur bei einer gewissen Regelmäßigkeit von Aufenthalten am Sitz des Arbeitgebers erfüllt werden, weshalb seinerseits wirtschaftliche Interessen vorgelegen seien, die die Beibehaltung und Benutzung der Wohnräumlichkeiten in Wien erforderlich gemacht hätten.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht "auf beschränkte Besteuerung bzw. fehlerfreie Anwendung des § 26 BAO verletzt" und beantragte dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vo und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Sowohl nach dem EStG 1972 als auch nach dem EStG 1988 ist für die Beurteilung der Frage, ob eine natürliche Person unbeschränkt oder beschränkt einkommensteuerpflichtig ist, entscheidend, ob sie im Inland u.a. einen Wohnsitz hat.
Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung ist steuerrechtlich das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung des Besitzes - hier gleichbedeutend mit Innehabung - einer Wohnung geknüpft. Die polizeiliche Meldung oder die Unterlassun derselben ist ebensowenig für die Frage des Wohnsitzes entscheidend, wie der Umstand, ob Miete bezahlt wird oder nicht. Der Wohnsitzbegrif des Steuerrechtes ist demnach auf keine bestimmte rechtsgeschäftliche Form abgestellt, sondern knüpft an die tatsächliche Gestaltung der Dinge an. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es daher nur der tatsächlichen Verfügungsgewalt übe bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ei dessen persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten. In diesem Sinn können auch Untermietzimmer, im Fall einer Dauermiete sogar Hotelzimmer eine Wohnung und damit einen Wohnsitz gemäß § 26 Abs. 1 BAO darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1990, 89/13/0015).
Vor diesem Hintergrund kann aber der Ansicht der belangten Behörd nicht gefolgt werden, daß die Wohnung in Wien V. einen die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht begründenden Wohnsitz des Geschäftsführers im Streitzeitraum darstellt. Der Umstand, daß die Mutter des Geschäftsführers als Hauptmieterin der Wohnung diese dem Geschäftsführer im vier Jahre umfassenden Prüfungszeitraum dreimal (und auch in den zwei Folgejahren 1990 und 1991 je einmal)
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wenngleich für längere Zeiträume - zur Verfügung gestellt hat, bedeutet für sich allein nämlich nicht, daß der Geschäftsführer jederzeit die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Wohnung hatte. Stellt sich doch die jeweilige Überlassung der Wohnung durch die Mutter des Geschäftsführers als Ausfluß deren tatsächlicher Verfügungsgewalt dar. Das "Wiederbeziehen" ein und derselben Wohnung stellt sachverhaltsbezogen keinen Umstand dar, der es in sich schlösse, daß die Wohnung auf Grund eigener Verfügungsgewalt des Geschäftsführers "beibehalten" würde. Die im angefochtenen Bescheid getroffene Sachverhaltsfeststellung, daß dem Geschäftsführer dessen Mutter die Räumlichkeiten im Zuge seiner fallweisen Aufenthalte in Wien zur Verfügung gestellt habe, bedeutet vielmehr, daß die Wohnung
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bei Bedarf - auf Grund jeweiliger Willensentscheidungen der Mutter neuerlich zur Verfügung gestellt wurde.
Soweit sich die belangte Behörde zur Stützung ihrer Rechtsansicht darauf beruft, daß unter Berücksichtigung der Funktion des Geschäftsführers für die Beschwerdeführerin eine gewisse Regelmäßigkeit von Aufenthalten am Sitz der Arbeitgeberin (= Beschwerdeführerin) erforderlich gewesen wäre, so mögen diese Umstände einen Wohnsitz indizieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1964, 1885/62), wenn dem Steuerpflichtigen eine Wohnung tatsächlich jederzeit - ohne die Zustimmung einer anderen Person einholen zu müssen, wie dies in dem oben zitierten Erkenntnis durch die Untermiete von Räumlichkeiten der Fall war - zur Verfügung steht. Ist dies - wie gegenständlich - nicht der Fall, so ändert auch ein allfälliges Interesse an einer Wohnmöglichkeit - welche letztlich auc bei wiederkehrenden Aufenthalten in einem Hotel gefunden werden kann nichts daran, daß ein Wohnsitz nicht vorliegt. Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß im oben zitierten hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1990 ausgeführt worden war, daß ein Hotelzimmer nur im Fall der Dauermiete einen Wohnsitz begründen kann. Würde ein (und dasselbe) Hotelzimmer wiederkehrend wi gegenständlich oder auch in kürzeren Zeitabständen als im gegenständlichen Fall neu gemietet (z.B. jede Woche zwei Tage), so würde dieses zweifellos ebensowenig einen Wohnsitz begründen, wie die gegenständliche Wohnung.
Der Beschwerdeführerin ist daher zuzustimmen, daß die belangte Behörde dem Tatbestandsmerkmal des "Beibehaltens" einer Wohnung im Sinne des § 26 BAO nicht die ihm zukommende Bedeutung beigemessen und den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die gerügten Verfahrensmängel.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Durch die Entscheidung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995130150.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
07.02.2018