TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/25 92/06/0028

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Veröffentlicht am 25.01.1996
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauG Vlbg 1972 §23 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs4;
BauG Vlbg 1972 §35 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §35 Abs2;
BauG Vlbg 1972 §39 Abs1 lita;
BauG Vlbg 1972 §39 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §40 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §40 Abs2;
BauG Vlbg 1972 §41 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §41 Abs2;
BauG Vlbg 1972 §56;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer, den Vizepräsidenten

Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der E in Z, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. Dezember 1991, Zl. VIIa-410.381, betreffend Baueinstellung und Androhung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes,

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Androhung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B. vom 23. Oktober 1991 wurde im Spruchpunkt I. gemäß § 40 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes "die Einstellung der Bauarbeiten am Erker an der Südseite sowie an den Balkonen und an der Terrassenbrüstung über dem Erdgeschoß beim Hotel "M." in Z. verfügt" und festgestellt, daß auch "der Windfang an der Nordseite nicht ausgeführt werden (darf)"; im Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde gemäß § 41 Abs. 2 des Baugesetzes die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes angedroht. Begründet wurde dieser Bescheid - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - im wesentlichen damit, daß von der Beschwerdeführerin um die Erteilung der Baubewilligung zur Vornahme von Planabweichungen gegenüber den mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B. vom 8. September 1987 bewilligten Plänen im Zuge der Ausführung des Vorhabens angesucht worden sei. Hierüber hätten bereits mehrere Besprechungen und Verhandlungen stattgefunden. Von der Beschwerdeführerin sei vor allem beabsichtigt, an der Südseite des Hotels "M." einen Erker in Höhe des Erdgeschoßes sowie an der Nordseite einen Windfang zu errichten. Mit der Ausführung des Erkers sei bereits begonnen worden, obwohl hiefür keine Baubewilligung vorliege und nach dem Stand des Verfahrens die Erteilung einer solchen auch nicht zu erwarten sei. Im übrigen sei von der Bezirkshauptmannschaft B. festgestellt worden, daß auch die Ausführung der Balkone bzw. der Terrassenbrüstung oberhalb des Erdgeschoßes entgegen den mit Bescheid vom 8. September 1987 bewilligten Plänen erfolgt sei; dafür liege ebenfalls keine Bewilligung vor. Gemäß § 40 Abs. 1 des Baugesetzes habe die Behörde dann, wenn eine Überprüfung einen Grund zur Beanstandung nach § 39 Abs. 1 lit. a des Baugesetzes ergebe, gegenüber dem Bauausführenden oder seinem Auftraggeber die Einstellung der Arbeiten zu verfügen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und begründete sie im wesentlichen damit, es sei zwar richtig, daß der geplante Erker an der Südseite sowie der Windfang und die geplante Ausführung der Balkone von der ursprünglichen Baubewilligung abwichen bzw. von ihr nicht erfaßt seien. Die Beschwerdeführerin habe aber bereits um Erteilung einer behördlichen Bewilligung dafür angesucht. Da es sich bei den gegenständlichen Baumaßnahmen lediglich um Planabweichungen von der ursprünglichen Baubewilligung handle und die Maßnahmen der optischen Abrundung dienten bzw. einen integrierenden Bestandteil des Gesamtbauwerkes darstellen würden, sei - entgegen der Auffassung der Behörde - mit der Erteilung einer Baubewilligung sehr wohl zu rechnen. Obwohl die Eingabe bzw. der Einreichplan hinsichtlich der geplanten Änderungen bereits mit 5. Juni 1991 datiert seien, habe die Baubehörde noch keine Entscheidung getroffen. Im Zuge der Verhandlungen hätten sich die Beschwerdeführerin und der Amtssachverständige auf eine - vom ursprünglichen Einreichplan - abweichende Lösung geeinigt, wobei der Amtssachverständige ein positives Gutachten in Aussicht gestellt habe. In der Folge habe die Beschwerdeführerin auch den Einreichplan in der besprochenen Form geändert und einen neuen Plan bei der Behörde eingebracht. Insgesamt hätte die Bezirkshauptmannschaft B. deshalb, weil nach Ansicht der Beschwerdeführerin der Erteilung einer Baubewilligung durch die Baubehörde nichts mehr im Wege stünde, die Einstellung der Bauarbeiten nicht verfügen dürfen. Gemäß § 41 Abs. 2 des Baugesetzes drohe die Behörde der Beschwerdeführerin die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes an. Die Androhung der Wiederherstellung erfolge unter Spruchpunkt II. in Bescheidform, obwohl diese Androhung noch keinen Bescheid darstelle. Darüber hinaus dürfe eine derartige Androhung nach Ansicht der Beschwerdeführerin erst nach rechtskräftiger Einstellung des Bauvorhabens erlassen werden. Des weiteren habe die Beschwerdeführerin bereits mit Eingabe vom 5. Juni 1991 über die nachträglich geplanten Änderungen (insbesondere des Erkers) um eine Baubewilligung angesucht, welche noch nicht versagt worden sei, sodaß die Behörde der Auftraggeberin die Verfügung der Wiederherstellung nicht androhen hätte dürfen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Dezember 1991 hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und den bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B. bestätigt. Sie begründete ihren Bescheid - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - im wesentlichen damit, daß gemäß § 23 Abs. 1 lit. a Baugesetz die Errichtung von Gebäuden oder Gebäudeteilen einer Baubewilligung bedürften. Werde ein Vorhaben nach § 23 leg. cit. ohne Baubewilligung ausgeführt, so habe die Behörde gemäß § 40 Abs. 1 leg. cit. gegenüber dem Bauausführenden die Einstellung der Arbeiten zu verfügen. Sobald die Einstellung der Bauarbeiten verfügt worden sei, sei gemäß § 41 Abs. 1 leg. cit. die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes anzudrohen. Wie sich aus dem dem erstinstanzlichen Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalt ergebe, habe die Beschwerdeführerin abweichend von den mit Bescheid vom 8. September 1987 bewilligten Plänen ohne Vorliegen einer Baubewilligung mit der Ausführung eines Erkers in der Höhe des Erdgeschoßes an der Südseite des Hotels "M." begonnen. Des weiteren sei festgestellt worden, daß auch die Ausführung der Balkone bzw. der Terrassenbrüstung oberhalb des Erdgeschoßes entgegen den mit dem genannten Bescheid bewilligten Plänen erfolgt sei. Bei diesen Vorhaben handle es sich um wesentliche Änderungen im Sinne des § 23 Abs. 1 lit. b des Baugesetzes, die als solche bewilligungspflichtig seien. Da diese Vorhaben ohne Baubwilligung ausgeführt worden seien, sei die Behörde verpflichtet gewesen, die Einstellung der Bauarbeiten anzuordnen sowie die Verfügung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes anzudrohen. Die Androhung im Sinne des § 41 Abs. 1 leg. cit. setze dabei keineswegs die Rechtskraft des Baueinstellungsbescheides voraus. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin nachträglich um baubehördliche Genehmigung der geplanten Änderungen angesucht habe, vermöge an der Rechtmäßigkeit der Baueinstellung sowie der daran anknüpfenden Androhung gemäß § 41 Abs. 1 leg. cit. nichts zu ändern. Es sei darauf hinzuweisen, daß der Amtssachverständige für Raumplanung und Baugestaltung die beabsichtigten Planabweichungen aufgrund ihrer gravierenden Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes negativ beurteilt habe. Nach den Ausführungen des Sachverständigen führten Erker und Windfang "aufgrund ihrer Ausformung und warzenhaften Anhängung an den Baukörper zu nicht vertretbaren gestalterischen Zwängen, die das Ortsbild im gegebenen Bereich gröblichst beeinträchtigen." Ebensowenig würden die Brüstung über dem Speisesaal sowie Teile der Balkonbrüstungen den im gegebenen Bereich zu stellenden Anforderungen entsprechen; sie führten somit ebenfalls zu einer gravierenden Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes. Im Sinne der Wahrung ortsbildlicher Belange habe der Sachverständige die Behörde ausdrücklich ersucht, auf die Einhaltung des Bescheides aus dem Jahr 1987 zu achten und keine der vorgelegten Planabweichungen zu bewilligen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem

"subjektiven Recht auf Errichtung von Zubauten und

Vornahme von Umbauten beim und im bestehenden Hotel "M."

in Z. beeinträchtigt, da in einem die Baueinstellung gem. § 40 Baugesetz zu Unrecht erfolgte und zum anderen die Behörde rechtswidrigerweise im Punkt II. des Bescheides die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes bescheidmäßig angedroht hat, obwohl eine derartige Androhung nicht in Bescheidform zu erfolgen hat."

Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Beschwerdefall maßgeblich ist § 23 Abs. 1 lit. a und b des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 33/1976, 34/1981, 2/1982 und 47/1983, wonach einer Baubewilligung bedürfen "a) die Errichtung von Gebäuden oder Gebäudeteilen; b) die Änderung von Gebäuden, sofern es sich um Zu- oder Umbauten oder sonstige wesentliche Änderungen handelt;". Nach § 23 Abs. 4 leg. cit. gelten u.a. als wesentliche Änderungen " - abgesehen von Zu- oder Umbauten - Änderungen, a) die am ganzen Bauwerk oder an seinen Hauptbestandteilen vorgenommen werden oder wodurch das Aussehen eines Gebäudes geändert wird".

Weiters sind im Beschwerdefall § 35, § 39, § 40 und § 41 Vorarlberger Baugesetz anzuwenden; diese Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"§ 35

Planabweichungen

(1) Vom bewilligten Plan darf ohne Bewilligung der Behörde nur abgegangen werden, wenn die Abweichung Änderungen betrifft, die nicht gemäß § 23 Abs. 1 bewilligungspflichtig sind. Der Behörde sind solche Planabweichungen jedoch spätestens mit der Meldung über die Fertigstellung (§ 44 Abs. 1) unter Vorlage berichtigter oder neuer Pläne anzuzeigen.

(2) Andere als im Abs. 1 genannte Planabweichungen

bedürfen vor ihrer Ausführung der Bewilligung der Behörde. Die Vorschriften der §§ 25 bis 27 und 30 bis 32 gelten sinngemäß.

...

§ 39

Überwachung während der Bauausführung

(1) Die Behörde ist berechtigt, jederzeit zu

überprüfen, ob

a)

Vorhaben nach § 23 nicht ohne Baubewilligung und Vorhaben nach § 24 nicht vor Wirksamkeit der Anzeige ausgeführt werden;

b)

Vorhaben nach § 23 nicht abweichend von der Baubewilligung und den ihr zugrundeliegenden Plänen, Berechnungen und Beschreibungen und Vorhaben nach § 24 nicht abweichend von der Anzeige ausgeführt werden;

c)

die verwendeten Baustoffe, Bauteile oder Bauweisen den Anforderungen des § 20 entsprechen.

(2) Die Behörde kann sich in der Baubewilligung die Vornahme bestimmter Überprüfungen während der Bauausführung, insbesondere eine Rohbaubeschau - gewöhnlich nach Herstellung der Dacheindeckung - vorbehalten. In einem solchen Falle ist die Behörde so rechtzeitig zu verständigen, daß sie die vorbehaltene Überprüfung durchführen kann. Die Behörde hat eine solche Überprüfung innert einer Woche nach der Verständigung durchzuführen, widrigenfalls die weitere Bauausführung nicht mehr behindert ist.

(3) Den Organen der Behörde sind zur Durchführung von

Überprüfungen nach Abs. 1 und 2 der Zutritt zur Baustelle zu gewähren und alle verlangten Auskünfte zu geben.

§ 40

Baueinstellung und Mängelbehebung

(1) Ergibt eine Überprüfung einen Grund zur Beanstandung nach § 39 Abs. 1 lit. a, so hat die Behörde gegenüber dem Bauausführenden oder seinem Auftraggeber die Einstellung der Arbeiten zu verfügen.

(2) Ergibt die Überprüfung einen Grund zur Beanstandung nach § 39 Abs. 1 lit. b oder c, so hat die Behörde die Behebung des Mangels zu verfügen und hiefür eine angemessene Frist festzusetzen. Wird dieser Verfügung nicht entsprochen, so ist nach Abs. 1 vorzugehen.

(3) Von der Einstellungsverfügung werden die zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes notwendigen Arbeiten nicht betroffen. Die Einstellungsverfügung ist aufzuheben, sobald der Grund für ihre Erlassung weggefallen ist.

(4) Wenn es die Sicherheit oder Gesundheit von

Menschen erfordert, hat die Behörde die zur Abwehr oder Beseitigung der Gefahren notwendigen Maßnahmen zu treffen.

§ 41

Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes

(1) Die Behörde hat dem Auftraggeber die Verfügung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes anzudrohen, wenn die Arbeiten auf Grund des § 40 Abs. 1 oder 2 eingestellt wurden.

(2) Wird innert eines Monats nach Zustellung der Androhung bei der Behörde die Anzeige eingebracht oder der Antrag auf Erteilung oder Abänderung der Baubewilligung gestellt, so hat die Behörde das entsprechende Verfahren einzuleiten.

(3) Wird von der Möglichkeit des Abs. 2 kein Gebrauch

gemacht, erfolgt auf Grund der Anzeige die Untersagung oder wird die Baubewilligung versagt, so hat die Behörde die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen einer angemessen festzusetzenden Frist zu verfügen.

(4) Wenn Baustoffe, Bauteile oder Bauweisen verwendet

werden, die den Anforderungen des § 20 nicht entsprechen, hat die Behörde die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen einer angemessen festzusetzenden Frist zu verfügen."

Nach dieser Rechtslage ist im Beschwerdefall jede Planabweichung jedenfalls dann gemäß § 35 Abs. 2 leg. cit. "vor ihrer Ausführung" bewilligungspflichtig, wenn die Abweichung ihrerseits eine bewilligungspflichtige Maßnahme nach § 23 Abs. 1 lit. b leg. cit. dergestalt darstellt, daß es sich um einen Zu- oder Umbau handelt oder daß dadurch das Aussehen des Gebäudes im Sinne des § 23 Abs. 4 leg. cit. geändert wird. Eine Baueinstellung ist bei Planabweichungen gemäß § 39 Abs. 1 lit. b leg. cit. aufgrund des § 40 Abs. 2 leg. cit. erst dann zulässig, wenn der Verfügung der Behebung eines solchen Mangels (das ist u.a. eine Abweichung von der Baubewilligung) innerhalb einer bestimmten Frist nicht entsprochen worden ist. Handelt es sich hingegen etwa nur um (gemäß § 23 Abs. 1 lit. b leg. cit. nicht bewilligungspflichtige) unwesentliche Abweichungen von der Baubewilligung, wäre eine Verfügung der Behebung von Mängeln bzw. eine Baueinstellung gemäß § 40 Abs. 2 leg. cit. u. a. deshalb unzulässig, weil solche unwesentliche (prinzipiell gemäß § 35 Abs. 1 erster Satz leg. cit. ohne weiteres zulässige) Änderungen gemäß § 35 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. (lediglich) "spätestens mit der Meldung über die Fertigstellung ... unter Vorlage berichtigter oder neuer Pläne anzuzeigen (sind)". Es ist demnach zu unterscheiden: Nicht bewilligungspflichtige Planabweichungen gemäß § 35 Abs. 1 leg. cit. sind einem eigenen Verfahren unterworfen (Anzeige spätestens mit der Meldung über die Fertigstellung unter Vorlage berichtigter oder neuer Pläne) und deshalb von § 40 leg. cit. gar nicht erfaßt. Bewilligungspflichtige Planabweichungen, also solche, die mit einer bewilligten Maßnahme eine Einheit bilden bzw. darauf bezogen sind, werden von § 40 Abs. 2 leg. cit. in Verbindung mit § 39 Abs. 1 lit. b leg. cit. erfaßt, während (sonstige) Baumaßnahmen, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit einer Baubewilligung stehen, Vorhaben sind, die ohne Baubewilligung ausgeführt werden; diese sind von § 40 Abs. 1 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 lit. a leg. cit. erfaßt und haben mit bewilligungspflichtigen Planabweichungen nur die Bewilligungspflicht gemeinsam. Eine Abgrenzung ist erforderlich, weil einerseits bei bewilligungspflichtigen Planabweichungen - anders als bei sonstigen bewilligungspflichtigen Bauvorhaben - u.a. gemäß § 35 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. eine mündliche Verhandlung nicht verlangt ist (vgl. dazu Feurstein, Vorarlberger Baugesetz, 2. Auflage, S. 79, Anmerkung 2 zu § 35 Abs. 1) und andererseits (auch) § 40 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. dafür jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen enthält: Bedeutsam ist, daß bei Beanstandungen, die sich auf § 39 Abs. 1 lit. b leg. cit. und damit auf bewilligungspflichtige Planabweichungen im Sinne des § 35 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 lit. b leg. cit. beziehen, zunächst die Mängelbehebung zu verfügen ist (vgl. Feuerstein, Vorarlberger Baugesetz, 2. Auflage, S. 84, Anmerkung 2), während bei Maßnahmen, die ohne jegliche Baubewilligung ausgeführt werden, sofort die Baueinstellung verfügt werden muß. Dieser systematische Zusammenhang ergibt sich auch aus § 41 Abs. 2 leg. cit., wo ausdrücklich die "Erteilung" und die "Abänderung" der "Baubewilligung" unterschieden werden.

2. Die Beschwerdeführerin vertritt zunächst die Auffassung, es sei zwar richtig, daß der geplante Erker an der Südseite sowie der Windfang und die geplante Ausführung der Balkone von der ursprünglichen Baubewilligung abwichen bzw. von dieser nicht erfaßt seien. Die Planabweichungen seien jedoch keineswegs so gravierend, daß sie eine wesentliche Änderung im Sinne des Gesetzes darstellten. So sei zum Beispiel bei den Balkonen anstelle einer durchgehenden Holzverkleidung vorgesehen, diese Außengestaltung durch kleine Betonsäulen aufzulockern. Ebenso sei der Plan im Erdgeschoß dahingehend abgeändert worden, daß anstelle eines geraden rechtwinkeligen Anschlusses ein kleiner Vorbau in Form eines Erkers "erfolgen soll". Die Beschwerdeführerin habe jedoch vorsichtshalber bereits jedenfalls um die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung der Planabweichungen angesucht. Zwischenzeitig habe auch eine Bauverhandlung stattgefunden, sodaß nach Vorliegen eines Amtsgutachtens die Entscheidung der Behörde zu erwarten sei.

Mit diesem Beschwerdevorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht. Nach dem in den Verwaltungsakten befindlichen Gutachten eines Amtssachverständigen "führen" - wie erwähnt (siehe oben I. 3.) - sowohl der Erker wie auch der Windfang "aufgrund ihrer Ausformung und warzenhaften Anhängung an den Baukörper zu nicht vertretbaren gestalterischen Zwängen, die das Ortsbild im gegebenen Bereich gröblichst beeinträchtigen;" dasselbe gelte nach Auffassung des Amtssachverständigen für die Brüstung über dem Speisesaal sowie für die Teile der Balkonbrüstung mit einer V-Ausformung; sie würden "ebenfalls zu einer gravierenden Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes (führen)." Vor diesem Hintergrund stößt es zwar - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auf keine Bedenken, wenn die belangte Behörde die Ansicht vertrat, daß es sich im Beschwerdefall um Maßnahmen handle, die gemäß § 23 Abs. 4 leg. cit. als wesentliche Änderungen zu gelten hätten, und zwar deshalb, weil sie ein Zubau sind bzw. das "Aussehen" des Gebäudes verändern und daher als "sonstige wesentliche Änderungen" gemäß § 23 Abs. 1 lit. b leg. cit. bewilligungspflichtig sind. Der "Windfang" und der strittige "Erker" sind nach den von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten und den faktischen Verhältnissen entsprechend geänderten Plänen als "Zubau" gemäß § 2 lit. m leg. cit., wonach ein "Zubau die Vergrößerung eines schon bestehenden Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung durch Herstellung neuer oder Erweiterung bestehender Räume" ist, einzuordnen. Auch die Änderung der Ausführung der Balkonbrüstungen (nach eigenen Angaben "anstelle einer durchgehenden Holzverkleidung", eine "Außengestaltung durch kleine Betonsäulen") ist offensichtlich eine bewilligungspflichtige Maßnahme nach § 23 Abs. 1 lit. b leg. cit., wird doch dadurch unzweifelhaft das Aussehen des Gebäudes im Sinne des § 23 Abs. 4 leg. cit. geändert. Es ist demnach zu prüfen, ob und inwieweit es sich im Beschwerdefall um "Vorhaben nach § 23 ohne Baubewilligung" im Sinne des § 39 Abs. 1 lit. a leg. cit. handelt oder um bewilligungspflichtige Planabweichungen nach § 39 Abs. 1 lit. b leg. cit., die mit dem Baubewilligungsbescheid vom 8. September 1987 in einem inneren, also nicht trennbaren Zusammenhang stehen. Unzweifelhaft handelt es sich bei den Änderungen im Bereich der Balkone lediglich um sachlich nicht trennbare Änderungen der Pläne der Baubewilligung vom 8. September 1987. Gleiches hat aber auch für den "Windfang" bzw. den "Erker" zu gelten. Nach den vorgelegten Plänen waren beide Bereiche von der Baubewilligung vom 8. September 1987 erfaßt und standen in einem funktionellen Zusammenhang mit den bewilligten Zu- und Umbauten an der Nord- und an der Südseite des bestehenden Gebäudes.

Im Falle von nach § 23 Abs. 1 lit. b leg. cit. bewilligungspflichtigen Planabweichungen ist aber - und hier entgegen der Auffassung der belangten Behörde, die im Beschwerdefall § 40 Abs. 1 leg. cit. für anwendbar hält - gemäß § 40 Abs. 2 leg. cit. in Verbindung mit § 39 Abs. 1 lit. b leg. cit. zunächst die "Behebung des Mangels zu verfügen und hiefür eine angemessene Frist festzusetzen." Erst wenn "dieser Verfügung nicht entsprochen (wird), ist nach Abs. 1 vorzugehen", also die Baueinstellung zu verfügen. Die Behörde erster Instanz hat demgegenüber - offenbar davon ausgehend, es handle sich um keine bewilligungspflichtigen Planabweichungen gemäß § 39 Abs. 1 lit. b leg. cit., sondern um bewilligungslose Vorhaben nach § 39 Abs. 1 lit. a (Bauen ohne Baubewilligung) leg. cit. - gestützt auf § 40 Abs. 1 leg. cit. sofort die Einstellung der Arbeiten verfügt; die belangte Behörde hätte daher den Bescheid erster Instanz ersatzlos zu beheben gehabt, weil eine sofortige Baueinstellung nach § 40 Abs. 2 leg. cit. rechtswidrig ist.

Aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3.1. Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, Spruchpunkt II. des Bescheides erster Instanz drohe die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes "bescheidmäßig" an, obwohl eine derartige Androhung keinen Bescheid darstelle bzw. nicht in Bescheidform zu erfolgen habe. Dieser Umstand sei bereits in der Berufung vorgebracht worden. Die belangte Behörde sei jedoch auf diesen Einwand der Beschwerdeführerin nicht näher eingegangen, obwohl die Behörde erster Instanz in rechtswidriger Weise die Androhung der Wiederherstellung des früheren Zustandes im Spruch des Bescheides normiert habe. Da die Androhung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes kein Bescheid sei, hätte die belangte Behörde diesem Umstand Rechnung tragen müssen und den erstinstanzlichen Bescheid zumindest hinsichtlich des Spruchpunktes II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben müssen. Darüber hinaus könne nach Ansicht der Beschwerdeführerin eine derartige Androhung im Zusammenhang mit einer erfolgten Baueinstellung nur dann erfolgen, wenn über diese rechtskräftig entschieden worden sei. Im Beschwerdefall habe die Behörde die Androhung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes in Punkt II. des Spruches im Zusammenhang mit der Baueinstellung bescheidmäßig verfügt.

3.2. Die Frage, ob eine Androhung gemäß § 41 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz in Bescheidform nicht als Bescheid zu qualifizieren wäre, kann dahingestellt bleiben, da der Beschwerdeführer durch einen solchen in erster Instanz erfolgten bescheidmäßigen Abspruch betreffend die bloße Androhung einer Rechtsfolge mangels einer unmittelbaren normativen Wirkung eines solchen Ausspruches (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1970, Zl. 1808/68) jedenfalls in keinen Rechten verletzt sein kann. Auch der in Beschwerde gezogene Bescheid, der in dieser Hinsicht ausschließlich die Aufrechterhaltung der erstinstanzlichen Erledigung zum Inhalt hat, ist daher nicht geeignet, in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin einzugreifen; der Beschwerdeführerin kommt daher mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit diesbezüglich keine Beschwerdelegitimation zu, sodaß die Beschwerde insoweit, als sie die "bescheidförmige" Androhung der Verfügung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 41 Abs. 1 leg. cit. bekämpft, als unzulässig zurückzuweisen ist. Es braucht daher auf das diesbezügliche weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen zu werden.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete Gemeinderecht und Baurecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1992060028.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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