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E000 EU- Recht allgemeinNorm
ArbVG §146 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Holzinger als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des Personalamts Graz der Österreichischen Post AG in Graz, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2022, W122 2238123-1/8E, betreffend Anrechnung von Ruhepausen auf die Dienstzeit und Abgeltung von Mehrdienstleistungen (mitbeteiligte Partei: G T in P, vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Neubaugasse 24), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichische Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. Mit Eingabe vom 5. März 2020 beantragte er die Feststellung, dass er im Zeitraum 1. März 2017 bis 30. November 2019 zu bezahlende Ruhepausen bzw. daraus resultierende Überstundenleistungen im Ausmaß von 240,5 Stunden geleistet habe.
2 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom 16. September 2020 wurde dieser Antrag abgewiesen.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses gab der Beschwerde statt und stellte fest, dass der Mitbeteiligte im Zeitraum vom 1. März 2017 bis zum 30. November 2019 Mehrdienstleistungen im Ausmaß von 238,5 Stunden erbracht habe, die ihm als Überstunden abzugelten seien (die Reduktion des verfahrensgegenständlichen Ausmaßes der Mehrdienstleistungen von ursprünglich 240,5 Stunden auf 238,5 Stunden wurde im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vom Mitbeteiligten außer Streit gestellt). Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht unter Berufung auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass die Ruhepause gemäß § 48b BDG 1979 Teil der Dienstzeit und auf die Tagesdienstzeit anzurechnen sei. Dies hätte der Verwaltungsgerichtshof auch bereits bei einer Dienstplangestaltung in zwei getrennte Dienstleistungsblöcke so festgehalten. Auch wies das Bundesverwaltungsgericht auf den klaren Wortlaut des § 48b Beamten-Dienstrechtsgesetz (BDG 1979) hin, der den Anspruch auf eine Ruhepause nicht davon abhängig mache, dass sechs Stunden Dienst pro Tag ununterbrochen geleistet würden. Vielmehr werde ausdrücklich auf die „Gesamtdauer“ der Tagesdienstzeit abgestellt, die als Dienstzeit innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von 24 Stunden definiert werde. Zu dem Umstand, dass die Bestimmungen der §§ 48 ff BDG 1979 nicht durch Betriebsvereinbarung mit Wirksamkeit für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis modifiziert werden könnten, verwies das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls auf einschlägige Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision beruft sich die revisionswerbende Partei zunächst darauf, dass in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geklärt sei, ob ein gesetzlicher Anspruch auf Einräumung einer Ruhepause gemäß § 48b BDG 1979 innerhalb der Dienstzeit bestehe, wenn die angeordnete Tagesdienstzeit acht Stunden, die in zwei Dienstzeitblöcke (mit jeweils weniger als 6 Stunden) mit einer dazwischen liegenden Zeit von zumindest 30 Minuten geteilt ist, betrage.
8 Dazu genügt es darauf hinzuweisen, dass der Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 48b BDG 1979 Sachverhalte zu Grunde lagen, in denen zwischen zwei Dienstzeitblöcken angeordnete „Dienstzeitunterbrechungen“ vorgesehen waren, und der Verwaltungsgerichtshof gerade zu diesen Konstellationen die Verpflichtung zur Gewährung einer halbstündigen Pause innerhalb der Dienstzeit bejaht hat (vgl. insbesondere VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0051 und 8.3.2018, Ra 2017/12/0133).
9 Auch durch den Hinweis auf die Erläuterungen zu § 48b BDG 1979 und die bezughabenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den zitierten Entscheidungen lässt sich für die revisionswerbende Partei nichts gewinnen. Die revisionswerbende Partei geht davon aus, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung die Qualifikation von Ruhepausen als Teil der Dienstzeit unter Berufung auf die Erläuterungen zu § 48b BDG 1979 damit begründet habe, dass dies „in Bereichen mit einem Normaldienstplan“ der bis zum Inkrafttreten der Novelle, mit der § 48b BDG 1979 eingeführt worden sei, geübten Praxis entsprochen habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber, wenn er von dieser Praxis hätte abgehen und verfügen wollen, dass die bislang gewährte Mittagspause nunmehr als Ruhepause nicht mehr auf die regelmäßige Wochendienstzeit anzurechnen sei, was zu einer Verschiebung des Endes der nach dem Normaldienstplan zu versehenden Dienstzeit um eine halbe Stunde geführt hätte, diese tiefgreifende Änderung zumindest in den Materialien hervorgehoben worden wäre. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes wäre es nahegelegen, diesen (für den Bund positiven) budgetären Effekt hervorzukehren. In weiterer Folge geht die revisionswerbende Partei davon aus, dass fallbezogen keine solche Konstellation vorliege, in der die Gewährung einer Ruhepause außerhalb der Dienstzeit zu einer Verschiebung des Endes der Dienstzeit führen würde. Deshalb meint sie, der Gesetzgeber hätte, wenn er auch insoweit hätte anordnen wollen, dass die Ruhepause in der Dienstzeit zu gewähren sei, in den Erläuterungen darauf hingewiesen, dass bisher nicht bezahlte Ruhepausen künftig als Mehrdienstleistungen abzugelten seien.
10 Mit diesen Ausführungen übersieht die revisionswerbende Partei jedoch zunächst, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem Beschluss vom 21. Oktober 2016, Ra 2015/12/0051, bereits dargetan hat, dass die angesprochene Stelle in den Materialien dahin zu verstehen ist, dass darin „Bereiche mit Normaldienstplan“ „Bereichen mit durchgehender Dienstzeit“ gegenüber gestellt werden. Dabei bezieht sich der Begriff „durchgehende Dienstzeit“ nicht auf die Dienstzeit des individuellen Beamten, sondern auf den „Bereich“. Anderenfalls wäre nicht einzusehen, inwiefern eine „durchgehende Dienstzeit“ vorläge, wenn mehrere kürzere Pausen gewährt werden. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist aber klar, dass die Regelung des § 48b BDG 1979 bereits nach dem im zitierten Beschluss zum Ausdruck kommenden Verständnis des Verwaltungsgerichtshofes in dem Sinn zu verstehen ist, dass jedenfalls bei einer Gesamtdauer der Tagesdienstzeit von mehr als sechs Stunden eine Ruhepause von einer halben Stunde als Teil der Dienstzeit einzuräumen ist, wobei diese - je nach den betrieblichen Erfordernissen - im Rahmen eines „Normaldienstplanes“ als durchgängige halbstündige Pause gewährt werden kann oder - bei durchgehender Dienstzeit“ in Gestalt zweier oder dreier entsprechend kürzerer Ruhepausen.
11 Weiters wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision behauptet, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, ob der gesetzliche Anspruch auf Einräumung der Ruhepause gemäß § 48b BDG 1979 auch dann bestehe, wenn eine auf der Grundlage von Bescheiden der Schlichtungsstelle erlassene Betriebsvereinbarung Gegenteiliges vorsehe.
12 Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass Betriebsvereinbarungen bei Kollision mit zweiseitig oder absolut zwingenden Gesetzesbestimmungen niemals, bei einseitig zwingendem Gesetz nur bei Günstigkeit durchzudringen vermögen. Die Bestimmungen der §§ 48 ff BDG 1979 könnten daher durch Betriebsvereinbarungen nicht mit Wirksamkeit für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis modifiziert werden (vgl. VwGH 28.4.2022, Ra 2020/12/0073, mwN).
13 Anders als die revisionswerbende Partei unterstellt, geht aus dieser Rechtsprechung nicht hervor, dass die darin getroffenen grundlegenden Aussagen über das Verhältnis von Betriebsvereinbarungen und öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen auf solche Betriebsvereinbarungen beschränkt sind, die auf eine bestimmte Art zustande gekommen sind, und deshalb unklar ist, ob sie auch für Betriebsvereinbarungen gelten, bezüglich derer die Zustimmung des Betriebsrates durch Entscheidung einer Schlichtungsstelle nach § 146 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) substituiert wurde. Vielmehr gelten solche Entscheidungen nach der ausdrücklichen Anordnung des § 146 Abs. 2 ArbVG „als Betriebsvereinbarungen“, durch die folglich gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzlich zwingend zuerkannte Rechtspositionen nicht verschlechtert werden können.
14 Schließlich wird zur Begründung der Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführt, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, dass Mehrdienstleistungen über die im Dienstplan vorgesehenen acht Stunden hinaus angeordnet worden und alle der in § 49 Abs. 1 Z 1 bis 4 BDG 1979 normierten Voraussetzungen (kumulativ) vorgelegen seien. Es wird dargetan, dass das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, wonach für die Gebührlichkeit von Nebengebühren die tatsächliche Erbringung der anspruchsbegründenden Leistung maßgeblich sei.
15 Dazu ist festzuhalten, dass die Anordnung der Mehrdienstleistungen gegenständlich schon durch die Festlegung einer Tagesdienstzeit (in Dienstblöcken) von mehr als acht Stunden erfolgte. Unter Einbeziehung einer halbstündigen Ruhepause gemäß § 48b BDG 1979 ergibt sich daher, dass jeweils zumindest die letzte halbe Stunde der angeordneten Dienstzeit eine angeordnete Mehrdienstleistung darstellte (vgl. dazu wiederum VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0051). Insoweit bedurfte es weder Feststellungen zum kumulativen Vorliegen der in § 49 Abs. 1 Z 1 bis 4 BDG 1979 genannten Voraussetzungen noch ist erkennbar, dass das Verwaltungsgericht von der von der revisionswerbenden Partei angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG unter Abstandnahme von einer Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 9. November 2022
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022120042.L00Im RIS seit
09.12.2022Zuletzt aktualisiert am
13.12.2022