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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des L D in T, vertreten durch P D und M D, diese vertreten durch die Beneder Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. September 2022, Zl. W128 2258356-1/2E, betreffend Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht und Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bildungsdirektion für Oberösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. September 2022 untersagte das Bundesverwaltungsgericht - im Beschwerdeverfahren - die Teilnahme des im Mai 2014 geborenen Revisionswerbers an häuslichem Unterricht und ordnete an, dass dieser seine Schulpflicht im Schuljahr 2022/23 an einer öffentlichen Schule oder einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule zu erfüllen habe, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuließ.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, die belangte Behörde habe mit Schreiben vom 10. September 2021 mitgeteilt, dass der am 24. August 2021 angezeigte häusliche Unterricht des Revisionswerbers nicht untersagt werde und der zureichende Erfolg des häuslichen Unterrichts vor Ende des Unterrichtsjahres durch eine Externistenprüfung nachzuweisen sei.
3 Daraufhin habe der schulpflichtige Revisionswerber im Schuljahr 2021/2022 an häuslichem Unterricht der 2. Schulstufe (2. Klasse Volksschule) teilgenommen. Der zureichende Erfolg dieses häuslichen Unterrichts sei nicht durch eine Prüfung an einer in § 5 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) genannten Schule nachgewiesen worden; vielmehr hätten die Erziehungsberechtigten des Revisionswerbers als Erfolgsnachweis lediglich eine notariell beglaubigte „Lern-Fortschritts-Dokumentation“ vorgelegt.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgeblichen Normen im Wesentlichen aus, der „Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts“ im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG könne nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen (§ 42 Schulunterrichtsgesetz) abgelegte Prüfung erbracht werden (Hinweis auf VwGH 27.3.2014, 2012/10/0154, sowie 29.5.2020, Ro 2020/10/0007, jeweils mwN); § 11 Abs. 4 SchPflG enthalte diesbezüglich eine „eindeutige und klare Regelung“. Die Regelung der Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht (nunmehr § 11 Abs. 6 SchPflG) räume der Behörde bzw. dem Gericht kein Ermessen ein (Hinweis auf VwGH 27.6.2017, Ra 2017/10/0077 bis 0079).
5 Gegen diese Regelungen bestünden „aus Sicht des Verfassungsgerichtshofes“ auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Hinweis auf VfGH 10.3.2015, E 1993/2014 = VfSlg.19.958).
6 An dem Erfordernis des Nachweises des zureichenden Erfolges des häuslichen Unterrichtes auf die dargestellte Weise (Überprüfung durch eine Externistenprüfungskommission) habe sich auch durch die Novelle BGBl. I Nr. 232/2021 nichts geändert, weshalb der vom Revisionswerber vorgelegten notariell beglaubigten „Lern-Fortschritts-Dokumentation“ keine Bedeutung zukomme.
7 Aus diesem Grund habe bereits die belangte Behörde zutreffend den häuslichen Unterricht untersagt und den Schulbesuch des Revisionswerbers im Schuljahr 2022/23 an einer öffentlichen Schule oder einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule angeordnet.
8 Dass von einer Verhandlung abgesehen wurde, stützte das Verwaltungsgericht auf § 24 Abs. 4 VwGVG; das Schulrecht sei nicht von Art. 6 EMRK oder von Art. 47 EGRC erfasst (Hinweis u.a. auf VwGH 23.5.2017, Ra 2015/10/0127).
9 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 3. Für den vorliegenden Revisionsfall sind folgende Bestimmungen von Interesse:
§ 5 SchPflG, BGBl. Nr. 76/1985 idF BGBl. Nr. 101/2018
„Schulbesuch in den einzelnen Schuljahren
§ 5. (1) Die allgemeine Schulpflicht ist durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) zu erfüllen.
(2) [...]“
§ 11 SchPflG, BGBl. Nr. 76/1985 idF BGBl. Nr.I Nr. 232/2021
„C. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht
Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht
§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann - unbeschadet des § 12 - auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule - ausgenommen die Polytechnische Schule - mindestens gleichwertig ist.
(2a) [...]
(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils bis zum Ende des vorhergehenden Unterrichtsjahres anzuzeigen. Bei der Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 sind Vor- und Familienname, Geburtsdatum und Anschrift jener Person bekannt zu geben, welche das Kind voraussichtlich führend unterrichten wird. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.
(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres durch eine Prüfung an einer in § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schülerinnen und Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Ergänzend dazu hat bei Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2, ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien an jener Schule, die bei Untersagung des häuslichen Unterrichts zu besuchen wäre, stattzufinden. Wenn das Kind vor dieser Frist aus dem Sprengel dieser Schule verzogen ist, so hat das Reflexionsgespräch mit der Prüfungskommission gemäß Abs. 5 zu erfolgen.
(5) [...]
(6) Findet das Reflexionsgespräch gemäß Abs. 4 zweiter Satz nicht statt, wird der Nachweis des zureichenden Erfolges nicht erbracht oder treten Umstände hervor, wodurch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 dem Besuch einer öffentlichen Schule nicht mindestens gleichwertig ist, so hat die zuständige Behörde anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat. Treten Umstände hervor, die eine Gefährdung des Kindeswohls befürchten lassen, so sind, wenn nicht gemäß § 78 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 vorzugehen ist, die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung oder die Kinder- und Jugendhilfe zu informieren.“
13 4.1. In den Zulässigkeitsausführungen seiner außerordentlichen Revision erachtet der Revisionswerber mit Blick auf § 11 Abs. 4 SchPflG die „Rechtsfrage, ob ein Notariatsakt mit einer Externistenprüfung gleichwertig ist“, als mangels Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „ungelöst“ und bringt dazu vor, die „Rechtslage in § 11 SchulpflichtG“ sei „völlig neu“.
14 In diesem Zusammenhang hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die mit diesem Vorbringen angesprochene Novelle BGBl. I Nr. 232/2021 an dem Erfordernis des Nachweises des zureichenden Erfolges (u.a.) des häuslichen Unterrichtes durch eine Prüfung an einer in § 5 SchPflG genannten Schule nichts geändert hat (vgl. § 11 Abs. 4 erster Satz SchPflG, in dem durch die genannte Gesetzesnovelle lediglich der Zeitraum für die Ablegung dieser Prüfung mit „zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres“ festgelegt wurde).
15 Die vom Verwaltungsgericht angeführte hg. Rechtsprechung (vgl. etwa die Nachweise oben unter Rz 4) bleibt daher weiter maßgebend; die vom Revisionswerber formulierte Rechtsfrage ist somit geklärt. Daran vermag auch der Hinweis des Revisionswerbers auf „die Coronaproblematik und die zahlreichen Abmeldungen aus dem öffentlichen Schulsystem“ nichts zu ändern.
16 Zu den vom Revisionswerber im Übrigen unterbreiteten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in Rede stehende Regelung sei auf Art. 133 Abs. 5 B-VG verwiesen. Eine (behauptete) Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte fällt in die Zuständigkeit des VfGH (vgl. etwa VwGH 11.10.2019, Ra 2019/01/0373, mwN).
17 4.2. Auch mit dem weiteren Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe „zu einem Reflexionsgespräch gar keine Feststellungen getroffen“, wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt:
18 § 11 Abs. 6 erster Satz SchPflG normiert nunmehr drei (alternative) Fälle, in denen die Schulbehörde die Erfüllung der Schulpflicht iSd § 5 SchPflG anzuordnen hat; ist diese Anordnung bereits mangels Erbringung des in § 11 Abs. 4 erster Satz SchPflG vorgeschriebenen Nachweises des zureichenden Erfolges zu treffen (§ 11 Abs. 6 erster Satz zweiter Fall SchPflG), kann dahin stehen, ob ein Reflexionsgespräch im Sinn des § 11 Abs. 4 zweiter Satz SchPflG stattgefunden hat.
19 4.3. Als Verfahrensmangel rügt der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen das Unterbleiben einer Verhandlung.
20 Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 47 GRC bzw. des Art. 6 EMRK - wie im vorliegenden Fall, welcher eine Schulsache betrifft (vgl. wiederum VfSlg. 19.958) - ist es Sache des Revisionswerbers, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen (vgl. wiederum VwGH Ra 2015/10/0127, mwN); dies kann dem Revisionswerber nach dem Gesagten mit dem Vorbringen, in einer Verhandlung wären „die Qualität und die Vorzüge des notariell beglaubigten Lerndokuments“ und der „hohe Entwicklungsstand“ des Kindes dargelegt worden, nicht gelingen.
21 Schließlich behauptet der Revisionswerber, ihm sei das Recht auf Akteneinsicht nicht gewährt worden; weder er noch „der Vertreter“ seien „eingeladen“ worden, „eine Akteneinsicht durchzuführen“.
22 Abgesehen davon, dass eine derartige „Einladung“ nicht geboten ist (vgl. §§ 17, 17a AVG), ist mit dieser Verfahrensrüge keinerlei Relevanzdarstellung verbunden (zu diesem Erfordernis vgl. etwa VwGH 2.9.2020, Ra 2016/08/0006, mwN).
23 5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
24 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. November 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022100162.L00Im RIS seit
15.12.2022Zuletzt aktualisiert am
15.12.2022