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25/01 StrafprozessNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung näher bezeichneter Bestimmungen der StPO mangels Darlegung und Zuordnung der Bedenken, mangelnder Präjudizialität, Unzulässigkeit der Geltendmachung von Vollzugsmängeln im Normenprüfungsverfahren und zu engen AnfechtungsumfangsRechtssatz
Dem Antrag ist nicht zu entnehmen, welche der behaupteten Verfassungswidrigkeiten im Einzelnen hinsichtlich welcher der angefochtenen Bestimmungen (§3, §5, §101, §106, §112 und §157 Abs2 StPO) vorliegen sollen. In diesem Sinne enthält der Antrag keine hinreichende Zuordnung der Bedenken zu den einzelnen angefochtenen Bestimmungen iSd §62 Abs1 VfGG. Soweit der Antragsteller pauschal vorgetragene verfassungsrechtliche Bedenken erhebt, ist es nicht Aufgabe des VfGH, diese Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und auf diesem Weg das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren. Dabei handelt es sich um ein materielles Formgebrechen, das einem Mängelbehebungsauftrag nicht zugänglich ist.
Der Antragsteller macht lediglich Vollzugsmängel geltend soweit er vorbringt, "durch die im Ergebnis verfassungswidrige Anwendung" der angefochtenen Bestimmungen verletzt zu sein (wobei "durchaus die Möglichkeit, die angefochtenen Bestimmungen auch verfassungskonform zu interpretieren" bestünde). Solche Bedenken sind unzulässig, weil der VfGH gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen entscheidet. Die Entscheidung eines Gerichtes ist nicht Prüfungsgegenstand eines Verfahrens nach Art140 B-VG.
§3 und §5 StPO regeln die Grundsätze der Objektivität sowie der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit. Selbstverständlich hat das Landesgericht für Strafsachen Wien diese Grundsätze bei seinen Entscheidungen stets zu beachten. Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat diese Bestimmungen in seiner Entscheidung aber nicht iSd Art140 Abs1 Z1 litd B-VG angewendet. §101 StPO regelt die Aufgaben der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren und sieht insbesondere vor, dass die Staatsanwaltschaft die hiefür erforderlichen Anträge bei Gericht zu stellen und diese zu begründen hat. Für den VfGH ist nicht nachvollziehbar, inwiefern diese Bestimmung in einem Verfahren betreffend einen Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß §106 StPO (zur Gänze) präjudiziell sein sollte. Dasselbe gilt sinngemäß auch für §112 StPO; insbesondere handelt es sich bei der Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gerade um keine Aufforderung nach §112 Abs2 StPO, weswegen die Bestimmung insofern nicht als präjudiziell anzusehen ist.
Im Übrigen erweist sich auch die Anfechtung (nur) des §157 Abs2 StPO vor dem Hintergrund der (pauschalen) Bedenken des Antragstellers als zu eng gefasst; der Antragsteller hätte jedenfalls auch §157 Abs1 Z4 StPO anfechten müssen, weil zwischen den genannten Bestimmungen eine untrennbare Einheit besteht und eine allfällige Verfassungswidrigkeit durch Aufhebung des §157 Abs2 StPO nicht beseitigt werden könnte.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Strafprozessrecht, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Bedenken, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G143.2022Zuletzt aktualisiert am
16.12.2022