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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung näher bezeichneter Bestimmungen der 3. COVID-19-SchutzmaßnahmenV mangels Darlegung der unmittelbaren BetroffenheitSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B-VG begehrt der Antragsteller, §3 Abs3 1. Satz und Z1, §4 Abs2, §5 Abs1 und 2, §6 Abs3 (gemeint: Abs2), §8 Abs2 und 5 (teilweise), §12 Abs1, 2 Z2 und Abs3 Z2, Abs8 und §15 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung, BGBl II 441/2021, idF BGBl II 459/2021 als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen werden (3. COVID-19-Maßnahmenverordnung – 3. COVID-19-MV), BGBl II 441/2021, idF BGBl II 459/2021 lauteten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Verkehrsmittel
§3. (1) Bei der Benützung von
1. Taxis und taxiähnlichen Betrieben, sowie Schülertransporten im Sinne der §§30a ff des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl Nr 376/1967
2. Massenbeförderungsmitteln
und in den dazugehörigen Stationen, Bahnsteigen, Haltestellen, Bahnhöfen und Flughäfen sowie deren jeweiligen Verbindungsbauwerken ist in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen.
(2) Für die Benützung von Seil- und Zahnradbahnen gilt:
[…]
2. In geschlossenen oder abdeckbaren Fahrbetriebsmitteln (Gondeln, Kabinen, abdeckbaren Sesseln) sowie in geschlossenen Räumen der dazugehörigen Stationen ist eine Maske zu tragen.
3. Der Betreiber von Seil- und Zahnradbahnen hat einen COVID-19-Beauftragten zu bestellen und ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten und umzusetzen.
(3) Für die Benützung von Reisebussen und Ausflugsschiffen im Gelegenheitsverkehr gilt:
1. Der Betreiber darf Personen nur einlassen, wenn sie einen 2G-Nachweis vorweisen.
2. Der Betreiber hat einen COVID-19-Beauftragten zu bestellen und ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten und umzusetzen.
Kundenbereiche
§4. (1) Beim Betreten und Befahren des Kundenbereichs von Betriebsstätten sowie der Verbindungsbauwerke baulich verbundener Betriebsstätten (zB Einkaufszentren, Markthallen) haben Kunden in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen.
(2) Der Betreiber von Betriebsstätten zur Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen darf Kunden nur einlassen, wenn diese einen 2G-Nachweis vorweisen.
(3) Abs1 ist sinngemäß anzuwenden auf Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte bei Parteienverkehr.
Gastgewerbe
§5. (1) Der Betreiber von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe darf Kunden zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes nur einlassen, wenn diese einen 2G-Nachweis vorweisen.
(2) Der Betreiber von Betriebsstätten der Gastgewerbe, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen ist, wie insbesondere Diskotheken, Clubs, Après-Ski-Lokale und Tanzlokale, darf Kunden zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen nur einlassen, wenn diese einen 2G-Nachweis vorweisen.
(3) Der Betreiber hat einen COVID-19-Beauftragten zu bestellen und ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten und umzusetzen.
(4) Selbstbedienung ist zulässig, sofern geeignete Hygienemaßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos gesetzt werden. Diese Maßnahmen sind im COVID-19-Präventionskonzept gemäß Abs3 abzubilden.
(5) Die Pflicht zum Vorweisen eines Nachweises gemäß Abs1 gilt nicht für:
1. die Abholung von Speisen und Getränken. Kunden haben in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen;
2. Imbiss- und Gastronomiestände. Kunden haben in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen;
3.Betriebsarten der Gastgewerbe, die innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:
a) Krankenanstalten und Kuranstalten für Patienten;
b) Alten- und Pflegeheime sowie stationäre Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe für Bewohner;
c) Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und elementaren Bildungseinrichtungen;
d) Betriebe, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige oder dort beruflich tätige Personen genützt werden dürfen;
e) Massenbeförderungsmittel.
Beherbergungsbetriebe
§6. (1) Beherbergungsbetriebe sind Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind. Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenstellplätze, Schutzhütten und Kabinenschiffe gelten ebenfalls als Beherbergungsbetrieb.
(2) Der Betreiber darf Gäste in Beherbergungsbetriebe beim erstmaligen Betreten nur einlassen, wenn diese einen 2G-Nachweis vorweisen.
(2a) Abs2 gilt nicht für das Betreten eines Beherbergungsbetriebs
1. durch Personen, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bereits in Beherbergung befinden, für die im Vorfeld mit dem Unterkunftgeber vereinbarte Dauer der Beherbergung,
2. zum Zweck der Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen,
3. aus unaufschiebbaren beruflichen Gründen,
4. zur Stillung eines dringenden Wohnbedürfnisses,
5. durch Kurgäste in einer Kuranstalt, die gemäß §42a des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG), BGBl Nr 1/1957, als Beherbergungsbetrieb mit angeschlossenem Ambulatorium gemäß §2 Abs1 Z5 KAKuG organisiert ist,
6. durch Patienten in einer Einrichtung zur Rehabilitation, die als Beherbergungsbetrieb mit angeschlossenem Ambulatorium gemäß §2 Abs1 Z5 KAKuG organisiert ist,
7. durch Schüler zum Zweck des Schulbesuchs und Studenten zu Studienzwecken (Internate, Lehrlingswohnheime und Studentenheime).
Der Betreiber darf Gäste in den Fällen der Z2 bis 6 nur einlassen, wenn diese einen 3G-Nachweis vorweisen.
(3) Für das Betreten von
1. gastronomischen Einrichtungen in Beherbergungsbetrieben gilt §5 sinngemäß;
2. Sportstätten in Beherbergungsbetrieben gilt §7 sinngemäß;
3. Freizeiteinrichtungen in Beherbergungsbetrieben gilt §8 sinngemäß.
(4) Der Betreiber hat einen COVID-19-Beauftragten zu bestellen und ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten und umzusetzen.
[…]
Freizeit- und Kultureinrichtungen
§8. (1) Als Freizeiteinrichtungen gelten Betriebe und Einrichtungen, die der Unterhaltung, der Belustigung oder der Erholung dienen. Freizeiteinrichtungen sind insbesondere
1. Schaustellerbetriebe, Freizeit- und Vergnügungsparks,
2. Bäder und Einrichtungen gemäß §1 Abs1 Z1 bis 7 des Bäderhygienegesetzes (BHygG), BGBl Nr 254/1976,
3. Tanzschulen,
4. Wettbüros, Automatenbetriebe, Spielhallen und Casinos,
5. Schaubergwerke,
6. Einrichtungen zur Ausübung der Prostitution,
7. Indoorspielplätze,
8. Paintballanlagen,
9. Museumsbahnen,
10. Tierparks, Zoos und botanische Gärten.
(2) Der Betreiber von Freizeiteinrichtungen darf Kunden zum Zweck der Inanspruchnahme von Dienstleistungen dieser Einrichtungen nur einlassen, wenn diese einen 2G-Nachweis vorweisen.
(3) Betreiber von Einrichtungen gemäß §1 Abs1 Z1 bis 7 BHygG müssen ihre Verpflichtungen gemäß §13 BHygG im Hinblick auf die besonderen Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 evaluieren sowie ihre Maßnahmen und die Badeordnung entsprechend dem Stand der Wissenschaft adaptieren.
(4) Der Betreiber von Freizeiteinrichtungen hat einen COVID-19-Beauftragten zu bestellen und ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten und umzusetzen.
(5) Als Kultureinrichtungen gelten Einrichtungen, die der kulturellen Erbauung und der Teilhabe am kulturellen Leben dienen. Für
1. Museen, Kunsthallen und kulturelle Ausstellungshäuser,
2. Bibliotheken,
3. Büchereien und
4. Archive
gilt §4 Abs1. Für Kultureinrichtungen, in denen überwiegend Zusammenkünfte stattfinden, wie insbesondere Theater, Kinos, Varietees, Kabaretts, Konzertsäle und -arenen, gelten Abs2 und 4.
[…]
Zusammenkünfte
§12. (1) Zusammenkünfte mit mehr als 25 Teilnehmern sind nur unter der Voraussetzung zulässig, dass der für die Zusammenkunft Verantwortliche die Teilnehmer nur einlässt, wenn sie einen 2G-Nachweis vorweisen.
(2) Zusammenkünfte mit mehr als 50 Teilnehmern sind nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
1. Der für die Zusammenkunft Verantwortliche hat die Zusammenkunft spätestens eine Woche vorher bei der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen. Dabei sind folgende Angaben zu machen:
[…]
2. Der für die Zusammenkunft Verantwortliche darf die Teilnehmer nur einlassen, wenn sie einen 2G-Nachweis vorweisen.
(3) Zusammenkünfte mit mehr als 250 Teilnehmern sind nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
1. Der für die Zusammenkunft Verantwortliche hat eine Bewilligung der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einzuholen. Dabei sind die Angaben des Abs2 Z1 zu machen und das Präventionskonzept gemäß Abs4 vorzulegen. Die Entscheidungsfrist für die Bewilligung beträgt zwei Wochen ab vollständiger Vorlage der Unterlagen.
2. Der für eine Zusammenkunft Verantwortliche darf die Teilnehmer nur einlassen, wenn sie einen 2G-Nachweis vorweisen.
(4) Bei Zusammenkünften von mehr als 50 Personen hat der für eine Zusammenkunft Verantwortliche einen COVID-19-Beauftragten zu bestellen und ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten und umzusetzen. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Einhaltung der COVID-19-Präventionskonzepte stichprobenartig zu überprüfen. Das COVID-19-Präventionskonzept ist zu diesem Zweck während der Dauer der Zusammenkunft bereitzuhalten und auf Verlangen der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen.
(5) An einem Ort dürfen mehrere Zusammenkünfte gleichzeitig stattfinden, sofern durch geeignete Maßnahmen, wie etwa durch räumliche oder bauliche Trennung oder zeitliche Staffelung, eine Durchmischung der Teilnehmer der gleichzeitig stattfindenden Zusammenkünfte ausgeschlossen und das Infektionsrisiko minimiert wird.
(6) Die Abs1 bis 5 gelten nicht für
1. Zusammenkünfte im privaten Wohnbereich, mit Ausnahme von Zusammenkünften an Orten, die nicht der Stillung eines unmittelbaren Wohnbedürfnisses dienen, wie insbesondere in Garagen, Gärten, Schuppen oder Scheunen;
2. Begräbnisse;
3. Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl Nr 98/1953;
4. Zusammenkünfte zu beruflichen Zwecken, wenn diese zur Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeit erforderlich sind;
5. Zusammenkünfte von Organen politischer Parteien;
6. Zusammenkünfte von Organen juristischer Personen;
7. Zusammenkünfte nach dem Arbeitsverfassungsgesetz – ArbVG, BGBl Nr 22/1974;
8. das Befahren von Theatern, Konzertsälen und -arenen, Kinos, Varietees und Kabaretts, wenn dies mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen erfolgt.
Bei Zusammenkünften gemäß Z2 bis 7 mit mehr als 50 Personen ist in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen, sofern nicht alle Personen einen 2G-Nachweis vorweisen.
(7) Für Zusammenkünfte zu Proben zu beruflichen Zwecken und zur beruflichen künstlerischen Darbietung in fixer Zusammensetzung gilt – mit Ausnahme des Erfordernisses eines Präventionskonzepts – §7 Abs4 sinngemäß. Für Zusammenkünfte, die gemäß dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl Nr 606/1977, vom oder im Auftrag des Arbeitsmarktservice als Maßnahmen der Nach- und Umschulung sowie zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt durchgeführt werden, gilt §9 Abs1 sinngemäß.
(8) §12 gilt für alle Zusammenkünfte unabhängig vom Ort der Zusammenkunft.
Sofern auch die Voraussetzungen der §§4 bis 8 erfüllt sind, gilt hinsichtlich des Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr die jeweils strengere Regel.
[…]
Fach- und Publikumsmessen
§15. Für Fach- und Publikumsmessen gilt §12 Abs1 bis 5 sinngemäß."
Die angefochtenen Bestimmungen waren im Zeitpunkt der Antragstellung (12. November 2021) in Kraft (§23 Abs1 idF BGBl II 441/2021, §23 Abs7 idF BGBl II 456/2021 und §23 Abs10 idF BGBl II 459/2021 der 3. COVID-19-MV). Mit Inkrafttreten der 5. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 465/2021, am 15. November 2021 traten sie außer Kraft (§24 Abs2 5. COVID-19-SchuMaV).
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antragsteller bringt vor, dass er berufstätig und nicht gegen COVID-19 geimpft sei; er unterziehe sich in regelmäßigen Abständen einem molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 ("PCR-Test").
1.1. Durch die Einführung der "2G-Regel" (Nachweis über eine Impfung oder Genesung oder ein Absonderungsbescheid iSd §1 Abs2 Z1 und 2 3. COVID-19-MV, BGBl II 441/2021, idF BGBl II 459/2021) sei es ihm unmöglich gemacht worden, Betriebsstätten zu betreten, Beherbergungsbetriebe zu bewohnen, Freizeiteinrichtungen zu besuchen, an Zusammenkünften und Fach- und Publikumsmessen mit mehr als 25 Personen teilzunehmen oder Reisebusse und Ausflugsschiffe zu benutzen.
1.2. Zur Antragslegitimation führt er aus, dass er "als Staatsbürger und Bewohner des Landes durch die unmittelbare Wirkung der […] Normen betroffen ist, weil er sich (für den Fall, dass er einen halbwegs normalen Alltag leben will) dem Zwang ausgesetzt sieht, entweder eine gesetzlich nicht verpflichtende Impfung an sich durchführen zu lassen hat oder aber daran gehindert ist jene den Menschen mit einem 2G Nachweis vorbehaltenen Tätigkeiten zu verrichten oder Dienstleistungen zu empfangen".
Es sei ihm nicht zumutbar, einen Strafbescheid nach §8 Abs2 COVID-19-MG zu provozieren, um die angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Die angefochtenen Bestimmungen seien im Zeitpunkt der Antragstellung noch in Kraft und würden direkt und unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen.
1.3. In der Sache macht er die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freizügigkeit und Freiheit des Aufenthaltes geltend. Er bringt im Wesentlichen vor, durch die Einführung des 2G-Nachweises werde in unsachlicher Weise zwischen gegen COVID-19 geimpften und "negativ PCR-getesteten" Personen unterschieden.
2. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages begehrt.
IV. Zulässigkeit
Der Antrag ist unzulässig.
1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist.
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
Nach §57 Abs1 VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach aufgehoben wird oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Um das Erfordernis des §57 Abs1 VfGG zu erfüllen, müssen die bekämpften Verordnungen bzw Verordnungsstellen genau und eindeutig bezeichnet sein (siehe zB VfSlg 13.230/1992, 13.451/1993, 13.473/1993, 16.710/2002, 17.403/2004, 17.679/2005, 19.027/2010).
Ein Antrag, der sich gegen den ganzen Inhalt einer Verordnung richtet, muss die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit aller Bestimmungen der Verordnung "im Einzelnen" darlegen und insbesondere auch dartun, inwieweit alle angefochtenen Verordnungsregelungen unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen. Bei der Prüfung der aktuellen Betroffenheit hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 14.277/1995, 15.306/1998, 16.890/2003, 18.357/2008, 19.919/2014, 19.971/2015).
2. Den dargestellten Anforderungen wird der Antrag nicht gerecht:
Der Antragsteller begründet seine unmittelbare Betroffenheit lediglich damit, dass es ihm durch die angefochtenen Bestimmungen unmöglich gemacht werde, Betriebsstätten zu betreten, Beherbergungsbetriebe zu bewohnen, Freizeiteinrichtungen zu besuchen, an Zusammenkünften und Fach- und Publikumsmessen mit mehr als 25 Personen teilzunehmen oder Reisebusse und Ausflugsschiffe zu benutzen. Für ein halbwegs normales Alltagsleben sehe er sich dem Zwang ausgesetzt, an sich eine gesetzlich nicht verpflichtende Impfung durchführen zu lassen, oder aber er sei daran gehindert, jene Tätigkeiten zu verrichten oder Dienstleistungen zu empfangen, die Menschen mit einem 2G-Nachweis vorbehalten seien.
Mit diesem allgemein gehaltenen, mögliche (Freizeit-)Aktivitäten aufzählenden Vorbringen gelingt es dem Antragsteller nicht, seine unmittelbare Betroffenheit durch die angefochtenen Bestimmungen hinreichend konkret darzulegen (siehe VfGH 6.10.2021, V86/2021). Das Erfordernis dieser Darlegung besteht auch dann, wenn bestimmte Annahmen im Hinblick auf die sonst geschilderte Situation naheliegen mögen (vgl abermals VfGH 6.10.2021, V86/2021 mwN). Bei diesem Mangel handelt es sich um kein behebbares Formgebrechen, sondern um ein Prozesshindernis, sodass der Antrag schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen ist.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
COVID (Corona), VfGH / Individualantrag, VfGH / BedenkenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V286.2021Zuletzt aktualisiert am
19.12.2022