TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/24 LVwG-2022/26/0179-8

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Veröffentlicht am 24.11.2022
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Entscheidungsdatum

24.11.2022

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol

Norm

AWG 2002 §37 Abs1
AWG 2002 §38 Abs1
AWG 2002 §50 Abs4
NatSchG Tir 2005 §23
  1. AWG 2002 § 37 heute
  2. AWG 2002 § 37 gültig ab 11.12.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 200/2021
  3. AWG 2002 § 37 gültig von 08.01.2021 bis 10.12.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/2021
  4. AWG 2002 § 37 gültig von 05.04.2020 bis 07.01.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2020
  5. AWG 2002 § 37 gültig von 01.08.2019 bis 04.04.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 71/2019
  6. AWG 2002 § 37 gültig von 23.11.2018 bis 31.07.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 73/2018
  7. AWG 2002 § 37 gültig von 20.06.2017 bis 22.11.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2017
  8. AWG 2002 § 37 gültig von 21.06.2013 bis 19.06.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 103/2013
  9. AWG 2002 § 37 gültig von 12.07.2007 bis 20.06.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 43/2007
  10. AWG 2002 § 37 gültig von 01.04.2006 bis 11.07.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2006
  11. AWG 2002 § 37 gültig von 01.01.2005 bis 31.03.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/2004
  12. AWG 2002 § 37 gültig von 02.11.2002 bis 31.12.2004
  1. AWG 2002 § 38 heute
  2. AWG 2002 § 38 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 97/2013
  3. AWG 2002 § 38 gültig von 16.02.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 9/2011
  4. AWG 2002 § 38 gültig von 12.07.2007 bis 15.02.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 43/2007
  5. AWG 2002 § 38 gültig von 01.01.2005 bis 11.07.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/2004
  6. AWG 2002 § 38 gültig von 02.11.2002 bis 31.12.2004

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Aicher über die Beschwerde des Tiroler Landesumweltanwaltes, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 14.12.2021, Zl ***, betreffend die naturschutzrechtliche Bewilligung eines Abfallzwischenlagers samt Aufbereitung auf dem Grundstück **1 KG X in einem Verfahren nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die angefochtene Entscheidung mit der Maßgabe bestätigt, dass

a.   die Nebenbestimmung III.f.1. dahingehend geändert wird, dass nunmehr der Zeitraum vom 15. Juli bis 15. März des Folgejahres als „außerhalb der Brutzeit“ definiert wird, und

b.   die Nebenbestimmung III.f.4. auch den Schutzzweck einer reptiliendichten Barriere zu erfüllen hat, dass also keine Reptilien in die gerodete Fläche des Zwischenlagers einwandern können.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

1)

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 14.12.2021 wurde über Antrag der AA in Abänderung eines bereits bestehenden und konsentierten Abfallzwischenlagers

- zu Spruchpunkt I. die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Abfallzwischenlagers samt Aufbereitung (auch) auf einer Teilfläche des Grundstückes **1 KG X mit einer Flächeninanspruchnahme von ca 5.116 m² und einer verbleibenden Lagerfläche von ca 3.150 m² erteilt, dies unter Miterteilung der forstrechtlichen Bewilligung zur vorübergehenden Rodung einer Teilfläche im Ausmaß von 1.707 m² sowie zur dauernden Rodung einer Teilfläche im Ausmaß von 3.253 m² jeweils auf dem Grundstück **1 KG W (gemeint wohl: KG X), und

- unter Spruchpunkt II. die naturschutzrechtliche Genehmigung für das vorbeschriebene Abfallzwischenlager samt Aufbereitung erteilt.

Unter Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurden von der belangten Behörde verschiedene Nebenbestimmungen für das Vorhaben angeordnet.

In Spruchpunkt IV. des bekämpften Bescheides wurde die in Beschwerde gezogene Bewilligung bis 31.12.2059 befristet und wurden schließlich unter Spruchpunkt V. der angefochtenen Entscheidung die entstandenen Verfahrenskosten und Verwaltungsabgaben der Konsenswerberin zur Zahlung aufgetragen.

Zur Begründung ihrer bewilligenden Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das durchgeführte Ermittlungsverfahren unter Beiziehung einer Reihe von Sachverständigen erbracht habe, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 für die gegenständlich geplante Erweiterung bzw Änderung des bestehenden Abfallzwischenlagers erfüllt seien.

Zur naturschutzrechtlichen Bewilligung hielt die belangte Behörde fest, dass zwar entsprechend den fachkundigen Ausführungen des beigezogenen Amtssachverständigen für BB infolge des Projekts Beeinträchtigungen der Schutzgüter nach dem Tiroler Naturschutzgesetz zu erwarten seien, diese allerdings durch die bereits massiv anthropogen überprägte Umgebung relativiert würden und bei Durchführung der eingereichten Rekultivierungsplanung davon ausgegangen werden könne, dass eine kontinuierliche Verbesserung der Situation eintreten werde.

Am Recycling von Baurestmassen, das durch das gegenständliche Vorhaben ermöglicht werde, bestehe ein öffentliches Interesse entsprechend den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002.

Die Konsenswerberin habe der CC bisher für Zwecke einer ordnungsgemäßen Abfallwirtschaft genutzte Grundflächen zurückzustellen, damit diese ihre Autobahn-Entwässerungsanlagen entsprechend dem aktuellen Stand der Technik ändern und sanieren könne. Das gegenständliche Vorhaben sehe einen Ersatz der für die Konsenswerberin verlorengehenden Grundfläche durch einen Eingriff in einen bislang unberührten Wald vor, welcher unmittelbar an das bestehende Abfallzwischenlager angrenze. Als Vorteil des vorliegenden Projekts sei anzusehen, dass ein Abfallzwischenlager nicht völlig neu einzurichten sei, sondern ein Teil der bestehenden Infrastruktur weiterhin benutzt werden könne, sodass zumindest dafür nicht noch weitere zusätzliche Flächen benötigt würden.

Der vom Eingriff betroffene Schneeheide-Kiefernwald komme im näheren und weiteren Umgebungsbereich noch umfassend vor, womit auch die im Projektgebiet vorgefundene geschützte Orchideenart ihre Ausbreitung auf diesen Grundflächen habe.

Insgesamt überwiege das langfristige öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Abfallwirtschaft die entgegenstehenden Naturschutzinteressen.

Die betroffene Eingriffsfläche stehe in direktem Verbund mit den übrigen Betriebseinrichtungen und –anlagen der Antragstellerin und sei in einer anthropogen überformten Umgebung gelegen, sodass als Ersatz für die verlorengehende Grundfläche für den Weiterbetrieb des Abfallzwischenlagers nur eine relativ kleine Grundfläche in Anspruch genommen werden müsse, da ja die der Konsenswerberin verbleibenden Grundflächen und Bestandsanlagen weiterhin genutzt werden könnten. Somit sei das gegenständliche Vorhaben im Vergleich zu allen Alternativen mit einem vollständigen Zwischenlager die Bestvariante im Sinne der Regelungen des Tiroler Naturschutzgesetzes.

2)

Gegen diesen Bewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 14.12.2021 richtet sich die vorliegende Beschwerde des Tiroler Landesumweltanwaltes im Umfang der erteilten naturschutzrechtlichen Bewilligung gemäß Spruchpunkt II. des Bescheides.

Beantragt wurde, den bekämpften Spruchpunkt II. des Genehmigungsbescheides zu beheben und stattdessen den Antrag auf naturschutzrechtliche Bewilligung abzuweisen.

In eventu wurde begehrt, den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Schließlich wurde vom Landesumweltanwalt der Antrag gestellt, dass eine öffentliche mündliche Rechtsmittelverhandlung durchgeführt wird.

Zur Begründung seines Rechtsmittels brachte der Landesumweltanwalt kurz zusammengefasst vor, dass nicht verkannt werde, dass eine Wiederverwertung von Baustoffen im öffentlichen Interesse gelegen sei und grundsätzlich eine Erweiterung bereits bestehender Betriebsanlagen der Neuerschließung von gänzlich unberührten Bereichen vorzuziehen sei, dies könne allerdings nicht dann gelten, wenn – wie vorliegend – besonders sensible Bereiche betroffen würden.

Die bereits vorhandene anthropogene Überformung spreche gerade hier – wo ein Rotföhrenwald, eine geschützte Orchideenart und geschützte Vogelarten betroffen seien – dafür, diese letzten Reste der intakten unberührten Natur noch zu bewahren.

Die Eingriffsfläche stelle nach der Biotopkartierung einen Teil des Biotopkomplexes „Südabhang des GG“ dar, dieser Biotopkomplex sei als äußerst bedeutsam und besonders schützenswert anzusehen. Besonders hervorzuheben sei das Vorkommen der Orchideenart „Rote Waldstendel“ im Projektbereich, einer nach der Anlage 2 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 geschützten Pflanzenart.

Nach der Fachbeurteilung des verfahrensbeteiligten BB Sachverständigen sei die Eingriffsfläche derzeit ein zumindest mittelwertiger Lebensraum.

Zwar würden direkte Erholungswerteinrichtungen durch das Vorhaben weder berührt noch zerstört, doch verlaufe der EE-Radweg südlich der betroffenen Grundfläche und verbleibe lediglich ein 6 m breiter Pufferstreifen zu diesem Radweg.

Was Naturhaushalt und Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen anbelange, sei festzuhalten, dass die Umsetzung des geplanten Projekts eine vollkommene Zerstörung der beanspruchten Fläche bewirken würde, was einen nachhaltigen Eingriff bedeute.

Zum Landschaftsbild sei auszuführen, dass die geplanten geländeverändernden Maßnahmen immer als optische Beeinträchtigung wahrgenommen würden, wobei die eingereichte Rekultivierungsplanung eine kontinuierliche Verbesserung der Situation erwarten lasse.

Hinsichtlich des Erholungswerts sei zu bemerken, dass zufolge Fehlens von Erholungseinrichtungen im Projektbereich negative Auswirkungen nicht direkt zu erwarten seien, doch gewisse Störungen in Bezug auf den nahe verlaufenden EE-Radweg nicht auszuschließen seien.

Zu bemängeln sei eine unzureichende Sachverhaltserhebung durch die belangte Behörde, da keinerlei Erhebungen zu den im Projektbereich vorkommenden Vogel- und anderen Tierarten vorliegen würden. Dementsprechend sei eine abschließende Beurteilung der Beeinträchtigungen der Naturschutzinteressen vorliegend nicht möglich und sei die erfolgte Interessenabwägung wahrscheinlich eine unrichtige.

Allenfalls seien bei einem Vorkommen geschützter Vogelarten auch die Regelungen des § 25 Abs 3 lit a bis lit f Tiroler Naturschutzgesetz 2005 vorliegend anzuwenden.

Seitens der Landesumweltanwaltschaft wird von einem Vorkommen von Tierarten nach der Anlage 5 bzw zumindest nach der Anlage 6 Tiroler Naturschutzverordnung 2006 sowie von geschützten Vogelarten im Projektbereich ausgegangen, eine naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung sei dann für ein Abfallzwischenlager voraussichtlich nicht möglich.

Die vorgesehenen Rekultivierungsmaßnahmen seien nicht geeignet, die entstehenden Beeinträchtigungen der Naturschutzinteressen entscheidend abzumindern.

Wenn in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt werde, dass im Projektbereich „lediglich“ eine geschützte Pflanzenart vorkomme, sei zu erwidern, dass es rechtlich irrelevant sei, wie viele geschützte Pflanzenarten vorkommen würden, da die Abwägungsentscheidung schließlich dieselbe bleibe.

In der Eingriffsfläche sei die geschützte Pflanzenart „Rote Waldstendel“ vorgefunden worden, sodass für das gegenständliche Vorhaben eine Ausnahmebewilligung nach § 23 Abs 5 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 erforderlich sei. Die diesbezüglich kumulativ erforderlichen Bewilligungsvoraussetzungen erfülle das vorliegende Projekt nicht.

So sei zu bezweifeln, dass es sich beim geplanten Standort um den einzig möglichen Projektstandort handle. Die diesbezügliche Alternativenprüfung durch die belangte Behörde sei mangelhaft geblieben.

Ebenso fehle eine Prüfung, ob bei Umsetzung des Vorhabens Populationen der „Roten Waldstendel“ in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen könnten.

Ein ausreichendes öffentliches Interesse sei ebenfalls nicht zu erkennen, welches geeignet wäre, die Interessen des Naturschutzes zu überwiegen.

Schließlich stehe auch die gegebene Flächenwidmung dem Vorhaben entgegen, ein Abfallzwischenlager dürfe nicht im ausgewiesenen Freiland errichtet werden, womit ein öffentliches Interesse zugunsten des Vorhabens nicht argumentiert werden könne, sei doch die Umsetzung eines rechtswidrigen Vorhabens niemals im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen.

3)

Auf Rechtsmittelebene wurde die Konsenswerberin vom Landesverwaltungsgericht Tirol zur Stellungnahme zur Beschwerde des Landesumweltanwaltes eingeladen.

Hierauf ersuchte die Antragstellerin um Einräumung einer Frist, um eine tierökologische Erhebung der Projektfläche vornehmen und diese zusätzliche Erhebung dem Verwaltungsgericht vorlegen zu können.

Diese Frist wurde der konsenswerbenden Gesellschaft gewährt.

Nach Vorlage dieser tierökologischen Zusatzunterlage wurde vom Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung unter Beiziehung eines BB Amtssachverständigen anberaumt.

In der Rechtsmittelverhandlung wurde der beigezogene BB Sachverständige zur Sache näher befragt, dies insbesondere in Bezug auf die zusätzliche tierökologische Unterlage.

Für die Verfahrensparteien bestand dabei die Gelegenheit, ebenfalls Fragen an den Sachverständigen zu richten und ihre Standpunkte zur Sache argumentativ auszuführen.

II.      Sachverhalt:

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist ein administrativrechtliches Genehmigungsverfahren nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 für die (räumliche) Änderung eines bestehenden Abfallzwischenlagers samt Aufbereitung, und zwar konkret die im Rahmen dieses Bewilligungsverfahrens erteilte naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung.

Die Konsenswerberin betreibt auf der Grundlage mehrerer Bewilligungsbescheide der belangten Behörde ein Abfallzwischenlager samt Aufbereitung auf mehreren Grundstücken der KG X, und zwar unmittelbar südöstlich an die EE-Autobahn angrenzend sowie an der Grenze zur Katastralgemeinde W. Nordwestlich der EE-Autobahn und ebenfalls an diese unmittelbar anschließend verfügt die konsenswerbende Gesellschaft über Abbauflächen und Betriebseinrichtungen zur Gewinnung von mineralischen Rohstoffen.

Die unmittelbar anschließenden Grundflächen der Katastralgemeinde W werden von anderen Unternehmen für gewerbliche Zwecke – vor allem auch zum Abbau und zur Aufbereitung von mineralischen Rohstoffen – genutzt.

Der gegenständliche Bereich ist somit massiv anthropogen überformt.

Ein Teil der für das bestehende Abfallzwischenlager (samt Aufbereitung) genutzten Grundfläche, nämlich die im Eigentum der CC stehende Fläche im Ausmaß von ca 3.140 m², hat die Konsenswerberin der CC bis spätestens 31.12.2023 für deren Eigenbedarf zurückzustellen, um es der CC zu ermöglichen, durch Errichtung entsprechender Anlagen auf der zurückzustellenden Grundfläche die Autobahn-Entwässerungsanlagen entsprechend dem aktuellen Stand der Technik zu ändern und zu sanieren.

Die Eingriffsfläche auf dem Grundstück **1 KG X soll als Ersatz für die der Konsenswerberin verlorengehende Zwischenlagerfläche dienen, wobei der Natureingriff mit einer Flächeninanspruchnahme von ca 5.116 m² einhergeht und nach Herstellung der entsprechenden Oberfläche eine (neue) Zwischenlagerfläche im Ausmaß von ca 3.150 m² verbleiben wird. Die Herstellung der (neuen) Zwischenlagerfläche erfordert eine vorübergehende Rodung von Wald im Ausmaß von 1.707 m² sowie die dauernde Rodung von Wald im Ausmaß von 3.253 m², jeweils auf dem Grundstück **1 KG X.

Durch die Herstellung der (neuen) Lagerfläche soll es ermöglicht werden, das von der Konsenswerberin betriebene Abfallzwischenlager samt Aufbereitung (Baustoff-Recycling) am bisherigen Standort weiterzuführen, dies im Kontext mit dem Abbaubetrieb der Antragstellerin zur Gewinnung mineralischer Rohstoffe.

Aus naturkundlicher Sicht ist die projektgemäß vorgesehene Eingriffsfläche wie folgt zu beschreiben:

Das gegenständliche Zwischenlager befindet sich im Gemeindegebiet von X auf einer abgeschlossenen Bodenaushubdeponie im Bereich der so genannten FF am Südabhang des GG. Südlich davon soll nun ein weiteres Zwischenlager mit einer Gesamtprojektfläche von knapp 5.000 m2 errichtet werden. Die ebene Lagerfläche beträgt rund 3.150 m². Die Projektfläche liegt zudem innerhalb des 500 m-Uferschutzbereiches des Wakeboardsees der JJ am gegenüberliegenden KK.

Derzeit präsentiert sich die vom Abbau betroffene Fläche überwiegend als Föhrenwald, welcher am Südabhang des GG stockt und sich innerhalb des GG-Bergsturzbereiches befindet. Sowohl in der eingereichten Landschaftspflegerischen Begleitplanung als insbesondere auch in der landesweiten Biotopkartierung wird dieser Biotopkomplex als äußerst bedeutsam und besonders schützenswert beschrieben (vgl. Biotopnummer 1924 - 103 /4; Biotopkartierung der Gemeinde X).

Festzuhalten ist jedoch, dass gegenständlicher Föhrenwald zwischen Radweg bzw. angrenzendem Uferstreifen des KK und der bestehenden Deponie bzw. Abbauanlagen nicht mit dem wärmeliebenden Föhrenwald des GG-Bergsturzes gleichzusetzen ist. Dies zeigt beispielsweise die geringe Artenvielfalt sowie mit einer Orchidee lediglich eine geschützte Art nach der Tiroler Naturschutzverordnung. Entsprechend der eingereichten Vegetationsaufnahme wird der hier stockende Schneeheide-Föhrenwald mit Wacholder-Unterwuchs von Rotföhre aufgebaut, in der Strauchschicht dominieren Wacholder, Felsenbirne und Legföhre.

Die Bewertung des flächenmäßig am meisten betroffenen Bereiches (Schneeheide-Kiefernwald) ergab hinsichtlich seines Natürlichkeitscharakters und seiner Repräsentanz eine mittlere Einstufung, zumal negative Einflüsse der direkten Umgebung vorliegen. Die Stellung im Biotopverbund konnte aufgrund der eher geringen Vernetzung dieser Fläche mit den umliegenden Waldflächen als teilweise vernetzt (Stufe 5 einer 10stelligen Skala) eingestuft werden. Die Reproduzierbarkeit, also die Berücksichtigung der Entstehungsdauer des jeweiligen Lebensraumes, wurde mit noch reproduzierbar (in 50 bis zu 100 Jahren) angegeben. Zusammenfassend belegt gegenständliche Erhebung die aus fachlicher Sicht festgestellte Tatsache, dass es sich bei dem geplanten Areal um einen zumindest mittelwertigen Lebensraum handelt.

Eine gute Einsicht auf die bestehende Lagerfläche sowie die geplante Erweiterungsfläche besteht teils vom EE-Radweg sowie abschnittsweise auch von der Bahnlinie der ÖBB aus. Ebenso kann auch von größeren Entfernungen aus, wie z.B. den Anwesen am X Berg oder V und höher gelegenen Wander- und Spazierwegen der umgebenden Bergseite die beantragte Maßnahme voll eingesehen werden.

Hinsichtlich des Landschaftsbildes findet sich im beigebrachten Landschaftspflegerischen Begleitplan ebenfalls eine Analyse, welche auf den Parametern Eigenart und Einsehbarkeit aufbaut. Mit der Bewertung der Eigenart wird festgestellt, in welchem Maße der untersuchte Raum typisch für den entsprechenden Landschaftsteil ist. Diesbezüglich ergab sich eine hohe Bewertung (Stufe 7 einer 10teiligen Skala) und ist gegenständliche Fläche somit als typischer und harmonischer Teil der Landschaft einzustufen. Die gegebene und wie bereits oben beschriebene Einsehbarkeit wurde als „positive Einsehbarkeit“ beschrieben, zumal es sich im „Ist“-Zustand um eine für das Landschaftsbild hochwertige Fläche handelt. Zusammenfassend wird die projektierte Fläche als landschaftsbildlich von Bedeutung eingestuft.

Direkte Erholungseinrichtungen, wie Wanderwege oder Steige, befinden sich nicht im geplanten Projektgebiet und werden somit weder berührt noch zerstört. Jedoch verläuft unmittelbar südlich der projektierten Fläche der EE-Radweg, welcher nur durch einen 6 m breiten Pufferstreifen getrennt sein wird. Seitens des Erholungswertes ergab die Analyse einen ebenfalls hohen Wert (Stufe 7) für den direkt betroffenen Föhrenwald.

Aufgrund des gegenständlichen Vorhabens ergeben sich folgende Auswirkungen auf die Schutzgüter des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005:

- Hinsichtlich der Auswirkungen auf den „Naturhaushalt“ und der hier vorkommenden „Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen“ ergibt sich eine vollkommene Zerstörung der beanspruchten Fläche und somit eine weitere Zurückdrängung des gegenständlichen Landschaftselements, was einen nachhaltigen Eingriff bedeutet.

- Ebenso wird das „Landschaftsbild“ nachhaltig beeinträchtigt, dies aufgrund des Verlusts typischer, das Landschaftsbild positiv prägender Gegebenheiten und der Wirkung der entstehenden Lagerfläche als Fremdkörper.

Relativierend wirkt jedoch, dass die gegenständliche Maßnahme im unmittelbaren Nahbereich von bereits massiv anthropogen überprägten Betriebsanlagen zu liegen kommt und somit wesentlich geringer negativ in Erscheinung tritt als eine solitäre Maßnahme in einem unberührten Bereich. Die vorgesehenen Rekultivierungsmaßnahmen lassen mit zunehmenden Bestandesalter auf den Rekultivierungsflächen eine kontinuierliche Verbesserung erwarten.

- Negative Auswirkungen auf den „Erholungswert“ sind mangels Erholungseinrichtungen im Projektgebiet nicht direkt zu erwarten, allerdings sind Störungen des Erholungswertes aufgrund des nahe vorbeilaufenden EE-Radweges nicht völlig ausgeschlossen.

Auf der Eingriffsfläche wurde die geschützte Orchideenart „Rote Waldstendel“ nachgewiesen, nicht jedoch geschützte Tierarten der Anlagen 5 und 6 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006.

Insgesamt 11 geschützte Vogelarten haben im Projektbereich ein Revier oder einen Revieranteil, wobei es sich aber nicht um wertbestimmende Vogelarten handelt, welche nach der Roten Liste Tirol oder der Roten Liste Österreich sowie im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie gelistet sind.

Die durch den Eingriff betroffenen Vogelarten kommen in Tirol sehr häufig vor, durch den projektbedingten Wegfall von 1 bis 2 Revieren wird der Bestand der betroffenen Vogelarten in Tirol nicht gefährdet.

Bei der durch den Eingriff betroffenen Orchideenart „Rote Waldstendel“ handelt es sich um eine typische Pflanze für den verfahrensbetroffenen Rotföhrenwald auf basischem Substrat, diese Orchidee kommt in den Rotföhrenwäldern im Bereich des GG Bergsturzes sehr häufig vor und befindet sich diese Orchideenart dort in einer gesunden Population. Durch den projektbedingten Wegfall der geplanten Rodungsfläche wird die Orchideenart „Rote Waldstendel“ in ihrem gesunden Populationszustand nicht verschlechtert.

III.     Beweiswürdigung:

Beweiswürdigend ist in der vorliegenden Rechtssache festzuhalten, dass sich der zuvor festgestellte Sachverhalt aus der gegebenen Aktenlage sowie aus den Fachausführungen des verfahrensbeteiligten Sachverständigen ergibt.

So stützen sich die Feststellungen zum Verfahrensgegenstand, zum schon gegebenen Betrieb eines Abfallzwischenlagers samt Aufbereitung (Baustoff-Recycling) durch die Konsenswerberin in Nachbarschaft zur vorgesehenen Eingriffsfläche, zur gegebenen Notwendigkeit der Rückstellung eines Teils der bisherigen Lagerflächen an die CC für deren Projekt zur Verbesserung der Autobahn-Entwässerungsanlagen und zur Lage des verfahrensgegenständlichen Abfallzwischenlagers neben der EE-Autobahn und im Nahbereich der Abbauflächen der Konsenswerberin zur Gewinnung von mineralischen Rohstoffen auf die vorliegenden Aktenunterlagen.

Dass die Eingriffsfläche die an die CC zurückzustellende Lagerfläche ersetzen soll, beruht gleichermaßen auf der vorliegenden Aktenlage.

Den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde ist der beschwerdeführende Landesumweltanwalt auch nicht begründet entgegengetreten.

Die festgestellten Flächeninanspruchnahmen infolge des strittigen Vorhabens sowie die festgestellten (vorübergehenden sowie dauernden) Rodungsflächen gründen gleichermaßen auf den von der belangten Behörde vorgelegten Aktenunterlagen. Auch diese Flächenangaben hat der Landesumweltanwalt nicht in Zweifel gezogen.

Die naturkundliche Beschreibung der Eingriffsfläche und von deren Umgebung sowie die festgestellten Auswirkungen des strittigen Vorhabens auf die Schutzgüter des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 gründen auf der schlüssigen und nachvollziehbaren Fachbeurteilung des beigezogenen BB Amtssachverständigen.

Dasselbe gilt für die getroffenen Feststellungen zu den Nachweisen bzw nicht möglichen Nachweisen geschützter Pflanzenarten, geschützter Vogelarten sowie geschützter Tierarten auf der Eingriffsfläche.

Der verfahrensbeteiligte Sachverständige hinterließ beim erkennenden Verwaltungsgericht einen äußerst kompetenten Eindruck, dieser kann auf langjährige Erfahrungen gerade im gegenständlichen Bereich des GG Bergsturzes zurückgreifen.

Für das Landesverwaltungsgericht Tirol ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass den fachkundigen Ausführungen des befassten Sachverständigen auf dem Fachgebiet der BB nicht gefolgt hätte werden können. Auch der Landesumweltanwalt vermochte im gegenständlichen Verfahren keine Gründe aufzuzeigen, warum die gutachterlichen Darlegungen des beigezogenen Sachverständigen nicht der zu treffenden Entscheidung zugrunde gelegt hätten werden können.

Dementsprechend wurden die Fachäußerungen des verfahrensbeteiligten Sachverständigen für die Rechtsmittelentscheidung herangezogen.

IV.      Rechtslage:

In der in Beurteilung stehenden Beschwerdesache sind mehrere Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl I Nr 102/2002, letztmalig geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 200/2021, sowie des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005, LGBl Nr 26/2005, letztmalig geändert durch das Gesetz LGBl Nr 161/2021, verfahrensmaßgeblich.

Diese haben folgenden Inhalt:

Nach § 37 Abs 1 AWG 2002 bedarf die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen der Genehmigung der Behörde, wobei § 37 Abs 3 Z 3 AWG 2002 vorsieht, dass sonstige Behandlungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle, ausgenommen Deponien, mit einer Kapazität von weniger als 10.000 Tonnen pro Jahr und Änderungen solcher Behandlungsanlagen nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50) zu genehmigen sind.

Entsprechend der Verfassungsbestimmung des § 38 Abs 1 AWG 2002 sind im Genehmigungsverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen alle Vorschriften – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren – anzuwenden, die ua im Bereich des Naturschutzrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind, wobei hinsichtlich der landesrechtlichen Vorschriften die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden hat.

Gemäß § 50 Abs 4 AWG 2002 hat Parteistellung im vereinfachten Verfahren der Antragsteller, derjenige, der zu einer Duldung verpflichtet werden soll, das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung seiner Aufgaben und der Umweltanwalt mit dem Recht, die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Vorschriften und hinsichtlich der Verfahren gemäß § 37 Abs 3 Z 2 bis 4 die Wahrung der öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs 3 Z 1 bis 4 im Verfahren geltend zu machen.

Nach den §§ 23, 24 und 25 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 hat die Tiroler Landesregierung mit Verordnung Schutzmaßnahmen für geschützte Pflanzenarten, für geschützte Tierarten und geschützte Vogelarten entsprechend näheren gesetzlichen Vorgaben anzuordnen. Dem ist die Tiroler Landesregierung mit der Tiroler Naturschutzverordnung 2006, LGBl Nr 39/2006, nachgekommen. Von den dort festgelegten Schutzanordnungen ist im Gegenstandsfall vor allem das Verbot maßgeblich, dass der Lebensraum von geschützten Pflanzenarten sowie von geschützten Vogelarten nicht in einer Weise behandelt werden darf, dass ihr weiterer Bestand in diesem Lebensraum erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird.

Die Bestimmungen der §§ 23, 24 und 25 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 sehen die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung vom vorgenannten Verbot dann vor, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt und bestimmte näher bezeichnete öffentliche Interessen vorliegen.

V.       Erwägungen:

1)

Auf dem Boden des festgestellten Sachverhaltes bedarf das verfahrensgegenständliche Vorhaben der Errichtung und des Betriebs eines Abfallzwischenlagers samt Aufbereitung (auch) auf einer Teilfläche des Grundstückes **1 KG X einer naturschutzrechtlichen Genehmigung, dies zum einen wegen der Lage dieses Abfallzwischenlagers im 500 m-Uferschutzbereich des künstlich angelegten „Wakeboardsees“ der Freizeiteinrichtung „JJ“ mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m² gemäß § 7 Abs 2 lit b Tiroler Naturschutzgesetz 2005 und zum anderen zufolge der Berührung und der Beeinträchtigung des Lebensraumes geschützter Pflanzenarten.

Die naturschutzrechtliche Bewilligung eines Eingriffs in den Uferschutzbereich eines Sees erfordert langfristige öffentliche Interessen an der Bewilligungserteilung, welche die Interessen des Naturschutzes zu überwiegen vermögen.

Zu den Genehmigungsvoraussetzungen nach § 23 Abs 5 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 gehören neben anderen Voraussetzungen ebenso (überwiegende) öffentliche Interessen näher bezeichneter Art an einem bestimmten Vorhaben.

Zu den Bewilligungsvoraussetzungen nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 ist daher zusammenfassend für das verfahrensgegenständliche Vorhaben Folgendes auszuführen:

a)

Der dem Rechtsmittelverfahren beigezogene Sachverständige für BB hat überzeugend dargetan, dies gestützt auf eine langjährige Erfahrung im Gegenstandsbereich, dass die auf der Eingriffsfläche nachgewiesene Orchideenart „Rote Waldstendel“ in den Rotföhrenwäldern des GG Bergsturzes sehr zahlreich vorkommt und sich dort in einer gesunden Population befindet, wobei er hinzufügte, dass aus seiner fachlichen Sicht durch das vorgesehene Projekt und den Wegfall der geplanten Rodungsfläche die betroffene Orchideenart „Rote Waldstendel“ in ihrem gesunden Populationszustand nicht verschlechtert wird.

Zu den vom geplanten Eingriff betroffenen Vogelarten hielt der verfahrensbeteiligte Sachverständige fest, dass es sich dabei um keine wertbestimmenden Vogelarten handelt, welche nach der Roten Liste Tirol oder der Roten Liste Österreich sowie im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie gelistet sind. Weiters führte er aus, dass es sich bei den betroffenen Vogelarten um solche handelt, die in Tirol sehr häufig vorkommen, sodass aus seiner fachlichen Sicht der projektbedingte Wegfall von ein bis zwei Revieren der Bestand der betroffenen Vogelarten in Tirol nicht gefährdet wird.

In Ansehung dieser unbestritten gebliebenen Fachausführungen geht das erkennende Verwaltungsgericht vorliegend davon aus, dass die Populationen der vom Vorhaben betroffenen Pflanzenart „Roter Waldstendel“ in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen und ebenso der Lebensraum der vom strittigen Projekt betroffenen Vögel nicht in einer Weise behandelt wird, dass ihr weiterer Bestand in Tirol erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird.

b)

Die Ausnahmebewilligung nach § 23 Abs 5 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 setzt voraus, dass es „keine andere zufriedenstellende Lösung gibt“.

Gleichermaßen kann die Naturschutzgenehmigung für einen Eingriff in den Uferschutzbereich eines Sees gemäß § 29 Abs 4 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 nur dann erteilt werden, wenn der angestrebte Zweck mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand nicht „auf eine andere Weise erreicht werden kann“, durch die die Naturschutzinteressen nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß beeinträchtigt werden.

Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des entscheidenden Gerichts im gegenständlichen Fall zu bejahen.

Mit dem vorliegenden Projekt wird nämlich ua auch das Ziel verfolgt, den bereits bestehenden Standort der Konsenswerberin zur Betreibung eines Abfallzwischenlagers samt Aufbereitung (Baustoff-Recycling) in der bisherigen Größe beizubehalten und bloß im Umfang der verlorengehenden, da an die CC zurückzustellenden Grundfläche einen Ersatz durch Eingriff in eine Naturfläche zu schaffen.

Infolgedessen sind andere in Frage kommende Lösungen dergestalt, dass das von der Antragstellerin betriebene Abfallzwischenlager samt Aufbereitung zur Gänze an einen anderen Standort verlegt wird, im Rahmen einer Alternativenprüfung von vorneherein gegenüber dem beantragten Vorhaben insofern im Nachteil, als bei diesen mit einer größeren Flächeninanspruchnahme gerechnet werden müsste, zumal bei einem neuen Standort die (nach Grundzurückstellung an die CC verbleibenden) bisherigen weiteren Zwischenlagerflächen ja an einem neuen Standort nicht mehr zur Verfügung stünden.

Im gegebenen Zusammenhang hat der Vertreter der konsenswerbenden Gesellschaft bei der Rechtsmittelverhandlung am 02.11.2022 über Befragung durch das Gericht weiters klargestellt, dass die zu substituierende Manipulationsfläche im Nahbereich des weiterhin zu betreibenden Abfallzwischenlagers situiert werden sollte, um nicht zusätzlichen Verkehr zu erzeugen. Auch verwies er auf den Kontext bzw die Verflechtung zwischen Abfallzwischenlager und dem nördlich der EE-Autobahn gelegenen Areal der Konsenswerberin zur Gewinnung von mineralischen Rohstoffen, dies in Bezug auf die einzusetzenden Arbeitsmaschinen und Geräte (zB Radlader) als auch in Bezug auf die notwendigen Sozialräumlichkeiten für die Mitarbeiter und schließlich in Bezug auf die gegebenen Betankungsmöglichkeiten für die Arbeitsmaschinen.

All diese Vorteile wären bei einem weiter entfernt liegenden neuen Standort nicht mehr gegeben.

Wenn der Landesumweltanwalt im Verfahren vorgetragen hat, dass als Alternative zum gegenständlichen Projekt gerade im Gegenstandsfall der angrenzende viele Hektar große bereits abgeholzte Bereich hinsichtlich der Möglichkeit der Anlage einer Manipulationsfläche geprüft werden sollte, da seitens der Landesumweltanwaltschaft davon ausgegangen werde, dass die beantragte Manipulationsfläche anderweitig – außerhalb des hochwertigen Schneeheide-Föhrenwaldes - mit geringeren Auswirkungen (auf die Schutzgüter des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005) realisiert werden könnte, ist wie folgt zu bemerken:

Anlässlich der Beschwerdeverhandlung wurde der Vertreter der konsenswerbenden Gesellschaft diesbezüglich einer Befragung unterzogen und hat er glaubhaft darlegen können, dass ein Großteil der vom Landesumweltanwalt angesprochenen bereits abgeholzten Grundflächen in der Katastralgemeinde W gelegen ist und diese Flächen anderen Unternehmungen zur Verfügung stehen, nicht aber der Antragstellerin. Letztere verfügt entsprechend den gegebenen zivilrechtlichen Vereinbarungen nur über Grundflächen in der Katastralgemeinde X, und zwar beiderseits der EE-Autobahn, wobei sämtliche der Konsenswerberin zur Verfügung stehenden Grundflächen bereits anderweitig betrieblich ausgenutzt sind, weshalb die durch die Zurückstellung einer Grundfläche an die CC verlorengehende Fläche nicht woanders am gegebenen Betriebsgelände der Konsenswerberin situiert werden kann.

Das vom Landesverwaltungsgericht Tirol erstellte Orthofoto zeigt recht deutlich, dass die Grenze zwischen den beiden Katastralgemeinden X einerseits und W andererseits unmittelbar südlich des bestehenden Abfallzwischenlagers der Konsenswerberin und der antragsgegenständlichen neuen Manipulationsfläche auf dem Grundstück **1 KG X verläuft, dieses Orthofoto unterstreicht dementsprechend die Ausführungen des Vertreters der konsenswerbenden Gesellschaft.

Die von der Landesumweltanwaltschaft ins Treffen geführte Alternative erweist sich auf dem Boden der glaubwürdigen Darlegungen des Vertreters der Antragstellerin als nicht realisierbar.

Insgesamt geht das erkennende Verwaltungsgericht vorliegend davon aus, dass es zum streitgegenständlichen Vorhaben – aus dem Blickwinkel der Zielsetzung der Beibehaltung des AWG-Standortes unter Weiterverwendung der der Antragstellerin verbleibenden und schon bisher als Abfallzwischenlager samt Aufbereitung genutzten Grundflächen – keine „andere zufriedenstellende Lösung“ im Sinne der Bestimmung des § 23 Abs 5 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 gibt.

Gleichermaßen ist fallbezogen nach Auffassung des entscheidenden Gerichts der „angestrebte Zweck“ des Vorhabens im Sinne des § 29 Abs 4 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 – nämlich der schon dargelegten Weiterführung des bestehenden Abfallzwischenlagers samt Aufbereitung in derselben Größenordnung wie bisher am gleichen Standort – nur bei einem Ersatz der verlorengehenden Manipulationsfläche im Nahbereich des gegebenen AWG-Standortes erreichbar, also nicht wirklich auf eine andere Weise, wie eben im strittigen Projekt vorgesehen. Bei einer gänzlichen Standortverlegung liegt es auch auf der Hand, dass der damit verbundene Aufwand – im Vergleich zu der in Prüfung stehenden Lösung einer Teilverlegung der Manipulationsfläche – viel größer wäre, mithin nicht mehr „im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg“ vertretbar wäre.

c)

Die Tatbestände des § 23 Abs 5 sowie des § 29 Abs 2 lit a Z 2 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 fordern für eine Naturschutzgenehmigung Interessen der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positive Folgen für die Umwelt bzw überwiegende andere langfristige öffentliche Interessen an der Bewilligungserteilung.

Das erkennende Verwaltungsgericht vermag in Bezug auf das in Streit gezogene Vorhaben der Antragstellerin durchaus ein erhebliches, langfristiges und verfahrensmaßgebliches öffentliches Interesse an der Verwirklichung dieses Projekts zu erkennen, ist doch die Bereitstellung von Lagerflächen für ein Abfallzwischenlager samt Aufbereitung notwendig, um den gesetzlichen Vorgaben des Abfallwirtschaftsgesetzes in der Lebenswirklichkeit auch entsprechen zu können, nämlich durch die Aufbereitung von Altbaustoffen deren Wiederverwendung im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen und solcherart wertvollen Deponieraum zu schonen.

Dass die Wiederverwertung von Baustoffen im generellen öffentlichen Interesse gelegen ist und grundsätzlich die Erweiterung bereits bestehender Betriebsanlagen der Neuerschließung von gänzlich unberührten Bereichen vorzuziehen ist, hat auch der beschwerdeführende Landesumweltanwalt in seinem Rechtsmittelschriftsatz ausdrücklich als richtig anerkannt.

Auslöser für das gegenständliche Vorhaben ist die Notwendigkeit der Zurückstellung einer von der Konsenswerberin bisher genutzten Grundfläche an die CC für deren Zwecke, nämlich die Änderung und Sanierung der Autobahn-Entwässerungsanlagen entsprechend dem aktuellen Stand der Technik. Die Verbesserung der bestehenden Autobahn-Entwässerungsanlagen im Sinne der Herstellung des Standes der Technik liegt nach Dafürhalten des entscheidenden Verwaltungsgerichts ebenso im öffentlichen Interesse, konkret insbesondere im Interesse am Gewässerschutz.

Demgegenüber ist bei der notwendigerweise vorzunehmenden Abwägung der im Gegenstandsfall doch gegenläufigen öffentlichen Interessen in Anschlag zu bringen, dass das in Beurteilung stehende Projekt nachhaltige Beeinträchtigungen der naturschutzrechtlichen Schutzgüter „Naturhaushalt“, „Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen“ und „Landschaftsbild“ bedingen wird, wobei allerdings relativierend zu berücksichtigen ist, dass die geplante Maßnahme im unmittelbaren Nahbereich von bereits massiv anthropogen überprägten Betriebsanlagen zu liegen kommt und somit im Konnex mit den bereits geschehenen Geländeeingriffen wesentlich geringer negativ in Erscheinung treten wird als solitäre Maßnahmen in einem ansonsten noch unberührten Bereich.

Außerdem werden die vorgesehenen Rekultivierungsmaßnahmen die zu erwartenden Beeinträchtigungen abmindern, sodass mit zunehmenden Bestandesalter auf den Rekultivierungsflächen eine kontinuierliche Verbesserung der Situation zu erwarten ist.

Dementsprechend geht das Landesverwaltungsgericht Tirol in einer Gesamtschau aller Gründe, die für und gegen das vorliegende Projekt sprechen, davon aus, dass dem in Streit gezogenen Vorhaben zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses wirtschaftlicher Art gemäß § 23 Abs 5 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 zugemessen werden können und das strittige Vorhaben (auch) positive Folgen für die Umwelt im Sinne der Ermöglichung einer ordnungsgemäßen Abfallwirtschaft sowie der Schonung von wertvollem Deponieraum haben wird.

Die aufgezeigten öffentlichen Interessen sind langfristig und vermögen – was die Bewilligungserteilung nach § 7 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 anbelangt – die öffentlichen Interessen des Naturschutzes zu überwiegen, dies im Rahmen der erforderlichen einzelfallbezogenen Interessenabwägung.

Zum Lebensraumschutz geschützter Vogelarten nach § 25 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 ist festzuhalten, dass nach den Ausführungen des dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen für BB auf der Eingriffsfläche keine wertbestimmenden Vogelarten nachgewiesen wurden, welche nach der Roten Liste Tirol oder der Roten Liste Österreich sowie im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie gelistet sind, und es sich bei den durch den Eingriff betroffenen Vogelarten um solche handelt, die in Tirol sehr häufig vorkommen, sodass aus seiner fachlichen Sicht bei Durchführung des gegenständlichen Vorhabens der Bestand der betroffenen Vogelarten in Tirol nicht gefährdet wird.

Auf der Grundlage dieser (unbestritten gebliebenen) Fachausführungen und im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.12.2012, 2011/07/0190) vertritt das erkennende Verwaltungsgericht vorliegend die Auffassung, dass die ökologische Funktion des vom Eingriff betroffenen Lebensraums im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt werden kann und solcherart der Verbotstatbestand des § 25 Abs 1 lit f Tiroler Naturschutzgesetz 2005 nicht erfüllt wird, also der Lebensraum von Vögeln nicht in einer Weise behandelt wird, dass ihr weiterer Bestand im Lebensraum erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird.

Geschützte Tierarten der Anlagen 5 und 6 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 wurden auf der Eingriffsfläche nicht nachgewiesen, eine Beurteilung des gegenständlichen Vorhabens nach § 24 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 erübrigt sich daher.

d)

Mit Bedachtnahme auf alle Umstände des hier in Prüfung stehenden Falles besteht nach Meinung des entscheidenden Verwaltungsgerichts vorliegend die Möglichkeit, sowohl die erforderliche Ausnahmebewilligung nach § 23 Abs 5 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 als auch die Naturschutzgenehmigung nach § 7 Abs 2 lit b Z 1 bzw Z 2 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 zu erteilen.

Demzufolge war die angefochtene Entscheidung der belangten Behörde zu bestätigen.

Das entscheidende Verwaltungsgericht sah sich lediglich dazu veranlasst, entsprechend dem Verfahrensergebnis auf Rechtsmittelebene Nebenbestimmungen der angefochtenen Bewilligung anzupassen, dies zum einen in Bezug auf die Definition des Zeitraumes „außerhalb der (Vogel-)Brutzeit“ sowie zum anderen in Bezug auf eine reptiliendichte Barriere zwischen dem neuen Zwischenlager und dem bestehenden Radweg.

Im Übrigen war aber in Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung das Beschwerdebegehren des Umweltanwaltes abzuweisen.

2)

Zu den gegen die bekämpfte Genehmigung vorgetragenen Argumenten ist festzuhalten, dass diese nicht geeignet sind, die vorliegende Beschwerde zum Erfolg zu führen und ein anderes Verfahrensergebnis herbeizuführen, wozu noch Folgendes auszuführen verbleibt:

a)

In der Beschwerde wurde bemängelt, dass die belangte Behörde im Gegenstandsfall den maßgeblichen Sachverhalt nur unzureichend erhoben habe, zumal Erhebungen zum Vorkommen geschützter Vogelarten und geschützter anderer Tierarten unterlassen worden seien.

Auf Rechtsmittelebene hat die konsenswerbende Gesellschaft eine zusätzliche tierökologische Erhebung des Verfahrensbereiches veranlasst und hat das entscheidende Verwaltungsgericht dafür eine entsprechende Frist eingeräumt. Nunmehr liegt eine zoologische Untersuchung des Projektbereichs vor, dies mit dem Ergebnis, dass entgegen der Annahme des beschwerdeführenden Landesumweltanwaltes geschützte Tierarten der Anlagen 5 und 6 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 auf der Eingriffsfläche nicht nachgewiesen werden konnten.

Gleichermaßen verhält es sich mit geschützten wertbestimmenden Vogelarten, welche nach der Roten Liste Tirol oder der Roten Liste Österreich sowie im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie gelistet sind. Zwar kommen insgesamt 11 geschützte Vogelarten im Projektbereich vor, doch handelt es sich dabei gemäß den ergänzenden Ausführungen des beigezogenen BB Sachverständigen um solche Vogelarten, die in Tirol sehr häufig vorkommen, sodass bei Durchführung des gegenständlichen Vorhabens der Bestand dieser betroffenen Vogelarten in Tirol nicht gefährdet wird.

Die Kritik des Landesumweltanwaltes bezüglich einer unzureichenden Sachverhaltserhebung geht somit auf der Basis der nunmehr vorliegenden zoologischen Erhebung über den Projektbereich ins Leere.

b)

Insoweit der beschwerdeführende Landesumweltanwalt moniert, dass die Errichtung der verfahrensgegenständlichen Anlage mit der Widmung „Freiland“ des betroffenen Grundstückes **1 KG X nicht in Einklang zu bringen sei, da dort entsprechend den Vorgaben des § 41 Tiroler Raumordnungsgesetz die Errichtung eines Abfallzwischenlagers nicht möglich sei und die Umsetzung eines rechtswidrigen Vorhabens niemals im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen sein könne, ist seitens des erkennenden Verwaltungsgerichts Folgendes klarzustellen:

Mit diesem Vorbringen verlässt der Landesumweltanwalt den Rahmen seiner in § 42 Abs 1 Z 8 sowie in § 50 Abs 4 AWG 2002 näher umschriebenen Parteistellung mit dem Recht,

-   die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Vorschriften und

-   mit Blick auf die im Gegenstandsfall maßgebliche Anlage gemäß § 37 Abs 3 Z 3 AWG 2002 (auch) die Wahrung der öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs 3 Z 1 bis 4 AWG 2002

im Verfahren geltend zu machen.

Die Geltendmachung raumordnungsrechtlicher Vorschriften fällt darunter also nicht.

Davon abgesehen ordnet die Verfassungsbestimmung des § 38 Abs 2 AWG 2002 an, dass im abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigungsverfahren

Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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