Norm
PVG §9 Abs2 litbSchlagworte
Diensteinteilung; Einvernehmen; SofortmaßnahmenText
B 7-PVAB/22
Prüfungsergebnis
Die Personalvertretungsaufsichtsbehörde hat durch ihre Mitglieder Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI als Vorsitzende sowie Dr.in Anita PLEYER als Vertreterin des Dienstgebers und Mag. Walter HIRSCH als Vertreter der Dienstnehmer:innen die im Wege des Zentralausschusses (ZA) gemäß § 41 Abs. 5 PVG eingebrachte Beschwerde des Dienststellenausschusses bei der Justizanstalt *** für die Bediensteten des Exekutivdienstes (DA) vom 12. September 2022 gegen den Dienststellenleiter A (DL) wegen behaupteter Verletzung des PVG gemäß § 41 Abs. 4 PVG mit folgendem Ergebnis geprüft:
Der DL A der JA *** hat das PVG verletzt, indem er mit Dienstverfügung vom 17. August 2022 einen verminderten Dienstbetrieb vom 5. September 2022 bis inklusive 16. September 2022 im Betriebsbereich der Justizanstalt anordnete, ohne das Einvernehmen mit dem DA gemäß § 9 Abs. 2 lit. b PVG iSd § 10 PVG hergestellt zu haben.
Begründung
Nach § 41 Abs. 4 PVG kann sich ein Personalvertretungsorgan (PVO) wegen behaupteter Verletzung des PVG innerhalb des letzten Jahres durch ein Organ des Dienstgebers (DG) bei der PVAB beschweren, wobei solche Beschwerden gemäß § 41 Abs. 5 PVG im Wege des zuständigen Zentralausschusses (ZA) einzubringen sind.
Nach ständiger Rechtsprechung der PVAK, an der auch die PVAB unverändert festhält, muss die behauptete Verletzung des PVG innerhalb des letzten Jahres vor dem Beschluss des PVO, der der Beschwerde an die PVAB zugrunde liegt, erfolgt sein (Schragel, PVG, § 41, Rz 33, mwN).
Die in Beschwerde gezogene behauptete Verletzung des PVG ereignete sich am 17. August 2022. Der DA beschloss in seiner Sitzung vom 12. September 2022, Beschwerde an die PVAB zu erheben. Diese Beschwerde des DA wurde iSd § 41 Abs. 4 PVG rechtzeitig beschlossen und der PVAB entsprechend § 41 Abs. 5 PVG im Wege des ZA mit Schreiben vom 23. September 2022 gesetzeskonform vorgelegt.
Der Beschwerde liegt aufgrund des Beschwerdevorbringens und der Stellungnahme des stellvertretenden DL vom 2. November 2022 samt Anlagen folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Für den Zeitraum vom 5. September 2022 bis einschließlich 16. September 2022 verfügte der DL mit Dienstverfügung vom 17. August 2022 einen verminderten Dienstbetrieb im Betriebsbereich der Justizanstalt (JA).
2. Dabei wurden Bedienstete von ihren Regelarbeitsplätzen abgezogen und in anderen Bereichen der JA eingesetzt, wovon täglich eine wechselnde Zahl von Bediensteten (5 bis 10) betroffen war.
3. Vor Erlassung seiner Dienstverfügung befasste der DL den DA nicht mit dieser Angelegenheit und setzte den DA auch nach Erlassung dieser Anordnung nicht davon in Kenntnis.
4. Im Rahmen der Dienstbesprechung vom 25. August 2022 wurde der verminderte Dienstbetrieb vom DL thematisiert und besprochen. In der Folge erhielten alle User:innen der JA, darunter auch die DA-Mitglieder, digitalen Zugang zum Protokoll dieser Dienstbesprechung.
5. Am 17. August 2022 bestand keine Notwendigkeit iSd § 10 Abs. 3 dritter Satz PVG zur sofortigen Verfügung des verminderten Dienstbetriebs im Betriebsbereich der JA vom 5. bis 16. September 2022.
Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen wurden dem DL und dem DA mit Schriftsatz vom 3. November 2022 zur Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt.
Der ZA hatte die Beschwerde weitergeleitet, ohne sich inhaltlich dazu zu äußern, weshalb seine Einbindung nicht geboten war.
Der DA hat in seiner fristgerecht eingebrachten Stellungnahme vom 9. November 2022 die Sachverhaltsfeststellungen der PVAB nicht bestritten. Die ergänzend vom DA in dieser Stellungnahme vorgelegten Informationen bezogen sich auf Sachverhalte nach der Verfügung des verminderten Dienstbetriebs durch den DL am 17. August 2022 bzw. auf das Verhältnis zwischen DL und DA im Allgemeinen, weshalb diesen Ergänzungen im vorliegenden Fall keine rechtliche Relevanz zukommt.
Der DL hat in seiner fristgerechten Stellungnahme vom 10. November 2022 die Sachverhaltsfeststellungen der PVAB mit Ausnahme von Pkt. 2 nicht bestritten. Zu Pkt. 2 des Sachverhalts nannte der DL Namen und genaue Zahl der im fraglichen Zeitraum pro Tag insgesamt 9 betroffenen Bediensteten:
05.09.: 5 Bedienstete B, C, D, E, F
06.09.: 3 Bedienstete D, E, C
07.09.: 2 Bedienstete B, G
08.09.: 3,5 Bedienstete D, C, G, F
09.09.: 0 Bedienstete alle Betriebsbereiche besetzt
12.09.: 3 Bedienstete D, E, C
13.09.: 3 Bedienstete D, I, E
14.09.: 6 Bedienstete I, H, C, D, E, B
15.09.: 4 Bedienstete D, C, J, B
16.09.: 5 Bedienstete E, B, H, G, J.
Im Übrigen merkte der DL in seiner Stellungnahme an, in den Sachverhaltsfeststellungen die Beantwortung der Fragen zur Beurteilung des Sachverhalts zu vermissen, die er in seiner Stellungnahme vom 2. November 2022 zum Beschwerdevorbringen gestellt hatte.
Zu dieser Stellungnahme des DL hat die PVAB erwogen:
Da kein Anlass besteht, die Ausführungen des DL zur Zahl der pro Tag des fraglichen Zeitraums betroffenen Bediensteten in Zweifel zu ziehen, wäre Pkt. 2 des Sachverhalts entsprechend zu adaptieren. Zur Nichtbeantwortung der Fragen des DL in seiner Stellungnahme vom 2. November 2022 ist klarzustellen, dass die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts durch die Behörde in ihrer abschließenden Entscheidung – und nicht in ihren Sachverhaltsfeststellungen als Grundlage für diese Entscheidung – zu erfolgen hat.
Der Sachverhalt steht somit mit der Maßgabe fest, dass Pkt. 2 wie folgt lautet:
2. Dabei wurden Bedienstete von ihren Regelarbeitsplätzen abgezogen und in anderen Bereichen der JA eingesetzt, wovon von 5. September bis inklusive 16. September 2022 eine täglich wechselnde Zahl von insgesamt 9 Bediensteten betroffen war.
Rechtliche Beurteilung
§ 9 Abs. 2 lit. b PVG ordnet an, dass bei der Erstellung und Änderung des Dienstplanes einschließlich der zeitlichen Lagerung der Ruhepausen und der Diensteinteilung, soweit sich diese über einen längeren Zeitraum oder auf mehrere Bedienstete bezieht, mit dem DA das Einvernehmen iSd § 10 PVG herzustellen ist.
Zu diesem Zweck hat der DL gemäß § 10 Abs. 2 PVG die von ihm beabsichtigte Maßnahme dem zuständigen PVO spätestens zwei Wochen vor ihrer beabsichtigten Durchführung nachweislich zur Kenntnis zu bringen. Das Einvernehmen gilt als hergestellt, wenn das PVO zur geplanten Maßnahme die ausdrückliche Zustimmung gibt oder sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Mitteilung der geplanten Maßnahme nicht äußert. Das PVO kann innerhalb der zweiwöchigen Frist Einwendungen erheben und allenfalls Gegenvorschläge erstatten, wobei seine Einwendungen und Gegenvorschläge zu begründen sind.
Da nach den zwingenden Vorgaben des PVG bei Erstellung oder Änderung der Diensteinteilung immer dann, wenn diese einen längeren Zeitraum oder mehrere Bedienstete betrifft, das Einvernehmen iSd § 10 PVG herzustellen ist, hätte der DL vor Anordnung des verminderten Dienstbetriebs vom 5. September 2022 bis inklusive 16. September 2022 im Betriebsbereich der Justizanstalt mit seiner Dienstverfügung vom 17. August 2022 den DA entsprechend einzubinden gehabt, weil von dieser Verfügung mehrere (= mehr als 2) Bedienstete, nämlich eine jeweils wechselnde Zahl von insgesamt 9 Bediensteten betroffen war. Die Festlegung der Zahl des im verminderten Dienstbetrieb zum Einsatz kommenden – „einzuteilenden“ – Personals stellt auch dann, wenn die Bediensteten in dieser Festlegung nicht namentlich genannt werden, eine Diensteinteilung iSd § 9 Abs. 2 lit. b PVG dar, sofern sich diese Festlegung auf mehrere Bedienstete oder einen längeren Zeitraum bezieht (PVAB 7. Februar 2017, B 1-PVAB/17; PVAB 5. Februar 2018, B 11-PVAB/17; PVAB 6. August 2020, B 1-PVAB/20; PVAB 18. August 2020, B 3-PVAB/20; PVAB 24. Oktober 2022, B 5-PVAB/22). Da die Voraussetzung des § 9 Abs. 2 lit. b PVG in Bezug auf die Betroffenheit mehrerer Bediensteten im vorliegenden Fall erfüllt wurde, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, was unter einem längeren Zeitraum iSd dieser Bestimmung zu verstehen ist.
Gemäß § 10 Abs. 3 PVG sind auf Maßnahmen, die sofort getroffen werden müssen, insbesondere bei drohender Gefahr und bei Katastrophenfällen, sowie bei Alarm- und Einsatzübungen, § 10 Abs. 1 und 2 PVG nicht anzuwenden; das zuständige PVO ist jedoch unverzüglich von der getroffenen Maßnahme zu verständigen.
Es steht außer Zweifel, dass die Dienstverfügung des DL vom 17. August 2022 keine Maßnahme darstellt, die insbesondere wegen drohender Gefahr und im Katastrophenfall sofort getroffen werden musste, weshalb § 10 Abs. 3 letzter Satz PVG im vorliegenden Fall keine Anwendung finden konnte. Somit galten die Mitwirkungsrechte des DA nach § 9 Abs. 2 lit. b PVG im vorliegenden Fall in vollem Umfang.
Von der Änderung der Diensteinteilung betreffend den verminderten Dienstbetrieb im Betriebsbereich der Justizanstalt im September 2022 waren, wie bereits erwähnt, mehrere – insgesamt 9 – Bedienstete betroffen, weshalb darüber das Einvernehmen mit dem DA herzustellen gewesen wäre. Dennoch hat der DL in dieser Angelegenheit die Herstellung des Einvernehmens nach § 9 Abs. 2 lit. b PVG iSd § 10 PVG mit dem DA verabsäumt. Dies stellt aus den genannten Gründen eine Verletzung des PVG dar.
Durch diese nicht den zwingenden Vorgaben des PVG entsprechende Vorgangsweise wurde das PVG durch den DL verletzt. Die Beschwerde war berechtigt.
Wien, am 14. November 2022
Die Vorsitzende:
Sektionschefin i.R. Prof.in Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:PVAB:2022:B7.PVAB.22Zuletzt aktualisiert am
21.12.2022