Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Röder, über die Revision 1. des I M in W, und 2. der mj. A M in S, beide vertreten durch die Lindner Stimmler Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4/1/29, gegen das am 29. Juni 2022 mündlich verkündete und am 19. Juli 2022 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zlen. 1. VGW-152/071/4300/2022-32 und 2. VGW-152/071/4301/2022, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der Antrag des Erstrevisionswerbers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) sowie der Antrag der Zweitrevisionswerberin (der Tochter des Erstrevisionswerbers) auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 17 und 18 StbG abgewiesen.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Erstrevisionswerber, ein in Österreich als Flüchtling anerkannter Staatsangehöriger der Russischen Föderation, sei in den Jahren 2014 bis 2022 in insgesamt zehn näher genannten Fällen wegen Übertretungen des KFG (nämlich der „schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen“ des Hantierens während der Fahrt mit dem Handy, der Überlassung eines fremden Kraftfahrzeuges an einen Dritten ohne Zustimmung des Zulassungsbesitzers und der Nichterteilung der Lenkerauskunft), der StVO (u.a. der „schwerwiegenden Verwaltungsübertretung“ der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 12 km/h) sowie der Parkometerabgabeverordnung der Stadt W bestraft worden. Weiters seien im Jahr 2021 gegen ihn polizeiliche Ermittlungen wegen des Verdachts des Sozialleistungsbetrugs geführt worden, von denen in weiterer Folge - nach Bezahlung der Schadenssumme an das AMS W durch den Erstrevisionswerber - Abstand genommen worden sei [nach den Revisionsausführungen wurde das von der Staatsanwaltschaft W dazu gegen den Erstrevisionswerber wegen § 146 StGB geführte Ermittlungsverfahren mit Beschluss vom 20. Juli 2021 eingestellt]. Zudem würden gegen den Erstrevisionswerber seitens der Staatsanwaltschaft W Ermittlungen wegen des Verdachts der Gründung oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs. 1 StGB) geführt. Weiters habe die LPD W mit Bericht vom 2. Mai 2022 mitgeteilt, dass betreffend den Erstrevisionswerber ein Rechtshilfeersuchen der Kriminalpolizei München wegen „Raub Erpressung“ und beim LPK S eine Anzeige wegen Einbruchsdiebstahls (§ 129 StGB) vorlägen.
Für den Erstrevisionswerber könne eine positive Zukunftsprognose derzeit nicht erstellt werden.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. für viele etwa VwGH 30.3.2022, Ra 2021/01/0103, mwN).
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass dem Erfordernis der gesonderten Darlegung von in § 28 Abs. 3 VwGG geforderten Gründen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, nicht entsprochen wird, wenn eine außerordentliche Revision die Ausführungen zur Begründetheit der Revision wortident auch als Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision enthält (vgl. etwa VwGH 11.12.2018, Ra 2017/01/0111; 26.6.2019, Ra 2019/01/0219; 8.6.2022, Ra 2021/11/0101; 6.10.2022, Ra 2022/01/0291, jeweils mwN).
8 Die vorliegende Revision enthält unter der Überschrift „2. Zur Zulässigkeit der Revision“ umfangreiche Ausführungen, die ihrem Inhalt nach sowohl Zulässigkeits- als auch Revisionsgründe darstellen und die zudem unter der Überschrift „4. Rechtswidrigkeit des Inhalts“ - abgesehen von unwesentlichen Abweichungen - wörtlich wiederholt werden.
9 Die gegenständliche Revision ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt. Ein Mängelbehebungsauftrag ist in einem solchen Fall nicht geboten (vgl. abermals VwGH Ra 2022/01/0291, mwN).
10 Abgesehen davon, dass sich die Revision bereits deshalb als unzulässig erweist, sei noch bemerkt, dass das Verwaltungsgericht von der zum Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen ist; es hat vielmehr das Gesamtverhalten des Erstrevisionswerbers, von dem bei der Prüfung der Voraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung auszugehen ist, nach den Leitlinien dieser Rechtsprechung berücksichtigt (vgl. etwa bereits VwGH 3.9.1997, 96/01/0810, wonach die in wiederholten Bestrafungen wegen Verstößen gegen die StVO und das KFG zum Ausdruck kommende Beharrlichkeit als besonders schwerwiegender Gesichtspunkt für die Beurteilung des Gesamtverhaltens zu werten ist; vgl. weiters VwGH 24.3.2022, Ra 2022/01/0079, betreffend Tathandlungen, die auf den unrechtmäßigen Bezug von Leistungen der öffentlichen Hand abzielen, konkret: Berücksichtigung eines nach § 146 StbG geführten Strafverfahrens, bzw. allgemein zur Berücksichtigung [auch] von Taten, hinsichtlich derer es zur Verfahrenseinstellung kommt; vgl. generell zum „strengen Maßstab“, der bei der Prüfung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG anzulegen ist, etwa VwGH 2.6.2022, Ra 2022/01/0034 und Ra 2022/01/0146, jeweils mwN; vgl. schließlich zur einzelfallbezogenen Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG durch das Verwaltungsgericht, die vom Verwaltungsgerichtshof nur im Falle einer krassen bzw. unvertretbaren Fehlbeurteilung aufzugreifen ist, etwa VwGH 22.7.2019, Ra 2019/01/0258; 18.3.2022, Ra 2022/01/0056, jeweils mwN).
11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 10. November 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010305.L00Im RIS seit
12.12.2022Zuletzt aktualisiert am
14.12.2022