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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AsylG 2005 §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr.in Gröger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des G K, vertreten durch Dr. Clemens Jaufer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 15/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 2022, L515 2121995-2/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Georgien, stellte am 26. März 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 erkannte ihm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) - im zweiten Rechtsgang - den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung, welche mit Bescheid vom 10. Februar 2020 bis zum 3. Februar 2022 verlängert wurde.
3 Mit Bescheid vom 22. März 2022 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers vom 15. Dezember 2021 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ab (Spruchpunkt II.) und erkannte ihm zugleich den Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig sei und legte eine Frist für seine freiwillige Ausreise fest.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
5 Begründend hielt das BVwG zusammengefasst fest, dem Revisionswerber sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund seines Gesundheitszustands - Diabetes Typ I und einer sich daraus ergebenden Notwendigkeit der Dialyse - zuerkannt worden. Nach der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung sei am 18. Juli 2020 eine kombinierte Nieren-Pankreastransplantation durchgeführt worden und der Revisionswerber sei seitdem nicht mehr von einer Dialyse abhängig. Dies stelle eine maßgebliche Änderung der Voraussetzungen für den subsidiären Schutzstatus im Sinn des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dar. Die medizinische Grundversorgung in Georgien sei flächendeckend gewährleistet. Die transplantierte Pankreas habe zwar wieder entfernt werden müssen, wodurch der Körper kein Insulin mehr produzieren könne, Zugang zu Insulin sei in Georgien aber gegeben. Für Bedürftige sei die Übernahme von Behandlungskosten durch den Staat auf Antrag möglich, die Kosten für die Behandlung von Diabetes und von Immunsuppressiva würden zur Gänze vom Staat übernommen. Der Revisionswerber habe Zugang zum Sozialsystem und es bestünde die Möglichkeit, ein Unterstützungsprogramm für Rückkehrer in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus könne der Revisionswerber zumindest Gelegenheitsjobs annehmen. Er verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte, könnte seine Existenzgrundlage im Heimatstaat jedoch auch ohne diese sichern.
6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG sei von der näher dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 abgewichen und habe keine „ganzheitliche Bewertung“ der individuellen Situation des Revisionswerbers im Vergleich zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung seines Aufenthaltsrechts vorgenommen. Zwar habe der Revisionswerber eine Nieren-Pankreastransplantation erhalten, es komme aber nicht auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses an. Die sonstigen Umstände hätten sich jedoch in keiner Weise gebessert. Die Erkrankung insgesamt - und nicht bloß die Tatsache, dass der Revisionswerber Dialysepatient gewesen sei - seien für die ursprüngliche Gewährung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend gewesen. Darüber hinaus habe das BVwG aktenwidrig angenommen, dass der Revisionswerber nicht invalide und arbeitsfähig sei und über familiären Rückhalt in seiner Heimat verfüge. Seine Existenz sei in Georgien nicht gesichert.
7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Schutzstatus (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht mehr vorliegen. Das Heranziehen dieses Tatbestands setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0097, mwN).
12 Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich dabei auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. VwGH 9.12.2020, Ra 2020/18/0449, mwN).
13 Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass das BVwG, das die Änderung der Umstände überwiegend auf den Zugang zu Medikamenten sowie den Wegfall der Dialyse und die sich dadurch ergebenden Möglichkeiten des Revisionswerbers, einem zumindest zeitweisen Erwerb nachzugehen, stützte, von den rechtlichen Leitlinien der hg. Rechtsprechung abgewichen wäre. Zu den noch vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen des Revisionswerbers legte das BVwG weiter dar, dass ihm eine entsprechende Behandlung zugänglich sei und deren Kosten übernommen werden würden. Ergänzend wies das BVwG auf soziale Unterstützungsmöglichkeiten hin und kam insgesamt zum Ergebnis, dass der Revisionswerber nunmehr bei seiner Rückkehr seine Existenzgrundlage sichern könne.
14 Soweit die Revision Aktenwidrigkeit geltend macht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine solche nur dann vor, wenn sich die Behörde bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die aufgrund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. etwa VwGH 12.9.2022, Ra 2022/18/0202, mwN).
15 Die Revision bringt vor, es sei aktenwidrig, dass der Revisionswerber nicht invalide und arbeitsfähig sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass selbst wenn der Revisionswerber eine georgische Invaliditätspension aufgrund seiner Diabetes bezieht, die Annahme des BVwG, wonach der Revisionswerber eine Beschäftigung bzw. Gelegenheitsjobs annehmen könne, ausgehend von seinen eigenen Angaben, dass er in Österreich eine Arbeit finden wolle und lediglich keine physisch schweren Tätigkeiten erledigen könne, dem Akteninhalt nicht entgegensteht.
16 Sofern sich die Revision im Übrigen gegen die Feststellung wendet, der Revisionswerber verfüge bei seiner Rückkehr über familiären Rückhalt, ist auf die Entscheidungsgründe des BVwG zu verweisen, wonach der Revisionswerber seine Existenz auch ohne diesen familiären Rückhalt sichern könne. Die Relevanz des behaupteten Begründungsmangels für das Ergebnis des Verfahrens vermag die Revision damit nicht darzutun.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. November 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022180203.L00Im RIS seit
09.12.2022Zuletzt aktualisiert am
14.12.2022