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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litcLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung des COVID-19-ImpfpflichtG mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre; Unzulässigkeit des Antrags mangels Legitimation; keine Verpflichtung zur Impfung sowohl im Antragszeitpunkt als auch im Entscheidungszeitpunkt auf Grund der COVID-19-NichtanwendungsverordnungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG gestützten Antrag vom 4. Mai 2022 begehrt der Antragsteller, das Bundesgesetz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG), BGBl I 4/2022, idF BGBl I 22/2022 (samt Eventualantrag) als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Das Bundesgesetz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG), BGBl I 4/2022, ist in seiner Stammfassung gemäß §20 Abs1 leg cit am 5. Februar 2022 in Kraft getreten und wurde mit BGBl I 22/2022 mit Geltung ab 18. März 2022 (betreffend §1 Abs2 und 3, §2 Z5, §3 Abs2, 3, 5 und 6, §3a samt Überschrift, §10 Abs2 und 3, §11 Abs1, §15 Abs1, §16 Abs2 Z2, 3 und 6 sowie §20 Abs2, 5 und 6) bzw ab 11. April 2022 (betreffend §2 Z11, §3b samt Überschrift sowie §7 Abs1, 2a, 2b und Abs5) teilweise novelliert.
Mit Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die vorübergehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung (im Folgenden: COVID-19-Nichtanwendungsverordnung), BGBl II 103/2022, wurde gemäß §19 Abs2 COVID-19-IG im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates (§18 Abs1 COVID-19-IG) durch den BMSGPK verordnet, dass die §§1, 4, 10 und 11 COVID-19-IG und die §§1 und 4 der COVID-19-IV ab 12. März 2022 bis 31. Mai 2022 "nicht auf Sachverhalte anzuwenden [sind], die sich nach Inkrafttreten dieser Verordnung ereignen". Die Verordnung wurde mit BGBl II 198/2022 dahingehend novelliert, dass die Nichtanwendung der obgenannten Bestimmungen sowie der §§3, 3a und 3b COVID-19-IG bis zum 31. August 2022 verlängert wurde.
III. Antragsvorbringen
Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller auf das Wesentliche zusammengefasst vor, nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes würde eine Strafandrohung ausreichen, um eine unmittelbare Betroffenheit zu begründen. Die Bestrafung würde in der Verordnung durch Impfintervalle und Ausnahmen abgesteckt sein, welche ausreichende Antikörper nicht genügen lassen würden. Der Strafvollzug sei zwar ausgesetzt, dies laufe jedoch Ende Mai 2022 aus, und da der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Ende Juni 2022 und die darauffolgenden Monate und Jahre erleben werde, sei er unmittelbar betroffen.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
Der Verfassungsgerichtshof geht grundsätzlich davon aus, dass die bekämpften Gesetzesbestimmungen auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Antragsteller noch entsprechend wirksam sein müssen (vgl VfSlg 12.999/1992, 16.621/2002, 16.799/2003, 17.826/2006, 18.151/2007, 20.397/2020), was in der Regel dann nicht mehr der Fall ist, wenn die bekämpften Bestimmungen bereits außer Kraft getreten oder wesentlich geändert worden sind. Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch bereits außer Kraft getretene Regelungen die Rechtssphäre des Antragstellers aktuell berühren (vgl etwa VfSlg 20.397/2020, 20.399/2020 jeweils mwN).
3. Entgegen der Ansicht des Antragstellers entfaltet das COVID-19-IG keinen unmittelbaren Eingriff in seine Rechtssphäre:
Der Antragsteller übersieht nämlich, dass die Verpflichtung zur Impfung, die insbesondere in §1 und §4 COVID-19-IG normiert ist (vgl VfGH 29.4.2022, G29/2022), auf Grund der COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, bereits im Zeitpunkt der Antragstellung am 4. Mai 2022 nicht mehr auf den Antragsteller anwendbar war. Es ist sohin schon zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers zu verneinen (vgl VfGH 17.6.2022, G113/2022).
Da die COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, idF BGBl II 198/2022 auch im Entscheidungszeitpunkt des Verfassungsgerichtshofes die Nichtanwendung der Verpflichtung zur Impfung weiterhin (vorerst bis zum 31. August 2022) anordnet, kann auch zu diesem Zeitpunkt kein Rechtsschutzinteresse bejaht werden (vgl VfGH 17.6.2022, G113/2022).
4. Schon aus diesem Grund ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag auch noch aus anderen Gründen unzulässig ist.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
COVID (Corona), VfGH / Individualantrag, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G150.2022Zuletzt aktualisiert am
16.12.2022