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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art 139 Abs1 Z1Leitsatz
Zurückweisung eines – unzulässigen – Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung der VerkehrsbeschränkungsV einer Steiermärkischen Bezirkshauptmannschaft; keine Bedenken gegen die angefochtene VerordnungsbestimmungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, der Verfassungsgerichtshof möge
"§1 betreffend das Überholverbot 'Beginnend ab und endend bei den jeweils angegebenen Stellen' 'Kilometer 9,102 bis 9,420, Fahrtrichtung Graz, ausgenommen Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen, sowie vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge' der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 09.12.2019, GZ: 11.0-24/1997, betreffend dauerhafte Verkehrsbeschränkungen bzw Verkehrsverbote auf der Bundesstraße 76, kundgemacht durch Straßenverkehrszeichen gemäß §44 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159 idF BGBl I Nr 68/2017, als gesetzwidrig auf[…]heben."
II. Rechtslage
1. §1 der am 9. Dezember 2019 erlassenen "Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg, mit der dauernde Verkehrsbeschränkungen bzw Verkehrsverbote auf der Bundesstraße 76 verfügt werden", Z 11.0-24/1997, (im Folgenden: Verordnung vom 9. Dezember 2019) lautet (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"§1
Beginnend ab und endend bei den jeweils angegebenen Stellen ist das Überholen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen verboten.
Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt durch die Anbringung von Verbotszeichen gemäß §52 lita Ziffer 4 a StVO ('Überholen verboten') beidseits der Straße, sowie durch die Anbringung der Verbotszeichen gemäß §52 lita Ziffer 4 b StVO ('Ende des Überholverbotes') auf der rechten Fahrbahnseite. Erforderlichenfalls sind entsprechende Zusatztafeln anzubringen.
Km
4.250
bis
3.403
ausgenommen Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen sowie vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge, Fahrtrichtung Graz
Km
6.527
bis
7.098
Fahrtrichtung Eibiswald
Km
9,120
bis
9,420
Fahrtrichtung Graz ausgenommen Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen sowie vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge
Km
16.561
bis
16.828
Fahrtrichtung Graz und Eibiswald, ausgenommen Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen sowie vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge
Km
20.238
bis
20.964
Fahrtrichtung Eibiswald
Km
25,400
bis
25,820
in beiden Fahrtrichtungen
Km
33.726
bis
34.141
Fahrtrichtung Graz und Eibiswald"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159/1960, lauten in der jeweils geltenden Fassung:
"§16. Überholverbote.
(1) […]
(2) Außer in den im Abs1 angeführten Fällen darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen:
a) mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen 'Überholen verboten' gekennzeichnet sind; es darf jedoch überholt werden, wenn rechts zu überholen ist[…],
b) – d) […].
(3) […]
[…]
§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. […]
c) – d) […]
(1a) – (11) […]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. […] Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
(1a) – (5) […]
[…]
§48. Anbringung der Straßenverkehrszeichen.
(1) Die Straßenverkehrszeichen (§§50, 52 und 53) sind als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, daß sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Im Verlauf derselben Straße sind womöglich Straßenverkehrszeichen mit gleichen Abmessungen zu verwenden.
(1a) […]
(2) Die Straßenverkehrszeichen sind auf der rechten Straßenseite oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Die zusätzliche Anbringung an anderen Stellen ist zulässig. […]
(3) – (6) […]
[…]
§51. Allgemeines über Vorschriftszeichen.
(1) Die Vorschriftszeichen sind vor der Stelle, für die sie gelten, anzubringen. Gilt die Vorschrift für eine längere Straßenstrecke, so ist das Ende der Strecke durch ein gleiches Zeichen, unter dem eine Zusatztafel mit der Aufschrift 'ENDE' anzubringen ist, kenntlich zu machen, sofern sich aus den Bestimmungen des §52 nichts anderes ergibt. Innerhalb dieser Strecke ist das Zeichen zu wiederholen, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert. Gilt ein Überholverbot oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Straßenstrecke von mehr als 1 km, so ist bei den betreffenden Vorschriftszeichen die Länge der Strecke mit einer Zusatztafel nach §54 Abs5 litb anzugeben, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert; dies gilt für allfällige Wiederholungszeichen sinngemäß.
(2) – (5) […]
§52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) Gebotszeichen oder
c) Vorrangzeichen.
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
1. – 3c. […]
4a. 'ÜBERHOLEN VERBOTEN'
[Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt an, dass das Überholen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen verboten ist. Es ist auf beiden Seiten der Fahrbahn anzubringen.
4b. 'ENDE DES ÜBERHOLVERBOTES'
[Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt das Ende des Überholverbotes (Z4a) an.
4c. – 14b. […]
b) – c) […]
[…]
§94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde
(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder – im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist – der Landespolizeidirektion ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde
a) für die Verkehrspolizei, das ist die Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften und die unmittelbare Regelung des Verkehrs durch Arm- oder Lichtzeichen, nicht jedoch für die Verkehrspolizei auf der Autobahn,
b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden,
c) […]
d) für Hinweise auf Gefahren und sonstige verkehrswichtige Umstände, unbeschadet des Rechtes des Straßenerhalters nach §98 Abs3,
e) – g […]
h) für die Feststellung von unfallverhütenden Maßnahmen gemäß §96 Abs1.
(2) […]"
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 16. September 2020 anhängig, mit welchem über den Beschwerdeführer gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von € 90,– (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 17 Stunden) verhängt wurde, weil er am 14. Juli 2020 um 9.06 Uhr im Gemeindegebiet von Rossegg auf der B 76 bei Straßenkilometer 9,3 in Fahrtrichtung Graz als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten mehrspurigen Kraftfahrzeuges das Überholverbot missachtet und damit gegen §16 Abs2 lita StVO 1960 verstoßen habe.
2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Steiermark nach Art139 Abs1 Z1 B-VG den unter Punkt I. wiedergegebenen Antrag.
2.1. Zur Präjudizialität führt das Landesverwaltungsgericht aus, in der Beschwerde sei behauptet worden, dass die Verordnung, mit der das Überholverbot erlassen wurde, nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sei. Das Landesverwaltungsgericht habe "die das Überholverbot anordnende Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 19.12.2019, GZ: 11.0-24/1997, unmittelbar anzuwenden."
2.2. Seine Bedenken zur nicht ordnungsgemäßen Kundmachung der bekämpften Verordnungsstellen legt das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen wie folgt dar (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg hat am 19.12.2019 eine Verordnung betreffend dauerhafte Verkehrsbeschränkungen bzw Verkehrsverbote auf der Bundesstraße 76 verfügt. §1 der Verordnung lautet:
'Beginnend ab und endend bei den jeweils angegebenen Stellen ist das Überholen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen verboten.'
Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt durch die Anbringung von Verkehrszeichen gemäß §52 lita Z4a StVO ('überholen verboten') beidseits der Straße sowie durch die Anbringung der Verbotszeichen gemäß §52 lita Z4b StVO ('Ende des Überholverbotes') auf der rechten Fahrbahn[s]eite. Erforderlichenfalls sind entsprechende Zusatztafeln anzubringen.
Der für das gegenständliche Überholverbot geltende Bereich lautet:
'Kilometer 9,120 bis 9,420, Fahrtrichtung Graz, ausgenommen Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen sowie vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge.'
[…]
Im Zuge des vom Landesverwaltungsgericht Steiermark anhängigen Beschwerdeverfahrens zu dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 16.09.2020, wurde vom Beschwerdeführer behauptet, dass die Verordnung nicht rechtmäßig sei und insbesondere die Verkehrszeichen nicht entsprechend der Verordnung aufgestellt worden seien. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark führte Erhebungen durch. Wie aus der vorgelegten Verordnung ersichtlich, ist gemäß §1 das Überholen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen verboten, beginnend ab und endend bei den jeweils angegebenen Stellen. Betreffend den verfahrensgegenständlichen Straßenabschnitt ist somit der Beginn bei 9,120, Fahrtrichtung Graz angegeben und das Ende bei Kilometer 9,420, ebenfalls Fahrtrichtung Graz, mit der Zusatztafel ausgenommen Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen sowie vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge.
[…]
Da im gegenständlichen Fall der Beginn des Überholverbotes bei Str.km 9,120, Fahrtrichtung Graz, verordnet worden ist und wie die Erhebungen ergeben haben, in der Natur bei Str.km 9,420, das Überholverbot mit der entsprechenden Zusatztafel auf beiden Seiten aufgestellt wurde, widerspricht die Aufstellung und somit Kundmachung der Verordnung dem Verordnungstext. Auszuführen ist, wie sich dies aus dem beigelegten Orthofoto ergibt, dass die Kilometrierung der B76, Fahrtrichtung Graz, von 9,4 auf 9,1 abfallend ist. Daher kann der Beginn des Überholverbotes in Fahrtrichtung Graz nur auf Höhe 9,420 aufgestellt werden und widerspricht daher die Aufstellung dem Wortlaut der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 04.11.2020, GZ 11.0-24/1997. Die Lichtbilder wurden am 13.01.2021 vor Ort aufgenommen. Im Zuge der Befahrung musste auch festgestellt werden, dass in Fahrtrichtung Graz im gegenständlichen Bereich das Überholverbot nicht beendet wurde, zumindest findet sich bei Kilometer 9,120 kein Verkehrszeichen."
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die auf die angefochtene Verordnung Bezug habenden Akten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in welcher den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Dieses Überholverbot [beginnend bei Kilometer 9,420 in Richtung Graz … und endend bei Kilometer 9,120 in Richtung Deutschlandsberg] wurde [erstmalig] in die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 14.06.2012, GZ.: 11.0[-]24/1997 aufgenommen und langte am 28.06.2012 […] die Vollzugsmeldung der […]Straßenmeisterei Deutschlandsberg ein, die das Aufstellen der Verkehrszeichen bei der […] angeführten Kilometrierung mit[…]teilte. Die Verordnung war damit kundgemacht.
Richtig ist, dass die B 76 aufsteigend, von Lannach beginnend bis zum Ende der B 76 kilometriert ist. Nicht richtig ist es jedoch, wie das Landesverwaltungsgericht in dem gegenständlichen Antrag […] anmerkt, dass das Ende des Überholverbots bei Kilometer […] 9,120 nicht durch das entsprechende Verkehrszeichen kundgemacht sei.
[…] [Eine Vertreterin der verordnungserlassenden Behörde] hat am Tage, als [s]ie Kenntnis von der Vorortbesichtigung durch die Richterin des Landesverwaltungsgerichts Steiermark durch einen Anruf derselben bei [dieser erlangte,] sofort an Ort und Stelle (im Zuge der Heimfahrt nach dem Dienst) Nachschau gehalten. Obwohl die [Vertreterin der verordnungserlassenden Behörde] täglich zwei Mal diese Stelle im Zuge der Hin- und Rückfahrt von ihrem Wohnort zur Dienststelle befährt, hätte es nämlich (es war Jänner als das Telefonat stattgefunden hat und es hatte zuvor stark geschneit) durchaus sein können, dass ein Schneeräumgerät das Verkehrszeichen aus der Verankerung gerissen hatte. Das Verkehrszeichen war jedoch an der richtigen Stelle an der rechten Fahrbahnseite bei Kilometer 9,120 deutlich sichtbar aufgestellt.
Erklärend darf darauf hingewiesen werden, dass die Verordnungen der diversen Straßen im Bezirk Deutschlandsberg immer die Geschäftszahl der Erstverordnung beibehalten und die jeweiligen Änderungen nur mittels des Datums der Verordnung und im Betreff den Zusatz 'Änderung', aufgenommen werden. Die Änderungen werden in Kursivschrift und fett (siehe Originalverordnung zu diesem Überholverbot vom 14.06.2012) hervorgehoben. Ein weiterer Hinweis zu den jeweiligen Änderungen findet sich unmittelbar vor der Unterschriftsklausel.
Daher wurde dem Landesverwaltungsgericht auch die für das dort anhängige Verfahren zum Zeitpunkt des Tatgeschehens gültige Verordnung aus dem Jahr 2019 übermittelt bzw diese vom Landesverwaltungsgericht angefordert.
Das Überholverbot in §1 dieser Verordnung war jedoch in der nun dem hohen Verfassungsgericht übermittelten Verordnung vom 14.06.2012 ursprünglich erstmals aufgenommen worden[,] um weiteren schwere[n] Unfälle[n] […] entgegenzuwirken.
[…]
Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg ersucht[,] dem Antrag [des] Landesverwaltungsgerichts Steiermark auf Aufhebung der dem Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegenden Verordnung aufgrund von Gesetzwidrigkeit nicht stattzugeben.
Die Verkehrszeichen auf der B 76 sind richtig aufgestellt und ist für jeden Verkehrsteilnehmer 'Anfang und Ende' des Überholverbots deutlich wahrnehmbar. In der Verordnung wurden auch die richtigen Kilometrierungen für den Bereich des Überholverbots, nämlich den Bereich zwischen Kilometer 9,120 bis 9,420 aufgenommen und auch[,] dass das Überholverbot nur in Fahrtrichtung Graz verordnet wurde. Aber in die Verordnung wurde nicht dezi[d]iert aufgenommen, dass der Beginn des Überholverbots bei Kilometer 9,120 sei und das Ende bei Kilometer 9,420 sei, das wurde vom rechtsanwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers so interpretiert und offensichtlich auch vom Landesverwaltungsgericht Steiermark so ausgelegt.
Dabei wird offensichtlich auf den ersten Satz in §1 der Verordnung Bezug genommen, der da lautet 'beginnend ab und endend bei…'."
4. Die Steiermärkische Landesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, muss begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden (§57 Abs1 erster Satz VfGG). Der Antrag hat die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen (§57 Abs1 zweiter Satz VfGG).
2. Um das strenge Erfordernis des §57 Abs1 erster Satz VfGG zu erfüllen, müssen die bekämpften Verordnungen bzw Verordnungsstellen genau und eindeutig bezeichnet sein (vgl zB VfSlg 8594/1979, 13.230/1992, 16.710/2002, 19.027/2010).
Wenn in dem in Punkt I. des Antrages formulierten Antragsbegehren ein Teil der Wort- und Ziffernfolge, deren Aufhebung beantragt wird, falsch wiedergegeben wird ("§1 betreffend das Überholverbot […] 'Kilometer 9,102 [richtig: 9,120] bis 9,420 […]' der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 09.12.2019"), so führt dies für sich genommen nicht zur Unzulässigkeit des Antrages. Da im übrigen Antragsvorbringen stets auf Straßenkilometer 9,120 Bezug genommen wird, nimmt der Verfassungsgerichtshof an, dass dem Landesverwaltungsgericht insoweit nur ein als offenkundiger Schreibfehler zu wertender Zitierfehler unterlaufen ist (vgl VfSlg 18.567/2008).
3. Der vorliegende Antrag entspricht jedoch nicht dem Erfordernis des §57 Abs1 zweiter Satz VfGG, wonach ein Antrag auf Aufhebung einer Verordnung die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen hat:
In dem in Punkt I. des Antrages formulierten Antragsbegehren wird die Aufhebung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 9. Dezember 2019 begehrt. Bedenken werden im übrigen Antragsvorbringen aber nicht (auch) gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 9. Dezember 2019, sondern nur gegen die Gesetzmäßigkeit der – ihr materiell derogierenden, ebenfalls im Gerichtsakt einliegenden – Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 4. November 2020, Z 11.0-24/1997, dargelegt (Punkt IV. des Antrages).
4. Da dem Antrag damit ein nicht iSd §18 VfGG verbesserungsfähiger Mangel anhaftet, ist er als unzulässig zurückzuweisen (vgl VfSlg 19.027/2010).
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Bedenken, Derogation, VfGH / Legitimation, VerkehrsbeschränkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V29.2021Zuletzt aktualisiert am
22.12.2022