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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des N in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. Juli 1995, Zl. St 184/95, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. Juli 1995 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich.
Begründend führte die belangte Behörde aus, bereits im Jahr 1980 sei gegen den Beschwerdeführer nach dem Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 30. April 1985 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen worden. Der Beschwerdeführer sei dann neuerlich im Jahre 1989 in das Bundesgebiet der Republik Österreich zurückgekehrt und habe hier eine Aufenthaltsbewilligung bis 31. Oktober 1995 erhalten. Mit Urteil vom 4. Juli 1994 des Landesgerichtes Linz, rechtskräftig seit 26. Jänner 1995, sei der Beschwerdeführer wegen § 128 Abs. 1 (?) StGB (Verbrechen des schweren Diebstahles) zu 24 Monaten Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre verurteilt worden. Mit Bescheid vom 7. Oktober 1992 sei ihm gemäß § 5 Abs. 1 StVO der Führerschein für vier Wochen und mit Bescheid vom 22. Dezember 1993 - ebenfalls wegen § 5 Abs. 1 StVO - für sechs Monate entzogen worden. Weiters sei er am 16. Dezember 1992 wegen § 102 Abs. 1 KFG bestraft worden.
Der Beschwerdeführer sei bei einer namentlich genannten Firma beschäftigt und mit einer "grundsätzlich" in Bosnien wohnhaften Frau verheiratet. Diese halte sich derzeit zwecks Behandlung einer Krankheit in Österreich auf. Zwei im Krieg gefallene bzw. vermißte Söhne hätten jeweils eine unversorgte Gattin und ein minderjähriges bzw. zwei minderjährige Kinder hinterlassen.
Aufgrund der genannten Verurteilung sowie der zweimaligen rechtskräftigen Bestrafungen nach § 5 Abs. 1 StVO könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG erfüllt seien.
Aufgrund der geschilderten persönlichen Verhältnisse werde durch das Aufenthaltsverbot sicherlich in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Angesichts der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden großen Gefahr für die Allgemeinheit und des Umstandes, daß der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung ein sehr hoher Stellenwert beizumessen sei, sei nicht nur die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Lichte des § 19 FrG dringend erforderlich. Der Beschwerdeführer habe sich des Verbrechens des schweren Diebstahles nach § 128 Abs. 2 () StGB (Diebstahl einer Sache, deren Wert S 500.000,-- übersteigt) schuldig gemacht; ein derartig schwerer Eingriff in das Eigentumsrecht anderer Personen sei entsprechend hoch zu bewerten. Trotz des bereits 1980 gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes habe der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in das Bundesgebiet der Republik Österreich neuerlich schwere Verfehlungen begangen.
Der Tatsache, daß sich derzeit seine Gattin im Bundesgebiet aufhalte, sei nur geringes Gewicht beizumessen, zumal sich diese grundsätzlich in ihrem Heimatstaat aufhalte. Wegen der für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellenden negativen Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Das Aufenthaltsverbot sei demnach auch im Sinn des § 20 Abs. 1 FrG zulässig. Daran vermöge auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer nach seinen Angaben auf seine Arbeit in Österreich angewiesen sei, nichts zu ändern.
Über seinen gemäß § 54 Abs. 1 leg. cit. gestellten Antrag werde die Erstbehörde noch abzusprechen haben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung meint der Beschwerdeführer, die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, daß sich die Verurteilung gegenüber dem Ersturteil aus Gründen verschlechtert habe, die im Rahmen der Beweiswürdigung des Gerichtes liegen und nicht bekämpfbar seien. Nach dem ersten - milderen - Urteil seien die Chancen, daß dieses in Rechtskraft erwachse, mit 50 : 50 einzustufen gewesen; es hätten "letztlich Umstände zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes geführt, die einer Bekämpfung praktisch nicht zugänglich sind".
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß bei der Beurteilung, ob der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. erfüllt sei, zweifellos nicht auf ein noch nicht rechtskräftiges Strafurteil, sondern auf das das Verfahren abschließende rechtskräftige Urteil Bedacht zu nehmen ist. Ein für den Beschwerdeführer allenfalls günstigeres Urteil im ersten Rechtsgang kann nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.
Die Rechtsansicht der belangten Behörde über die Verwirklichung der Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 2 leg. cit. wird nicht bekämpft. Wenn der Beschwerdeführer meint, daß die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme nicht gerechtfertigt sei, so steht diesem Vorbringen das gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers entgegen, der sich selbst durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht abhalten hat lassen, nach seiner neuerlichen Einreise nach Österreich in gravierender Weise sowohl gegen strafgesetzliche Bestimmungen als auch gegen Vorschriften, die der Sicherheit im Straßenverkehr dienen, zu verstoßen. Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, daß durch dieses Verhalten die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt ist.
2. Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, daß mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ein im Grunde des § 19 leg. cit. relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden ist, nahm die belangte Behörde ohnedies einen derartigen relevanten Eingriff an. Wenn sie diesen Eingriff zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, insbesondere zur Verhinderung strafbarer Handlungen, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Straßenverkehrs und zum Schutz der Gesundheit und der Rechte und Freiheiten anderer als dringend geboten und daher im Grunde des § 19 leg. cit. als zulässig erachtete, kann dieser Rechtsansicht nicht mit Erfolg entgegengetreten werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. September 1995, Zl. 95/18/0133, und vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1227).
3. Im Hinblick auf die Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 leg. cit. bringt der Beschwerdeführer vor, er sei beruflich voll integriert und die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei "existenzzerstörend" für ihn und alle jene Personen, für die er als einziger Einkommensbezieher aufkomme. Es sei auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen abzustellen; zu den in § 20 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. genannten sonstigen Bindungen seien auch solche finanzieller Natur und die Bindung aufgrund der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses zu zählen. Der Beschwerdeführer habe schon teilweise Schadenersatz geleistet, sei rund sechs Jahre wieder ununterbrochen in Österreich und habe hier auch umfangreiche soziale Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde nach § 20 Abs. 1 leg. cit. vorgenommenen Abwägung nicht darzutun. Im angefochtenen Bescheid wurde auf alle zu berücksichtigenden privaten und familiären Gesichtspunkte, die gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen, Bedacht genommen, und es wurden die auf diese Umstände zurückzuführenden negativen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie als beträchtlich gewertet. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist auf die behauptete Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 leg. cit. nicht Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 93/18/0629). Einer Unterhaltsverpflichtung kann der Beschwerdeführer auch von einem anderen Land aus nachkommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0064). Weiters bringt der Beschwerdeführer nicht vor, daß die Behandlung seiner Gattin nur im Inland erfolgen könne.
Gegen die gravierenden öffentlichen Interessen an der Bekämpfung der Eigentumskriminalität und an der Verhinderung von Alkoholdelikten im Straßenverkehr kann das Interesse des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich nicht als schwerer wiegend angesehen werden. Dies umso weniger, als sich der Beschwerdeführer - wie bereits ausgeführt - auch durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht davon hat abhalten lassen, in gravierender Weise gegen strafgesetzliche Vorschriften zum Schutz des Eigentums anderer und gegen bedeutsame Vorschriften zur Verhinderung von Alkoholdelikten im Straßenverkehr zu verstoßen.
4. Da - wie ausgeführt - bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Normen und MaterienEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995210951.X00Im RIS seit
12.06.2001