TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/24 95/03/0296

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Veröffentlicht am 24.01.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §51 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des R in V, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 28. August 1995, Zl. KUVS-931/3/95, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960,

Spruch

I. den Beschluß gefaßt:

Die Behandlung der Beschwerde wird in Ansehung des Ausspruches über die Schuld abgelehnt.

II. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 mit einer Geldstrafe von S 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Stunden) bestraft, weil er am 2. Oktober 1994 um 15.57 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges an einer näher bezeichneten Stelle der Packer Bundesstraße B 70 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 27 km/h überschritten habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Zu I:

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluß ablehnen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der unabhängige Verwaltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind, insoweit der angefochtene Bescheid über die Schuld des Beschwerdeführers abspricht, gegeben. Die Behandlung der Beschwerde konnte daher in diesem Umfang abgelehnt werden.

Zu II:

Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde schloß sich in dem die Strafbemessung betreffenden Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides mit dem Bemerken, "daß der Rechtsmittelwerber keinerlei Einwendungen gegen die Höhe des Strafausmaßes erhoben hat", den Ausführungen der Erstinstanz an. Diese war von einem "nicht unerheblichen" Unrechtsgehalt der Tat ausgegangen und hatte ein monatliches Einkommen des Beschwerdeführers von S 40.000,-- sowie die Sorgepflicht für die Gattin berücksichtigt. Ferner hieß es im erstinstanzlichen Straferkenntis, daß weder erschwerende noch mildernde Umstände eruiert und berücksichtigt worden seien.

Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, daß er gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis "das Rechtsmittel der vollen Berufung" eingebracht habe und daß die belangte Behörde seine schon in der Berufung geltend gemachte Unbescholtenheit nicht beachtet habe.

Dem hält die belangte Behörde in der Gegenschrift entgegen, daß es dem Rechtsmittelvorbringen des Beschwerdeführers, wenngleich dieser "volle Berufung" gegen das Straferkenntnis erhoben habe, dennoch an einer Begründung gemangelt habe, der zu entnehmen gewesen wäre, daß er das Strafausmaß für zu hoch erachte.

Dazu ist die belangte Behörde auf die ständige

hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Juni 1987, Slg. Nr. 12489/A) zu verweisen, wonach die Berufungsbehörde im Verwaltungsstrafverfahren auch dann, wenn in einer wegen Schuld erhobenen Berufung Ausführungen zur Höhe der verhängten Strafe fehlen, auch die Strafbemessung zu überprüfen und allenfalls die Strafe neu festzusetzen hat.

Wenngleich sich die Ausführungen in der Berufung des Beschwerdeführers lediglich auf den Schuldspruch bezogen, ließ das Vorbringen doch Anhaltspunkte für das Vorliegen des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit erkennen ("Meine Gattin und ich sind unbescholtene Bürger des Rechtsstaates Österreich ..."). Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, hinsichtlich dieses Milderungsgrundes Erhebungen anzustellen und darüber Feststellungen zu treffen. Im Falle des Vorliegens des genannten Milderungsgrundes hätte sie sich damit auseinandersetzen müssen, ob bzw. warum nicht die nunmehrige Einbeziehung des Milderungsgrundes zur Herabsetzung der Strafe führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/03/0190).

Da derartige Ermittlungen, Feststellungen und Erörterungen unterblieben sind, war der angefochtene Bescheid in Ansehung der Strafbemessung und der Kostenentscheidung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren konnten nur im erforderlichen Ausmaß, nämlich für drei Ausfertigungen der Beschwerde (S 360,--) und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (S 150,--), zugesprochen werden.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme VerwaltungsstrafrechtBerufungsverfahrenBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelInhalt der BerufungsentscheidungErschwerende und mildernde Umstände AllgemeinIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Begründung von ErmessensentscheidungenBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995030296.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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