TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/17 LVwG-2022/39/2830-2

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Veröffentlicht am 17.11.2022
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Entscheidungsdatum

17.11.2022

Index

L82007 Bauordnung Tirol
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Tir 2022 §46
AVG §38

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Drin Mair über die Beschwerde des AA, **** Adresse 1, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 20.09.2022, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2022

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen, dies mit der Maßgabe, dass die Leistungsfrist mit 20.03.2023 neu festgesetzt wird.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang, Beschwerdevorbringen:

Mit 28.09.2021 brachte der nunmehrige Beschwerdeführer eine Bauanzeige zur Errichtung einer Solaranlage auf Gst. **1, KG Z, ein. Ein Verbesserungsauftrag vom 20.12.22021 wurde durch die Baubehörde erteilt.

Mit Bescheid vom 02.03.2022, ***, wurde die Bauanzeige vom 28.09.2021 gemäß § 30 Abs 2 letzter Satz TBO 2018 zurückgewiesen, da dem Auftrag der Baubehörde vom 20.12.2021 zur Ergänzung (Nachreichung) der Unterlagen nicht fristgerecht Folge geleistet worden wäre.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 08.06.2022, ***, als unbegründet abgewiesen. Auf die im Bauakt befindlichen Stellungnahmen zu einer allfälligen Bewilligungspflicht der gegenständlichen baulichen Anlage wurde ausdrücklich hingewiesen.

Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision behängt derzeit noch beim Verwaltungsgerichtshof, mit Beschluss vom 13.09.2022, ***, wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision nicht stattgegeben.

Anlässlich eines am 19.09.2022 durchgeführten Lokalaugenscheins wurde festgestellt, dass die betreffende Solaranlage nach wie vor besteht.

Mit Bescheid vom 20.09.2022 trug der Bürgermeister der Gemeinde Z dem nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs 1 TBO 2022 auf, die widerrechtlich errichtete Solaranlage laut den einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Lichtbildern in der Anlage bis längstens 21.10.2022 abzutragen und gänzlich zu entfernen.

In seiner Beschwerde gegen diesen Bescheid wies der Beschwerdeführer darauf hin, die Bauanzeige am 29.09.2021 eingebracht, nach zwei Monaten, in denen weder eine Untersagung noch ein Mängelbehebungsauftrag ergangen wäre, die Solaranlage errichtet zu haben. Zwei Tage vor Weihnachten wäre ein Mängelbehebungsauftrag (Nachreichung Lageplan und Baubeschreibung) mit Fristsetzung bis 07.01.2022 ergangen, die Bewilligungspflichtigkeit der Solaranlage sei angemerkt worden. Nach Übermittlung der nachgeforderten Unterlagen am 22.02.2022 wäre am 26.01.2022 behördenseits die Vollständigkeit der Unterlagen bestätigt worden. Am 20.02.2022 sei der Lageplan mit eingezeichneter Einfriedung/Solaranlage an die Gemeinde übermittelt worden.

Im angefochtenen Bescheid werde vorgeworfen, dass für die Solaranlage keine Baubewilligung erteilt bzw um eine solche nicht angesucht und die am 28.09.2021 eingebrachte Bauanzeige rechtskräftig zurückgewiesen worden wäre. Die Solaranlage sei daher widerrechtlich errichtet.

Die Frage der Zulässigkeit der Zurückweisung der Bauanzeige sei derzeit Gegenstand eines beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens, würde dieser die Vollständigkeit der Planunterlagen im Zeitpunkt der Zurückweisung oder die Unrechtmäßigkeit des Mängelbehebungsauftrages entscheiden, lägen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Abbruchbescheides nicht mehr vor, weshalb beantragt werde, das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Höchstgerichts gemäß § 38 AVG auszusetzen und für den Fall, dass dieses der Revision folge, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die Fristsetzung bis zum 21.10.2022 entspräche nicht der Rechtslage, weil diese vor Eintritt der Rechtskraft des Bescheides ablaufe. Werde der angefochtene Bescheid nicht aufgehoben, werde die Erstreckung der Frist um vier Monate ab Rechtskraft des Bescheides beantragt. Eine kurze Frist für eine vollständige Entfernung wäre infolge Knappheit an Facharbeitern, der Witterungslage in Wintermonaten nicht möglich. Der Vollständigkeit werde mangelnde Nachvollziehbarkeit der bildlich dargestellten Vermessung angemerkt.

II.      Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einschau in den behördlichen Bauakt, in den Bescheid vom 02.03.2022, Zl. ***, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 08.06.0222, ***, den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.09.2022, ***.

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich bereits aus der Aktenlage. Es bedurfte der ausschließlichen Klärung von Rechtsfragen. Die Akten haben erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Einem Entfall der mündlichen Verhandlung standen weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegen.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wurde in der Beschwerde auch nicht beantragt.

III.     Rechtslage:

Es gilt folgende maßgebliche Bestimmung der Tiroler Bauordnung 2022 – TBO 2022, LGBl Nr 44/2022 idF LGBl Nr 62/2022:

„§ 46

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige errichtet, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen. Wurde eine solche bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes aufzutragen. Dies gilt auch, wenn ein Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung bzw. Bauanzeige ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung oder eine Bauanzeige erforderlich wäre. Ist die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage stattdessen deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen.

….“

Es gilt folgende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018:

„§ 38

Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.“

IV.      Erwägungen:

Ein Auftrag nach § 46 Abs 1 erster Satz TBO 2022 setzt die Konsenslosigkeit einer bewilligungspflichtigen oder anzeigepflichtigen baulichen Anlage voraus. Diese Konsensfrage zu klären, obliegt im gegenständlichen Beschwerdeverfahren dem Landesverwaltungsgericht als Vorfrage.

Dass eine Baubewilligung für die gegenständlich beauftragte Solaranlage vorliegt, ist aufgrund der Aktenlage jedenfalls auszuschließen.

Dass das Bauvorhaben aufgrund der am 28.09.2021 eingebrachten Bauanzeige zulässig hat ausgeführt werden dürfen, ist im gegenständlichen Zeitpunkt ebenfalls zu verneinen, als mit der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 08.06.2022, ***, die Zurückweisung der Bauanzeige durch die Baubehörde (Bescheid vom 02.03.2022) durch unbegründete Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde inhaltlich bestätigt wurde.

Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 08.06.2022 erwuchs mit seiner Erlassung (Zustellung) am 13.06.2022 in formelle Rechtskraft. In vorliegender (baupolizeilicher) Beschwerdesache ist das Landesverwaltungsgericht an diese Entscheidung gebunden. Die im gegenständlichen Verfahren maßgebliche (Vor)Frage, ob im Rahmen der Bauanzeige ein Konsens für die ausgeführte bauliche Anlage vorliegt, dh die bauliche Anlage zulässiger Weise ausgeführt hat werden dürfen, wurde durch die formell rechtskräftige Entscheidung vom 08.06.2022 in dieser Hinsicht für das erkennende Gericht verbindlich geklärt. Eine Aussetzung eines Verfahrens (hier des gegenständlichen baupolizeilichen Verfahrens) gemäß § 38 AVG kommt nicht mehr in Betracht, wenn die Vorfrage bereits durch ein (formell rechtskräftiges) Erkenntnis des Verwaltungsgerichts (hier vom 08.06.2022) entschieden wurde, selbst wenn dagegen die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts – wie hier geschehen der Verwaltungsgerichtshofs - angerufen wurden.

Ein Konsens für die Solaranlage liegt derzeit damit nicht vor, die inhaltlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 46 Abs 1 erster Satz TBO 2022 sind damit gegeben.

Soweit in der Beschwerde die Aussetzung des Verfahrens nach § 38 AVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im Revisionsverfahrens gegen das Erkenntnis vom 08.06.2022 beantragt wird, ist auszuführen, dass diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes für das gegenständliche baupolizeiliche Verfahren (eben) keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstellt bzw stellt dieses vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren kein Verfahren zur Klärung einer Vorfrage im gegenständlichen baupolizeilichen Verfahren dar, welches Verfahren zur Aussetzung im Sinne des § 38 AVG berechtigen dürfte. Als Rechtsakte, die im Vorfragenbereich überhaupt Bindungswirkung entfalten können, kommen (neben Bescheiden der Verwaltungs(straf)behörden bzw Erkenntnissen und Beschlüssen der Verwaltungsgerichte) Urteile und Beschlüsse der ordentlichen Gerichte (Straf-, Zivilgerichte) in Betracht. Bezogen auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs ist § 38 AVG in dieser Hinsicht unanwendbar, eine Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens kommt damit – wie begehrt - nicht in Betracht.

Sollte sich nachträglich als Folge einer aufhebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über das Erkenntnis vom 08.06.2022 herausstellen, dass infolge Vollständigkeit der Bauanzeige vom 28.09.2021 das Bauvorhaben zulässigerweise hat ausgeführt werden dürfen, wozu in diesem Falle der Bescheid vom 02.03.2022 durch das Landesverwaltungsgericht aufzuheben wäre, so könnte dies nur in einem Wiederaufnahmeverfahren (§ 32 Abs 1 Z 3, Abs 3 VwGVG) zum vorliegenden Erkenntnis Beachtung finden.

Die Leistungsfrist war mit Rechtskraft dieses Erkenntnisses neu festzusetzen. Gegen eine Fristsetzung in der beantragten Dauer wurden auch seitens der belangten Behörde über Nachfrage keine Einwände erhoben. Eine Frist in der eingeräumten Dauer ist - dem eigenen Antrag des Beschwerdeführers in dieser Weise folgend - auch nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedenfalls objektiv geeignet, es diesem unter Berücksichtigung der vorgebrachten Umstände zu ermöglichen, die aufgetragenen Arbeiten unter zu fordernder Anspannung all seiner Kräfte sowohl bautechnisch als auch witterungsbedingt durchführen zu können.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Drin Mair

(Richterin)

Schlagworte

Entfernungsauftrag
Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.39.2830.2

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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