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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §151 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1995, Zl. 302.860/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 8. September 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Mai 1995 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf den Aufenthaltszweck "FAMILIENGEMEINSCHAFT MIT SEINEM VORMUND" gestützt habe. Der Antrag seines Vormundes, B, sei vom Bundesminister für Inneres abgewiesen worden. Da der Vormund keine Aufenthaltsberechtigung habe, sei auch der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht gesichert. Bei einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 MRK überwögen die öffentlichen Interessen.
Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, daß er seit 30. Oktober 1992 legal in Österreich aufhältig sei. Zum Vormund sei B am 1. Dezember 1992 bestellt worden. Der nunmehrige, von seinem Vormund als gesetzliche Vertreterin gestellte Antrag vom 3. Mai 1995 auf Verlängerung der gültigen Aufenthaltsbewilligung sei von der MA 62 "mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes" gemäß § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen worden. In der dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß sein Unterhalt durch einen Familienzuschuß sowie das Karenzgeld seines Vormundes gesichert sei.
Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor:
1. Die belangte Behörde stütze sich auf die Feststellung, daß der Antrag des Vormundes des Beschwerdeführers, B, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen worden sei, wobei zwar die Zahl des Bescheides, jedoch nicht das Datum vollständig enthalten sei. Aufgrund der Unbestimmtheit des "Erlassungsdatums" sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, Einsicht zu nehmen, noch sei ihm der bezogene Bescheid zur Kenntnis gebracht worden.
2. Die belangte Behörde habe richtigerweise nach dem Personalstatut des Beschwerdeführers den angefochtenen Bescheid nach Vollendung seines 18. Lebensjahres direkt an ihn persönlich zugestellt. Die belangte Behörde nehme jedoch auf die Regelung des § 3 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 3 AufG Bezug, nach welcher die Aufenthaltsbewilligung für minderjährige Kinder mit der gleichen Befristung zu erteilen sei wie die Bewilligung des Elternteiles. Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits das 18. Lebensjahr vollendet habe und somit volljährig sei, wäre die belangte Behörde verhalten gewesen, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbewilligung losgelöst vom Verfahren des gesetzlichen Vertreters zu beurteilen. Die Behörde hätte zudem aufgrund der Änderung der Sachlage Ermittlungen darüber durchführen müssen, "ob nach Erlangung der Volljährigkeit des Beschwerdeführers dieser selbst über geeignete Unterhaltsmittel im Sinne des § 5 Abs. 1" AufG verfüge. Der Beschwerdeführer habe keine Angaben über das Bestehen von eigenen Einkünften gemacht, weil ihm kein Parteiengehör gewährt worden sei.
3. Die Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK sei insoferne mangelhaft, als sich im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen über "die das Ausmaß der privaten Interessen des Beschwerdeführers bildenden Umstände" fänden. Der Beschwerdeführer sei bereits seit 1992 rechtmäßig in Österreich.
Unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes verweist der Beschwerdeführer auf die unter Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemachten Angaben und ergänzt zu seinen privaten Verhältnissen, daß die in Österreich lebende B zum Vormund bestellt worden sei. Eine Rückkehr in sein Heimatland (Serbien) sei nicht zumutbar bzw. nicht möglich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick darauf, daß der Vertreter des Beschwerdeführers sich auf eine Vollmacht des mündigen minderjährigen Beschwerdeführers, nicht jedoch auf eine solche seines gesetzlichen Vertreters beruft, ist zunächst die Prozeßfähigkeit des Vollmachtgebers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen. Der Verwaltungsgerichtshof hat hiezu in seinem Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/19/0838 (auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), ausführlich begründet, daß mündige Minderjährige im Verfahren nach dem AufG und - daran anknüpfend - im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nach diesem Gesetz prozeßfähig sind.
Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn der Verfahrensmangel im zu prüfenden Fall möglicherweise von Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein konnte. Es obliegt der beschwerdeführenden Partei, in der Beschwerde (ggf. unter Anführung von Beweisen) darzutun, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Beschwerdeführer wendet weder ein, daß der Bescheid, mit welchem der Antrag des Vormundes des Beschwerdeführers abgewiesen worden sei, nicht erlassen worden wäre (hier ist anzumerken, daß der Bescheid aufgrund der - richtig zitierten - Aktenzahl in Verbindung mit dem Namen B eindeutig bezeichnet ist; der fehlende Tag des Bescheiddatums konnte diesbezüglich nicht schaden), noch legt der Beschwerdeführer dar, was er vorgebracht hätte, wenn ihm im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden wäre. Da es dem Beschwerdeführer in dieser Hinsicht sohin nicht gelungen ist, die Relevanz der gerügten Verfahrensmängel aufzuzeigen, ist davon auszugehen, daß der Antrag der B auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1995, Zl. 302.875/2-III/11/95, abgewiesen wurde.
Der Beschwerdeführer verkennt den wesentlichen - von ihm unbekämpft gelassenen - Umstand, daß sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf den Aufenthaltszweck "FAMILIENGEMEINSCHAFT MIT SEINEM VORMUND" begründet war. Das Schicksal eines solchen Antrages ist damit untrennbar mit dem Schicksal des Antrages jener Person verknüpft, mit welcher der Familienverband erhalten werden soll. Denn gemäß § 6 Abs. 1 AufG ist in einem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben, wobei der Antragsteller den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Lauf des Verfahrens nicht ändern kann. Da es auf die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgebliche Sach- und Rechtslage ankommt und der Beschwerdeführer die Rechtskraft der abweislichen Entscheidung betreffend B nicht bestritten und auch nicht behauptet hat, daß der Bescheid betreffend B erst nach dem angefochtenen Bescheid erlassen worden wäre, konnte die belangte Behörde zu Recht annehmen, daß jene Person, von der der Beschwerdeführer (wirtschaftlich) abhängig sei, nunmehr keine Aufenthaltsberechtigung habe und dadurch der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht gesichert sei, weshalb der Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 FrG vorliege.
Da der Antragsteller gemäß § 6 Abs. 1 AufG an seinen bei Antragstellung angegebenen Aufenthaltszweck gebunden ist, sind die vom Beschwerdeführer zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes genannten Mittel (Familienzuschuß und Karenzgeld des Vormundes) - welche nunmehr nicht mehr heranziehbar sind - ausschließlich in Verbindung mit dem Aufenthaltszweck zu beurteilen. Der Behörde ist es verwehrt, bei dem ausdrücklich genannten Zweck (Familiengemeinschaft mit dem Vormund) den Antrag des Beschwerdeführers umzudeuten. Bei diesem Zweck hat sich die Behörde ausschließlich mit den den Beschwerdeführer und seinen Vormund betreffenden Lebensumständen in deren Verbindung auseinanderzusetzen. Die Behörde hatte deshalb keine Ermittlungen darüber anzustellen, ob eventuell der Beschwerdeführer durch andere als die angegebenen Einkünfte seinen Unterhalt allein in Österreich bestreiten könne, kann doch dadurch der angestrebte Zweck nicht erreicht werden.
Der angestrebte Zweck ist auch unabhängig vom Alter des Beschwerdeführers, denn die Familiengemeinschaft ist nicht auf die Funktion (Vormund), sondern an die PERSON der B zu beziehen. Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht, daß er die nach seinem Personalstatut eingetretene Volljährigkeit zur Auflösung der angestrebten Familiengemeinschaft genutzt hätte. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer der im angefochtenen Bescheid erkennbaren Situation, daß es sich beim Vormund B um seine Mutter handelt, nicht entgegengetreten. Eine weitere Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft ist daher auch im Stadium der Volljährigkeit keinesfalls unmöglich.
Folgte man dem Argument des Beschwerdeführers, aufgrund seiner eingetretenen "Volljährigkeit" käme es nunmehr nur auf seine eigenen Einkünfte an, welche die Behörde nicht ermittelt hätte, so ist der Beschwerde bereits aufgrund der mangelnden Relevanz - wie oben ausgeführt - der Erfolg versagt. Doch abgesehen davon geht das Argument des Beschwerdeführers bereits aus dem Grund ins Leere, als gemäß § 3 Abs. 4 AufG in besonderen Härtefällen aus dem Zweck der Familienzusammenführung auch volljährigen Kindern eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könnte. Im konkreten Fall kommt eine Anwendung des § 3 AufG aber aufgrund des von der belangten Behörde zu Recht angewendeten Ausschließungsgrundes des § 5 Abs. 1 AufG nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht in Frage, weil der Bezugsperson B (Mutter, Vormund) eine Berechtigung zum Aufenthalt gemäß § 3 Abs. 2 AufG im Bundesgebiet nicht mehr zukommt.
Insofern der Beschwerdeführer auf die Interessenabwägung der belangten Behörde gemäß Art. 8 MRK hinweist und sie als mangelhaft bekämpft, so übersieht er, daß die belangte Behörde erkennbar im angefochtenen Bescheid von der im Inland bestehenden Familiengemeinschaft mit dem Vormund ausgeht. Die darüber hinausgehenden Beschwerdeangaben, daß der Beschwerdeführer sich seit 1992 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, sind angesichts der nicht besonders langen Aufenthaltsdauer und des Umstandes, daß der Beschwerdeführer aus seinem Aufenthalt abgeleitete (abgesehen von der Familiengemeinschaft mit seinem Vormund) intensive private und familiäre Bindungen an Österreich nicht behauptet, nicht geeignet, die von der belangten Behörde getroffenen Interessenabwägung als rechtswidrig erkennen zu lassen. Auf die Verhältnisse im Heimatstaat des Beschwerdeführers kommt es hingegen bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 MRK nicht an.
Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Damit erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Öffentliches Recht Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters MinderjährigeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995191347.X00Im RIS seit
02.05.2001