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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 13. Jänner 1994, Zl. 8.1. Li 51/93, betreffend Erteilung einer Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Dipl. Ing. L in J), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Eingabe vom 11. November 1993 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer unbefristeten Rodungsbewilligung. Durch die beantragte Rodung solle
1. eine geeignete Fläche zur Ausbringung des Feinstmaterials aus der Geschieberückhaltesperre des an das gegenständliche Grundstück angrenzenden P.-Baches bereitgestellt werden,
2. eine geeignetere Grünfläche geschaffen werden, nämlich annähernd quadratisch anstelle eines im Norden gelegenen Rechteckes mit einem länger beschatteten Streifen,
3. statt eines sekundären Erlenbuschwaldes ein flächengleicher Nadelbaummischwald mit höherer Artenvielfalt und höherer Wertleistung nördlich von der Rodungsfläche gepflanzt werden.
Die belangte Behörde holte Befund und Gutachten eines Amtssachverständigen für Forsttechnik ein. Dieser legte dar, die beantragte Rodung stelle eigentlich nur eine annähernd flächengleiche Umschichtung bestehenden Waldes in Wiese bzw. nördlich bestehender Wiese in Wald dar. Das Gesamtvorhaben diene vor allem der Waldverbesserung als auch der Anlage einer verbesserten Wiese zur Gewinnung von Wildheu für die Eigenjagd P.. Bei Vorliegen eines höherwertigen öffentlichen Interesses könne die beantragte Rodung unter näher bestimmten Auflagen durchgeführt werden.
Weiters holte die belangte Behörde die Stellungnahme eines Vertreters der Wildbach- und Lawinenverbauung ein. Dieser erklärte, durch die geplante Maßnahme gehe keine Waldfläche verloren, sodaß keine Verschlechterung des Wasserhaushaltes im Einzugsgebiet zu erwarten sei. Da die Maßnahme die regelmäßige Räumung des Geschiebefanges begünstige, würden seitens der Wildbach- und Lawinenverbauung keine Einwände erhoben, umsomehr als die Räumung im öffentlichen Interesse liege und dadurch die Funktion der anschließenden Ausbaustrecke des P.-Baches gewährleistet werde.
Die Gemeinde M. erklärte sich in ihrer Stellungnahme mit dem geplanten Vorhaben vollinhaltlich einverstanden, weil das Ausschotterungsbecken auf diese Art ständig durch die Räumung in Funktion gehalten werde und die Verbauung bzw. Regulierung des P.-Baches ihre Aufgabe erfüllen könne.
Mit Bescheid vom 13. Jänner 1994 erteilte die belangte Behörde unter Vorschreibung bestimmter Bedingungen und Auflagen die beantragte Rodungsbewilligung zu dem Zweck der Schaffung einer landwirtschaftlichen Nutzfläche. Nach Wiedergabe des als Feststellungen deklarierten Inhaltes des Rodungsantrages und des forsttechnischen Amtssachverständigengutachtens sowie der Wiedergabe der Stellungnahmen des Vertreters der Wildbach- und Lawinenverbauung und der Gemeinde M. führte die belangte Behörde in ihrer Begründung aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die Rodung bzw. die Ersatzaufforstung in kleinen Etappen erfolge, sodaß ein reichlicher strukturierter Ersatzwald entstehe. Gleichzeitig werde es der in der älteren Wiese angesiedelten Artenvielfalt erleichtert, auf dem frisch begrünten Teil Fuß zu fassen. Durch die angebotene Ersatzaufforstung im gleichen Flächenausmaß wie die geplante Rodung werde der Waldboden nicht geschmälert. Es finde lediglich eine örtliche Verlagerung von Wiesen- und Waldflächen statt, wobei in qualitativer Hinsicht wesentliche Verbesserungen vorgenommen werden sollten. Aus den angeführten Gründen könne spruchgemäß entschieden werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 170 Abs. 8 ForstG gestützte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 ForstG zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.
Gemäß § 19 Abs. 11 ForstG sind Bescheide, mit denen eine Rodungsbewilligung erteilt wird, auch dann zu begründen, wenn dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Die Beschwerde bringt im wesentlichen vor, der maßgebliche Rodungszweck werde im Rodungsantrag, in der Rodungsverhandlung und im angefochtenen Bescheid widersprüchlich dargelegt. Soweit von der belangten Behörde öffentliche Interessen der Agrarstrukturverbesserung oder der Jagdwirtschaft angenommen würden, habe sie es unterlassen, entsprechende agrartechnische oder jagdfachliche Gutachten zur Feststellung derartiger öffentlicher Interessen einzuholen. Eine fachlich fundierte Darlegung, inwieweit das gegenständliche Rodungsprojekt überhaupt im öffentlichen Interesse gelegen sei, lasse sich aus dem gesamten Ermittlungsverfahren nicht entnehmen. Auch aus dem forsttechnischen Amtssachverständigengutachten seien in keiner Weise öffentliche Interessen der Agrarstrukturverbesserung oder der Jagdwirtschaft ableitbar.
Damit ist die Beschwerde im Recht.
§ 17 ForstG verpflichtet die Forstbehörde zu einer Interessenabwägung. Eine solche Interessenabwägung setzt voraus, daß festgestellt wird, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche besteht und welches Ausmaß das öffentliche Interesse an der Walderhaltung aufweist. Im Zuge der von § 17 ForstG vorgeschriebenen Interessenabwägung ist auch zu prüfen, ob für das Vorhaben die Inanspruchnahme von Waldflächen überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang erforderlich ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Dezember 1994, Zl. 94/10/0136 mwN). Im angefochtenen Bescheid fehlen entsprechende Feststellungen und eine darauf aufbauende Interessenabwägung. Feststellungen, auf deren Grundlage das Gewicht des Interesses an der Walderhaltung beurteilt werden könnte, fehlen zur Gänze. Ebensowenig kann der Begründung des angefochtenen Bescheides mit Sicherheit entnommen werden, in welcher Verwendung der Waldfläche nach den Annahmen der belangten Behörde das die Interessen an der Walderhaltung übersteigende öffentliche Interesse bestehen soll.
Der im Spruch des Bescheides angeführte Zweck der Schaffung einer landwirtschaftlichen Nutzfläche deutet zunächst auf ein in der Agrarstrukturverbesserung gelegenes öffentliches Interesse hin. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein in der Agrarstrukturverbesserung gelegenes öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche dann zu bejahen, wenn die Rodung eine Maßnahme darstellt, die für die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung dieses Betriebes oder dem gleichermaßen bedeutsamen Blickwinkel der Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig ist (vgl. die Erkenntnisse vom 19. Oktober 1992, Zl. 92/10/0141 und vom 30. Mai 1994, Zl. 92/10/0458). Konkrete Sachverhaltsfeststellungen, auf deren Grundlage ein in der Agrarstrukturverbesserung gelegenes öffentliches Interesse an der Rodung angenommen werden könnte, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Dem ist hinzuzufügen, daß die Forstbehörde, wenn sich die Frage der Agrarstrukturverbesserung stellt, nach § 19 Abs. 6 lit. b ForstG verpflichtet ist, die in Angelegenheiten der Bodenreform zuständige Agrarbezirksbehörde zu hören und erforderlichenfalls das Gutachten eines landwirtschaftlichen Sachverständigen einzuholen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Oktober 1992, Zl. 92/10/0141, und die dort zitierte Vorjudikatur). Dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde nach Ausweis der Verwaltungsakten nicht nachgekommen.
Dem Hinweis der Gegenschrift, das öffentliche Interesse an einer anderen Verwendung der Waldfläche als zur Waldkultur bestehe im öffentlichen Interesse an der Räumung des P.-Baches, ist zu erwidern, daß der angefochtene Bescheid keine konkreten Sachverhaltsfeststellungen enthält, die die Beurteilung tragen könnte, an der Räumung des P.-Baches unter Verwendung von Waldflächen bestehe ein im Wasserbau gelegenes öffentliches Interesse, das das Interesse an der Walderhaltung auf den betreffenden Flächen übersteige.
Ebensowenig zielführend ist im vorliegenden Zusammenhang der Hinweis, im Hinblick auf die angebotene Ersatzaufforstung werde durch die Rodung insgesamt kein Verlust an Waldflächen eintreten. Die geltende Rechtslage läßt es nicht zu, vom Erfordernis des Überwiegens der anderweitigen öffentlichen Interessen über das Interesse an der Walderhaltung (§ 17 Abs. 2 ForstG) im Hinblick auf das Angebot einer Ersatzaufforstung abzusehen; der Frage einer Ersatzaufforstung kommt im Hinblick auf § 18 ForstG erst im Fall der Bewilligung Bedeutung zu (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 11. November 1991, Zl. 91/10/0113).
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Schlagworte
Amtssachverständiger Person Verneinung Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994100055.X00Im RIS seit
20.11.2000