TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/24 95/21/1229

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Veröffentlicht am 24.01.1996
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Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des I in B, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. November 1995, Zl. Fr 2793/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. November 1995 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz (FrG) ein bis 1. Juni 2000 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet.

In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer sei am 1. September 1990 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist und habe weder zum Zeitpunkt seiner Einreise noch zum Zeitpunkt seiner Eheschließung am 20. Februar 1991 über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Der Beschwerdeführer habe die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nur deshalb geschlossen, um sich eine Aufenthaltsberechtigung und einen Befreiungsschein gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zu verschaffen. Am 24. Februar 1991 sei dem Beschwerdeführer ein Befreiungsschein ausgestellt und in weiterer Folge seien ihm Sichtvermerke erteilt worden. Die Ehe sei am 11. September 1994 einvernehmlich gemäß § 55a Ehegesetz geschieden worden.

Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle einen evidenten Rechtsmißbrauch dar und rechtfertige die Annahme, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde.

Die letzte Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers sei bereits am 12. April 1995 abgelaufen; er halte sich somit (seither) rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Weder aus dem Akteninhalt noch aus seiner Berufung seien nähere Bindungen zu im Inland aufhältigen Personen ersichtlich. Seine Beschäftigung aufgrund eines Befreiungsscheines könne nicht entscheidend zu seinen Gunsten gewertet werden, weil er diesen nur durch das Eingehen einer dem Wesen der österreichischen Rechtsordnung nicht entsprechenden Ehe erlangt habe. Auch die Dauer seines Aufenthaltes sei nur durch das Eingehen einer "Scheinehe" ermöglicht worden. Bei Abwägung der für und gegen ein Aufenthaltsverbot sprechenden öffentlichen und privaten Interessen sei die Behörde zur Ansicht gelangt, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bekämpft nicht den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt, vertritt jedoch die Ansicht, die Erlangung einer Arbeitsbewilligung in Österreich sei ein legitimes Bestreben, welches mit dem Recht jedes Menschen auf Arbeit konform gehe. Der Versuch, über die Eheschließung mit einer Österreicherin eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu erlangen, sei kein Verhalten, das die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit eines Staates gefährde.

Die Ausführungen im Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zl. 88/01/0324, auf welches der Beschwerdeführer verweist, daß nämlich eine rechtsmißbräuchlich geschlossene Ehe nicht dem Interesse am Aufrechterhalten der öffentlichen Ordnung entgegenstehe, sind insoweit zu einem anders gelagerten Sachverhalt ergangen, als im damaligen Beschwerdefall die Ehe noch aufrecht war. Im Beschwerdefall erblickte die belangte Behörde jedoch in der Eheschließung und nachfolgenden Scheidung und unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers einen offensichtlichen Rechtsmißbrauch zwecks Verschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen; dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Wenn die belangte Behörde das im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG relevante Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ausschließlich zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen erblickte, entspricht dies der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge dieser Rechtsmißbrauch als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 95/18/1161, uva.). Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers ist seinem Gehalt nach der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten und stellt - von der belangten Behörde zutreffend erkannt - eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. dar, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertigt (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 95/18/1161). Im vorliegenden Fall kommt überdies noch die weitere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch den unberechtigten Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 13. April 1995 dazu.

2. Der Beschwerdeführer erachtet den Eingriff durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes als so schwerwiegend, daß die Anwendung des Art. 8 Abs. 2 MRK "dem Sinn des Gesetzes zuwiderläuft". Die Tatsache seiner Eheschließung zur Erlangung einer Arbeitsbewilligung rechtfertige nicht die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes.

Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 95/18/1161) das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 FrG zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) in den Fällen der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe dringend geboten und demnach zulässig ist.

3. Unter Hinweis auf seinen Aufenthalt in Österreich seit September 1990, seine Eheschließung, das Nachgehen einer geregelten Arbeit und die Unterlassung strafbarer Handlungen meint der Beschwerdeführer, die belangte Behörde hätte gemäß § 20 FrG von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes absehen müssen.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nur bis zum 12. April 1995 erlaubt war und die Erlaubtheit dieses Aufenthaltes - ebenso wie die Arbeitsbewilligung - nur auf sein rechtsmißbräuchliches Verhalten zurückzuführen ist. Die aus der Dauer des Aufenthaltes resultierende Integration kann daher nicht wesentlich zugunsten des Beschwerdeführers veranschlagt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/1184). Unter Berücksichtigung des Fehlens familiärer Beziehungen im Bundesgebiet und des genannten Umstandes, die Erlaubtheit des Aufenthaltes und der Beschäftigung im Bundesgebiet aufgrund rechtsmißbräuchlichen Verhaltens erlangt zu haben, stößt im Hinblick auf das hohe öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung auf keine Bedenken (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1184).

4. Da - wie ausgeführt - bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995211229.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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