TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/24 95/21/1100

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Veröffentlicht am 24.01.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. September 1995, Fr 3362/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG) ein bis 11. Juli 2000 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 19. Jänner 1990 die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nur deshalb geschlossen habe, um in den Besitz eines Befreiungsscheines und einer Aufenthaltsbewilligung zu gelangen. Die Ehe sei mittlerweile mit Beschluß des Bezirksgerichts Baden vom 21. November 1991 geschieden worden. Die geschiedene Ehefrau habe bei ihrer Einvernahme durch Beamte des Gendarmeriepostens Leobersdorf am 18. Mai 1995 angegeben, die Ehe mit dem Beschwerdeführer sei lediglich eine "Scheinehe" gewesen und sie habe dafür S 20.000,-- erhalten. Es habe nie ein gemeinsamer Haushalt mit dem Beschwerdeführer bestanden. Der Beschwerdeführer habe auch wenig Deutsch gesprochen, sodaß erhebliche Sprachschwierigkeiten vorgelegen hätten. Die Ehe habe lediglich dazu gedient, dem Beschwerdeführer eine Arbeitsbewilligung zu verschaffen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin bei seiner niederschriftlichen Befragung am 24. Mai 1995 angegeben, daß es sich um eine "Liebesheirat" gehandelt hätte, wofür er keinen Geldbetrag habe bezahlen müssen. Die Heirat sei auch durch niemanden angebahnt worden. Der Beschwerdeführer habe weiters erklärt, im August 1993 eine türkische Staatsangehörige geheiratet zu haben, die am 10. Jänner 1994 ein gemeinsames Kind zur Welt gebracht habe. Aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigung seiner Mutter mit Datum 19. Juli 1991, wonach diese für ihr Enkelkind sorgen würde, ergebe sich jedoch, daß der Beschwerdeführer mit seiner späteren Ehefrau bereits während der noch aufrechten Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin ein gemeinsames Kind gehabt haben müßte. Es sei weiters festzustellen, daß der Beschwerdeführer am 14. Oktober 1989 sichtvermerksfrei eingereist sei und lediglich aufgrund der Eheschließung einen Befreiungsschein sowie jeweils befristete Sichtvermerke, zuletzt mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 23. Mai 1995, erhalten habe. Es komme demgemäß der Aussage seiner geschiedenen Ehefrau höhere Glaubwürdigkeit zu als den Angaben des Beschwerdeführers, der durch unwahre Angaben die drohende Entziehung der Aufenthaltsberechtigung abzuwenden versuche.

Das Eingehen einer Ehe ausschließlich zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlicher Berechtigungen stelle nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen groben Rechtsmißbrauch dar; der Aufenthalt des betreffenden Fremden im Bundesgebiet gefährde ein geordnetes Fremdenwesen und damit die öffentliche Ordnung im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG.

Der Beschwerdeführer könne sich auf das Bestehen seiner rechtsmißbräuchlich im vorbeschriebenen Sinn herbeigeführten Aufenthaltsberechtigung nicht berufen. Der mit dem Aufenthaltsverbot bewirkte Eingriff in sein Privatleben sei nach § 8 Abs. 2 MRK zulässig, weil - zur Erreichung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten. Die Familie des Beschwerdeführers halte sich in der Türkei auf, sodaß die öffentlichen Interessen im konkreten Fall jedenfalls schwerer wögen als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht erschöpft sich das Beschwerdevorbringen darin, daß der Beschwerdeführer darauf verweist, daß er in seiner Einvernahme die Aussage seiner geschiedenen Ehegattin, es habe sich bei ihrer Ehe lediglich um eine "Scheinehe" gehandelt und ein gemeinsamer Haushalt nie bestanden, bestritten habe. Die belangte Behörde habe auch zu Unrecht festgestellt, daß er seine ehemalige türkische "Ehegattin" wieder geheiratet habe. In Wahrheit habe er seine frühere "Freundin" geheiratet, von der er während seiner Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin S getrennt gelebt habe. Zum Nachweis dafür habe er die Bestätigung seiner Mutter vom 19. Juli 1991 vorgelegt, aus der hervorgehe, daß diese das gemeinsame Kind mit seiner nunmehrigen (türkischen) Ehefrau und früheren "Freundin" betreut habe.

Damit bestätigt der Beschwerdeführer die Ausführungen im angefochtenen Bescheid jedenfalls insoweit, als dort festgehalten ist, daß der Beschwerdeführer nach Scheitern der Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin S die Mutter seines während dieser Ehe bereits vorhandenen Kindes geheiratet habe. Ob der Beschwerdeführer nach Scheidung der Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin S seine frühere "Ehefrau" oder "Freundin" geheiratet hat, ist nicht von Bedeutung. Entscheidend ist, daß in beiden Fällen im Zusammenhang mit den weiter unten angeführten Umständen eine nur vorgetäuschte eheliche Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin indiziert wird. Dagegen spricht auch nicht die vom Beschwerdeführer vorgelegte Bestätigung seiner Mutter, wonach diese für dessen Kind gesorgt habe. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen im Bescheid der belangten Behörde hatte der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme noch davon gesprochen, daß es sich bei der Ehe mit S um eine "Liebesheirat" gehandelt habe, wofür er keinen Geldbetrag habe bezahlen müssen. Nun gesteht der Beschwerdeführer insoweit in Übereinstimmung mit der Aussage der Zeugin S zu, daß er dieser anläßlich der Eheschließung einen Geldbetrag von S 20.000,-- bezahlt habe, wenn auch der Beschwerdeführer diesen Geldbetrag als "Mitgift" verstanden haben will. Nach dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Inhalt der Aussage der Zeugin S - daß die Angaben der Zeugin S im Bescheid unrichtig festgehalten worden wären, wird nicht behauptet - hatte die Zeugin S klar deponiert, daß es sich dabei um ein Entgelt für die "angebahnte" Eheschließung gehandelt habe, deren Zweck gewesen sei, dem Beschwerdeführer eine "Arbeitsbewilligung" sowie eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Damit im Einklang stehen die weiters unbekämpft gebliebenen Feststellungen, daß der Beschwerdeführer am 14. Oktober 1989 sichtvermerksfrei eingereist war und er demgemäß lediglich eine Aufenthaltsberechtigung (allerdings nicht für eine Erwerbstätigkeit) für die Dauer von drei Monaten hatte. Aufgrund seiner Eheschließung hat der Beschwerdeführer unbestritten am 13. März 1990 einen Befreiungsschein ausgestellt sowie ab 5. Mai 1990 Sichtvermerke erhalten. Unbestritten bleibt auch, daß zwischen dem Beschwerdeführer und S erhebliche Sprachbarrieren bestanden haben.

Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, die belangte Behörde hätte überprüfen müssen, ob S den Geldbetrag von S 20.000,-- nicht als "Mitgift" erhalten habe, so bleibt nach den Beschwerdeausführungen offen, wozu dies hätte durchgeführt werden müssen. Die belangte Behörde hat sämtliche in der Beschwerde angesprochenen Beweise ohnehin aufgenommen; demgemäß wird auch nicht gerügt, daß im Verwaltungsverfahren unterlassen worden wäre, relevante Beweise aufzunehmen. Damit bestehen aber im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) gegen die aus den vorerwähnten Beweisergebnissen gezogene Schlußfolgerung der belangten Behörde, daß entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers anzunehmen sei, die Ehe sei nur zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen für den Beschwerdeführer geschlossen worden, keine Bedenken.

Die belangte Behörde hat zutreffend das im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ausschließlich zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsbewilligung) erblickt. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung handelt es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein Verhalten, das als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0220 ua.). Dieses Fehlverhalten stellt eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 18 Abs. 1 leg. cit. dar, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertigt. Ungeachtet des damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers ist das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 FrG zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und zulässig (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053). Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung (die Familie des Beschwerdeführers befindet sich in der Türkei; der Beschwerdeführer hat sich seinen bisher legalen Aufenthalt lediglich in der aufgezeigten Weise erschlichen) stößt auf keine Bedenken, zumal in der Beschwerde keine Umstände geltend gemacht werden, die im angefochtenen Bescheid bei der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung nicht schon berücksichtigt worden wären.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995211100.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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