Entscheidungsdatum
23.03.2022Index
82/03 Ärzte Sonstiges SanitätspersonalNorm
ÄrzteG 1984 §75 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Föger-Leibrecht über die Beschwerde des Herrn Dr. A. B. gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, vom 01.10.2019, Zl. …, betreffend Beitrag zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2018 gemäß Abschnitt I der Beitragsordnung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.05.2021,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 01.10.2019 wurde der Beitrag zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2018 gemäß Abschnitt I iVm Abschnitt IV Abs. 5 und 7 der Beitragsordnung mit EUR **.***,** festgesetzt. Da keine vorläufigen Fondsbeiträge entrichtet worden seien, bestehe ein Beitragsrückstand von EUR **.***,**.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer trotz nachweislicher Aufforderung nach Ablauf einer angemessen gesetzten Nachfrist der Verpflichtung auf Vorlage der Beitragserklärung über die Bemessungsgrundlage nicht entsprochen habe. Daher sei der Fondsbeitrag mit dem Höchstbeitrag festgesetzt worden.
In der dagegen form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er mit Schreiben vom 21.01.2019 um Befreiung der Vorschreibung von Fondsbeiträgen ersucht habe, weil für ihn die Ärztekammer für Niederösterreich zuständig sei und die Beiträge in Niederösterreich entrichtet worden seien. Die zusätzliche Vorschreibung von Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds der Wiener Ärztekammer sei nicht rechtens und der Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.
In ihrer über Aufforderung des erkennenden Gerichtes vorgelegten Stellungnahme vom 02.10.2020 führte die Ärztekammer nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der bezughabenden Rechtsvorschriften aus, dass Bezieher einer Alterspension auf Antrag von der Beitragspflicht mit Ausnahme der Beiträge für die Krankenunterstützung zu befreien seien. Anträge gelten rückwirkend mit jenem Monat, für das sie gestellt worden seien. Da der Antrag erst am 18.01.2019 eingelangt sei, sei der rückwirkende Zeitraum für 01.03.2018 bis 31.12.2018 abzuweisen gewesen. Um eine Berechnung anhand der Einkommensunterlagen vorzunehmen, würden der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2015 bzw. zusätzlich die Monatsgehaltszettel des Jahres 2015 benötigt werden.
Mit Eingabe vom 14.12.2020 übermittelte der Beschwerdeführer den Einkommenssteuerbescheid 2015 sowie Lohn- und Gehaltszettel aus dem Jahr 2015. Mit Eingabe vom 04.02.2021 wurde der Einkommenssteuerbescheid für 2018 vorgelegt.
Die belangte Behörde führte auf Basis der Einkommensunterlagen 2015 eine Neuberechnung durch und ergebe sich ein neuer Fondsbeitrag in der Höhe von EUR **.***,** (aliquot für zehn Monate).
Am 11.05.2021 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, zu welcher der Beschwerdeführer, sein Vertreter und die Vertreterin der belangten Behörde ladungsgemäß erschienen sind.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer nahm seine ärztliche Tätigkeit in Niederösterreich auf, wo er im Klinikum C. bis 31.12.2016 beschäftigt war. Seit 01.01.2017 ist er im Ruhestand. Parallel zu seiner Tätigkeit im Klinikum führte der Beschwerdeführer eine Privatordination in Niederösterreich bis März 2021. Von März 2018 bis März 2020 führte der Beschwerdeführer eine Wahlarztpraxis in Wien.
Der Beschwerdeführer hat seit der Aufnahme seiner ärztlichen Tätigkeit durchgehend bis zum Ende des in Rede stehenden Zeitraumes (2020) eine ärztliche Tätigkeit in Niederösterreich ausgeführt.
Beweiswürdigung:
Der Beschwerdeführer führte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft aus, dass er seine ärztliche Tätigkeit nach Abschluss des Studiums in Niederösterreich begonnen hat und sein gesamtes Berufsleben auch in Niederösterreich ohne Unterbrechung tätig war. Diese Darlegungen blieben im Zuge der Verhandlung unbestritten und hegt das erkennende Gericht keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Ausführungen.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:
„Beiträge zum Wohlfahrtsfonds
§ 75. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie ihren Beruf ausüben (§§ 2 Abs. 3, 19 Abs. 2 und 3, 20) oder ihren Wohnsitz haben (§ 20a). Übt ein Arzt seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen hat. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.“
Mit Inkrafttreten des ÄrzteG 1998 wurde diese Bestimmung - im Wesentlichen unverändert (vgl. RV 1386 BlgNR 20. GP, 107) - durch § 109 Abs. 1 ersetzt, welcher lautete:
„Beiträge zum Wohlfahrtsfonds
§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie den ärztlichen Beruf freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses (§§ 3 Abs. 2, 45 Abs. 2 und 3, 46) oder als wohnsitzärztliche Tätigkeit (§ 47) ausüben. Übt ein Arzt seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen hat. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.“
Durch die 2. Ärztegesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 110/2001, erhielt § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 folgende Fassung (die im Wesentlichen bis zum Gesundheitsreformgesetz 2005, BGBl. I Nr. 179/2004, unverändert blieb):
„(1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Übt ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht ist. Eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate gilt diesbezüglich als ununterbrochene Berufsausübung. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.“
In den Gesetzesmaterialien wird dazu ausgeführt (RV 629 BlgNR 21. GP, 62):
„Bei gleichzeitiger Ausübung des ärztlichen Berufes im Bereich mehrerer Ärztekammern knüpft das Gesetz bei der Bestimmung der Wohlfahrtsfondsmitgliedschaft derzeit am Ort der ersten Niederlassung an. Diese Regelung hat sich in der Praxis als ungeeignet und mit großen Vollzugsschwierigkeiten behaftet erwiesen. Die daraus entstehende Rechtsunsicherheit soll dadurch beseitigt werden, dass an den Ort der erstmaligen Aufnahme der ärztlichen Berufstätigkeit angeknüpft wird. Die Bestimmung, dass eine Unterbrechung der ärztlichen Tätigkeit für weniger als sechs Monate einer ununterbrochenen Berufsausübung gleichzuhalten ist, soll missbräuchlichen Gestaltungsmöglichkeiten vorbeugen. Durch § 109 Abs. 1 soll die Abwanderung bzw. der Wechsel zwischen den Bundesländern neu geregelt werden.“
Gemäß § 75 Abs. 1 ÄrzteG 1984 in der Fassung BGBl. Nr. 100/1994 bzw. § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 in der Fassung vor dem Gesundheitsreformgesetz 2005 haben die Kammerangehörigen Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie den ärztlichen Beruf ausüben. Übt ein Arzt seinen Beruf demnach nur im Bereich einer einzigen Ärztekammer aus, entsteht bzw. erlischt mit dem Entstehen bzw. Erlöschen der Angehörigeneigenschaft zu einer Ärztekammer auch die Mitgliedschaft zu deren Wohlfahrtseinrichtungen (vgl. VwGH 29.9.1999, 98/11/0169, mwN). Übt ein Arzt seinen Beruf hingegen im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat (bzw. gemäß § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 in der Stammfassung: in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen hat, was im Revisionsfall keinen Unterschied macht). Diese Fortwirkung der Wohlfahrtsfondsmitgliedschaft setzt demnach voraus, dass die ärztliche Berufsausübung gleichzeitig in mehreren Bundesländern erfolgt, und gilt, wie sich aus der Klarstellung in § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 durch die 2. Ärztegesetz-Novelle ergibt, nur solange, wie diese Tätigkeit in jenem Bundesland, in dem die Berufstätigkeit zuerst aufgenommen wurde, nicht unterbrochen wird; seit der 2. Ärztegesetz-Novelle gilt eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate als ununterbrochene Berufsausübung. Ein Berufssitz oder Dienstort in mehreren Bundesländern ist hingegen keine Voraussetzung für die Fortwirkung der Wohlfahrtsfondsmitgliedschaft. Nur wenn ein Arzt seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern aufnimmt, hat er die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.
Aus § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 bzw. § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 ergibt sich somit, dass die Mitgliedschaft in mehreren Wohlfahrtsfonds nicht möglich ist (vgl. VwGH 20.9.2001, 2001/11/0219). Jeder Arzt kann nur Mitglied in einem Wohlfahrtsfonds sein, auch wenn er Angehöriger mehrerer Ärztekammern ist (vgl. Wallner in GmundKomm § 108-110 a ÄrzteG 1998 Rn 1).
Gemäß Abschnitt IV Abs. 5 der Beitragsordnung sind ordentliche Fondsmitglieder verpflichtet, den Beitrag zum Wohlfahrtsfonds zu leisten.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ausschließlich ordentliches Fondsmitglied der Ärztekammer für Niederösterreich war und schon daher keine Verpflichtung zur Entrichtung des Fondsbeitrages im Bereich der Ärztekammer für Wien gegeben ist. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass eine ununterbrochene Berufsausübung in Niederösterreich vorliegt und gemäß § 75 Abs. 1 zweiter Satz Ärztegesetz bzw. § 109 Abs. 1 zweiter Satz Ärztegesetz 1998 die Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich gegeben ist (vgl. dazu auch VwGH vom 27.04.2021, Zl. Ro 2019/11/0005-5 mwN). Es war daher der angefochtene Bescheid mangels Zuständigkeit der Ärztekammer für Wien zu beheben.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fondsbeitrag; Mitgliedschaft; ärztliche Tätigkeit; ÄrztekammerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.162.017.10403.2020Zuletzt aktualisiert am
16.12.2022