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24/01 StrafgesetzbuchNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Teilen einer Bestimmung des StGB betreffend staatsfeindliche Verbindungen mangels Darlegung und Zuordnung der Bedenken; keine Geltendmachung von Vollzugsmängeln im NormenprüfungsverfahrenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG begehrt der Antragsteller,
"1. die Wortfolgen in §246 Abs2 StGB (BGBl Nr 60/1974, idF BGBl I Nr 112/2015) 'sich in einer solchen Verbindung führend betätigt,' und 'oder sie mit Geldmitteln oder sonst in erheblicher Weise unterstützt';
in eventu
2. die Wortfolgen in §246 Abs2 StGB (BGBl Nr 60/1974, idF BGBl I Nr 112/2015) 'sich in einer solchen Verbindung führend betätigt,' und 'oder sie mit Geldmitteln oder sonst in erheblicher Weise unterstützt',
sowie 3. den Abs3 des §246 StGB (BGBl Nr 60/1974, idF BGBl I Nr 112/2015);
in eventu
4. den Abs2 des §246 StGB (BGBl Nr 60/1974, idF BGBl I Nr 112/2015),
sowie 5. den Abs3 des §246 StGB (BGBl Nr 60/1974, idF BGBl I Nr 112/2015);
in eventu
6. §246 StGB (BGBl Nr 60/1974, idF BGBl I Nr 112/2015),
sowie 7. §247 StGB (BGBl Nr 60/1974, idF BGBl I Nr 112/2015)"
als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
§246 des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl 60/1974 idF BGBl I 112/2015 lautet wie folgt (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Vorschriften sind hervorgehoben):
"Staatsfeindliche Verbindungen
§246. (1) Wer eine Verbindung gründet, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer sich in einer solchen Verbindung führend betätigt, für sie Mitglieder wirbt oder sie mit Geldmitteln oder sonst in erheblicher Weise unterstützt.
(3) Wer an einer solchen Verbindung sonst teilnimmt oder sie auf eine andere als die im Abs2 bezeichnete Weise unterstützt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen."
III. Sachverhalt und Antragsvorbringen
Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Der Antragsteller wurde mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 25. Jänner 2022 wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach §246 Abs2 erster, dritter und vierter Fall StGB zu einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe verurteilt.
2. Der Antragsteller erhob gegen dieses Urteil die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (§§280 ff StPO) und aus deren Anlass den vorliegenden Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG.
3. Der Antragsteller schildert zunächst "strafrechtsdogmatische Probleme" des §246 StGB und meint, dass nach der Lehre von der objektiven Zurechnung eine Bedingung für die Strafbarkeit die sozialinadäquate Gefährlichkeit des Handelns des Täters sei. Liege somit ein Verhalten innerhalb des erlaubten Risikos, sei es sozialadäquat und der Handelnde dafür strafrechtlich nicht verantwortlich. Diesem Maßstab entspreche §246 StGB nicht, weil das konkrete, im Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz inkriminierte Verhalten des Antragstellers sozialadäquat gewesen sei. Der Gesetzgeber sei aber verpflichtet, neutrale und alltägliche Handlungen straffrei zu lassen.
4. Dem folgen allgemeine Ausführungen des Antragstellers zum einfachgesetzlichen (§1 Abs1 StGB) und verfassungsrechtlichen (Art18 B-VG, Art7 EMRK) Gebot der Bestimmtheit von Normen, insbesondere von Normen des materiellen Strafrechts.
IV. Zulässigkeit
Der Antrag ist unzulässig:
1. Gemäß §62 Abs1 VfGG hat ein Antrag gemäß Art140 B-VG die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, mithin dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl zB VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006; speziell zum Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG VfGH 2.7.2015, G16/2015; 2.7.2015, G145/2015; 18.2.2016, G642/2015). Es ist somit nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg 17.099/2003, 17.102/2003, 19.825/2013, 19.832/2013, 19.870/2014, 19.938/2014). Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit müssen daher in überprüfbarer Art und präzise ausgebreitet werden (zB VfSlg 11.150/1986, 13.851/1994, 14.802/1997, 19.933/2014).
2. Diesem Erfordernis entspricht der vorliegende Antrag nicht:
2.1. Die allgemeinen Ausführungen des Antragstellers zur Sozialadäquanz beziehen sich auf eine Figur der Rechtsdogmatik, wonach Straftatbestände dahingehend einschränkend auszulegen seien, dass sozialadäquates Verhalten von der Strafbarkeit ausgeschieden werde. Es handelt sich dabei also um eine Frage der Auslegung des einfachen Gesetzesrechts, zu deren Beurteilung der Verfassungsgerichtshof nicht berufen ist. Bedenken dahingehend, dass es dem einfachen Gesetzgeber von Verfassungs wegen verwehrt wäre, die in §246 StGB beschriebenen Handlungen strafrechtlich zu sanktionieren, werden vom Antragsteller nicht erhoben.
2.2. Beim Vorbringen des Antragstellers, wonach sein im Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz inkriminiertes Verhalten sozialadäquat gewesen sei, handelt es sich um Bedenken gegen die Auslegung des §246 StGB durch ein ordentliches Gericht. Vollzugsbedenken können aber nicht mit einem Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B-VG geltend gemacht werden (VfSlg 20.271/2018, 20.279/2018).
2.3. Was nun die Ausführungen des Antragstellers zu Art18 B-VG und Art7 EMRK angeht, so handelt es sich dabei lediglich um eine abstrakte Schilderung der Verfassungsrechtslage. Konkrete Bedenken, welche Stellen des angefochtenen §246 StGB zu unbestimmt seien und warum dies der Fall sei, werden vom Antragsteller hingegen nicht geäußert. Dem Verfassungsgerichtshof ist es daher mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen (§62 Abs1 VfGG) verwehrt, auf den vorliegenden Antrag inhaltlich einzugehen.
3. Anträge nach Art140 B-VG, die keine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Norm sprechenden Bedenken im Einzelnen enthalten (§62 Abs1 VfGG), sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht verbesserungsfähig (§18 VfGG) und als unzulässig zurückzuweisen (zB VfSlg 11.150/1986, 13.851/1994, 14.802/1997, 19.933/2014).
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Strafrecht, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Bedenken, VfGH / FormerfordernisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G124.2022Zuletzt aktualisiert am
14.12.2022