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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art53Leitsatz
Zurückweisung eines Antrags eines Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit (mit der Mehrheit) wegen inhaltlicher Übereinstimmung des Verlangens – die Bundesministerin für Justiz zur Vorlage aller "Usermail" Accounts der WKStA zu verpflichten – mit einem vorangegangenen Verlangen; Abweisung des Antrags, sofern er über das Ersuchen des vorangegangenen Antrags hinausgeht; hinreichende Begründung des (Bestreitungs-)Beschlusses des Untersuchungsausschusses; keine Möglichkeit, ein und dasselbe Verlangen erneut zu stellen, nach rechtmäßiger Bestreitung des ersten Verlangens seitens des Untersuchungsausschusses; keine maßgeblichen Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände zwischen dem ersten und dem (der Sache nach identen) nachfolgenden VerlangenRechtssatz
Zurückweisung eines Antrags soweit sich der Beschluss des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 20.10.2022 mit dem Verlangen des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom selben Tag, mit dem die Bundesministerin für Justiz (BMJ) zu näher bestimmten Beweiserhebungen aufgefordert wird, deckt. Das antragstellende Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses verkennt, dass die Streitigkeit zwischen dem Untersuchungsausschuss und dem Viertel seiner Mitglieder gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG teilweise oder zur Gänze beendet wird, wenn der Untersuchungsausschuss einen Beschluss gefasst hat, welcher sich offenkundig der Sache nach teilweise oder zur Gänze mit dem Verlangen nach Beweisanforderungen gemäß §25 Abs2 VO-UA deckt. Im konkreten Fall ist die Streitigkeit zwischen der Mehrheit und dem Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses insoweit, dh teilweise, beendet worden, als der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss (in derselben Sitzung, in der auch der Beschluss gefasst wurde, das Verlangen des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom 20.10.2022 zu bestreiten) mit einem eigenständigen Beschluss die BMJ ersucht hat, einen Teil jener Daten zu erheben, wie dies auch im Verlangen des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses der Fall sein sollte. Da somit insoweit die Streitigkeit zwischen dem Viertel der Mitglieder und dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss beendet worden ist, ist der Antrag insoweit zurückzuweisen. In jenem Umfang des Antrages, der über das Ersuchen des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 20.10.2022 an die BMJ hinausgeht, ist der Antrag hingegen zulässig.
Im Gegensatz zu den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen (Bestreitungs-)Beschlusses des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 20.10.2022 handelt es sich bei dem (ersten) Verlangen des Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 25.05.2022 (E v 29.06.2022, UA 4/2022) nicht um dasselbe Verlangen wie jenes vom 20.10.2022, welches Gegenstand des vor dem VfGH angefochtenen (Bestreitungs-)Beschlusses vom 20.10.2022 ist. Bei dem Verlangen des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom 25.05.2022 ging es darum, die BMJ gemäß §25 Abs2 VO-UA zu verpflichten, "dem Untersuchungsausschuss eine vollständige Kopie des lokal wie serverseitig erfassten Datenbestands des WKStA 'Usermail' Accounts (sofern erforderlich unter Wiederherstellung bereits gelöschter Daten), insbesondere E-Mails mit Bezug auf vorgesetzte Dienststellen, vorzulegen".
Mit dem Verlangen des Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 20.10.2022 soll hingegen die BMJ zunächst verpflichtet werden, gemäß §25 Abs2 VO-UA Beweiserhebungen durchzuführen. Es handelt sich somit um verschiedene Verlangen, die unterschiedliche Verpflichtungen des informationspflichtigen Organs nach sich ziehen.
Demgegenüber wird im (Bestreitungs-)Beschluss des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 20.10.2022 zu Recht darauf hingewiesen, dass das Verlangen des Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 15.09.2022 (E v 05.10.2022, UA 91/2022) und das - den Gegenstand des angefochtenen Bestreitungsbeschlusses bildende - Verlangen vom 20.10.2022 der Sache nach übereinstimmen:
Das Verlangen des Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 20.10.022 und das Verlangen vom 15.09.2022, mit denen jeweils die BMJ gemäß §25 Abs2 VO-UA zu Beweiserhebungen verpflichtet werden soll bzw sollte, unterscheiden sich nur insoweit, als im Verlangen vom 20.10.2022 eine Beifügung gegenüber dem Verlangen vom 15.09.2022 vorgenommen wurde. Sowohl in Bezug auf die Erhebung des lokal wie serverseitig erfassten Datenbestands "Usermail"-Accounts der WKStA als auch in Bezug auf die Erhebung sämtlicher schriftlicher und elektronischer Kommunikation wie Chats, Whatsapp, Signal, SMS und E-Mail und dergleichen innerhalb der WKStA wird im Verlangen des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom 20.10.2022 ausdrücklich angeführt, dass es um jenen Datenbestand und um jene schriftliche und elektronische Kommunikation gehen soll, der bzw die jeweils "im Untersuchungszeitraum [...] entstanden ist oder sich auf diesen Zeitraum inhaltlich bezieht".
Diese Beifügung im Verlangen vom 20.10.2022 ändert nichts daran, dass das Verlangen vom 15.09.2022 und das Verlangen vom 20.10.022 der Sache nach übereinstimmen:
Zum Ersten ist in beiden Verlangen der letzte Absatz, wonach alle "auf diese Weise erhobenen Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP vorzulegen [sind], soweit diese für die Untersuchung (zumindest) abstrakt relevant sind bzw nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese für die Untersuchung zumindest abstrakt relevant sein könnten", (unverändert) enthalten. Schon auf Grund dieses letzten Absatzes in den beiden genannten Verlangen ergibt sich nach Auffassung des VfGH eindeutig, dass sich die Beweiserhebungen in beiden Verlangen inhaltlich auf den Untersuchungszeitraum beziehen.
Zum Zweiten ist - unabhängig vom übereinstimmenden letzten Absatz in den beiden Verlangen vom 15.09.2022 und 20.10.022 - schon aus praktischer Sicht nicht verständlich, welche einschränkende Bedeutung die im Verlangen vom 20.10.2022 erfolgte Beifügung der Wortfolge "der im Untersuchungszeitraum [...] entstanden ist oder sich auf diesen Zeitraum inhaltlich bezieht" im Zusammenhang mit den begehrten Beweiserhebungen bewirken sollte oder könnte. Ob "Usermail"-Accounts der WKStA oder sämtliche schriftliche und elektronische Kommunikation wie Chats, Whatsapp, Signal, SMS, E-Mail und dergleichen innerhalb der WKStA im Untersuchungszeitraum entstanden sind oder sich auf den Untersuchungszeitraum inhaltlich beziehen, kann im Wesentlichen erst dann festgestellt werden, wenn zunächst eine Erhebung sämtlicher in Frage kommender Daten bzw schriftlicher und elektronischer Kommunikation erfolgt ist.
Ausgehend davon, dass die Verlangen des Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 15.09.2022 und nun vom 20.10.2022 inhaltlich übereinstimmen, erweist sich der (Bestreitungs-)Beschluss des Untersuchungsausschusses als begründet. Es ist nämlich davon auszugehen, dass ein- und dasselbe Verlangen nach Beweiserhebungen gemäß §25 Abs2 VO-UA nicht deswegen neuerlich gestellt werden kann, weil bzw wenn das erste Verlangen nach ergänzenden Beweisanforderungen bereits rechtmäßig seitens des Untersuchungsausschusses bestritten wurde. Für ein einem nicht angefochtenen oder einem angefochtenen, aber letztlich vom VfGH nicht aufgehobenen Bestreitungsbeschluss des Untersuchungsausschusses zugrunde liegendes Verlangen gilt der Grundsatz der Unwiederholbarkeit, sodass dasselbe Verlangen nicht neuerlich an den Untersuchungsausschuss herangetragen werden kann. Diese Unwiederholbarkeit eines Verlangens wird aber nur dann bewirkt, wenn zwischen dem ersten und dem nachfolgenden (der Sache nach identen) Verlangen keine maßgeblichen Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände eingetreten sind. Das antragstellende Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses hat nicht näher begründet (und es ist im vorliegenden Fall für den VfGH nicht erkennbar), dass zwischen dem Verlangen vom 15.09.2022 und dem Verlangen vom 20.10.2022 eine maßgebliche Änderung der Umstände eingetreten ist.
Rechtmäßigkeit des (soweit zulässigerweise angefochtenen) Bestreitungsbeschlusses des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 20.10.2022.
Schlagworte
Untersuchungsausschuss, Bundesminister, Beweise, email, Nationalrat, VfGH / Untersuchungsausschuss, res iudicataEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:UA95.2022Zuletzt aktualisiert am
16.12.2022