Index
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959Norm
B-VG Art139 Abs1 Z2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung 2017 (NAPV 2017) des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft; Anspruch natürlicher und juristischer Personen auf Erlassung entsprechender Maßnahmen wie Aufhebung oder Änderung der NAPV 2017 gemäß dem – im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren ergangenen – Urteil des EuGH; Verpflichtung des Bundesministers zur Setzung von Maßnahmen, um den Nitratgehalt im Grundwasser auf 50 mg/l gemäß der Nitrat-Richtlinie zu reduzierenSpruch
I. Die Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II Nr 385/2017 wird – mit Ausnahme von §2 Abs5 und 6 – als gesetzwidrig aufgehoben.
II. §2 Abs5 und 6 der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II Nr 385/2017 waren gesetzwidrig.
III. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E394/2021 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Die Beschwerdeführer in dem zu E394/2021 protokollierten Verfahren stellten mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2015 beim (damals zuständigen) Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft den Antrag, die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm 2012 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II 260/2014 (im Folgenden: Verordnung Aktionsprogramm 2012) so zu novellieren bzw neu zu erlassen, dass die Verordnung den Vorgaben der Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (im Folgenden: Nitrat-Richtlinie), ABl. 1991 L 375, 1, entspricht.
1.2. Die erstbeschwerdeführende Partei ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die dazu verpflichtet ist, die öffentliche Aufgabe der Wasserversorgung in einem spezifisch umfassten Gebiet wahrzunehmen. Sie ist der viertgrößte Wasserversorger in Österreich und stellt die Versorgung von ungefähr 160.000 Menschen sicher. In ihrem Einzugsgebiet besteht für die Eigentümer von bebauten Grundstücken grundsätzlich eine Pflicht zum Anschluss an das Wassernetz. Damit das Wasser als Trinkwasser benutzt werden kann, muss der Nitratgehalt unter 50 mg/l liegen. An einzelnen Messstellen überschreitet der Nitratgehalt des entnommenen Grundwassers diesen Wert aber um mehr als 100 %. Dieses Wasser wird daher vor der Abgabe aufbereitet, um den Nitratgehalt unter 50 mg/l zu senken.
1.3. Der Zweitbeschwerdeführer besitzt einen Hausbrunnen. Das Wasser aus diesem Brunnen wies zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Änderung der Verordnung Aktionsprogramm 2012 einen Nitratgehalt von 59 mg/l auf. Im Dezember 2017 wurde zwar der Nitratgehalt von 50 mg/l nicht überschritten, doch schwanken die Werte, so dass eine Überschreitung des Nitratgehalts von 50 mg/l nicht ausgeschlossen ist.
1.4. Die drittbeschwerdeführende Partei, eine Gemeinde, betreibt einen Brunnen für kommunale Zwecke, dessen Wasser auf Grund des hohen Nitratwertes als nicht trinkbar eingestuft ist. Zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Änderung der Verordnung Aktionsprogramm 2012 betrug der Nitratgehalt 71 mg/l.
1.5. Die – zum Zeitpunkt der Antragstellung idF BGBl II 260/2014 geltende – Verordnung Aktionsprogramm 2012 wurde (danach weitere) drei Mal novelliert. Seit 19. Dezember 2017 steht die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung – NAPV; im Folgenden: NAPV 2017) in Kraft (s BGBl II 385/2017).
Nach Fassung des Prüfungsbeschlusses vom 5. Oktober 2022 wurde mit Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, mit der die Verordnung über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitrat-Aktionsprogramm – Verordnung) geändert wird, BGBl II 386/2022, die in Prüfung stehende NAPV 2017 novelliert. Die Änderungen treten gemäß §12 Abs7 NAPV idF BGBl II 386/2022 mit 1. Jänner 2023 in Kraft; lediglich §2 Abs5 und 6 NAPV 2017 sind bereits am 21. Oktober 2022 außer Kraft getreten (§12 Abs6 NAPV idF BGBl II 386/2022).
1.6. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 wies der (damals zuständige) Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft den Antrag der Beschwerdeführer vom 2. Oktober 2015 wegen fehlender Antragslegitimation zurück. Begründend führte der Bundesminister im Wesentlichen aus, den Beschwerdeführern komme diesbezüglich kein Antragsrecht zu; der Antrag sei daher unzulässig.
1.6.1. Gegen den zurückweisenden Bescheid erhoben die Beschwerdeführer am 29. Juni 2016 Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, das sich mit Beschluss vom 17. November 2016 für unzuständig erklärte. In der Folge hob der Verwaltungsgerichtshof den Beschluss vom 17. November 2016 auf und erklärte das Verwaltungsgericht Wien für zuständig.
1.6.2. Das Verwaltungsgericht Wien setzte das Verfahren gemäß §38 AVG iVm §31 VwGVG mit Beschluss aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art267 AEUV mehrere Fragen vor (EuGH 3.10.2019, Rs. C-197/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, Rz 28 f.).
1.6.3. Der Gerichtshof der Europäischen Union fasste die Vorlagefragen des Verwaltungsgerichtes Wien zusammen und beantwortete das Vorabentscheidungsersuchen im Wesentlichen wie folgt:
"28 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art288 AEUV sowie Art5 Abs4 und 5 und Anhang I Punkt A Nr 2 der Richtlinie 91/676 dahin auszulegen sind, dass natürliche und juristische Personen wie die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens, die mit der Sicherstellung der Wasserversorgung betraut sind oder über eine Brunnennutzungsmöglichkeit verfügen, von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen gemäß Art5 Abs5 dieser Richtlinie erlassen, um an jeder Entnahmestelle einen Nitrathöchstgehalt von 50 mg/l zu erreichen.
29 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht als Erstes in Erfahrung bringen, ob und unter welchen Bedingungen das Unionsrecht Einzelnen eine entsprechende Antrags- bzw Klage- oder Beschwerdebefugnis vor den nationalen Behörden und Gerichten verleiht, als Zweites, welche Verpflichtungen sich aus der Richtlinie 91/676 konkret ergeben, und als Drittes, ob sich ein Einzelner gegenüber den zuständigen nationalen Behörden unmittelbar auf diese Verpflichtungen berufen kann.
[…]
Art288 AEUV sowie Art5 Abs4 und 5 und Anhang I Punkt A Nr 2 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen sind dahin auszulegen, dass, sofern die Ableitung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen erheblich zur Verunreinigung des betroffenen Grundwassers bei-trägt, natürliche und juristische Personen wie die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen gemäß Art5 Abs5 dieser Richtlinie erlassen, solange der Nitratgehalt im Grundwasser ohne solche Maßnahmen an einer oder mehreren Messstellen im Sinne des Art5 Abs6 der Richtlinie 50 mg/l über-schreitet oder zu überschreiten droht."
1.6.4. Mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2019 gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde vom 29. Juni 2016 statt und hob den zurückweisenden Bescheid des (damals zuständigen) Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 30. Mai 2016 auf.
1.6.5. Mit Bescheid vom 8. Juli 2020 stellte in der Folge die (damals zuständige) Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus im Wesentlichen fest, dass über die in der NAPV 2017 festgelegten Maßnahmen hinaus weitere Maßnahmen bzw verstärkte Aktionen erforderlich seien, damit der Nitratgehalt im Grundwasser an bestimmten Brunnen der Beschwerdeführer 50 mg/l nicht überschreite. Weiterhin führte die Bundesministerin aus, dass dem Antrag der Beschwerdeführer Folge gegeben und die NAPV 2017 zügig überarbeitet werde.
1.6.6. Mit Schriftsatz vom 6. August 2020 erhoben die Beschwerdeführer einerseits Beschwerde gegen den Bescheid der (damals zuständigen) Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus vom 8. Juli 2020 und andererseits Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht Wien.
1.6.7. Das Verwaltungsgericht Wien gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2020 unter Spruchpunkt A. dahingehend statt, dass es den Bescheid der (damals zuständigen) Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus aufhob. Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführer hätten die Novellierung bzw Neuerlassung der NAPV 2017 beantragt und hätte ein Abspruch in Form eines Verordnungserlassungsverfahrens erfolgen müssen. Mit Spruchpunkt B. des Erkenntnisses wies das Verwaltungsgericht Wien die Säumnisbeschwerde zurück, weil sich die verfahrensgegenständliche Verwaltungssache auf die Erlassung einer Verordnung beziehe und Verwaltungsgerichte nicht zur Erlassung von Verordnungen zuständig seien.
1.7. Gegen Spruchpunkt B. des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 15. Dezember 2020 erhoben die Beschwerdeführer die zur Zahl E394/2021 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde.
2. Bei der Behandlung der gegen Spruchpunkt B. dieser Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der NAPV 2017, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II 385/2017 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 5. Oktober 2022 beschlossen, diese Verordnung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar (ohne Hervorhebungen im Original):
"3. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung gezogene Verordnung das Bedenken, dass sie gegen §55p Abs1 WRG 1959 verstößt:
3.1. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtes Wien – in dem von den Beschwerdeführern eingeleiteten Anlassverfahren – mit Urteil vom 3. Oktober 2019, Rs. C-197/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, zusammenfassend festgestellt, Art288 AEUV sowie Art5 Abs4 und 5 und Anhang I Punkt A Nr 2 der Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen seien dahin auszulegen, dass natürliche und juristische Personen wie die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen gemäß Art5 Abs5 Nitrat-Richtlinie erlassen, solange der Nitratgehalt im Grundwasser ohne solche Maßnahmen an einer Messstelle oder mehreren Messstellen im Sinne des Art5 Abs6 Nitrat-Richtlinie den Schwellenwert von 50 mg/l überschreitet oder zu überschreiten droht.
3.2. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sein Urteil im Wesentlichen folgendermaßen begründet:
3.2.1. Es wäre mit der einer Richtlinie durch Art288 AEUV zuerkannten Verbindlichkeit unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personen auf die durch eine Richtlinie auferlegten Verpflichtungen berufen können (EuGH 19.1.1982, Rs. C-8/81, Becker, Rz 22; 7.9.2004, Rs. C-127/02, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, Rz 66; 20.12.2017, Rs. C-664/15, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation, Rz 34).
Aus diesem Grund müssten jedenfalls natürliche und juristische Personen, die unmittelbar von einer Verletzung von Richtlinienbestimmungen betroffen sind, die rechtliche Möglichkeit haben, die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen bei den zuständigen Verwaltungsbehörden oder Gerichten einzufordern. Im Übrigen seien 'Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen', Träger der Rechte aus Art9 Abs3 des Übereinkommens von Aarhus. Diese Bestimmung verpflichte in Verbindung mit Art47 GRC die Mitgliedstaaten dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union verliehenen Rechte, insbesondere der umweltrechtlichen Bestimmungen, zu gewährleisten (vgl EuGH 20.12.2017, Rs. C-664/15, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation, Rz 45 f.).
3.2.2. Die Nitrat-Richtlinie habe gemäß ihrem Art1 zum Ziel, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen. Zu diesem Zweck bestimme Art5 Nitrat-Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten unter den darin vorgesehenen Bedingungen Aktionsprogramme festlegen und erforderlichenfalls zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen treffen.
Aus Art2 litj und Art3 Abs1 Nitrat-Richtlinie ergebe sich, dass bei einem Nitratgehalt, der im Grundwasser 50 mg/l überschreitet oder zu überschreiten droht, anzunehmen ist, dass die rechtmäßige Nutzung der Gewässer behindert wird.
Da der Nitratgehalt des betroffenen Grundwassers der Beschwerdeführer den Schwellenwert von 50 mg/l überschreite oder zu überschreiten drohe, werde die Nutzung dieses Wassers durch die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens behindert. Die Überschreitung dieses Schwellenwerts könne sie an der Möglichkeit einer normalen Nutzung ihres Brunnenwassers hindern oder sie zumindest zu Ausgaben für die Beseitigung der Wasserverunreinigung zwingen.
3.2.3. Da die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens durch die Nitrat-Richtlinie unmittelbar betroffen seien, müssten sie bei den nationalen Behörden – gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte – die Einhaltung der Verpflichtungen der Republik Österreich auf Grund der Nitrat-Richtlinie einfordern können.
3.2.4. Die in Art5 Abs4 und 5 Nitrat-Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsverpflichtungen seien klar, präzise und nicht an Bedingungen geknüpft, sodass sich Einzelne gegenüber dem Staat auf sie berufen können (vgl EuGH 26.6.2019, Rs. C-723/17, Craeynest ua, Rz 42).
Den Mitgliedstaaten obliege es zwar, vorbehaltlich des sich aus Anhang III Nitrat-Richtlinie ergebenden Rahmens zu bestimmen, welche Maßnahmen erforderlich seien, um diesen Verpflichtungen nachzukommen. Diese Maßnahmen müssten jedoch gemäß Art1 Nitrat-Richtlinie geeignet sein, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen. Auch wenn die Mitgliedstaaten insoweit über ein Ermessen verfügten, müssten die von den zuständigen Behörden getroffenen Entscheidungen gleichwohl Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle sein können, insbesondere um zu überprüfen, ob die Behörden die der Ausübung dieses Ermessens gesetzten Grenzen nicht überschritten haben (vgl EuGH 24.7.2008, Rs. C-72/95, Kraaijeveld ua, Rz 59; 25.7.2008, Rs. C-237/07, Janecek, Rz 46; 26.6.2019, Rs. C-723/17, Craeynest ua, Rz 45).
3.3. Urteile, die im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art267 AEUV ergehen, sind jedenfalls für alle mit dem Ausgangsverfahren befassten, aber auch für sonstige Behörden oder Gerichte bindend, welche dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden haben (zB EuGH 24.6.1969, Rs. C-29/68, Milch-, Fett und Eierkontor, Rz 2; 11.12.1997, Rs. C-246/96, Magorrian, Rz 30; vgl auch Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht7, 2020, 85 f.).
Aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union geht unzweifelhaft hervor, dass die Beschwerdeführer einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch haben müssen, die Änderung oder Neuerlassung der NAPV geltend zu machen.
Die staatlichen Behörden sind verpflichtet, einen unionsrechtskonformen Rechtszustand herzustellen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union verbleibt den Behörden die Wahl der zu ergreifenden Maßnahmen; die von den Behörden gesetzten Maßnahmen müssen aber dafür sorgen, dass das nationale Recht so schnell wie möglich mit dem Unionsrecht im Einklang gebracht und den Rechten, die dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsen, die volle Wirksamkeit verschafft wird (EuGH 21.6.2007, Rs. C-231/06, C-232/06 und C-233/06, Jonkmann, Rz 38). Soweit unionsrechtliche Vorschriften in Bezug auf die Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle fehlen, kommt es der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaates zu, diese Modalitäten im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie zu regeln, wobei diese nach dem Äquivalenzgrundsatz nicht ungünstiger sein dürfen als die Modalitäten, die für gleichartige interne Sachverhalte gelten, und nach dem Effektivitätsgrundsatz die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (EuGH 16.12.1976, Rs. C-33/76, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral, Rz 5; 27.6.2013, Rs. C-93/12, Agrokonsulting, Rz 35 f.; 22.2.2018, Rs. C-572/16, INEOS Köln, Rz 42).
3.4. Wie das Beschwerdeverfahren zeigt, dürfte für die Beschwerdeführer keine gesetzlich ausdrücklich geregelte Rechtsschutzmöglichkeit bestehen, die auf den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf Änderung bzw Neuerlassung der NAPV 'zugeschnitten' ist.
3.4.1. Ein vor den ordentlichen Gerichten durchzuführendes Amtshaftungs- bzw Staatshaftungsverfahren dürfte nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes von Vornherein ausscheiden, weil damit nur sekundäre Ansprüche, nämlich Schadenersatzansprüche der Beschwerdeführer wegen Säumigkeit des Verordnungsgebers geltend gemacht werden können, nicht aber ihr primärer Anspruch auf Änderung bzw Neuerlassung der NAPV rechtswirksam durchgesetzt werden kann.
Gleichermaßen dürfte ein Staatshaftungsanspruch nach Art137 B-VG aus zwei Gründen von Vornherein ausscheiden: Zum Ersten handelt es sich auch dabei um ein Schadenersatzverfahren, in dem die Beschwerdeführer ihren primären Anspruch auf Änderung bzw Neuerlassung der NAPV nicht rechtswirksam durchsetzen können. Zum Zweiten scheidet eine Klage gemäß Art137 B-VG darüber hinaus aus, weil es sich bei der fehlenden bzw fehlerhaften Umsetzung der Nitrat-Richtlinie weder um Vollziehungsfehler der Höchstgerichte noch um legislatives Unrecht handelt (vgl zB VfSlg 18.505/2008, 18.557-18.866/2008, 18.787/2009, 19.688/2012), sodass hinsichtlich des rechtswidrigen Verhaltens des Verordnungsgebers nur ein Staatshaftungs- bzw Amtshaftungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten zulässig ist.
3.4.2. Ziel der amtswegigen Prüfung ist es, dem beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Anlassverfahren eine verfassungsrechtlich einwandfreie Grundlage zu geben (VfSlg 3431/1958). Im vorliegenden Fall scheint es daher nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes angesichts der besonderen Umstände des Falles notwendig, die gesamte NAPV von Amts wegen zu prüfen, weil der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft als oberstes Organ seiner aus dem Unionsrecht erwachsenden Verpflichtung, eine unionsrechtskonforme Verordnung zu erlassen, die die im Unionsrecht begründeten subjektiven Rechte der Beschwerdeführer umsetzt, nicht nachgekommen ist. Zudem scheint es für den Verfassungsgerichtshof geboten, die gesamte NAPV in Prüfung zu ziehen, weil die Verordnung gleichermaßen für das gesamte Bundesgebiet gilt und keine nach Gebieten differenzierende Regelungen trifft. Damit steht nicht fest, ob und inwieweit eine Reduzierung oder Verhinderung der Überschreitung des Schwellenwertes in Bezug auf den Nitratgehalt von 50 mg/l für andere Gebiete erforderlich ist, obwohl sich das bereits mehrfach zitierte Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Oktober 2019 nur auf die Beschwerdeführer bezieht:
3.4.2.1. Gemäß §55p Abs1 WRG 1959 ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nun: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) verpflichtet, 'durch Verordnung Programme zur schrittweisen Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§30) durch direkte oder indirekte Ableitungen von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen zu erlassen'. Die im Rahmen dieser Programme zu ergreifenden Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen sowie deren Zielsetzungen werden in §55p Abs1 und 2 WRG 1959 näher beschrieben.
3.4.2.2. Die Verordnungsermächtigung in §55p WRG 1959 verpflichtet den Verordnungsgeber, die Vorgaben der Nitrat-Richtlinie umzusetzen. §55p WRG 1959 ist insbesondere im Hinblick auf die NAPV vom Verordnungsgeber richtlinienkonform, daher im Lichte der Nitrat-Richtlinie und deren Zielsetzung folgend auszulegen (VfSlg 14.391/1995). Der Verordnungsgeber hat dabei neben den Vorgaben der Nitrat-Richtlinie die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (insbesondere EuGH, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, sowie im Hinblick auf das Effektivitätsgebot EuGH 1.12.1998, Rs. C-326/96, Levez) zu beachten.
Nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet §55p Abs1 WRG 1959 im Lichte des zuvor genannten Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union den zuständigen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft dazu, derartige Maßnahmen zu setzen, um die Überschreitung des in der Nitrat-Richtlinie festgelegten Schwellenwertes für den Nitratgehalt von 50 mg/l zu reduzieren bzw die Überschreitung dieses Schwellenwertes zu verhindern und damit auch die in den unionsrechtlichen Vorschriften gewährleisteten subjektiven Rechte umzusetzen.
Da der nach §55p Abs1 WRG 1959 zur Verordnungserlassung berufene Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nun: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) mit seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie seit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Oktober 2019, Rs. C-179/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, säumig ist, dürfte die in Prüfung gezogene Verordnung gegen §55p Abs1 WRG 1959 verstoßen.
3.4.3. Im Verordnungsprüfungsverfahren wird zu erörtern sein, ob auch mit der Aufhebung einzelner Bestimmungen der NAPV das Auslangen gefunden werden kann, um einen verfassungs-, gesetzes- und unionsrechtskonformen Zustand herzustellen, oder ob – ungeachtet der in §55p Abs1 WRG 1959 vorgeschriebenen Rechtsform der Verordnung – ein Weg zur Herstellung eines verfassungs-, gesetzes- und unionsrechtskonformen Zustandes auch darin liegen könnte, dass die Beschwerdeführer ihren aus dem Unionsrecht resultierenden Anspruch auf Schaffung einer der Nitrat-Richtlinie entsprechenden Rechtslage im Sinne des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Oktober 2019, Rs. C-179/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, in einem verwaltungsrechtlichen Bescheidverfahren bzw hier auf Grund der Säumnis in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien rechtswirksam durchsetzen können.
Auf Grund des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Oktober 2019, Rs. C-179/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, scheint nämlich bereits festzustehen, dass die Beschwerdeführer von der Überschreitung bzw der Gefahr der Überschreitung des in der Nitrat-Richtlinie festgelegten Schwellenwertes von 50 mg/l unmittelbar betroffen sind und dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit der Schwellenwert der Nitrat-Richtlinie für den Nitratgehalt des Grundwassers nicht überschritten wird.
Es ist daher grundsätzlich nicht zu erörtern, ob die Beschwerdeführer ihren Anspruch auf Änderung bzw Neuerlassung der NAPV innerstaatlich geltend machen können. Es geht nur mehr um die Frage, wie die Beschwerdeführer, d.h. in welchem Verfahren und auf welche Weise die Beschwerdeführer ihren Anspruch innerstaatlich rechtlich durchsetzen können (zB EuGH 21.6.2007, Rs. C-231/06, C-232/06 und C-233/06, Jonkmann, Rz 38). Angesichts des zitierten Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union wird jedoch zu prüfen sein, ob die Beschwerdeführer nur insoweit einen individuellen Anspruch auf Umsetzung der Nitrat-Richtlinie geltend machen können, als sie durch konkrete Maßnahmen bzw durch fehlende Maßnahmen der zuständigen Verwaltungsbehörde im Hinblick auf die Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie unmittelbar in ihrer rechtmäßigen Grundwassernutzung betroffen sind.
Da der nach §55p Abs1 WRG 1959 zuständige Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nun: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) bis heute nicht die notwendigen Maßnahmen mit Verordnung ergriffen hat, um den Nitratgehalt des Grundwassers im Sinne der Nitrat-Richtlinie zu verringern, dessen rechtmäßige Nutzung den Beschwerdeführern zusteht, wird der Verfassungsgerichtshof neben der Frage, ob mit der Aufhebung einzelner Bestimmungen der Verordnung oder der gesamten Verordnung das Auslangen gefunden werden kann, zu klären haben, ob die Beschwerdeführer auch einen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides bzw in der konkret vorliegenden Konstellation der Säumnis einen Anspruch auf Erlass eines Erkenntnisses haben können, mit dem die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung der Überschreitung oder der Gefahr der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 mg/l in Bezug auf das Grundwasser getroffen werden, dessen rechtmäßige Nutzung den Beschwerdeführern zukommt.
Diesbezüglich geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass es grundsätzlich dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bzw dem Verwaltungsgericht überlassen ist, wie das in einen Bescheid bzw das in ein Erkenntnis mündende Verfahren zu führen ist. Es müsste dabei aber sichergestellt werden, dass alle von den letztlich zu ergreifenden Maßnahmen Betroffenen im Verfahren ihre Rechte als Parteien geltend machen können und die Entscheidung in einer allen in Frage kommenden Parteien bzw allen Betroffenen zugänglichen Form kundgemacht wird (zB in sinngemäßer Anwendung des §44f Abs1 AVG)."
4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft hat eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:
Zur vom Verfassungsgerichtshof angenommenen Säumnis des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bezüglich seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie sei anzumerken, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 3. Oktober 2019, Rs. C-197/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, keine Feststellung über das Ausmaß der Beeinträchtigung der Brunnen der im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien und somit auch nicht das Ausmaß ihrer konkreten Betroffenheit getroffen habe. Ebenso gebe das Urteil auch nicht konkrete Maßnahmen vor, die zur Zielerreichung erforderlich seien, sondern weise die Auswahl der konkreten Maßnahmen dem Mitgliedstaat zu.
Für die Klärung dieser Fragen, die nach der Zustellung des Urteils umgehend vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft in die Wege geleitet worden sei, hätten daher – mit einem entsprechend zeitlichen Aufwand – weitere fachliche Grundlagen erstellt bzw beigeschafft werden müssen. Eine allfällige Säumnis des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bei der Umsetzung seiner Verpflichtungen habe nicht eintreten können, solange jene fachlichen Grundlagen nicht abschließend zur Verfügung gestanden seien, die in der Folge für die Auswahl der erforderlichen Maßnahmen essentiell gewesen seien. Auch der für die gebotene Durchführung des Begutachtungs- und Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens erforderliche Zeitraum könne keine Säumnis des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bei seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie zur Folge haben.
Da im Unterschied zu einem Antrag auf Erteilung eines Bewilligungsbescheides die Rechtsordnung keine gesetzlichen Vorgaben zur Behandlung eines Antrages auf Änderung bzw Neuerlassung einer Verordnung vorsehe, habe der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft eine Vorgehensweise gewählt, die den im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien die Ausübung von Parteienrechten einschließlich eines Rechtsschutzes ermögliche, indem ihnen Gelegenheiten zur Beteiligung an der Vorbereitung der Novelle in Form eines Parteiengehörs, einer Einbindung in das Begutachtungs- und Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren und durch Zustellung des Bescheides vom 8. Juli 2020 eingeräumt worden seien. Die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien hätten darauf aufbauend ihre Parteienrechte tatsächlich ausgeübt.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft sei daher seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie nachgekommen und auch die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien seien in ihren Rechten als Parteien nicht beeinträchtigt gewesen.
5. Die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien haben als beteiligte Parteien eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Wesentlichen beitreten:
Die Entwicklung der Nitratgehalte im Grundwasser der betroffenen Wasserversorgungsanlagen der im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien von 2015 bis 2022 zeigten, dass der Wert von 50 mg/l zum Teil erheblich überschritten worden sei. Die NAPV 2017 könne die Einhaltung des Schwellenwerts von 50 mg/l im Einzugsbereich ihrer Wasserversorgungsanlagen nicht gewährleisten.
Die Einhaltung des Schwellenwerts von 50 mg/l könne nur durch ein Bündel zusätzlicher Maßnahmen erreicht werden. Es sei nicht möglich, diesen Schwellenwert nur durch Düngebegrenzungen zu erreichen bzw einzuhalten, weil dies – zumindest im Einzugsgebiet der Wasserversorgungsanlagen der im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien – de facto einem Düngeverbot gleichkäme.
Es stehe fest, dass mit der Aufhebung einzelner Bestimmungen der NAPV 2017 kein Auslangen gefunden werden könne, um den Anforderungen der Nitrat-Richtlinie und deren innerstaatlichen Umsetzungsbestimmung des §55p Abs1 WRG 1959 zu entsprechen. Vielmehr bedürfe es der Ergänzung der NAPV 2017 durch zusätzliche Maßnahmen, um im Gebiet der Wasserversorgungsanlagen der im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien den maßgeblichen Schwellenwert zu erreichen und einhalten zu können.
II. Rechtslage
Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. §55p Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), BGBl 215/1959, idF BGBl I 98/2013 lautet:
"Programme im Rahmen der Europäischen Integration
§55p. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat durch Verordnung Programme zur schrittweisen Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§30) durch direkte oder indirekte Ableitungen von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen zu erlassen. Diese Programme haben Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen insbesondere betreffend Düngeverbotszeiträume, das Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und das Fassungsvermögen von Behältern zur Lagerung von Wirtschaftsdünger zu enthalten. Durch diese Programme wird sichergestellt, dass bei landwirtschaftlichen Betrieben der auf den Boden ausgebrachte Wirtschaftsdünger, einschließlich des von den Tieren selbst ausgebrachten Dungs, eine Höchstmenge von 170 kg Stickstoff nach Abzug der Stall- und Lagerungsverluste pro Hektar und Jahr nicht überschreitet. Diese Programme sind allgemein im öffentlichen Interesse einzuhalten.
(2) In einem Programm mit den Zielsetzungen gemäß Abs1 können zusätzliche Kriterien (zB lange Wachstumsphasen, Pflanzen mit hohem Stickstoffbedarf, hoher Nettoniederschlag), Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen festgelegt werden, deren Vorliegen bzw Einhaltung sicherstellen, dass die schrittweise Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§30) nicht gefährdet ist, wenn landwirtschaftliche Betriebe von der in Abs1 festgelegten Höchstmenge an Stickstoff abweichen. Zugleich sind in einem solchen Programm Vorhaltungsverpflichtungen sowie die zur Einhaltung der Ausnahmebestimmungen weiters erforderlichen Regelungen, insbesondere Meldeverpflichtungen, zu treffen. Strengere Regelungen gemäß §34 bzw §33f betreffend wasserrechtlich besonders geschützter Gebiete bleiben unberührt. Die Ausnahmebestimmungen bedürfen der Zustimmung der Europäischen Kommission gemäß Art9 iVm. Anhang III Z2 litb der Richtlinie 91/676/EWG."
2. Art3, 5 sowie Anhang I der Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, ABl. 1991 L 375, 1, lauten auszugsweise wie folgt:
"Artikel 3 (1) Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, und Gewässer, die von Verunreinigung betroffen werden könnten, falls keine Maßnahmen nach Artikel 5 ergriffen werden, werden von den Mitgliedstaaten nach den Kriterien des Anhangs I bestimmt.
(2) Die Mitgliedstaaten weisen innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie alle in ihrem Gebiet bekannten Flächen, die in nach Absatz 1 bestimmte Gewässer entwässern und die zur Verunreinigung beitragen, als gefährdete Gebiete aus. Sie unterrichten die Kommission hiervon innerhalb von sechs Monaten nach erster Ausweisung.
(3) – (5) […]"
"Artikel 5 (1) Zur Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele legen die Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren nach der ersten Ausweisung der gefährdeten Gebiete nach Artikel 3 Absatz 2 oder innerhalb eines Jahres nach jeder ergänzenden Ausweisung nach Artikel 3 Absatz 4 Aktionsprogramme für die als gefährdet ausgewiesenen Gebiete fest.
(2) Ein Aktionsprogramm kann sich auf alle gefährdeten Gebiete im Gebiet eines Mitgliedstaates erstrecken, oder es können verschiedene Programme für verschiedene gefährdete Gebiete oder Teilgebiete festgelegt werden, wenn der Mitgliedstaat dies für angebracht hält.
(3) In den Aktionsprogrammen werden berücksichtigt:
a) die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten, insbesondere über die jeweiligen Stickstoffeinträge aus landwirtschaftlichen und anderen Quellen;
b) die Umweltbedingungen in den jeweiligen Regionen des Mitgliedstaates.
(4) Die Aktionsprogramme werden innerhalb von vier Jahren nach Aufstellung durchgeführt und enthalten folgende verbindlich vorgeschriebene Maßnahmen:
a) die Maßnahmen nach Anhang III;
b) Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten in den Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft nach Maßgabe von Artikel 4 vorgeschrieben haben, ausgenommen diejenigen, die durch die Maßnahmen nach Anhang III ersetzt wurden.
(5) Die Mitgliedstaaten treffen darüber hinaus im Rahmen der Aktionsprogramme die zusätzlichen Maßnahmen oder verstärkten Aktionen, die sie für erforderlich halten, wenn von Anfang an oder anhand der Erfahrungen bei der Durchführung der Aktionsprogramme deutlich wird, daß die Maßnahmen nach Absatz 4 zur Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele nicht ausreichen. Bei der Wahl dieser Maßnahmen oder Aktionen tragen die Mitgliedstaaten deren Wirksamkeit und den damit verbundenen Kosten im Vergleich zu anderen möglichen Vorbeugungsmaßnahmen Rechnung.
(6) Die Mitgliedstaaten sorgen für die Aufstellung und Durchführung geeigneter Überwachungsprogramme, damit die Wirksamkeit der in diesem Artikel vorgesehenen Aktionsprogramme beurteilt werden kann. Die Mitgliedstaaten, die Artikel 5 in ihrem gesamten Gebiet anwenden, überwachen den Nitratgehalt der Gewässer (Oberflächengewässer und Grundwasser) an ausgewählten Meßstellen, an denen der Grad der Nitratverunreinigung der Gewässer aus landwirtschaftlichen Quellen festgestellt werden kann.
(7) Mindestens alle vier Jahre überprüfen die Mitgliedstaaten ihre Aktionsprogramme und schreiben sie, falls erforderlich, einschließlich zusätzlicher Maßnahmen nach Artikel 5 fort. Sie unterrichten die Kommission von allen Änderungen der Aktionsprogramme."
"ANHANG I KRITERIEN FÜR DIE BESTIMMUNG DER GEWÄSSER NACH ARTIKEL 3 ABSATZ 1
A. Gewässer nach Artikel 3 Absatz 1 werden unter anderem nach folgenden Kriterien bestimmt:
1. wenn Binnengewässer, insbesondere solche, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden oder bestimmt sind, eine höhere Nitratkonzentration als die nach der Richtlinie 75/440/EWG festgesetzte Konzentration enthalten oder enthalten können und keine Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 getroffen werden;
2. wenn Grundwasser mehr als 50 mg/l Nitrat enthält oder enthalten könnte und keine Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 getroffen werden;
3. wenn in Binnengewässern, Mündungsgewässern, Küstengewässern und in Meeren eine Eutrophierung festgestellt wurde oder in naher Zukunft zu befürchten ist und keine Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 getroffen werden.
B. Bei Anwendung dieser Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten ferner
1. die physikalischen und ökologischen Eigenarten von Boden und Gewässern;
2. den Stand der Erkenntnisse über das Verhalten von Stickstoffverbindungen in der Umwelt (Boden und Gewässer);
3. den Stand der Erkenntnisse über die Auswirkungen der Maßnahmen im Sinne des Artikels 5."
3. Die – in Prüfung gezogene – Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II 385/2017 lautet (von der Wiedergabe der – ebenso in Prüfung stehenden – Anlagen 1 bis 5 wird abgesehen):
"Auf Grund der §§55p und 133 Abs6 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), BGBl Nr 215, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 58/2017, wird verordnet:
Ziele und Begriffsbestimmungen
§1. (1) Ziel dieses Programms ist es, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen.
(2) Für diese Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1. Ackerflächen: für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen genutzte landwirtschaftliche Nutzflächen oder für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen verfügbare, aber brachliegende Flächen, unabhängig davon, ob sich diese Flächen unter Gewächshäusern oder anderen festen oder beweglichen Abdeckungen befinden.
2. Ackerfutterflächen: Ackerflächen mit den Kulturen Futtergräser, Wechselwiesen, Kleegras, Klee, Luzerne, Energiegräser und sonstiges Feldfutter mit mehrjährigen Kulturpflanzen.
3. bestockt: mit ein- oder mehrjährig auch verholzten Pflanzen bewachsen.
4. bodenbedeckender Bewuchs: im Boden verwurzelte lebende oder tote Pflanzen mit flächenhafter Bedeckung des Bodens.
5. Dauergrünland: landwirtschaftliche Nutzflächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden oder stillgelegt sind und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind.
6. Feldstück: eine im Bundesgebiet gelegene, eindeutig abgrenzbare Bewirtschaftungseinheit eines Betriebsinhabers mit nur einer Nutzungsart.
7. ganzjährig mit lebenden Pflanzen bewachsen: mit Dauergrünland, Ackerfutterflächen, Strauch oder Gehölz bepflanzt.
8. gut bestockt: mit ein- oder mehrjährig auch verholzten Pflanzen mit guter Flächendeckung bewachsen.
9. landwirtschaftliche Nutzflächen: Flächen, die als Ackerfläche, Dauergrünland oder als Obstanlage, Weingarten, Reb- und Baumschule, Forstbaumschule (auf Ackerflächen oder Dauergrünland), Energieholzfläche oder Christbaumfläche genutzt werden.
10. Mineralischer Dünger: Dünger, der Nährstoffe in anorganischer Form enthält, welche durch physikalische oder industrielle chemische Verfahren gewonnen werden; dazu zählen auch Kalkstickstoff, Harnstoff sowie seine Kondensate und Anlagerungsverbindungen.
11. Schlag: zusammenhängende landwirtschaftliche Nutzfläche eines Bewirtschafters, die mit einer Kulturart bebaut oder stillgelegt ist.
12. Stickstoff – in feldfallender Wirkung: ist Stickstoff nach Abzug der Stall- und Lagerverluste sowie der Ausbringungsverluste. Die Stickstoffmenge aus Wirtschaftsdün