TE Vfgh Erkenntnis 1993/12/10 G130/93

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Veröffentlicht am 10.12.1993
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6610 Wald- und Weideservituten

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs6 erster Satz
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Sbg EinforstungsrechteG §10

Leitsatz

Aufhebung der neuerlichen Änderung des Umrechnungsschlüssels für die in den Urkunden festgelegten und nicht abgelösten Gegenleistungen für Nutzungsrechte nach dem Sbg EinforstungsrechteG wegen Verstoß gegen den Gleichheitssatz mangels Vorliegen besonderer Umstände für die Rückgängigmachung der im Jahre 1986 vorgenommenen, der tatsächlichen Kaufkraft entsprechenden Valorisierung

Spruch

Der erste Satz des §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes, Anlage zur Kundmachung der Salzburger Landesregierung vom 25. Juli 1986, LGBl. Nr. 74, über die Wiederverlautbarung des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes, in der Fassung des ArtI Z2 des Landesgesetzes LGBl. Nr. 80/1991, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Der erste Satz des §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes tritt in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 59/1986 und der Kundmachung der Salzburger Landesregierung vom 25. Juli 1986, LGBl. Nr. 74, über die Wiederverlautbarung des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes wieder in Wirksamkeit.

Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

Der Landeshauptmann von Salzburg ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der im I. Abschnitt ("Allgemeine Bestimmungen, Ergänzungsregulierung, Regulierung und Ablösung von Nutzungsrechten") des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes, LGBl. 74/1986, enthaltene §10 dieses Gesetzes hat in der durch ArtI Z2 des Landesgesetzes LGBl. 80/1991 geänderten Fassung folgenden Wortlaut:

"Gegenleistung

§10

Die in den Urkunden festgelegten und nicht abgelösten Gegenleistungen werden ohne Unterschied, ob ein Verfahren nach diesem Gesetz eingeleitet wird oder nicht, in der Weise festgesetzt, daß 1 Kreuzer österreichischer Währung 3,3 Groschen gleichzustellen ist. Die Gegenleistungen sind in Zusammenhang mit einer Ergänzungsregulierung oder auch außerhalb einer solchen auf Antrag der Verpflichteten oder des Berechtigten in Geld abzulösen. Der Jahresbetrag der Gegenleistung ist mit dem gemäß §33 Abs2 geltenden Zinsfuß zu kapitalisieren."

II. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B639/92 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Salzburger Landesregierung anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Die Agrarbehörde Salzburg löste auf Antrag der (Mit-)Eigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft die laut Regulierungsurkunde Nr. 4813/d vom 28. August 1869 zu entrichtende Gegenleistung für ein zugunsten dieser Liegenschaft bestehendes Recht zum Bezug einer bestimmten Holzmenge aus näher bezeichneten (im Eigentum des Bundes - Österreichische Bundesforste stehenden) Waldgrundstücken mit Wirksamkeit ab dem Wirtschaftsjahr 1991 ab und verpflichtete die Antragsteller, den Ablösungsbetrag von S 147,25 an die Österreichischen Bundesforste innerhalb einer gleichzeitig festgesetzten Frist zu entrichten.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung der Österreichischen Bundesforste wies der Landesagrarsenat beim Amt der Salzburger Landesregierung unter - geringfügiger - Änderung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides als unbegründet ab. Dabei ging der Landesagrarsenat gleich der Behörde erster Instanz davon aus, daß für die Ermittlung der in der Regulierungsurkunde festgelegten, in Kreuzern ausgedrückten Gegenleistung gemäß §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes, LGBl. 74/1986, idF des Landesgesetzes LGBl. 80/1991, 1 Kreuzer österreichischer Währung 3,3 Groschen gleichzustellen ist.

Der Bescheid des Landesagrarsenates ist Gegenstand der erwähnten, von den Österreichischen Bundesforsten erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger gesetzlicher Bestimmungen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Der Landesagrarsenat als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.

Die beteiligten Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens - die (Mit-)Eigentümer der Liegenschaften, zu deren Gunsten das abgelöste Holzbezugsrecht bestanden hatte - haben sich der Sache nach für die Abweisung der Beschwerde ausgesprochen.

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat in der vorläufigen Annahme, daß die Beschwerde zulässig sei und daß er bei der Entscheidung über diese Beschwerde (auch) den ersten Satz des §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes (idF des ArtI Z2 des Landesgesetzes LGBl. 80/1991) anzuwenden hätte, beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesstelle einzuleiten. Der Verfassungsgerichtshof ging in diesem Zusammenhang davon aus, daß gegen den Bescheid des Landesagrarsenates ein (weiterer) Rechtszug an den Obersten Agrarsenat (iS des §7 des Agrarbehördengesetzes 1950, idF des Bundesgesetzes BGBl. 476/1974) nicht zulässig, der Instanzenzug somit ausgeschöpft ist, und daß ferner iS des §1 des Bundesgesetzes über den Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesforste", BGBl. 610/1977, der Bund unter der Bezeichnung "Österreichische Bundesforste" (auch) zur Beschwerdeführung nach Art144 Abs1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof legitimiert ist.

2. Im Verfahren ist weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, daß die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und über die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung unzutreffend wären. Da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

IV. In dem dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß hat der Verfassungsgerichtshof die gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung entstandenen verfassungsrechtlichen Bedenken, die ihn zu diesem Beschluß bewogen haben, im wesentlichen folgendermaßen umschrieben:

"a) Der Verfassungsgerichtshof dürfte, da gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, den angefochtenen Bescheid an den im Zeitpunkt seiner Erlassung in Geltung gestandenen Rechtsvorschriften zu messen und daher von §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes in der seit 21. November 1991 in Geltung stehenden Fassung auszugehen haben, die diese Bestimmung durch ArtI Z2 der Novelle LGBl. 80/1991 erhalten hat (die in dem am 20. November 1991 ausgegebenen 22. Stück des Landesgesetzblattes für das Land Salzburg kundgemacht wurde und daher gemäß Art26 des (Salzburger) Landes-Verfassungsgesetzes 1945, LGBl. 1/1947, mit 21. November 1991 in Kraft getreten ist).

b) Die durch die Novelle LGBl. 80/1991 geänderte Fassung des §10 des Salzburger Wald- und Weideservitutengesetzes trat an die Stelle jener Bestimmung, die durch die Novelle LGBl. 59/1986 als §7 c in das Salzburger Wald- und Weideservitutengesetz 1955, LGBl. 65, - das zugleich durch ArtI Z1 der Novelle LGBl. 59/1986 den Titel "Salzburger Einforstungsrechtegesetz" erhielt - eingefügt worden war. Im Zuge der Wiederverlautbarung des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes durch die Kundmachung der Landesregierung LGBl. 74/1986 erhielt der §7 c die Paragraphenbezeichnung "10". §10 Abs1 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes bestimmte, daß die in den Urkunden festgelegten und nicht abgelösten Gegenleistungen ohne Unterschied, ob ein Verfahren nach dem Salzburger Einforstungsrechtegesetz eingeleitet wird oder nicht, in der Weise neu festgesetzt werden, daß 1 Kreuzer österreichischer Währung 85 Groschen gleichzustellen ist.

c) Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis VfSlg. 11856/1988 über die Beschwerde eines Einforstungsberechtigten gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Salzburger Landesregierung abgesprochen, mit dem der Beschwerdeführer verpflichtet worden war, für das im Jahr 1986 bezogene Einforstungsholz an die Österreichischen Bundesforste einen bestimmten Betrag als Gegenleistung zu bezahlen.

In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof insbesondere zum Ausdruck gebracht, daß die durch §10 Abs1 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes - in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Novelle LGBl. 80/1991 - vorgenommene Valorisierung der (in den Urkunden festgesetzten und nicht abgelösten) Gegenleistungen, wonach 1 Kreuzer österreichischer Währung 85 Groschen gleichzustellen war, nicht den Gleichheitsgrundsatz verletzt.

Der Verfassungsgerichtshof führte in diesem Zusammenhang insbesondere aus:

'Der Verfassungsgerichtshof findet nicht, daß die vorgenommene Valorisierung dem Gleichheitsgebot widerspricht. Es ist sachlich geradezu geboten, die seinerzeit mit einem bestimmten Geldbetrag festgesetzte Gegenleistung der heutigen Kaufkraft anzupassen, sofern nicht besondere Umstände entgegenstehen; solche sind hier nicht zu erkennen.

Aus den - unwidersprochen gebliebenen - Erläuterungen zur Regierungsvorlage (an anderer Stelle des Erkenntnisses zitiert: 129 BlgSbgLtg., 9. GP) ergibt sich, daß sich der Wert des Kreuzers per Oktober 1985 auf etwa 85 Groschen beläuft, daß also die Valorisierung der tatsächlichen Kaufkraft entsprechend vorgenommen wurde. Es kann daher auch nicht davon gesprochen werden, daß der Gesetzgeber den einen 'Vertragsteil' willkürlich zugunsten des anderen 'Vertragsteils' benachteiligt habe.'

In anderem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis festgehalten, daß der Salzburger Landesgesetzgeber mit der in Rede stehenden Regelung "nicht den heutigen Geldwert eines Kreuzers bestimmt (hat), sondern - ausgehend von der seinerzeitigen (in Kreuzern ausgedrückten) Gegenleistung für das Holzbezugsrecht - generell eine neue - nun in Groschen definierte - Geldleistung, die der seither eingetretenen Geldwertentwicklung Rechnung trägt ...".

Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsauffassung - und die übrigen im zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes angeführten (hier nicht wiedergegebenen) Argumente für die (auch aus der Sicht der Kompetenzverteilung und der Vereinbarkeit mit §24 des Wald- und Weidenutzungsrechte-Grundsatzgesetzes 1951 gegebene) Verfassungskonformität des §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes - in der Fassung vor der Novelle LGBl. 80/1991 - ausdrücklich geteilt (s. etwa VwGH 5.12.1989, 89/07/0075, 8.10.1991, 91/07/0088).

d) Der Verfassungsgerichtshof vermag vorerst nicht zu erkennen, daß die durch die Novelle LGBl. 80/1991 zum Salzburger Einforstungsrechtegesetz vorgenommene Festsetzung der in den Urkunden festgelegten und nicht abgelösten Gegenleistungen in der Weise, daß 1 Kreuzer österreichischer Währung 3,3 Groschen - statt, wie nach der Novelle LGBl. 59/1986 zum Salzburger Wald- und Weideservitutengesetzes 1955, 85 Groschen - gleichzustellen ist, dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot (vgl. dazu etwa VfSlg. 9520/1982, 161, 11369/1987, 11921/1988, 12008/1989) entspricht.

Insbesondere ist vorläufig nicht zu ersehen, daß besondere Umstände es erforderten, die im Erkenntnis VfSlg. 11856/1988 als sachlich geradezu geboten erachtete Anpassung der seinerzeit mit einem bestimmten Geldbetrag festgelegten Gegenleistung an die heutige Kaufkraft durch Herabsetzung der Gegenleistung auf wenig mehr als den 25. Teil ihrer entsprechend den Geldwertverhältnissen von 1985 festgelegten Höhe rückgängig zu machen.

Die diese Änderung enthaltende, auf einem Beharrungsbeschluß des Salzburger Landtages vom 22. Oktober 1991 beruhende Novelle LGBl. 80/1991 zum Salzburger Einforstungsrechtegesetz scheint auf einen von Abgeordneten des Salzburger Landtages eingebrachten dringlichen Antrag zurückzugehen, in dem keine besonderen Umstände konkret angeführt sind, die iS der Ausführungen im zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (320) der ansonsten sachlich gebotenen Anpassung der Gegenleistung an die heutige Kaufkraft entgegenstehen."

V. Die Salzburger Landesregierung ist im Gesetzesprüfungsverfahren den im Beschluß über die Einleitung dieses Verfahrens dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung nicht entgegengetreten. Sie hat vielmehr ausdrücklich betont, daß sie die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11856/1988 zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung, es sei sachlich geradezu geboten, die seinerzeit mit einem bestimmten Geldbetrag festgesetzte Gegenleistung der heutigen Kaufkraft anzupassen, sofern nicht besondere - hier nicht zu erkennende - Umstände entgegenstünden, stets vertreten habe und weiterhin vertrete.

Die von der Salzburger Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren erstattete Äußerung hat folgenden Wortlaut:

"1.

Der Verfassungsgerichtshof hat von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 80/1991 eingeleitet. Mit dieser Novelle wurde die durch die Novelle LGBl. Nr. 59/1986 zum damaligen Wald- und Weideservitutengesetz 1955 vorgenommene Valorisierung der Gegenleistung für Leistungen auf Grund von Wald- und Weideservituten von 3,3 g auf 85 g für einen Kreuzer wieder zurückgenommen. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen verfassungsrechtliche

Bedenken

wegen Widerspruches zum Gleichheitsgebot, das auch den Gesetzgeber bindet. Er verweist dazu auf sein Erkenntnis VfSlg. 11856/1988, in dem er zum damals in Geltung gestandenen §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes ausgesagt hat, daß es sachlich geradezu geboten sei, die seinerzeit mit einem bestimmten Geldbetrag festgesetzte Gegenleistung der heutigen Kaufkraft anzupassen, sofern nicht besondere Umstände entgegenstehen. Solche waren damals nicht zu erkennen. Der Gerichtshof kann im Unterbrechungsbeschluß (vorläufig) nicht erkennen, daß besondere Umstände es erforderten, die im erwähnten Erkenntnis als sachlich geradezu geboten erachtete Gegenleistung an die heutige Kaufkraft durch die Herabsetzung der Gegenleistung auf wenig mehr als den 25. Teil ihrer entsprechend den Geldwertverhältnissen

von***** 1985 festgelegten Höhe rückgängig zu machen.

2.

Das Amt der Salzburger Landesregierung hat die nach dem Erkenntnis VfSlg. 11856/1988 völlig eindeutige Verfassungsrechtslage stets vertreten und verteidigt. Die Landesregierung hat in ihrem Bericht an den Salzburger Landtag zum Gesetzesbeschluß vom 3. Juli 1991, mit dem das Salzburger Einforstungsrechtegesetz geändert wird, Nr. 69 der Beilage zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages,

              4.              Session der 10. Gesetzgebungsperiode, aus Anlaß des Einspruches der Bundesregierung gemäß Art98 Abs2 B-VG hiegegen wegen der auch von ihr gesehenen Verfassungswidrigkeit die Fassung eines Beharrungsbeschlusses nicht empfohlen. Sie bleibt auch weiterhin bei ihrer Auffassung, insbesondere vor dem Hintergrund der nunmehrigen Fragestellung, ob besondere Umstände es erforderten, die einmal sachlich gerade gebotene Wertanpassung wieder rückgängig zu machen. Und selbst wenn der Blick auf die Valorisierung selbst zurückgeworfen wird, ergäbe sich kein anderer Standpunkt. Denn in der

seinerzeitigen Regierungsvorlage zur späteren Novelle LGBl. Nr. 59/1986 zum Salzburger Wald- und Weideservitutengesetz 1955 ist

nicht

mehr und nicht weniger als eine Valorisierung der in den Regulierungsurkunden festgelegten und bisher nicht

abgelösten

Gegenleistungen im Ausmaß der Geldwertentwicklung bis Oktober 1985 vorgeschlagen worden. Gleich, ob in der Gegenleistung ein eher geringer Verwaltungskostenbeitrag oder ein Anerkennungszins gesehen wird, durch die Beibehaltung des Wertverhältnisses 1 Kreuzer = 3,3 Groschen wird die Gegenleistung

in Wahrheit nicht konstant gehalten, sondern verringert sich diese laufend zuungunsten einer Seite. Die Erhöhung der Gegenleistung wäre allenfalls anders zu beurteilen, wenn sie dem Wunsch der Österreichischen Bundesforste entsprechend darüber hinaus auf eine Höhe erfolgt wäre, womit sie zu

einer

Geldleistung gemacht worden wäre, die wenigstens in einem gewissen Verhältnis zum Wert etwa des Holzbezuges steht.

3.

Die Novelle LGBl. Nr. 80/1991 ist auf einen Initiativantrag im Salzburger Landtag zurückzuführen. Es wurde daher der Salzburger Landtag von der Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens in Kenntnis gesetzt und so den Landtagsparteien Gelegenheit gegeben, sich zu den vom Verfassungsgerichtshof geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des geltenden §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes zu äußern. Diese Stellungnahmen aller vier Landtagsparteien werden dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen dieser Äußerung zur Kenntnis gebracht. Gleich dem damaligen Abstimmungsverhalten wird von den Landtagsparteien der SPÖ, FPÖ und BL die Verfassungsmäßigkeit verteidigt, während die ÖVP-Fraktion weiterhin von der Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung ausgeht.

4.

Die abgegebenen Stellungnahmen gehen auf das eigentliche Prozeßthema (siehe einleitend und vorstehend) nicht ein. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

              a)              Stellungnahme der ÖVP-Fraktion:

Die Neufestsetzung des Umrechnungsschlüssels von einem Kreuzer mit 85 Groschen durch die Novelle LGBl. Nr. 59/1986 sei im Gegensatz zu der 1991 getroffenen Regelung davon ausgegangen, die in den Urkunden festgelegten Gegenleistungen entsprechend der allgemeinen Geldwertentwicklung seit der Zeit der Regulierung anzuheben (vgl. 129 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages, 2. Session 9. Gesetzgebungsperiode). Der Gesetzgeber habe also 1986 lediglich die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie in den Regulierungsurkunden im 19. Jahrhundert festgelegt wurden, wiederherstellen wollen, weil sie sich durch die allgemeine Geldwertentwicklung geändert haben und der vor dem Jahre 1986 angewandte Umrechnungsschlüssel von einem Kreuzer zu 3,3 Groschen nicht den in den Regulierungsurkunden festgelegten Verhältnissen entsprach.

Dazu war der Landesgesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht nur berechtigt, sondern im Hinblick auf die Schaffung einer verfassungskonformen Rechtslage geradezu verpflichtet. Denn wenn 85 Groschen als Umrechnungsschlüssel für einen Kreuzer 1985 den in den Regulierungsurkunden festgelegten Verhältnissen zwischen Berechtigten und Verpflichteten entsprach und bis 1986 mit 3,3 Groschen tatsächlich umgerechnet wurde, ist anzunehmen, daß insoweit die Umrechnung vor 1986 schon verfassungswidrig erfolgt ist. Eine gesetzliche Regelung, die in bestehende Rechte dergestalt eingreift, daß sie das Verhältnis zwischen festgesetzter Leistung und Gegenleistung wesentlich ändert, bedarf dafür besonderer Umstände im Tatsächlichen, die eine solche Differenzierung sachlich zu rechtfertigen vermögen und sie sohin als verfassungskonform erscheinen lassen.

Dazu sei das Zustandekommen der Novelle 1991 näher zu betrachten, vor allem, ob sich in den Materialien zur Gesetzeswerdung Hinweise auf Umstände finden lassen, die §10 salzburger Einforstungsrechtegesetz vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen lassen. Nach dem Antrag zur Novellierung liege die Begründung in der 'Schaffung eines Ausgleichs für die faktisch eingetretene Schlechterstellung der Eingeforsteten seit der Novellierung 1986'. Eine Schlechterstellung würde bedingen, daß vom Gesetzgeber in das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, wie es in den Regulierungsurkunden festgelegt wurde, mit wesentlichen nachteiligen Wirkungen für eine der beiden Seiten eingegriffen worden wäre. Gerade das sei aber nicht der Fall gewesen. Vielmehr sei der Landesgesetzgeber im Jahre 1986 bemüht gewesen, den in den Regulierungsurkunden festgelegten Zustand herzustellen. Dies komme auch in der Normierung des §7c (der Vorgängerbestimmung des heutigen §10) von 1986 zum Ausdruck, wenn in den Materialien zu dieser Bestimmung deutlich gemacht werde, 'die in den Urkunden festgelegten Gegenleistungen entsprechend der allgemeinen Geldwertentwicklung seit der Zeit der Regulierung' anheben zu wollen. Der Landesgesetzgeber habe diesbezüglich 1986 daher gerade keinerlei Eingriff in die Verhältnisse vornehmen wollen, wie sie in den Regulierungsurkunden zum Ausdruck kommen, sondern diese vielmehr wiederherstellen. Es sei eine rechtswidrige Situation, die offensichtlich insoweit geherrscht habe, als eine Umrechnung der Gegenleistungen erfolgte, die nicht den in den Regulierungsurkunden festgelegten Verhältnissen von Leistung und Gegenleistung entsprach, behoben worden.

Mit der Novelle 1986 seien den Eingeforsteten noch zusätzliche Rechte zugestanden worden, die nach Meinung der damaligen Antragsteller 'quasi gewohnheitsrechtlich' vorhanden gewesen wären. Ob die gesetzliche Fixierung solcher offenbar zusätzlicher Rechte und die damit verbundene Besserstellung der Eingeforsteten im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Rahmen sachlich zu rechtfertigen war, wäre ebenfalls zu fragen, habe aber mit dem festgelegten 'Umrechnungsschlüssel' in §10 Salzburger Einforstungsrechtegesetz nichts zu tun und gehe insoweit über die Frage der Verfassungswidrigkeit des §10 hinaus.

Die in den Regulierungsurkunden festgeschriebenen Rechte und Pflichten hätten ihren Ursprung im öffentlichen Recht. Diese Regulierungsurkunden hätten, gestützt auf das oben schon genannte Servitutenpatent, den Charakter eines Hoheitsaktes. Im öffentlichen Recht seien aber keine allgemeinen Bestimmungen über Ersitzung oder Verjährung von Rechten oder Pflichten zu finden, wie dies im Privatrecht der Fall ist. Das bedeute, diese Rechtsfiguren würden im Bereich des öffentlichen Rechts nur dann existieren, wenn sie explizit in bestimmten Materien für bestimmte Berechtigungen oder Verpflichtungen eingeräumt werden. Für den Bereich der Einforstungsrechte seien solche Rechte nicht normiert. Deshalb sei weder ein 'quasi gewohnheitsrechtlicher' Rechtserwerb noch ein Rechtserwerb dadurch denkbar, daß jemand im besten Wissen und Gewissen (gutgläubig) und von Rechtsüberzeugung getragen Rechte erwirbt, soweit diese im öffentlichen Recht ihren Ursprung haben und die objektive Rechtslage dem entgegenstehe bzw. eine rechtswidrige Praxis gepflogen worden sei. Das bedeute, daß das vorgebrachte Ausgleichsargument nicht geeignet sei, die sachliche Rechtfertigung der Neuregelung des §10 Salzburger Einforstungsrechtegesetz zu begründen.

Die im Jahre 1991 vorgenommene Änderung des §10 Salzburger Einforstungsrechtegesetz sei daher zusammenfassend verfassungswidrig, weil sie durch die Festsetzung eines Umrechnungsschlüssels mit 3,3 Groschen pro Kreuzer den in den Regulierungsurkunden festgelegten Verhältnissen zwischen Leistung und Gegenleistung gravierend widerspreche und diese somit einer wesentlichen Änderung unterziehe, ohne daß sich hiefür Umstände erkennen ließen, die eine solche Vorgangsweise sachlich zu rechtfertigen vermögen.

b) Stellungnahme der SPÖ-Fraktion:

Eine grundsatzgesetzliche Norm in bezug auf die Frage der Valorisierung von Gegenleistungen finde sich lediglich in §24 des Wald- und Weideservituten-Grundsatzgesetzes 1951 für den Fall einer Ablösung des Nutzungsrechtes. Dem Landesgesetzgeber stehe es daher mangels einer entsprechenden grundsatzgesetzlichen Norm frei, einen entsprechenden Analogieschluß aus dieser Bestimmung auf die Valorisierung der Gegenleistung im Sinne des §8 leg.cit. zu ziehen oder dies unter sachlichen Erwägungen und unter Berücksichtigung der fraglos gegebenen besonderen Umstände auch nicht zu tun. Es könne davon ausgegangen werden, daß der Grundsatzgesetzgeber das Gebot zur Valorisierung - wie in bezug auf die Ablöse geschehen - auch in bezug auf die Neuregelung ausdrücklich normiert hätte, wenn dies in seiner Intention gestanden wäre.

Angesichts der wirtschaftlichen Situation der Bundesforste, auf die der überwiegende Teil der Einforstungen entfällt, aber auch anderer dadurch belasteter Waldeigentümer ließen sich fraglos sachliche Argumente für die Notwendigkeit zur Verbesserung von deren Ertragslage, also etwa auch durch die Erhöhung (Valorisierung) der Gegenleistungen, finden. Dem wohlverstanden wirtschaftlichen Interesse der einen Seite ist jedoch sicherlich ebenso sachlich das wirtschaftliche Interesse der eingeforsteten Bauern entgegenzuhalten, auf deren anhaltend kritische Einkommens- und Ertragssituation hier nicht näher eingegangen werden müsse.

Bei der Novelle von 1986 handelte es sich im wesentlichen um die gesetzliche Festschreibung von gleichsam gewohnheitsrechtlich seit vielen Jahren erbrachten Leistungen durch die Verpflichteten. Diesen ausschließlich formalen Vorteilen bzw. Verbesserungen stehe aus der Sicht der Berechtigten die faktische Erhöhung der Gegenleistung um das Fünfundzwanzigfache gegenüber. Vor allem auf das tatsächliche Gleichbleiben der Leistungen der Verpflichteten begründe sich daher die Forderung der Berechtigten nach einer ebensolchen Behandlung der Gegenleistung im Sinne des Gleichheitsgebotes. Auch sei das Rechtsempfinden der Berechtigten durch die Novelle von 1986 zusätzlich dahingehend verletzt worden, daß deren §10 (Gegenleistungen) als Verstoß gegen den in zahlreichen historischen Regulierungsurkunden enthaltenen Passus von der immerwährenden Unsteigerlichkeit der Gegenleistung angesehen wurde. Schließlich wären ganz allgemein in den historischen Begleitumständen, insbesondere den rechtshistorischen Hintergründen für die unterschiedlichen hoheitlichen Regelungen der Wald- und Weiderechte auf dem Territorium des heutigen Bundeslandes Salzburg, in der bereits angesprochenen besonderen wirtschaftlichen Situation der eingeforsteten tausenden Bergbauern durchaus 'besondere Umstände' im Sinne der einleitend zitierten Entscheidungsbegründung des VfGH zu erkennen, die insgesamt geeignet seien, das 'sachliche' und daher letztlich politisch zu beurteilende 'Gebot' zur Valorisierung in Frage zu stellen.

c) Stellungnahme der FPÖ-Fraktion:

Die 'zeitlose' Flurverfassung bringe es mit sich, daß auch die Gegenleistung keiner Veränderung unterliegen dürfe. Die Rechte der Eingeforsteten sollten keiner Ersitzung und keiner Verjährung unterliegen. Zeitlos, für immer, sei das Recht der Eingeforsteten an der Holznutzung, Bodennutzung durch Weide und andere Rechte festgeschrieben worden. Nur durch ein neues Regulierungsverfahren oder durch ein Ablösungsverfahren sollten diese Rechte einer Veränderung unterliegen. In den Regulierungserkenntnissen und Regulierungsvergleichen des vorigen Jahrhunderts sei daher auch immer von der Unsteigerlichkeit die Rede.

Die Aufwertung der Gegenleistung entsprechend der Geldwertentwicklung stehe im Widerspruch zum historischen Gesetzgeber und zur Logik des Gesetzes. Wenn man die Gegenleistung aufwerten wollte, müßte man auch das Holzbezugsrecht den heutigen Verhältnissen anpassen. Die Holzbezugsrechte seien aber strikt unveränderlich für die seinerzeitigen Gebäude, Zäune und sonstigen Einrichtungen festgelegt. Wenn man einen Zeitfaktor einführen wollte, müßte man auch dem 'Vertragsteil' Eingeforsteter zubilligen, daß er nunmehr für seinen heutigen Bedarf an Gebäuden angepaßte Holzmengen erhält. Die Aufwertung nur der Gegenleistung sei daher unsachlich.

Die Gegenleistung entspreche keinesfalls irgendeiner Pacht oder Miete. Sie sei seinerzeit nur festgelegt worden, um einen Unterschied zwischen den dinglich Berechtigten zu machen, und sei nur ein Anerkennungsbeitrag und kein Entgelt für die Zurverfügungstellung von Grund gewesen.

Im Fall Mellancher u.a. (Urteil vom 19.12.1989) habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Herabsetzung der frei vereinbarten Mietzinse auf den Kategorienzins für unbedenklich gehalten. Gerade in der Starrheit der Zinsregelung habe der EGMR einen Vorteil gesehen. Der EGMR gestehe der Gesetzgebung einen weiten Ermessensspielraum bei der Formulierung zu schützender Allgemeininteressen und bei der Auswahl geeigneter rechtlicher Schutzmaßnahmen zu, wenn nur zwischen dem, was das Allgemeininteresse und das des einzelnen erheischen, eine 'fair balance' erzielt werde. Wenn man die Situation der Landwirtschaft von der betriebswirtschaftlichen Seite sehe, sei die einseitige Erhöhung der Gegenleistung, wie es die Novelle 1986 vorsah, gleichheitswidrig und die jetzige Regelung sachlich gerechtfertigt.

Der Grundsatzgesetzgeber sehe keine Regelung zur Valorisierung der Gegenleistung für den Landesausführungsgesetzgeber vor. Der Landtag sei daher frei, eine Norm zu schaffen. Er habe dabei aber Bundesverfassungsrecht zu beachten. Österreich sei ein einheitliches Wirtschaftsgebiet (Art4 B-VG), womit es unvereinbar wäre, wenn in Salzburg eine unangemessen hohe Gegenleistung vorgeschrieben würde.

d) Stellungnahme der BL-Fraktion:

Die Begründung des Verfassungsgerichtshofes - praktisch wörtliche Übernahme eines einzigen Satzes aus der Begründung des Erkenntnisses B679/88 - sei für die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nicht ausreichend. Die Fragestellung nunmehr, ob die Zurücknahme der Gegenleistungsvalorisierung die darin beinhaltete Rückkehr zu jener gesetzlichen Regelung, die - verfassungsrechtlich unbeanstandet - seit Existenz der Einforstungsrechte bestanden habe, dem Sachlichkeitsgebot entspreche, sei eine zum damaligen Beschwerdeverfahren ganz andere.

Wenn der Verfassungsgerichtshof an der Sachgerechtigkeit und Gleichheitskonformität der vom Landtag beschlossenen Rückkehr zur früheren, gesetzlichen Regelung hegt, so werde damit in Wahrheit die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtslage geprüft, die bundesweit durch Jahrzehnte hindurch verfassungsrechtlich unbeanstandet vorgelegen habe und in anderen Bundesländern auch nach wie vor bestehe. Mit dieser Vorgangsweise überschreite der Verfassungsgerichtshof die ihm verfassungsrechtlich eingeräumte Normenprüfungskompetenz. Der Verfassungsgerichtshof dürfe nicht gleichsam zum Gesetzgeber werden. Er dürfe den Gesetzgeber nicht zur Erlassung einer bestimmten Norm verpflichten. Damit stehe im Einklang, daß der Gleichheitssatz den Gesetzgeber niemals zu einem positiven Tun verpflichte. Mit der Aufhebung des §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 80/1988, die gemäß Art140 Abs6 B-VG zur Folge hätte, daß §10 Abs1 wieder in der Fassung der Wiederverlautbarungskundmachung, LGBl. Nr. 74/1986, in Kraft trete, würde der Verfassungsgerichtshof im Ergebnis zum Landesgesetzgeber werden.

Nicht einmal das Bundesgrundsatzgesetz enthalte Bestimmungen über die Valorisierung der Gegenleistungen. Ob die Gegenleistung für Einforstungsrechte zu valorisieren ist oder eine derartige Valorisierung zu unterbleiben hat, sei sohin ausschließlich eine agrarpolitische Frage, die einer Überprüfung unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes entzogen sei. Sie dürfe sohin vom Verfassungsgerichtshof gar nicht überprüft werden. Der Landtag sei auch keinesfalls verhalten, die Richtigkeit seiner diesbezüglichen, agrarpolitischen Entscheidung gegenüber dem Verfassungsgerichtshof zu rechtfertigen oder gar zu belegen.

Ob eine Valorisierung der sogenannten 'Einforstungsrechte-Gegenleistung' unterbleiben dürfe, könne nicht losgelöst vom Gesamtkomplex der Einforstungsrechteproblematik gesehen werden. Bei den Einforstungsrechten handle es sich um ein ganz spezifisches Rechtsinstitut. Rechtshistorisch würden die Salzburger Einforstungsrechte im altdeutsch-genossenschaftlichen Gesamteigentum aller Dorfgenossen am Waldboden wurzeln, der ursprünglich als Mark (Allmende, frei) der gemeinsamen Benützung aller Dorfgenossen als Weide und Wald vorbehalten gewesen sei. Erst mit der Zueignung des gemeinsamen Waldbodens durch Stammesfürsten sei aus dem genossenschaftlichen Gesamteigentum aller das Privateigentum einiger Weniger geworden. In Salzburg hätte Erzbischof Matthäus Lang im Jahre 1524 durch Erlassung einer Waldordnung alle nicht nachweisbar im Privateigentum befindlichen Hoch- und Schwarzwälder zum landesfürstlichen Eigentum erklärt. Dem Bauern wäre nur mehr das Recht verblieben, den Holzbedarf für ihre Güter aus dem nunmehr im Eigentum des Landesfürsten stehenden Wäldern abzudecken. Aus ehemaligen Anteilsrechten an gemeinschaftlich/genossenschaftlichem Eigentum wären damit bloße Nutzungsrechte geworden. Während die Revolution von 1848 den Bauern auf den zu ihrer Nutzung zugewiesenen Gütern anstelle des bisherigen, bloßen Nutzungs-(Unter)eigentums das freie Eigentumsrecht gebracht habe, sei der Waldboden den Grundherren - dies war seit der Säkularisierung in Salzburg überwiegend der Staat - verblieben. Im Gefolge dieser beiden kaiserlichen Grundentlastungspatente sei es tatsächlich in den Jahren bis 1854 in dreizehn Pinzgauer Gemeinden zur Ablösung der jahrhundertealten, bäuerlichen Forstrechte durch Zuweisung von entsprechenden Waldflächen entweder in das Einzeleigentum oder in agrargemeinschaftliches Gesamteigentum der Bauern gekommen. Das kaiserliche Patent von 1853 über die Ablösung und Regulierung der Grundlasten habe an die Stelle des unbedingten Rechtsanspruches auf Ablösung in Grund und Boden angeordnet, daß die bäuerlichen Rechte entweder abzulösen oder zu regulieren seien. Die so regulierten Wald- und Weidenutzungsrechte seien daher nichts anderes als ein Surrogat der ursprünglichen anteiligen Eigentumsrechte der Bauern an der 'Frei'. Daraus ergebe sich, daß die in den Regulierungsurkunden vorgesehenen 'Gegenleistungen' keinesfalls den Charakter eines herkömmlichen Entgelts hätten. Es liege hier kein typisches Rechtsverhältnis von Leistung und Gegenleistung wie bei zweiseitigen Rechtsgeschäften vor. Vielmehr liege die Leistungspflicht des Waldeigentümers primär darin begründet, daß der hoheitliche Wald seit unvordenklichen Zeiten mit den Rechten der Bauernschaft belastet gewesen sei und es sich um ursprünglich gemeinschaftlichen, allen 'Dorfgenossen' gehörenden Waldboden gehandelt habe. Diese Gegenleistungen hätten viel mehr nur den Charakter von Anerkenntniszinsen gehabt. In keiner einzigen der 20.000 Regulierungsurkunden sei von einer Wertsicherung oder Valorisierung der Gegenleistungen die Rede. In einer Reihe von Urkunden sei hingegen die Unsteigerlichkeit der Gegenleistung sogar ausdrücklich erwähnt. Über die auf die Erstregulierung folgenden 120 Jahre hindurch habe der Gesetzgeber keine sachliche Notwendigkeit gesehen, die Gegenleistung den geänderten Geldwertverhältnissen anzupassen. Vielmehr sei die Gegenleistung - von gewissen, währungspolitisch bedingten Schwankungen abgesehen - im Zeitraum zwischen der Erstregulierung und 1986 praktisch konstant geblieben.

Wenn der Landesgesetzgeber durch Aufhebung der Gegenleistungsvalorisierung in einer Zeit, in der der Bauernstand insgesamt von existenzbedrohenden, wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen sei, einen agrarpolitischen Schritt zugunsten der 'eingeforsteten' Bauern gesetzt habe, so könne darin wahrlich kein Regelungsexzeß erblickt werden.

Schließlich dürfe nicht übersehen werden, daß sich jene Verhältnisse, welche seinerzeit der Erstregulierung und Erstfestsetzung der Einforstungsrechte zugrunde gelegen seien, seither in vielfacher Weise geändert hätten. Dies gelte insbesonders auch für jene Umstände, welche für die Festlegung des Ausmaßes des Holzbezuges maßgeblich waren.

Wirtschaftsgebäude, Stallungen und bäuerliche Wohnhäuser seien größer geworden, Schlafräume würden heute beheizt werden, etc. Dennoch habe das Ausmaß des Holzbezuges der Eingeforsteten seit den Erstregulierungen keine Änderung erfahren. Wenn daher tatsächlich eine Anpassung an geänderte Verhältnisse erfolgen soll, so müsse dies primär für die von den Waldeigentümern zu erbringende Leistung, sohin für das Ausmaß des Holzbezugs, gelten. Eine einseitige Aufwertung der Gegenleistung verkenne daher nicht nur den grundsätzlichen Rechtscharakter dieses Anerkennungszinses, sondern sei aus den dargelegten Gründen auch unsachlich, selbst wenn diese Unsachlichkeit nicht den eines den Art7 B-VG verstoßenden Regelungsexzesses erreichen sollte."

VI. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nichts ergeben, was die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Verfassungsmäßigkeit des ersten Satzes des §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes in der Fassung des ArtI Z2 der Novelle LGBl. 80/1991 zu zerstreuen vermöchte.

1. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der im Erkenntnis VfSlg. 11856/1988 dargelegten Auffassung, daß die in §10 Abs1 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes idF vor dem Inkrafttreten des Landesgesetzes LGBl. 80/1991 enthalten gewesene Festsetzung der in den Urkunden festgelegten und nicht abgelösten Gegenleistungen in der Weise, daß 1 Kreuzer österreichischer Währung 85 Groschen gleichzustellen ist, dem Gleichheitsgebot entsprach. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch nicht von der in jenem Erkenntnis vertretenen Auffassung abzugehen, daß es "sachlich geradezu geboten (ist), die seinerzeit mit einem bestimmten Geldbetrag festgesetzte Gegenleistung der heutigen Kaufkraft anzupassen, sofern nicht besondere Umstände entgegenstehen". Der Verfassungsgerichtshof vermochte in dem in Rede stehenden Erkenntnis solche Gründe nicht zu erkennen.

Es sind aber auch im Gesetzesprüfungsverfahren keine Gründe hervorgekommen, die es sachlich zu rechtfertigen vermöchten, die durch ArtI Z6 des Landesgesetzes, mit dem das Salzburger Wald- und Weideservitutengesetz 1955 geändert wird, LGBl. 59/1986, vorgenommene - vom Verfassungsgerichtshof als "sachlich geradezu geboten" erachtete - Anpassung der seinerzeit in den Urkunden mit einem bestimmten Geldbetrag festgesetzten (auch für die laufende Erhaltung und Bewirtschaftung der Wälder zu erbringenden) "Gegenleistung" (so auch §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes) an die heutige Kaufkraft wieder rückgängig zu machen.

Die mit dem Landesgesetz LGBl. 80/1991 vorgenommene Neufassung des §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes (somit insbesondere auch die des ersten Satzes dieses Paragraphen), mit der die Festsetzung der in den Urkunden festgelegten und nicht abgelösten Gegenleistungen in der Weise vorgenommen wurde, daß 1 Kreuzer (lediglich) 3,3 Groschen (statt 85 Groschen) gleichzustellen ist, geht mittelbar auf einen Initiativantrag von Abgeordneten zum Salzburger Landtag (198 BlgstenProtSbgLT, 3. Session der 10. GP) zurück, der, was die angestrebte (neuerliche) Änderung des Umrechnungsschlüssels betrifft, folgende Ausführungen enthält:

"Darüber hinaus sollte auch die in Salzburg vorgenommene Valorisierung wieder zurückgenommen und damit zu einem Umrechnungsverhältnis von 1:3,3 (Kreuzer zu Groschen) zurückgekehrt werden. Die mit der umstrittenen Novellierung von 1986 'einhergehenden Besserstellungen', etwa betreffend die Bedarfsholzentschädigung oder den möglichen Holzvorausbezug etc. sind im Grund nichts anderes, als die gesetzliche Festschreibung längst gepflogener und damit quasi gewohnheitsrechtlicher Vorgangsweisen zwischen Verpflichteten und Berechtigten. Sie stellen im übrigen keineswegs - wie wiederholt dargestellt - einen Ausgleich für die faktisch eingetretene Schlechterstellung der Eingeforsteten seit der Novellierung von 1986 dar."

Der Bericht des Verfassungs- und Verwaltungsausschusses des Salzburger Landtages zu diesem Initiativantrag

(570 BlgstenProtSbgLT, 3. Session der 10. GP) enthält zu der hier maßgeblichen Frage keinen über die Ausführungen im Antrag hinausgehenden Hinweis auf inzwischen eingetretene "besondere Umstände", die eine sachliche Rechtfertigung für die (neuerliche) Änderung des Umrechnungsschlüssels bilden könnten.

Gegen den unter anderem auch diese Änderung des Umrechnungsschlüssels enthaltenden Gesetzesbeschluß des Salzburger Landtages vom 3. Juli 1991 erhob die Bundesregierung in ihrer Sitzung am 3. September 1991 unter anderem mit der Begründung Einspruch, daß die Änderung des Umrechnungsschlüssels im Hinblick auf die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11856/1988 zum Ausdruck kommende Auffassung verfassungswidrig sei.

Auf den Einspruch der Bundesregierung folgte ein dringlicher Antrag von Abgeordneten zum Salzburger Landtag

(68 BlgstenProtSbgLT, 4. Session der 10. GP), der auf die Wiederholung des Gesetzesbeschlusses des Salzburger Landtages vom 3. Juli 1991 gerichtet war. In diesem dringlichen Antrag wird der sich auf dieses Erkenntnis berufenden Argumentation im Einspruch der Bundesregierung entgegengehalten, daß der Verfassungsgerichtshof die Anpassung der seinerzeit mit einem bestimmten Geldbetrag festgesetzten Gegenleistung an die heutige Kaufkraft nur unter der Voraussetzung als "sachlich geradezu geboten" angesehen habe, daß "nicht besondere Umstände entgegenstehen". In diesem Zusammenhang enthält der dringliche Antrag abschließend folgende Ausführungen:

"Für die betroffenen eingeforsteten Bauern wird es schon in nächster Zukunft, sollte die Drohung der Bundesforste mit einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde in die Tat umgesetzt werden, nicht zuletzt darum gehen, den Nachweis über diese 'besonderen Umstände' zu führen. Um diese neuerliche, endgültige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes herbeiführen zu können, ist ein Beharrungsbeschluß des Landtages über die Änderung des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes im obigen Sinn erforderlich."

Dem diesen dringlichen Antrag betreffenden Bericht des Verfassungsausschusses des Salzburger Landtages (69 BlgstenProt SbgLT, 4. Session der 10. GP) sind keine über den dringlichen Antrag hinausgehenden Argumente für die sachliche Rechtfertigung der Änderung des Umrechnungsschlüssels zu entnehmen.

Es liegt auf der Hand, daß somit aus den parlamentarischen Materialien keine "besonderen Umstände" zu ersehen sind, die es als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen, die mit der Novelle LGBl. 59/1986 vorgenommene, der tatsächlichen Kaufkraft entsprechende und daher - aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes - "sachlich geradezu geboten(e)" Valorisierung rückgängig zu machen und damit im Ergebnis entscheidend zu ändern. Auch die Salzburger Landesregierung hat im Gesetzesprüfungsverfahren das Vorliegen solcher "besonderer Umstände" nicht behauptet.

Dem Landesgesetzgeber war es, wie im Erkenntnis VfSlg. 11856/1988 unter Zitierung der Erläuterungen zur Regierungsvorlage näher dargelegt, bei der Erlassung der Novelle LGBl. 59/1986 nicht um eine Änderung des durch die Urkunden festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung, sondern im Gegenteil darauf angekommen, durch Berücksichtigung der seit Errichtung der Urkunden eingetretenen "allgemeinen Geldwertentwicklung" dieses Verhältnis wieder herzustellen. Daß der Eintritt besonderer Umstände gerade die mit der Novelle LGBl. 80/1991 vorgenommene Veränderung dieses Verhältnisses (also nicht lediglich eine Anpassung an eine Änderung der Kaufkraft) sachlich gebieten würde, ist im Gesetzesprüfungsverfahren nicht hervorgekommen.

2. Somit erweist sich der in Prüfung gezogene erste Satz des §10 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes idF des ArtI Z2 des Landesgesetzes LGBl. 80/1991 aus den dargelegten Gründen mangels sachlicher Rechtfertigung als mit dem Gleichheitsgrundsatz in Widerspruch stehend. Er war darum aufzuheben.

3. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 B-VG. Nach dem ersten Satz dieser Bestimmung treten, wenn durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben wird, mit dem Tag des Inkrafttretens der Aufhebung, falls das Erkenntnis nicht anderes ausspricht, die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Wirksamkeit, die durch das vom Verfassungsgerichtshof als verfassungwidrig erkannte Gesetz aufgehoben worden waren. Im vorliegenden Fall ist dies §10 erster Satz des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Landesgesetzes LGBl. 80/1991, somit in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. 59/1986 und der Kundmachung der Salzburger Landesregierung vom 25. Juli 1986, LGBl. 74, über die Wiederverlautbarung des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes.

Der Ausspruch, daß die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, beruht auf Art140 Abs4 zweiter Satz B-VG.

Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt beruht auf Art140 Abs5 B-VG, die Verpflichtung zur Verlautbarung, ob und welche Bestimmungen wieder in Kraft treten, auf Art140 Abs6

B-VG.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bodenreform, Servitutenregulierung, Holzbezugsrechte, Wald- und Weideservituten, Wertanpassung, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G130.1993

Dokumentnummer

JFT_10068790_93G00130_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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