TE Vfgh Beschluss 1993/12/1 V42/91

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Veröffentlicht am 01.12.1993
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70 Schulen
70/02 Schulorganisation

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
LehrplanV des Bundesministers für Unterricht und Kunst über die Lehrpläne der Berufsschulen, BGBl 430/1976 idF BGBl 555/1990

Leitsatz

Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Teilen des Lehrplans für Berufsschulen betreffend die Einführung eines neuen Fremdsprachenunterrichts sowie die Erhöhung der Gesamtstundenzahl; keine unmittelbare Betroffenheit der Antragsteller

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die erstantragstellende Gesellschaft ist Lehrberechtigter, der Zweitantragsteller war bei der erstantragstellenden Gesellschaft Lehrling des Lehrberufes Hafner.

Mit ihrem auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Antrag begehren beide Antragsteller mit näherer Begründung die Aufhebung der "Anlage A Abschnitt III Unterabschnitt C ('Berufsbezogene Fremdsprache')" und der "Stundentafel in der Anlage A/1/6 (Rahmenlehrplan für den Lehrberuf Hafner) der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst BGBl 1976/430 über die Lehrpläne der Berufsschulen in der Fassung der Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport BGBl 1990/555 (ArtI Z11, 18)" als gesetzwidrig.

2. Die erste der angefochtenen Verordnungsbestimmungen wurde durch ArtI Z11 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 27. Juni 1990, BGBl. 555, mit der die Lehrpläne für Berufsschulen geändert werden, in die Anlage A, Abschnitt III, der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst über die Lehrpläne für Berufsschulen, BGBl. 430/1976 idF mehrerer Novellen, als (neuer) Unterabschnitt C eingefügt.

Die zweite der angefochtenen Verordnungsbestimmungen - es ist dies die Stundentafel in der Anlage A/1/6 (Rahmenlehrplan für den Lehrberuf Hafner) zur Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst über die Lehrpläne für Berufsschulen, BGBl. 430/1976 idF mehrerer Novellen, - wurde durch ArtI Z18 der bereits erwähnten Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport, BGBl. 555/1990, neu gefaßt.

Die erste der angefochtenen Verordnungsbestimmungen enthält nähere Regelungen in bezug auf den Pflichtgegenstand "Berufsbezogene Fremdsprache", die unter anderem auch für den Lehrberuf Hafner gelten, die zweite der angefochtenen Verordnungsbestimmungen sieht im Rahmen des Fachunterrichtes auch den Pflichtgegenstand "Berufsbezogene Fremdsprache" vor und erhöht die Stundenzahl für den Fachunterricht auf 920-880 (von 800-760) sowie die Gesamtstundenzahl (ohne Religionsunterricht) auf 1200 (von 1080).

3.a) Die Antragsteller erachten die angefochtenen Verordnungsbestimmungen mit näherer Begründung deshalb für gesetzwidrig, weil sie ihrer Ansicht nach in den - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmungen des §6 Abs3 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. 242/1962, idF der 7. Schulorganisationsgesetz-Novelle, BGBl. 365/1982, und der 11. Schulorganisationsgesetz-Novelle, BGBl. 327/1988, sowie des §47 des Schulorganisationsgesetzes, idF der 5. Schulorganisationsgesetz-Novelle, BGBl. 323/1975, und der 7. Schulorganisationsgesetz-Novelle, keine Deckung finden.

b) Ihre Antragslegitimation iS des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG begründen die Antragsteller im wesentlichen mit folgenden Ausführungen:

"Der Zweitantragsteller ist zum Besuch der Berufsschule verpflichtet (§20 SchulpflichtG). Der Erstantragsteller ist verpflichtet, dem Zweitantragsteller die zum Schulbesuch erforderliche Zeit freizugeben (§9 Abs5 BAG).

Mit der Verordnung BGBl 1990/555 wurde der Lehrplan der Berufsschulen für alle Lehrberufe, somit auch für den Lehrberuf Hafner, um den Pflichtgegenstand 'Berufsbezogene Fremdsprache' erweitert. Die Schulzeit im Lehrberuf Hafner erfuhr insofern eine Verlängerung, als in der Stundentafel (Anlage A/1/6) die Stundenzahl für den Fachunterricht von 800-760 auf 920-880 und die Gesamtstundenzahl (ohne Religionsunterricht) von 1080 auf 1200 gegenüber dem vorher geltenden Stand (BGBl 1984/148) erhöht wurde.

Durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen wird für den Lehrling ein neuer Pflichtgegenstand in der Berufsschule eingeführt und die Schulzeit verlängert, für den Lehrberechtigten die Arbeitszeit des Lehrlings verkürzt und die Ausbildung im Betrieb beeinträchtigt.

Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen sind daher für die Antragsteller unmittelbar und aktuell wirksam geworden.

Ein anderer zumutbarer Weg, die im folgenden dargelegte Gesetzwidrigkeit dieser Verordnungsbestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, besteht nicht."

4.a) Der Bundesminister für Unterricht und Kunst bestreitet in seiner Äußerung die Antragslegitimation beider Antragsteller im wesentlichen mit folgender Begründung:

"1. Hinsichtlich des Erstantragstellers

Der Erstantragsteller ist Lehrberechtigter des Zweitantragstellers (Lehrling des Lehrberufs Hafner). Er behauptet in seinen Rechten als Lehrberechtigter durch den Berufsschullehrplan idF

BGBl. Nr. 555/1990 (Pflichtgegenstand 'Berufsbezogene Fremdsprache', Lehrberuf Hafner) dadurch unmittelbar und aktuell verletzt zu sein, als die Einführung des neuen Pflichtgegenstandes für den Lehrberechtigten die Arbeitszeit des Lehrlings verkürzt und die Ausbildung im Betrieb beeinträchtigt werde.

Der Zweitantragsteller hat sein Lehrverhältnis am 16. August 1988 begonnen, es dauert drei Jahre, somit endet es am 15. August 1991.

Gemäß Artikel II Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst, mit der die Lehrpläne für die Berufsschule geändert werden (Seite 3715), treten ArtI Z11 (Berufsbezogene Fremdsprache) und ArtI Z18 (Anlage A/1/6 Rahmenlehrplan für den Lehrberuf Hafner - Stundentafel) von der 1. Klasse aufsteigend ab 1. September 1990 bzw. 1. September 1991 in Kraft, für die zweite Klasse 1 Jahr später und so fort. Lehrplanänderungen können nur schrittweise in Geltung gesetzt werden, da der Lehrstoff von Klasse zu Klasse und damit Jahr zu Jahr aufgebaut werden muß. Das bedeutet, innerhalb eines laufenden Ausbildungsganges kann kein neuer Pflichtgegenstand eingeführt werden, außer er setzt nicht im 1. Jahr an, sondern z.B. erst im 2. oder 3. Die berufsbezogene Fremdsprache beginnt in der 1. Klasse.

Nachdem sich der Zweitantragsteller in einem bereits begonnenen Ausbildungsverhältnis befindet, ist die zitierte Verordnung zur Gänze nicht für ihn anwendbar, damit kann sie auch für den Lehrberechtigten keinerlei Wirkungen entfalten. Überdies ist der Lehrberechtigte nicht Normadressat eines Berufsschullehrplanes. Gemäß §9 des Berufsausbildungsgesetzes hat der Lehrberechtigte entsprechend dem Berufsbild (entsprechende Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten) für die Ausbildung des Lehrlings zu sorgen; hiebei hat er auf den Stand der Ausbildung der Berufsschule nach Möglichkeit Bedacht zu nehmen (Abs5). Dadurch wird die Ausbildung des Lehrlings auf den jeweiligen Ausbildungsfortschritt in der Berufsschule abgestimmt, hiebei kommt aber keineswegs der Berufsschullehrplan in vollziehender Weise zur Anwendung. Die zitierte Verordnung ist somit für den Erstantragsteller nicht wirksam geworden.

...

2. Hinsichtlich des Zweitantragstellers

Auf den Zweitantragsteller ist, wie unter Punkt 1 ausgeführt, die zitierte Verordnung nicht anzuwenden, da er sich bereits in einem fortgeschrittenen Bildungsgang befindet. Die zitierte Verordnung ist somit für ihn nicht wirksam geworden.

..."

b) In meritorischer Hinsicht verwies der Bundesminister für Unterricht und Kunst auf seine Äußerung im Verfahren zu V44/91. Er stellte der Sache nach den Antrag, den Individualantrag als unzulässig zurückzuweisen. Ferner stellte er den Eventualantrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß die angefochtenen Verordnungsbestimmungen nicht als verfassungswidrig (gemeint wohl: gesetzwidrig) aufgehoben werden. Für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Verordnungsbestimmungen stellte der Bundesminister für Unterricht und Kunst den Antrag, gemäß Art. 139 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art139 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Anfechtungsberechtigter ist also von vornherein nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (Normadressat; s. etwa VfSlg. 10491/1985, 10494/1985, 10883/1986). Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (s. etwa VfSlg. 8060/1977, 10359/1985, 10571/1985, 11454/1987, 12359/1990).

2.a) Wie sich aus dem von den Antragstellern in Ablichtung vorgelegten Lehrvertrag ergibt, ist der Zweitantragsteller in das Lehrverhältnis - für das eine dreijährige Lehrzeit festgesetzt ist - am 16. August 1988 eingetreten. Mit diesem Zeitpunkt begann daher für ihn gemäß §21 Abs1 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. 76, die Berufsschulpflicht.

Die erste der angefochtenen Verordnungsbestimmungen, also jene, die durch ArtI Z11 der Verordnung BGBl. 555/1990 in die Verordnung über die Lehrpläne für Berufsschulen eingefügt wurde, ist gemäß ArtII Abs1 Z1 der Verordnung BGBl. 555/1990 hinsichtlich der 1. Klasse (erst) mit 1. September 1990, der

2. Klasse mit 1. September 1991, der 3. Klasse mit 1. September 1992 und der 4. Klasse mit 1. September 1993 in Kraft getreten.

Die zweite der angefochtenen Verordnungsbestimmungen - sie wurde durch ArtI Z18 der Verordnung BGBl. 555/1990 neu gefaßt - ist gemäß ArtII Abs1 Z2 der Verordnung BGBl. 555/1990 hinsichtlich der 1. Klasse mit 1. September 1991, der 2. Klasse mit 1. September 1992 und der 3. Klasse mit 1. September 1993 in Kraft getreten; sie wird hinsichtlich der 4. Klasse mit 1. September 1994 in Kraft treten.

Da somit der Pflichtgegenstand "Berufsbezogene Fremdsprache" mit der 1. Klasse beginnend und demnach für alle Klassen in entsprechender zeitlicher Staffelung erst ab einem Zeitpunkt eingeführt wurde, in dem der Zweitantragsteller die 1. Klasse bereits absolviert hatte, ist schon deshalb keine der angefochtenen Verordnungsbestimmungen für den Zweitantragsteller wirksam geworden.

b) Der Zweitantragsteller ist demnach schon aus diesem Grund nicht Adressat der angefochtenen Verordnungsbestimmungen. Es ist daher von vornherein ausgeschlossen, daß diese die Rechtssphäre des Zweitantragstellers tatsächlich (also nicht bloß behauptetermaßen) berühren. Schon aus diesem Grund fehlt dem Zweitantragsteller hinsichtlich beider Verordnungsbestimmungen die Antragslegitimation (s. zB VfSlg. 10251/1984, 11056/1986, 11369/1987, 12359/1990).

c) Unter den dargelegten Umständen ist es auch ausgeschlossen, daß eine der angefochtenen Verordnungsbestimmungen in die Rechtssphäre der erstantragstellenden Gesellschaft in der im (Individual-)Antrag behaupteten Weise eingreift. Schon darum erweist sich der (Individual-)Antrag auch insoweit, als er von der erstantragstellenden Gesellschaft gestellt wurde, als unzulässig, weshalb nicht geprüft zu werden braucht, ob seiner meritorischen Erledigung insoweit auch noch andere Prozeßhindernisse entgegenstehen.

3. Der (Individual-)Antrag war insgesamt mangels Legitimation der Antragsteller als unzulässig zurückzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Schulen, Lehrpläne, Berufsschulen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:V42.1991

Dokumentnummer

JFT_10068799_91V00042_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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