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L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
BAO §116 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 26. Juni 1995, Zl. MD-VfR - S 8/95, betreffend Vorschreibung einer Ausgleichsabgabe nach dem Wiener Baumschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1.1. Der Beschwerdeführer entfernte bewilligungslos eine zweistämmige Roßkastanie auf seiner Liegenschaft in Wien 19.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 14. Dezember 1993 wurde gemäß § 14 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 bis 4 des Wiener Baumschutzgesetzes, LGBl. Nr. 27/1974 (im folgenden: Wr BaumSchG), festgestellt, daß der Beschwerdeführer zur Durchführung einer Ersatzpflanzung von 16 Bäumen verpflichtet sei. Ihm wurde eine im einzelnen festgesetzte Pflanzung von neun Ersatzbäumen bis zum 30. April 1994 vorgeschrieben. Gemäß § 6 Abs. 5 leg. cit. wurde festgestellt, daß der Verpflichtung zur Ersatzpflanzung teilweise nicht entsprochen werden könne. Das Ausmaß der nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung werde mit sieben Bäumen ausgewiesen.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
1.2. Mit Bescheid vom 25. Juli 1994 schrieb der Magistrat der Stadt Wien dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Wr BaumSchG "aus Anlaß der mit rechtskräftigem Bescheid vom 14. Dezember 1993 des Berufungssenates der Stadt Wien ... erteilten Bewilligung zur Entfernung eines Baumes" auf der gegenständlichen Liegenschaft eine Ausgleichsabgabe in der Höhe von S 56.000,-- vor.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
1.3. Mit Bescheid vom 26. Juni 1995 wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien diese Berufung als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Inhaber einer Bewilligung zur Entfernung eines Baumes gemäß § 9 Abs. 1 Wr BaumSchG nach Maßgabe der folgenden Absätze eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Im Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 14. Dezember 1993 sei unter anderem gemäß § 6 Abs. 5 leg. cit. festgestellt worden, daß einer Ersatzpflanzung teilweise nicht entsprochen werden könne und das Ausmaß der nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung sieben Bäume betrage. Dieser Bescheid sei rechtskräftig, sodaß die darin getroffenen Feststellungen für das Abgabenverfahren verbindlich seien. Die Anwendung des Einheitssatzes von S 8.000,-- ergebe die festgesetzte Ausgleichsabgabe. Der Beschwerdeführer verkenne, daß Gegenstand dieses Bescheides nicht die Frage sei, durch welche Bäume die Ersatzpflanzung zu erfüllen sei, sondern die Festsetzung einer Ausgleichsabgabe dafür, daß der Verpflichtung zur Ersatzpflanzung im Ausmaß von sieben Bäumen nicht entsprochen werden könne.
1.4. Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 4. Oktober 1995, B 2526/95, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab; die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung abgetreten.
1.5. In den für den Verwaltungsgerichtshof bestimmten Ausführungen der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig angenommen worden sei bzw. in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedürfe. Einer Naturalrestitution sei zwingend der Vorzug gegenüber einer Geldleistung zu geben. Im vorliegenden Fall hätte bei ordnungsgemäß eingeräumtem Parteiengehör festgestellt werden können, daß die Ersatzpflanzung von 16 Bäumen durchaus auf dem in Rede stehenden Areal möglich sei. Parteiengehör sei nicht gewährt worden. Der Beschwerdeführer habe eine ausreichende Ersatzpflanzung angeboten. Ungeachtet dessen habe die belangte Behörde keine konkreten Feststellungen getroffen, sondern summarisch festgestellt, daß eine Ersatzpflanzung von sieben Bäumen nicht möglich sei und deshalb die Ausgleichsabgabe vorgeschrieben werde. Die vom Beschwerdeführer vorerst ohne Genehmigung gefällte Roßkastanie sei viele Jahre alt und "im Zusammenhang mit der derzeit gegebenen Schädlingsplage voraussichtlich ohnehin zumindest stark geschädigt, wenn nicht gar absterbensgefährdet" gewesen. Das Anpflanzen diverser standortgerechter Ersatzbäume, die eine höhere Lebenserwartung hätten als der gefällte Kastanienbaum, bringe "sogar eine Verbesserung der Situation gegenüber dem vorigen Zustand".
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 9 Wr BaumSchG bestimmt auszugsweise:
"(1) Wird eine Bewilligung zur Entfernung von Bäumen erteilt, ohne daß die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung oder Umpflanzung voll erfüllt werden kann und ist dies mit Bescheid (§ 6 Abs. 5) festgestellt, so hat der Träger der Bewilligung nach Maßgabe der folgenden Absätze eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.
(2) ...
(3) Die Ausgleichsabgabe ergibt sich aus dem Produkt des Einheitssatzes und jener Zahl der Bäume, um die nach den bescheidmäßigen Feststellungen gemäß § 6 Abs. 5 die Zahl der Ersatzpflanzungen (Umpflanzungen) hinter der gesetzlich geforderten Zahl zurückbleibt. Der Einheitssatz beträgt 8000 S.
(4) Die Ausgleichsabgabe wird nach Rechtskraft des Bescheides gemäß § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 mit gesondertem Abgabenbescheid bemessen.
(5) ..."
Im Bescheid betreffend die Bewilligung zur Entfernung von Bäumen ist gemäß § 5 Abs. 3 letzter Satz leg. cit. auch über die Ersatzpflanzung abzusprechen (§ 6). § 6 Abs. 5 leg. cit. bestimmt:
"(5) Sind Möglichkeiten für eine Ersatzpflanzung nach den vorstehenden Bestimmungen nicht oder nicht ausreichend gegeben, so ist im Bescheid gemäß § 5 Abs. 3 festzustellen, in welchem Ausmaß der Ersatzpflanzung nicht entsprochen werden kann, und es ist hiebei das Ausmaß der nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung auszuweisen."
§ 14 Abs. 1 Wr BaumSchG lautet:
"(1) Hat der Grundeigentümer (Bauberechtigte) oder mit dessen Wissen und Willen ein Dritter ohne behördliche Bewilligung einen Baum entfernt oder die Erhaltungspflicht nach § 2 verletzt, so ist unbeschadet der Strafbarkeit dem Grundeigentümer (Bauberechtigten) eine Ersatzpflanzung oder Ausgleichsabgabe vorzuschreiben."
2.2. Für den Fall der Erteilung einer Entfernungsbewilligung ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Wr BaumSchG im Zusammenhalt mit § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 leg. cit., daß die Abgabenbehörde ihrem Bescheid die bescheidmäßige Feststellung der Administrativbehörde (§ 17 leg. cit. in der Fassung LGBl. Nr. 19/1984) zugrundezulegen hat, daß die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung oder Umpflanzung nicht voll erfüllt werden kann und um welche Zahl die Zahl der Ersatzpflanzungen (Umpflanzungen) hinter der gesetzlich geforderten Zahl zurückbleibt. Die Ausgleichsabgabe ist diesfalls nach Rechtskraft des genannten Feststellungsbescheides mit gesondertem Abgabenbescheid zu bemessen. Die Abgabenbehörde ist an die getroffenen Feststellungen gebunden, eine selbständige Beurteilung der Erfüllbarkeit der Verpflichtung zur Ersatzpflanzung ist ihr verwehrt.
Die Abgabenbehörden haben nun übersehen, daß kein Fall einer Entfernungsbewilligung vorliegt, und haben daher den § 9 Abs. 1 Wr BaumSchG zu Unrecht zitiert. Auch haben sie aktenwidrig den Inhalt des Bescheides des Berufungssenates der Stadt Wien vom 14. Dezember 1993 dahin wiedergegeben, daß mit diesem Bescheid eine Entfernungsbewilligung erteilt worden wäre. Dennoch wurde im Ergebnis die Abgabenvorschreibung zutreffend auf diesen eben zitierten, in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Berufungssenates gegründet, wobei der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, daß es sich um ein und dieselbe Abgabe, nämlich um die im vorliegenden Fall einer bewilligungslosen Entfernung vorzuschreibende Ausgleichsabgabe, handelt. Dies aus nachstehenden Gründen:
Für den - hier gegebenen - Fall der bewilligungslosen Entfernung eines Baumes sieht § 14 Abs. 1 Wr BaumSchG vor, daß dem Grundeigentümer (Bauberechtigten) eine Ersatzpflanzung oder Ausgleichsabgabe vorzuschreiben ist (nachträgliche Vorschreibung der Ersatzpflanzung oder Ausgleichsabgabe, wie es in der Überschrift des § 14 leg. cit. heißt). Für diesen Fall hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Jänner 1977, Slg. N.F. Nr. 5074/F, ausgesprochen, die damalige Vorschreibung einer Ausgleichsabgabe sei nicht schon deswegen rechtswidrig gewesen, weil ihr kein Feststellungsbescheid gemäß §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 4 bzw. 9 Abs. 1 Wr BaumSchG vorangegangen sei. Vielmehr habe in den Fällen des § 14 Abs. 1 leg. cit. die Abgabenbehörde selbst zu untersuchen, ob ein an sich bewilligungspflichtiges Entfernen von Bäumen vorliege, ferner, ob, in welchem Ausmaße und wo eine Ersatzpflanzung vorzunehmen sei, bzw. ob und in welcher Höhe in den Fällen der gänzlichen oder teilweisen Unmöglichkeit einer Ersatzpflanzung die Ausgleichsabgabe zu entrichten sei (vgl. in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1986, Zl. 84/17/0106).
Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes sind dahin zu verstehen, daß nach Auffassung der Vorjudikatur die ABGABENbehörde in den Fällen des § 14 Abs. 1 Wr BaumSchG die gänzliche oder teilweise Unmöglichkeit einer Ersatzpflanzung selbst, zumindest vorfrageweise, beurteilen und diese Beurteilung der Abgabenbemessung, deren notwendige Grundlage das Ergebnis dieser Beurteilung bildet (vgl. § 9 Abs. 3 Wr BaumSchG), zugrundelegen darf. Daß der Verwaltungsgerichtshof gemeint haben könnte, die im § 14 Abs. 1 leg. cit. vorgesehene Vorschreibung einer nachträglichen Ersatzpflanzung obliege auch den Abgabenbehörden - was unzutreffend wäre - ist aus dem Vorerkenntnis nicht zu folgern. Die in der Vorjudikatur bejahte Möglichkeit einer nachträglichen Vorschreibung einer Ausgleichsabgabe ohne Vorliegen eines Feststellungsbescheides bedeutet aber keineswegs, daß ein tatsächlich ergangener und rechtskräftig gewordener Feststellungsbescheid über die gänzliche oder teilweise Unmöglichkeit einer Ersatzpflanzung die Abgabenbehörden nicht nach den allgemeinen Regeln über die Bindungswirkung von Bescheiden (vgl. § 91 Abs. 1 WAO) zu binden vermöchte.
Im Hinblick auf diese Wirkung des rechtskräftigen Bescheides des Berufungssenates der Stadt Wien vom 14. Dezember 1993, nach dessen Spruch das Ausmaß der nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung mit sieben Bäumen ausgewiesen wurde, ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, daß diese Feststellung für das Abgabenverfahren verbindlich ist. Die Verfahrensrügen, mit denen der Beschwerdeführer den angefochtenen ABGABENbescheid der Sache nach ausschließlich wegen behaupteter Mängel bei der Feststellung des Ausmaßes der nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung bekämpft, vermögen daher eine Rechtswidrigkeit des (bindungsgemäß erlassenen) angefochtenen Bescheides nicht darzutun.
Eine andere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch ist eine solche nicht hervorgekommen.
2.3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
2.4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995170602.X00Im RIS seit
20.11.2000