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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art53Leitsatz
Zurückweisung eines Antrags eines Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit (mit der Mehrheit) wegen inhaltlicher Übereinstimmung des Verlangens – die Bundesministerin für Justiz zur Vorlage aller "Usermail" Accounts der WKStA zu verpflichten – mit einem vorangegangenen Verlangen; Abweisung des Antrags, sofern er über das Ersuchen des vorangegangenen Antrags hinausgeht; hinreichende Begründung des (Bestreitungs-)Beschlusses des Untersuchungsausschusses; keine Möglichkeit, ein und dasselbe Verlangen erneut zu stellen, nach rechtmäßiger Bestreitung des ersten Verlangens seitens des Untersuchungsausschusses; keine maßgeblichen Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände zwischen dem ersten und dem (der Sache nach identen) nachfolgenden VerlangenSpruch
I. Der Antrag wird zurückgewiesen, soweit sich der Beschluss des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 20. Oktober 2022 mit dem Verlangen des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom selben Tag, mit dem die Bundesministerin für Justiz zu näher bestimmten Beweiserhebungen aufgefordert wird, deckt.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,
"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Beschluss des Untersuchungsausschusses 'betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder' (4/US XXVII.GP) vom 20.10.2022 [Beilage XXX], mit dem der Zusammenhang des Verlangens des antragstellenden Viertels auf ergänzende Beweisanforderung vom 20.10.2022 [Blg II] mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wurde, rechtswidrig ist".
II. Rechtslage
§24 und §25 der Anlage 1 zum GOG-NR (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA), BGBl 410/1975, idF BGBl I 63/2021 lauten:
"Grundsätzlicher Beweisbeschluss
§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B-VG gefährden würde.
(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.
(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.
(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.
(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.
Ergänzende Beweisanforderungen
§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.
(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.
(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.
(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs2 wirksam."
III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. In Bezug auf den Untersuchungsgegenstand des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses und den grundsätzlichen Beweisbeschluss kann auf die Darstellung in den dazu zuvor ergangenen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden (vgl zuletzt etwa VfGH 23.9.2022, UA 75/2022 ua; UA 77/2022 ua).
1.2. In der 31. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses am 15. September 2022 erhob ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses, nämlich die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Andreas Hanger, Dr. Rudolf Taschner, Mag. Corinna Scharzenberger und Mag. Peter Weidinger, gemäß §25 Abs2 VO-UA folgendes Verlangen (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Die Bundesministerin für Justiz wird gemäß §25 Abs2 VO-UA ersucht,
I. für den Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP den lokal wie serverseitig erfassten Datenbestand 'Usermail'-Accounts der WKStA (sofern erforderlich unter Wiederherstellung bereits gelöschter Daten), der im Untersuchungszeitraum (vgl Verlangen vom 13.10.2021, 4/US XXVII. GP) entstanden ist oder sich auf diesen Zeitraum inhaltlich bezieht, zu erheben;
II. für den Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP sämtliche schriftliche und elektronische Kommunikation wie Chats, Whatsapp, Signal, SMS, E-Mail und dergleichen innerhalb der WKStA zu erheben, die im Untersuchungszeitraum (vgl Verlangen vom 13.10.2021, 4/US XXVII. GP) entstanden ist oder die sich auf diesen Zeitraum inhaltlich bezieht;
III. die auf diese Art erhobenen Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP vorzulegen, soweit diese für die Untersuchung (zumindest) abstrakt relevant sind bzw nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese für die Untersuchung zumindest abstrakt relevant sein könnten.
Die Definition von Akten und Unterlagen sowie die sonstigen Anforderungen des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats vom 02.12.2021 (vgl AB 1215 BIgNR 27.GP, Anlage 1) sind anzuwenden.
Die Vorlagefrist beträgt zwei Wochen.
Begründung
1. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss kann sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, nur erreichen, wenn er über eine umfassende Informationsgrundlage verfügt. Das B-VG räumt dem Untersuchungsausschuss daher ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein.
Der Verfassungsgerichtshof führte im Erkenntnis VfGH 29.06.2022, UA4/2022 sinngemäß aus, dass in einem Verlangen gemäß §25 VO-UA nachvollziehbar offengelegt werden muss, welchen konkreten Fragen oder Vermutungen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Rahmen der ergänzenden Beweisanforderung nachgegangen werden soll.
2. Die karenzierte WKStA-Oberstaatsanwältin Mag. L[.] P[.] berichtete in ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am 21.04.2022, dass per 'Usermail' an alle anderen in der Behörde Tätigen, Links oder dergleichen versendet worden seien, wo abschätzige Äußerungen über Vorgesetzte getätigt worden seien (vgl Vorläufiges stenographisches Protokoll, Mag. L[.] P[.], ÖVP-Korruptions-UsA-XXVII.GP, 13. Sitzung, 21.04.2022, Seite 22).
Darüber hinaus sagte sie in ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass es diverse Chatgruppen gebe, die habe es schon bei der Staatsanwaltschaft Wien gegeben, und es gebe, was sie gehört habe, auch im Ibizaverfahren Whatsapp-Gruppen, was also nicht per se etwas Ungewöhnliches sei (vgl Vorläufiges stenographisches Protokoll, Mag. L[.] P[.], ÖVP-Korruptions-UsA-XXVII.GP, 13. Sitzung, 21.04.2022 Seite 27f).
3. Das dritte Beweisthema des Untersuchungsgegenstand[es] 4 US/27. GP lautet ua:
'3. Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit
Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf die Führung von straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren und die Verfolgung pflichtwidrigen Verhaltens von mit der ÖVP verbundenen Amtsträgern sowie über den Umgang mit parlamentarischen Kontrollinstrumenten zum mutmaßlichen Zweck der Behinderung der Aufklärungsarbeit im parteipolitischen Interesse der ÖVP, und insbesondere über
- Einflussnahme durch Justiz- bzw InnenministerInnen, deren jeweilige Kabinette sowie durch C[.] P[.] einerseits und M[.] K[.], F[.] L[.] sowie A[.] H[.] andererseits auf Ermittlungsverfahren mit politischer Relevanz, insbesondere in Folge des Bekanntwerdens des 'Ibiza'-Videos sowie gegen (ehemals) hochrangige politische FunktionsträgerInnen der ÖVP wie J[.] P[.] und H[.] L[.]; Vorwürfe der politisch motivierten Einflussnahme auf Strafverfahren gegen mit der ÖVP [verbundene] Personen wie (potentielle) SpenderInnen, insbesondere Ermittlungen gegen R[.] B[.] in der Causa Chalet N;
- Informationsflüsse über Ermittlungen in politisch für die ÖVP relevanten Verfahren an politische EntscheidungsträgerInnen und deren MitarbeiterInnen, insbesondere den Informationsstand des/der jeweiligen BundesministerIn für Justiz und des/der jeweiligen BundesministerIn für Inneres über laufende Ermittlungen im 'Ibiza'-Verfahrenskomplex; Weitergabe von vertraulichen Informationen an nicht-berechtigte Personen, insbesondere über Hausdurchsuchungen bei H[.] L[.], G[.] B[.], T[.] S[.] und S[.] B[.], sowie bei der ÖVP Bundespartei;
Pläne von mit der ÖVP verbundenen Personen für die Erlangung von Daten der WKStA, den Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesminister, seinem Kabinett und dem ehemaligen Bundeskanzler K[.];
[…]
- die Ausübung der Fach- und Dienstaufsicht gegenüber der WKStA, insbesondere durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und deren Leiter J[.] F[.], und die mutmaßlich schikanöse Behandlung der WKStA in für die ÖVP politisch relevanten Fällen;
- […]'
4. Die diese ergänzende Beweisanforderung unterstützende Minderheit geht aufgrund der zitierten Aussagen von Mag. L[.] P[.] davon aus, dass sowohl 'Usermail'-Accounts der WKStA sowie informelle elektronische und schriftliche Kommunikation innerhalb der WKStA existieren und dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WKStA über ihre amtliche Tätigkeit und Sachverhalte, die damit in Zusammenhang stehen, auch außerhalb der verakteten Informationen über diese Kommunikationswege austauschen.
Des Weiteren geht die diese ergänzende Beweisanforderung unterstützende Minderheit aufgrund der zitierten Aussagen davon aus, dass sich in der oben bezeichneten Kommunikation ('Usermail'-Accounts der WKStA und informelle elektronische und schriftliche Kommunikation innerhalb der WKStA) Hinweise finden, ob die im dritten Beweisthem[a] behaupteten und näher umschriebenen Handlungen (siehe oben) stattgefunden haben.
Sollte es nämlich tatsächlich
- zur Einflussnahme durch den Bundesminister oder die Bundesministerin für Justiz bzw den Bundesminister oder die Bundesministerin für Inneres, deren jeweilige Kabinette sowie durch C[.] P[.] einerseits und M[.] K[.], F[.] L[.] sowie A[.] H[.] andererseits auf Ermittlungsverfahren mit politischer Relevanz, insbesondere in Folge des Bekanntwerdens des Ibiza Videos sowie gegen (ehemals) hochrangige politische FunktionsträgerInnen der ÖVP wie J[.] P[.] und H[.] L[.] und auf Strafverfahren gegen mit der ÖVP [verbundene] Personen wie (potentielle) Spenderinnen und Spender, insbesondere Ermittlungen gegen R[.] B[.] in der Causa Chalet N;
- zu Informationsflüssen über Ermittlungen in politisch für die ÖVP relevanten Verfahren an politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, insbesondere den Informationsstand des/der jeweiligen BundesministerIn für Justiz und des/der jeweiligen BundesministerIn für Inneres über laufende Ermittlungen im 'Ibiza'-Verfahrenskomplex;
- zur Weitergabe von vertraulichen Informationen an nicht-berechtigte Personen, insbesondere über Hausdurchsuchungen bei H[.] L[.], G[.] B[.], T[.] S[.] und S[.] B[.], sowie bei der ÖVP Bundespartei;
- zu Erarbeitung von Plänen von mit der ÖVP verbundenen Personen für die Erlangung von Daten der WKStA betreffend den Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesminister, seinem Kabinett und dem ehemaligen Bundeskanzler K[.];
gekommen sein, ist es wahrscheinlich, aber zumindest keineswegs auszuschließen, dass sich in der in diesem Verlangen umschriebenen Kommunikation entsprechende Hinweise zu diesen im dritten Beweisthema umschriebenen Vorgängen finden, weil davon auszugehen ist, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Leitungsorgane der WKStA untereinander über derartige Vorgänge ausgetauscht hätten, sollten sie davon von Dritten gehört haben, selbst dazu Wahrnehmungen gemacht haben, oder von diesen Vorgängen betroffen gewesen sein.
Diese Annahme wird dadurch bestärkt, dass laut der Aussage von Mag. L[.] P[.] im Zuge der oben beschriebenen Kommunikation Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kritik an Vorgesetzten geübt haben, weshalb davon auszugehen ist, dass man sich im Zuge dieser Kommunikation offen und uneingeschränkt ausgetauscht hat. Insofern kann man davon ausgehen, dass man sich auch über im dritten Beweisthema behauptete und umschriebene Handlungen ausgetauscht hat, sofern solche Handlungen stattgefunden haben. Gerade weil es sich um insoweit 'inoffizielle', nicht veraktete Informationen handelt, ist durch die Erhebung und gegebenenfalls die Vorlage dieser Informationen mit einem Erkenntnisgewinn bezogen auf den Untersuchungsgegenstand zu rechnen.
Zusammengefasst: Der Untersuchungsausschuss untersucht, ob die Tätigkeit der WKStA beeinflusst wurde bzw ob versucht wurde, die Tätigkeit der WKStA zu beeinflussen. Wenn es solche Versuche gegeben hat, ist anzunehmen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WKStA sich darüber intern ausgetauscht haben, weshalb die von diesem Ersuchen erfasst[e] Kommunikation zu erheben und dahingehend zu untersuchen ist.
Der Untersuchungsausschuss hat sich mit der Frage der Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht über die WKStA (fünfter Spiegelstrich des dritten Beweisthemas) bereits intensiv auseinandergesetzt. Eine große Anzahl der befragten Auskunftspersonen sind (ehemalige) Angehörige des Justizressorts. Korrespondenzen unter Beteiligung des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien sowie des Sektionschefs für Straflegistik waren ein zentraler Gegenstand der bisherigen Aufklärungsarbeit.
Nach den zitierten Aussagen der ehemaligen Oberstaatsanwältin Mag. L[.] P[.] enthält die per 'Usermail' versendete Kritik an Vorgesetzte[n] relevante Informationen zum Untersuchungsgegenstand, zumal davon auszugehen ist, oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Kritik an Vorgesetzten in einem Zusammenhang mit den oben beschriebenen Vorgängen steht. Nicht übersehen werden darf, dass bei mehreren Auskunftspersonen und (ehemaligen) Angehörigen der WKStA und der übergeordneten Dienststellen ein 'Naheverhältnis' zur ÖVP angenommen wurde (neben Mag. L[.] P[.] insbesondere SC Mag. C[.] P[.] und Leitender Oberstaatsanwalt Mag. J[.] F[.]).
Für den Untersuchungsausschuss von besonderer Relevanz ist, ob sich in der oben beschriebenen Kommunikation Informationen, die sich auf den Ibiza-Ermittlungskomplex, auf den Verfahrenskomplex um Mag. C[.] P[.] und Mag. J[.] F[.], auf ein Engagement des WKStA-Dienststellenausschuss[es] bzw der Behördenleiterin, auf die 'SOKO-Tape' und auf Mag. L[.] P[.] beziehen, finden und diese Informationen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehen. Gerade weil es sich (insbesondere bei Mag. P[.] und Mag. F[.]) um hochrangige Funktionsträger innerhalb des Bundesministeriums für Justiz bzw der Oberstaatsanwaltschaft Wien handelt, ist davon auszugehen, dass allfällige Kritik an diesen (vor allem) über informelle Kanäle geäußert wurde. Es ist also lebensnah, dass – hätte es etwa die im Untersuchungsgegenstand vermutete Einflussnahme zugunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen gegeben – Missstimmung darüber eher informell als im Dienstweg kundgetan worden ist.
Aber auch der Umstand, dass keine Kommunikation, die Hinweise auf die im dritten Beweisthema behauptete[n] umschriebenen Handlungen enthält, ermittelt werden kann, ist für den Untersuchungsausschuss von Relevanz, weil damit der Schluss nahe liegt, dass die im dritten Beweisthema behaupteten und umschrieben[en] Vorgänge nicht stattgefunden haben.
Daher stehen die verlangten Erhebungen in einem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand. Es ist folglich notwendig, dass diese Erhebungen durchgeführt werden und, sofern entsprechende Kommunikation gefunden wird, dem Untersuchungsausschuss übermittelt wird, soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie von abstrakter Relevanz sind und vom Untersuchungsgegenstand erfasst sein könnte.
Auf die vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Behauptungs- und Begründungspflichten bei Nichtvorlage bestimmter Akten und Unterlagen wird ausdrücklich hingewiesen."
1.3. Am selben Tag fasste der ÖVP-Korruptions-Untersuchungssauschuss den Beschluss, den sachlichen Zusammenhang dieses Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand zu bestreiten.
1.4. Am 29. September 2022 – und sohin innerhalb der Frist gemäß §56e Abs4 VfGG – stellte das genannte Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG den Antrag,
"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Beschluss des Untersuchungsausschusses 'betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder' (4/US XXVII.GP) vom 15.09.2022 [Blg ./XXXIa], mit dem der Zusammenhang des Verlangens des antragstellenden Viertels auf ergänzende Beweisanforderung Blg. XXXI mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wurde, rechtswidrig ist."
1.5. Mit Beschluss vom 5. Oktober 2022, UA91/2022, wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag zurück, weil die Antragsteller es neuerlich unterlassen hätten, ihrem Antrag gemäß §56e Abs3 VfGG eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie der gegenständlichen Teile des Protokolls der Ausschusssitzung anzuschließen, obwohl sie von diesem Erfordernis wissen mussten; sie hätten auch nicht dargetan, dass es ihnen nicht möglich gewesen wäre, das Protokoll beizulegen.
1.6. In der 37. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses am 20. Oktober 2022 erhob daraufhin das (in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren) antragstellende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gemäß §25 Abs2 VO-UA erneut folgendes Verlangen (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Die Bundesministerin für Justiz wird gemäß §25 Abs2 VO-UA ersucht,
I. für den Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP den lokal wie serverseitig erfassten Datenbestand 'Usermail'-Accounts der WKStA (sofern erforderlich unter Wiederherstellung bereits gelöschter Daten), der im Untersuchungszeitraum (vgl Verlangen vom 13.10.2021, 4/US XXVII. GP) entstanden ist oder sich auf diesen Zeitraum inhaltlich bezieht, zu erheben;
II. für den Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP sämtliche schriftliche und elektronische Kommunikation wie Chats, Whatsapp, Signal, SMS, E-Mail und dergleichen innerhalb der WKStA zu erheben, die im Untersuchungszeitraum (vgl Verlangen vom 13.10.2021, 4/US XXVII. GP) entstanden ist oder die sich auf diesen Zeitraum inhaltlich bezieht;
III. die auf diese Art erhobenen Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP vorzulegen, soweit diese für die Untersuchung (zumindest) abstrakt relevant sind bzw nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese für die Untersuchung zumindest abstrakt relevant sein könnten.
Die Definition von Akten und Unterlagen sowie die sonstigen Anforderungen des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats vom 02.12.2021 (vgl AB 1215 BIgNR 27.GP, Anlage 1) sind anzuwenden.
Die Vorlagefrist beträgt zwei Wochen.
Begründung
1. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss kann sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, nur erreichen, wenn er über eine umfassende Informationsgrundlage verfügt. Das B-VG räumt dem Untersuchungsausschuss daher ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein.
Der Verfassungsgerichtshof führte im Erkenntnis VfGH 29.06.2022, UA4/2022 sinngemäß aus, dass in einem Verlangen gemäß §25 VO-UA nachvollziehbar offengelegt werden muss, welchen konkreten Fragen oder Vermutungen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Rahmen der ergänzenden Beweisanforderung nachgegangen werden soll.
2. Die karenzierte WKStA-Oberstaatsanwältin Mag. L[.] P[.] berichtete in ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am 21.04.2022, dass per 'Usermail' an alle anderen in der Behörde Tätigen, Links oder dergleichen versendet worden seien, wo abschätzige Äußerungen über Vorgesetzte getätigt worden seien (vgl Vorläufiges stenographisches Protokoll, Mag. L[.] P[.], ÖVP-Korruptions-UsA-XXVII.GP, 13. Sitzung, 21.04.2022, Seite 22).
Darüber hinaus sagte sie in ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass es diverse Chatgruppen gebe, die habe es schon bei der Staatsanwaltschaft Wien gegeben, und es gebe, was sie gehört habe, auch im Ibizaverfahren Whatsapp-Gruppen, was also nicht per se etwas Ungewöhnliches sei (vgl Vorläufiges stenographisches Protokoll, Mag. L[.] P[.], ÖVP-Korruptions-UsA-XXVII.GP, 13. Sitzung, 21.04.2022 Seite 27f).
3. Das dritte Beweisthema des Untersuchungsgegenstand[es] 4 US/27. GP lautet ua:
'3. Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit
Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf die Führung von straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren und die Verfolgung pflichtwidrigen Verhaltens von mit der ÖVP verbundenen Amtsträgern sowie über den Umgang mit parlamentarischen Kontrollinstrumenten zum mutmaßlichen Zweck der Behinderung der Aufklärungsarbeit im parteipolitischen Interesse der ÖVP, und insbesondere über
- Einflussnahme durch Justiz- bzw InnenministerInnen, deren jeweilige Kabinette sowie durch C[.] P[.] einerseits und M[.] K[.], F[.] L[.] sowie A[.] H[.] andererseits auf Ermittlungsverfahren mit politischer Relevanz, insbesondere in Folge des Bekanntwerdens des 'Ibiza'-Videos sowie gegen (ehemals) hochrangige politische FunktionsträgerInnen der ÖVP wie J[.] P[.] und H[.] L[.]; Vorwürfe der politisch motivierten Einflussnahme auf Strafverfahren gegen mit der ÖVP [verbundene] Personen wie (potentielle) SpenderInnen, insbesondere Ermittlungen gegen R[.] B[.] in der Causa Chalet N;
- Informationsflüsse über Ermittlungen in politisch für die ÖVP relevanten Verfahren an politische EntscheidungsträgerInnen und deren MitarbeiterInnen, insbesondere den Informationsstand des/der jeweiligen BundesministerIn für Justiz und des/der jeweiligen BundesministerIn für Inneres über laufende Ermittlungen im 'Ibiza'-Verfahrenskomplex; Weitergabe von vertraulichen Informationen an nicht-berechtigte Personen, insbesondere über Hausdurchsuchungen bei H[.] L[.], G[.] B[.], T[.] S[.] und S[.] B[.], sowie bei der ÖVP Bundespartei;
- Pläne von mit der ÖVP verbundenen Personen für die Erlangung von Daten der WKStA, den Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesminister, seinem Kabinett und dem ehemaligen Bundeskanzler K[.];
- […]
- die Ausübung der Fach- und Dienstaufsicht gegenüber der WKStA, insbesondere durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und deren Leiter J[.] F[.], und die mutmaßlich schikanöse Behandlung der WKStA in für die ÖVP politisch relevanten Fällen;
- […]'
4. Die diese ergänzende Beweisanforderung unterstützende Minderheit geht aufgrund der zitierten Aussagen von Mag. L[.] P[.] davon aus, dass sowohl 'Usermail'-Accounts der WKStA sowie informelle elektronische und schriftliche Kommunikation innerhalb der WKStA existieren und dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WKStA über ihre amtliche Tätigkeit und Sachverhalte, die damit in Zusammenhang stehen, auch außerhalb der verakteten Informationen über diese Kommunikationswege austauschen.
Des Weiteren geht die diese ergänzende Beweisanforderung unterstützende Minderheit aufgrund der zitierten Aussagen davon aus, dass sich in der oben bezeichneten Kommunikation ('Usermail'-Accounts der WKStA und informelle elektronische und schriftliche Kommunikation innerhalb der WKStA) Hinweise finden, ob die im dritten Beweisthem[a] behaupteten und näher umschriebenen Handlungen (siehe oben) stattgefunden haben.
Sollte es nämlich tatsächlich
- zur Einflussnahme durch den Bundesminister oder die Bundesministerin für Justiz bzw den Bundesminister oder die Bundesministerin für Inneres, deren jeweilige Kabinette sowie durch C[.] P[.] einerseits und M[.] K[.], F[.] L[.] sowie A[.] H[.] andererseits auf Ermittlungsverfahren mit politischer Relevanz, insbesondere in Folge des Bekanntwerdens des Ibiza Videos sowie gegen (ehemals) hochrangige politische FunktionsträgerInnen der ÖVP wie J[.] P[.] und H[.] L[.] und auf Strafverfahren gegen mit der ÖVP [verbundene] Personen wie (potentielle) Spenderinnen und Spender, insbesondere Ermittlungen gegen R[.] B[.] in der Causa Chalet N;
- zu Informationsflüssen über Ermittlungen in politisch für die ÖVP relevanten Verfahren an politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, insbesondere den Informationsstand des/der jeweiligen BundesministerIn für Justiz und des/der jeweiligen BundesministerIn für Inneres über laufende Ermittlungen im 'Ibiza'-Verfahrenskomplex;
- zur Weitergabe von vertraulichen Informationen an nicht-berechtigte Personen, insbesondere über Hausdurchsuchungen bei H[.] L[.], G[.] B[.], T[.] S[.] und S[.] B[.], sowie bei der ÖVP Bundespartei;
- zu Erarbeitung von Plänen von mit der ÖVP verbundenen Personen für die Erlangung von Daten der WKStA betreffend den Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesminister, seinem Kabinett und dem ehemaligen Bundeskanzler K[.];
gekommen sein, ist es wahrscheinlich, aber zumindest keineswegs auszuschließen, dass sich in der in diesem Verlangen umschriebenen Kommunikation entsprechende Hinweise zu diesen im dritten Beweisthema umschriebenen Vorgängen finden, weil davon auszugehen ist, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Leitungsorgane der WKStA untereinander über derartige Vorgänge ausgetauscht hätten, sollten sie davon von Dritten gehört haben, selbst dazu Wahrnehmungen gemacht haben, oder von diesen Vorgängen betroffen gewesen sein.
Diese Annahme wird dadurch bestärkt, dass laut der Aussage von Mag. L[.] P[.] im Zuge der oben beschriebenen Kommunikation Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kritik an Vorgesetzten geübt haben, weshalb davon auszugehen ist, dass man sich im Zuge dieser Kommunikation offen und uneingeschränkt ausgetauscht hat. Insofern kann man davon ausgehen, dass man sich auch über im dritten Beweisthema behauptete und umschriebene Handlungen ausgetauscht hat, sofern solche Handlungen stattgefunden haben. Gerade weil es sich um insoweit 'inoffizielle', nicht veraktete Informationen handelt, ist durch die Erhebung und gegebenfalls die Vorlage dieser Informationen mit einem Erkenntnisgewinn bezogen auf den Untersuchungsgegenstand zu rechnen.
Zusammengefasst: Der Untersuchungsausschuss untersucht, ob die Tätigkeit der WKStA beeinflusst wurde bzw ob versucht wurde, die Tätigkeit der WKStA zu beeinflussen. Wenn es solche Versuche gegeben hat, ist anzunehmen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WKStA sich darüber intern ausgetauscht haben, weshalb die von diesem Ersuchen erfasst[e] Kommunikation zu erheben und dahingehend zu untersuchen ist.
Der Untersuchungsausschuss hat sich mit der Frage der Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht über die WKStA (fünfter Spiegelstrich des dritten Beweisthemas) bereits intensiv auseinandergesetzt. Eine große Anzahl der befragten Auskunftspersonen sind (ehemalige) Angehörige des Justizressorts. Korrespondenzen unter Beteiligung des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien sowie des Sektionschefs für Straflegistik waren ein zentraler Gegenstand der bisherigen Aufklärungsarbeit.
Nach den zitierten Aussagen der ehemaligen Oberstaatsanwältin Mag. L[.] P[.] enthält die per 'Usermail' versendete Kritik an Vorgesetzte[n] relevante Informationen zum Untersuchungsgegenstand, zumal davon auszugehen ist, oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Kritik an Vorgesetzten in einem Zusammenhang mit den oben beschriebenen Vorgängen steht. Nicht übersehen werden darf, dass bei mehreren Auskunftspersonen und (ehemaligen) Angehörigen der WKStA und der übergeordneten Dienststellen ein 'Naheverhältnis' zur ÖVP angenommen wurde (neben Mag. L[.] P[.] insbesondere SC Mag. C[.] P[.] und Leitender Oberstaatsanwalt Mag. J[.] F[.]).
Für den Untersuchungsausschuss von besonderer Relevanz ist, ob sich in der oben beschriebenen Kommunikation Informationen, die sich auf den Ibiza-Ermittlungskomplex, auf den Verfahrenskomplex um Mag. C[.] P[.] und Mag. J[.] F[.], auf ein Engagement des WKStA-Dienststellenausschuss[es] bzw der Behördenleiterin, auf die 'SOKO-Tape' und auf Mag. L[.] P[.] beziehen, finden und diese Informationen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehen. Gerade weil es sich (insbesondere bei Mag. P[.] und Mag. F[.]) um hochrangige Funktionsträger innerhalb des Bundesministeriums für Justiz bzw der Oberstaatsanwaltschaft Wien handelt, ist davon auszugehen, dass allfällige Kritik an diesen (vor allem) über informelle Kanäle geäußert wurde. Es ist also lebensnah, dass – hätte es etwa die im Untersuchungsgegenstand vermutete Einflussnahme zugunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen gegeben – Missstimmung darüber eher informell als im Dienstweg kundgetan worden ist.
Aber auch der Umstand, dass keine Kommunikation, die Hinweise auf die im dritten Beweisthema behauptete[n] umschriebenen Handlungen enthält, ermittelt werden kann, ist für den Untersuchungsausschuss von Relevanz, weil damit der Schluss nahe liegt, dass die im dritten Beweisthema behaupteten und umschrieben[en] Vorgänge nicht stattgefunden haben.
Daher stehen die verlangten Erhebungen in einem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand. Es ist folglich notwendig, dass diese Erhebungen durchgeführt werden und, sofern entsprechende Kommunikation gefunden wird, dem Untersuchungsausschuss übermittelt wird, soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie von abstrakter Relevanz sind und vom Untersuchungsgegenstand erfasst sein könnte.
Auf die vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Behauptungs- und Begründungspflichten bei Nichtvorlage bestimmter Akten und Unterlagen wird ausdrücklich hingewiesen."
1.7. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungssauschuss fasste am 20. Oktober 2022 den Beschluss, den sachlichen Zusammenhang dieses Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand zu bestreiten, und begründete dies wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Zunächst ist festzuhalten, dass der sachliche Zusammenhang von – auf dieselben Akten und Unterlagen zielenden – ergänzenden Beweisanforderung[en] desselben verlangenden Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses bereits am 25.5.2022 sowie am 14.9.2022 durch (Mehrheits-)Beschluss des Untersuchungsausschusses gemäß §25 Abs2 VO-UA bestritten wurde. In weiterer Folge erkannte der Verfassungsgerichtshof diesen Beschluss als rechtmäßig (VfGH 29.6.2022, UA4/22) bzw wies einen entsprechenden Antrag zurück (VfGH 5.10.2022, UA91/22).
Nunmehr soll die Bundesministerin für Justiz durch ergänzende Beweisanforderung (erneut) zu Erhebungen (in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand) und erst in weiterer Folge zur Vorlage von Akten und Unterlagen (im Umfang des Untersuchungsgegenstandes) verpflichtet werden.
Auch wenn die Wendung 'in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand' zweifellos weiter ist als 'im Umfang des Untersuchungsgegenstandes', haben die verlangenden Abgeordneten dennoch darzulegen, inwiefern ihr Verlangen auf Beweiserhebungen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand steht bzw ihr Verlangen auf Aktenvorlage im Umfang des Untersuchungsgegenstands verbleibt. Sie haben dies insbesondere dann darzulegen, wenn der Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand nicht offenkundig ist. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass bei weit gefassten Verlangen das verlangende Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses einer erweiterten Begründungspflicht unterliegt. Es hat insbesondere durch nachvollziehbare Behauptungen darzulegen und auf Grundlage dieser zu begründen, warum das (gesamte) Verlangen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand steht (vgl VfGH 29.6.2022, UA4/22 sowie sinngemäß VfSlg 19.910/2014).
Eine solche Begründung enthält das gegenständliche Verlangen nicht. Es ist für den Untersuchungsausschuss auch nicht offenkundig, inwieweit die verlangten Erhebungen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehen. Dies aus den folgenden Gründen:
- Die Bundesministerin für Justiz soll durch das gegenständliche Verlangen zur 'Erhebung' des 'lokal wie serverseitig erfassten Datenbestand[s] 'Usermail'-Accounts der WKStA (sofern erforderlich unter Wiederherstellung bereits gelöschter Daten) sowie 'sämtliche[r] schriftliche[r] und elektronische[r] Kommunikation wie Chats, Whatsapp, Signal, SMS, E-Mail und dergleichen innerhalb der WKStA' verpflichtet werden. Der maßgebliche Zeitraum wird insofern eingeschränkt, als dass nur jener Datenbestand, der 'im Untersuchungszeitraum (vgl Verlangen vom 13.10.2022, 4/US XXVII. GP) entstanden ist oder sich auf diesen Zeitraum inhaltlich bezieht' zu erheben ist. Eine Einschränkung auf bestimmte beteiligte Personen oder bestimmte Sachverhalte erfolgt nicht. Im Ergebnis hätte die Bundesministerin für Justiz den gesamten Datenbestand der gesamten Behörde aus zumindest vier Jahren in Hinblick auf 'Usermail-Accounts' sowie – auch private – elektronische Kommunikation 'innerhalb der WKStA', darunter sämtliche E-Mails (etwa auch mit ParteienvertreterInnen), sowie den gesamten Aktenbestand auf schriftliche Korrespondenz (mit Sicherheitsbehörden, Oberbehörden, Gerichten, Parteien, etc.) zu erheben. Für eine derart weitreichende Beweisanforderung hätten die verlangenden Abgeordneten (vgl sinngemäß VfSlg 19.910/2014) jedoch darlegen müssen, warum etwa auch Daten aus der Amtszeit von BundesministerInnen, die nicht der ÖVP zuzurechnen sind, oder aus dem Zeitraum vor dem 18.12.2017 in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehen könnten. Letzteres deshalb, da der Untersuchungszeitraum zwar grundsätzlich mit 18.12.2017 beginnt, jedoch Vorbereitungshandlungen auf Grundlage des Projekts Ballhausplatzes auch dann umfasst sind, wenn sie vor diesem Tag stattgefunden haben. Ebenso haben die verlangenden Abgeordneten nicht dargelegt, warum auch Daten zu anderen Sachverhalten als jenen, die vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, und somit auch etwa zu Strafverfahren von unbeteiligten Dritten, erhoben werden sollen. Denn diesbezüglich e[nt]hält das Erhebungsersuchen keine Einschränkung. Angesichts des potentiellen Umfangs dieser Erhebungen hätte das verlangende Viertel außerdem umfassender begründen müssen, warum tatsächlich Erhebungen im gesamten geforderten Umfang in Zusammenhang mit der Untersuchung stehen, da prima facie ein Zusammenhang mit der Untersuchung in der völlig überwiegenden Zahl der von der WKStA geführten Verfahren von vornherein ausgeschlossen werden kann (vgl VfGH 29.6.2022, UA4/22 sowie sinngemäß VfSlg 19.910/2014).
Zunächst ist zu klären, ob der Untersuchungsausschuss die Möglichkeit hat, den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens auf ergänzende Beweisanforderung mit dem Untersuchungsgegenstand auch nur teilweise zu bestreiten. Auf diese Art könnten 'überschießende' Beweisanforderungen auf einen rechtskonformen Umfang reduziert werden. Dagegen spricht jedoch, dass §25 Abs2 VO-UA im Gegensatz zu §3 Abs2 VO-UA nicht vorsieht, dass auch 'einzelne genau zu bezeichnende Teile' für unzulässig erklärt werden können. Nachdem es dem Untersuchungsausschuss aber ohnehin verwehrt wäre, eine [ergänzende] Beweisanforderung durch teilweise Bestreitung mit einer eigenen politischen Wertung zu versehen und sie dadurch im Ergebnis abzuändern (vgl sinngemäß VfGH 3.3.2020, UA1/20), kann der Untersuchungsausschuss ein (wenn auch nur teilweise) nicht in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehendes Verlangen auf Beweiserhebung nur zur Gänze bestreiten, wenn er keinen ausreichenden sachlichen Zusammenhang zu erkennen vermag. In diesem Sinne hatte der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass auch ihm eine – korrigierende – Interpretation des Prozessgegenstands verwehrt ist. Schließlich gebietet der Zweck eines Untersuchungsausschusses – Aufklärung zu politischen Zwecken – möglichste Zurückhaltung bei der Wertung angestrebter Beweiserhebungen.
Insofern kann jedoch der Umstand, dass in einem Teilbereich der begehrten Erhebungen sehr wohl ein sachlicher Zusammenhang bestehen könnte, den Mangel eines solchen Zusammenhangs in anderen Bereichen nicht sanieren. Vielmehr wäre es den verlangenden Abgeordneten übertragen, nachvollziehbar darzulegen, inwiefern der sachliche Zusammenhang sehr wohl besteht oder ihr Verlangen entsprechend einzuschränken.
Auch auf Grund einer systematischen Interpretation ist in einem Verlangen auf Beweiserhebung im Zuge einer ergänzenden Beweisanforderung näher zu bezeichnen und zu determinieren, welche Erhebungen durchzuführen sind. Denn ergänzende Beweisanforderungen dienen – wie aus dem in Art53 Abs3 B-VG sowie §§24 und 25 VO-UA niedergelegten System mit ausreichender Deutlichkeit hervorgeht – dazu, den grundsätzlichen Beweisbeschluss zu ergänzen, wenn sich dazu die Notwendigkeit ergibt (vgl AB 440 BIgNR XXV.GP, 13). Aus dem gegenständlichen Verlangen ergibt sich jedoch in keiner Art und Weise, inwiefern die nunmehr verlangten Erhebungen in diesem Ausmaß erforderlich sind, musste die Bundesministerin für Justiz ohnehin bereits anlässlich des grundsätzlichen Beweisbeschlusses, in dem sie als vorlagepflichtiges Organ genannt ist, jene Akten und Unterlagen erheben, die auf eine Vorlagepflicht geprüft werden müssen. Abschließend führt auch der Ausschussbericht (AB 440 BIgNR XXV.GP, 13) aus, dass sich ergänzende Beweisanforderungen – unabhängig davon, ob es sich um Aktenvorlagen oder Erhebungsersuchen handelt – auf bestimmte Beweismittel im sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand beziehen müssen. Fehlt es einem Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung jedoch an der notwendigen Bestimmtheit, kann auch der sachliche Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand nicht vom Untersuchungsausschuss beurteilt werden.
Der zweite Teil des gegenständlichen Verlangens verpflichtet die Bundesministerin für Justiz zur Vorlage jener Akten und Unterlagen, die im Zuge der Erhebungen hervorgekommen sind und von (zumindest) abstrakter Relevanz für die Untersuchung sind.
Auch diesem Teil des Verlangens fehlt es an der erforderlichen Begründung: Es versteht sich von selbst, dass der Untersuchungsausschuss das Ergebnis der erst von der Bundesministerin für Justiz durchzuführenden Erhebungen nicht kennen kann und daher auch keine Grundlage hat, einen sachlichen Zusammenhang festzustellen. Obwohl die Vorlagepflicht nunmehr ausdrücklich auf jene Akten und Unterlagen eingeschränkt ist, denen (zumindest) abstrakte Relevanz für die Untersuchung zukommt, umfasst das gegenständliche Verlangen mangels weiterer sachlicher oder persönlicher Einschränkungen potentiell alle ohnehin bereits vom grundsätzlichen Beweisbeschluss erfassten Akten und Unterlagen. Der Wortlaut des Verlangens steht insofern in Widerspruch zur Begründung des Verlangens, die – abgeleitet aus den Aussagen der ehem. WKStA-Mitarbeiterin Mag.a L[.] P[.] – auf einen sehr engen Bereich eingeschränkt ist.
Selbst unter Heranziehung der Begründung des Verlangens ergibt sich weiterhin für den Untersuchungsausschuss nicht, inwiefern die vom Untersuchungsgegenstand verlangten Kriterien (Untersuchungszeitraum, Begünstigungseignung, ÖVP-verbundene Personen, Betreiben des ÖVP-Zusammenschlusses, Vollziehung des Bundes) durch das gegenständliche Verlangen erfüllt sein könnten. Die Begründung stellt insbesondere Mutmaßungen und pauschale Behauptungen auf, ohne abseits der Aussagen von Mag.a P[.] konkrete, nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Relevanz für die Untersuchung anzugeben. Insofern kann inhaltlich auf den (Bestreitungs-)Beschluss des Untersuchungsausschusses vom 25.5.2022 verwiesen werden.
Aus alldem ergibt sich, dass das gegenständliche Verlangen keinen ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand – selbst unter Zugrundelegung des verminderten Maßstabs bei Erhebungsersuchen – herstellt. Durch das vorliegende Verlangen würde daher der Untersuchungsgegenstand auf unzulässige Art erweitert.
Zwar steht es jedem möglichen Viertel der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses zu, seine eigenen politischen Anliegen mit den ihm eingeräumten Rechten wahrzunehmen, da der Untersuchungsausschuss einer umfassenden Aufklärung nach allen politischen Gesichtspunkten verpflichtet ist. Die Mehrheit im Untersuchungsausschuss ist in diesem Sinne nicht berechtigt, die Rechte eines verlangenden Viertels der Mitglieder des Ausschusses durch die Vornahme einer eigenen politischen Wertung zu beschneiden (vgl VfGH UA1/2020, 3.3.2020).
Im Wege der Wahrnehmung solcher Rechte kann sich ein (potentiell) einsetzungsberechtigtes Viertel der Abgeordneten zum Nationalrat jedoch nicht die Einsetzung eines eigenen Untersuchungsausschusses mit dem von ihm selbst umschriebenen Untersuchungsgegenstand ersparen. Insbesondere dürfen vor dem Hintergrund der befristeten Dauer eines Untersuchungsausschusses auf diese Art keine über die im Einsetzungsverlangen des Untersuchungsausschusses festgelegten Beweisthemen hinausgehenden Themen der Untersuchung hinzugefügt werden, da dies eine unzulässige Verwässerung des dem Untersuchungsausschuss übertragenen Kontrollauftrags zur Folge hätte. Schließlich sollten die dem Untersuchungsausschuss vom Verfassungsgesetzgeber übertragenen Befugnisse eine wirksame parlamentarische Kontrolle durch den Nationalrat ermöglichen.
Vor dem Hintergrund der beschränkten Dauer der Untersuchung und des Umstands, dass der Verfassungsgesetzgeber eine Beteiligung der Minderheit im Verfahren sicherstellen wollte, jedoch keine beherrschende Stellung der Minderheit im Verfahren vermittelt hat sowie, dass das Ziel des Verfassungsgesetzgebers die Ermöglichung wirksamer parlamentarischer Kontrolle durch den Nationalrat war, ist abschließend zu prüfen, ob der Untersuchungsausschuss nicht auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben verpflichtet ist, dem Anliegen der Minderheit auf Beweiserhebung im zulässigen Maß selbst zum Durchbruch zu verhelfen. Der Untersuchungsausschuss hat dabei sicherzustellen, dass er die Beweisanforderung nicht mit einer eigenen politischen Wertung versieht, sondern dem (bestrittenen) Verlangen der Minderheit auf Beweiserhebung vielmehr in dem ihm nach sorgfältiger Prüfung als zulässig erscheinenden Ausmaß entspricht. Ansonsten würde das Recht auf Beteiligung der Minderheit am Verfahren ins Leere laufen, könnte die Mehrheit durch bloßen Verweis auf nicht in Zusammenhang mit der Untersuchung stehende Teile der Beweisanforderung den sachlichen Zusammenhang verneinen, zumal das verlangende Viertel nicht verpflichtet sein kann, die Ergebnisse der Beweiserhebungen im Vorhinein zu kennen bzw – quasi ins Blaue hinein – jeden erdenklichen Zusammenhang zu konstruieren.
Besteht insofern etwa (wie im vorliegenden Fall) eine auf nachvollziehbaren Tatsachen beruhende Grundlage für eine ergänzende Beweisanforderung, kann der Untersuchungsausschuss mangels entsprechender Regelung in der VO-UA zwar ein Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung nicht auf das zulässige Maß reduzieren. Er kann jedoch durch Annahme eines entsprechenden, auf das zulässige Maß reduzierten eigenen Antrags auf ergänzende Beweisanforderung, an dem sich die Minderheit im Verfahren des Ausschusses selbst beteiligen kann, sicherstellen, dass dem Ansinnen der Minderheit soweit als möglich Wirksamkeit verliehen wird. Dies soll in weiterer Folge auch geschehen. Sofern der Untersuchungsausschuss nach Ansicht des verlangenden Viertels den von ihm verlangten Beweiserhebungen unzureichend entspricht, steht diesem – soweit es tatsächlich beschwert ist – weiterhin die Möglichkeit offen, den Verfassungsgerichtshof zur Überprüfung des Bestreitungsbeschlusses anzurufen. Damit entspricht das nunmehr gewählte Vorgehen jener Systematik, die der Verfassungsgesetzgeber für den Fall des unzureichenden Umfangs des grundsätzlichen Beweisbeschlusses vorgesehen hat.
Angemerkt wird, dass es den verlangenden Mitgliedern des Untersuchungsausschusses jederzeit freisteht, eine neuerliche ergänzende Beweisanforderung einzubringen, die den rechtlichen Vorgaben entspricht, sollten sie der Ansicht sein, dass der Untersuchungsausschuss weiterhin ihrem Ansinnen unzureichend zum Durchbruch verholfen hat".
1.8. Am selben Tag beschl