Norm
BDG 1979 §43 Abs2 i.d.g.F. i.V.m. BDG 1979 §91Schlagworte
Verdacht der VergewaltigungText
Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 17.11.2022 beschlossen, das am 15.03.2021 bezüglich des Beamten, wegen des Verdachtes, er habe
im Jahr 2005 und von 07.12.2005 bis Herbst 2006 (dem Urteil des N.N. vom 18.12.2020, AZ N.N. zufolge jedenfalls im Zeitraum Anfang 2006 bis Herbst 2006) an und mit dem damals minderjährigen A.A., der seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person (fast täglich) geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er in mehreren Angriffen den Oralverkehr an A.A. vollzog und diesen überdies mehrfach (wöchentlich) anal (mit dem Finger, dem Penis oder einem Gummidildo) penetrierte und habe er ab dem Sommer 2007 bis 12.12.2007 A.A. mehrfach mit Gewalt oder Drohung zum Beischlaf und zum Oralverkehr gezwungen,
er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 i. d. g. F. i. V. m. § 91 BDG 1979 i. d. g. F. begangen,
eingeleitete Disziplinarverfahren gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 i. V. m. § 118 Abs. 2, 1. Halbsatz BDG 1979 einzustellen.
Begründung
Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige des N.N. vom 18.02.2021, GZ N.N.
Die Dienstbehörde hat am 09.02.2021 mit dem Einlangen der Kopie des Strafaktes Kenntnis vom Sachverhalt erlangt.
Inhalt der Disziplinaranzeige
Aus dem Strafakt ergibt sich, dass der Beamte verdächtig ist, sich der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses gemäß § 212 Abs. 1 StGB schuldig gemacht zu haben. Er stand weiters auch wegen pornografischer Darstellungen Minderjähriger im Verdacht, wobei eine Einstellung der StA erfolgte, da die auf bei ihm sichergestellten Bild- und Videomaterialien ersichtlichen Personen keinem konkret minderjährigem Alter zuordenbar waren.
Zu den beiden Verdachten auf §§ 201 und 212 StGB ergibt sich für die Dienstbehörde der Sachverhalt bisher so:
Anlass für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens beim N.N. war die Anzeige seiner Tochter, B.B., am 18.01.2020. Aus ihrer Einvernahme und der späteren Einvernahme ihres Bruders, C.C., sowie der Einvernahme des Herrn A.A., ergibt sich, dass der Beamte im Jahr 2005 den damals minderjährigen A.A. bei sich im Haushalt als Ziehsohn aufgenommen, sich um ihn gekümmert, ihm sein Leben finanziert, aber auch ein sexuelles Verhältnis zu ihm gepflegt habe. Kennengelernt hätten sich beide im Internet über eine Plattform für Homosexuelle. A.A. stammte ursprünglich aus N.N. Aufgrund der prekären häuslichen Situation bei seiner Mutter – diese habe ihn angeblich geschlagen und wäre auch mit seinem Outing als homosexuell nicht einverstanden gewesen – wollte er um jeden Preis das Leben bei seiner Mutter hinter sich lassen. Der Beamte habe sich auf der Internetplattform als 17-jähriger ausgegeben und sie hätten einige Monate Kontakt via Internet und dann auch per Telefon gehabt. Dabei habe „N.N.“ dem A.A. angeboten, er könne bei ihm und seinen Eltern wohnen, denn es würde ohnehin ein Au-pair für seine kleine Schwester gebraucht. A.A. habe sich darauf eingelassen. Auch seiner Mutter habe er davon erzählt, die sich mit dem Aufenthalt bei seinem Freund „N.N.“ einverstanden erklärt habe. Kurz vor seiner Abreise nach N.N. habe der Beamte ihn dann angerufen und gebeichtet, dass er sich fälschlich als 17-Jähriger ausgegeben hätte, sich aber ihn in verliebt hätte und er ihn trotzdem gerne bei sich wohnen lassen würde. A.A. sei dann dennoch zu ihm gekommen. Während seines Aufenthalts beim Beamten habe er regelmäßig geschlechtliche Handlungen mit und an ihm vorgenommen, insbesondere habe A.A. den Beamten oral befriedigen müssen und sich vom Beamten auch Analverkehr sowie Penetrationen mit Fingern oder Gegenständen gefallen lassen müssen. Dies auch gegen seinen Willen und unter Anwendung von Gewalt, sodass er regelmäßig im Analbereich geblutet habe. Er habe das alles weiter über sich ergehen lassen, da er befürchtet habe, wieder zurück nach N.N. zu seiner Mutter geschickt zu werden. Auch nach seinem 18. Geburtstag habe er aufgrund seiner finanziellen Notlage und weil er nicht gewusst hätte, wo er hinsollte, - nach einer kurzen Unterbrechung - weiter bei ihm gewohnt.
B.B. war zum Zeitpunkt des Einzugs von A.A. neun Jahre alt. Mit ungefähr 14 Jahren – als A.A. bereits ausgezogen gewesen sei – habe sie erst erfahren, was A.A. alles für ihren Vater „tun“ hätten müssen.
Nunmehr habe B.B. gegen ihren Vater eine Anzeige erstattet, da er ihr kürzlich auf WhatsApp Fotos von seinem „Aktuellen“ geschickt hätte, auf denen ein sehr junger Mann zu sehen sei. Aus Angst, dass ihr Vater einem Jungen noch einmal „so etwas“ antun würde, wäre sie nunmehr zur Polizei gegangen.
Aus dem Abschlussbericht des N.N. vom 04.10.2020 ergab sich daher der Verdacht, dass der Beamte seinen Ziehsohn A.A. ab dem Sommer 2007 bis 12.12.2007 mehrfach mit Gewalt oder Drohung zum Beischlaf und zum Oralverkehr gezwungen haben soll.
Weiters stand er im Verdacht, mit und an seinem Ziehsohn A.A., von ca. Mitte November 2005 bis zu dessen 18. Geburtstag, unter Ausnützung seiner Stellung, geschlechtliche Handlungen vorgenommen zu haben.
Weiters stand er im Verdacht, in Besitz von kinderpornographischen Bild- und Videodateien zu sein. Bei einer Hausdurchsuchung beim Beamten zuhause wurden 1409 verdächtige Dateien vorgefunden.
Am 11.11.2020 erfolgte seitens der StA N.N. die Teileinstellung der Verdachte auf § 201 StGB (Vergewaltigung) sowie § 207a StGB (Pornographische Darstellung Minderjähriger).
§ 201 StGB wurde eingestellt, da sich aus der Einvernahme des Opfers, A.A. ergab, dass die erste mutmaßlich verübte Vergewaltigung erst nach seinem 18. Lebensjahr stattfand und damit zwischenzeitig verjährt war.
§ 207a StGB wurde eingestellt, da die Tatbegehung nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnte, da die auf den Dateien, die bei der Hausdurchsuchung gefunden wurden, abgebildete Personen keinem konkret minderjährigen Alter zuordenbar waren.
Hinsichtlich des Verdachts auf § 212 StGB (Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses) erfolgte am 11.11.2020 ein Strafantrag an das LG N.N. In diesem wurde dem Beamten zu Last gelegt, dass er in einem noch näher festzustellenden Zeitraum im Jahr 2005 und von 07.12.2005 bis Herbst 2006 dem damals minderjährigen A.A., der seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er in mehreren Angriffen den Oralverkehr an A.A. vollzog und diesen überdies mehrfach anal digital penetrierte.
Das LG N.N. beraumte die Hauptverhandlung daraufhin für den 18.12.2020 an.
Am 06.12.2020 langte der Antrag der Opfervertreterin des A.A., auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich des eingestellten § 201 StGB ein. Vorgebracht wurde, dass A.A. sich nun doch auch an sexuelle Handlungen mit Gewalt gegen seinen Willen vor dem 18. Lebensjahr erinnert habe, sodass noch keine Verjährung hinsichtlich dieser Taten eingetreten sei.
Weiters wurde vorgebracht, dass die Vergewaltigungen nach dem 18. Lebensjahr eine posttraumatische Belastungsstörung des A.A. zur Folge hätten und damit die Qualifikation des § 201 Abs. 2 BDG 1979 mit einer längeren Strafdrohung von 5-15 Jahre maßgeblich sei, sodass es auch hinsichtlich dieser Taten noch zu keiner Verjährung gekommen sei.
Die StA bestellte daher am 17.12.2020 die Sachverständige D.D. aus dem Fachgebiet Psychologie zur Klärung hinsichtlich einer psychischen Beeinträchtigung des A.A. durch die mutmaßlichen Taten des Beamten.
Am 18.12.2020 fand die anberaumte Hauptverhandlung vor dem LG N.N. statt. Als Zeuge wurde das Opfer A.A. kontradiktorisch vernommen. Aus seiner Aussage ergab sich auch für das Gericht der Verdacht, dass sexuelle Handlungen mit Gewalt gegen seinen Willen auch vor dem 18. Lebensjahr stattgefunden hätten, sodass das LG N.N. ein Unzuständigkeitsurteil erließ, zumal Verbrechen nach § 201 StGB (Vergewaltigung) nicht in den Zuständigkeitsbereich des LG als Einzelrichter fallen.
Das Strafverfahren befindet sich derzeit daher wieder im Stadium des Ermittlungsverfahrens. Das Gutachten der D.D. wird bis Anfang April erwartet. Nach Auskunft der StA wird es sodann eine neuerliche Anklage geben.
Zusammenfassung:
Aus dem Verdacht auf Begehung der strafbaren Handlung der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 1 und 2 StGB sowie des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses gemäß § 212 StGB ergibt sich der Verdacht, dass der Beamte durch sein Verhalten gegen die Bestimmung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen und dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG 1979 begangen zu haben.
Beweismittel:
Strafakt der StA N.N. zu N.N. bzw. neu N.N.
Angaben des Verdächtigen
Der Beamte wurde am wurde am 29.05.2020 vor dem N.N., zu den Vorwürfen einvernommen. Weiters wurde er auch in der Hauptverhandlung am 18.12.2020 vor dem LG N.N. zur Sache einvernommen. In beiden Fällen machte er nicht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und bekannte sich der zur Last gelegten Taten nicht schuldig.
Der Beamte wurde mit Urteil des Landesgerichts N.N., AZ N.N. gemäß § 259 Z 3 StPO vom Tatverdacht der Begehung der §§ 201, 15. i. V. m. 212 StGB freigesprochen.
Gegenständliches Urteil kam der Bundesdisziplinarbehörde am 17.11.2022 zu. Einer fernmündlichen Auskunft der N.N. zufolge, ist das gegenständliche Urteil in Rechtskraft erwachsen.
Der Senat hat dazu erwogen:
Rechtsvorschriften:
§ 43 Abs. 2 BDG zufolge hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
§ 95 Abs. 1 BDG besagt, dass, wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen ist. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 vorzugehen.
Abs. 2 leg. cit. Ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines Verwaltungsgerichts) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (das Verwaltungsgericht) als nicht erweisbar angenommen hat.
Der oben angeführten Gesetzesbestimmung des § 95 Abs. 2 BDG zufolge ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellungen eines Strafgerichts gebunden.
Der Beamte wurde mangels an Beweis vom Tatverdacht der Begehung der ihm zur Last gelegten Vorwürfe freigesprochen.
Nachdem das, der Bundesdisziplinarbehörde zur Anzeige gelangten Verhalten vom Gerichtsurteil bzw. vom Sachverhalt, der dem Gericht zur Beurteilung vorgelegt wurde, umfasst ist, liegt Idealkonkurrenz zwischen dem dienstrechtlichen Vorwurf und dem vom Gericht abvotierten Verhalten vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
22.12.2022