TE OGH 2022/11/23 13Ns71/22b

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Veröffentlicht am 23.11.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Buttinger in der Strafvollzugssache des * V* in dem zu AZ 26 BE 30/22v des Landesgerichts Innsbruck und zu AZ 183 BE 129/22m des Landesgerichts für Strafsachen Wien zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren über die bedingte Entlassung des * V* aus Freiheitsstrafen nach § 46 Abs 1 StGB ist vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu führen.

Text

Gründe:

[1]       * V* verbüßt derzeit zwei mit Urteilen des Landesgerichts Innsbruck vom 3. Februar 2022, AZ 35 Hv 112/21x, und vom 30. Mai 2022, AZ 37 Hv 145/18k, über ihn verhängte Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von 20 Monaten. Das errechnete Strafende fällt auf den 28. Juli 2023 (ON 1 S 6 f).

[2]       Diese Strafen wurden zunächst in der Justizanstalt Innsbruck vollzogen (ON 1).

Rechtliche Beurteilung

[3]       Mit Bescheid vom 2. August 2022, GZ 179631/01-II3/2022, gab die Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz dem Ansuchen des Strafgefangenen um Änderung des Vollzugsorts Folge (ON 6 S 7 ff). Unter einem ordnete sie gemäß § 10 StVG die Zuständigkeit der Justizanstalt Wien-Simmering für den weiteren Vollzug der über * V* verhängten Freiheitsstrafe[n] an und ersuchte die Leitung der Justizanstalt Innsbruck um Veranlassung der Überstellung in die Justizanstalt Wien-Simmering sowie die Leitung der Justizanstalt Wien-Simmering um Fortsetzung des Strafvollzugs (ON 6 S 5).

[4]            Der Genannte wurde am 7. September 2022 zunächst in die Justizanstalt Wien-Josefstadt und sodann am 8. September 2022 in die Justizanstalt Wien-Simmering überstellt (ON 16).

[5]       Bereits am 30. August 2022 waren beim Landesgericht Innsbruck zu AZ 35 BE 27/22v die von der Justizanstalt Innsbruck (gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG) vorgelegten Akten zur Entscheidung über die bedingte Entlassung des * V* aus den angeführten Freiheitsstrafen eingelangt (ON 1). Das Landesgericht Innsbruck hatte daraufhin die Einholung einer Strafregisterauskunft und der Beiakten veranlasst, den Akt der Staatsanwaltschaft zur Äußerung übermittelt und eine Anhörung für den 8. September 2022 anberaumt (ON 2).

[6]       Am 7. September 2022 hielt der Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck in einem Aktenvermerk fest, dass der Strafgefangene in die Justizanstalt Wien-Simmering überstellt worden sei, trat das Verfahren „zuständigkeitshalber“ an das Landesgericht für Strafsachen Wien ab und übermittelte den Akt diesem Gericht (ON 4).

[7]       Zu AZ 183 BE 129/22m übermittelte das Landesgericht für Strafsachen Wien – nach Beischaffung des Bescheids der Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz über die Strafvollzugsortsänderung (ON 4 und 6) – den Akt wieder dem Landesgericht Innsbruck. Dabei wies es darauf hin, dass der Antrag auf bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG in der Justizanstalt Innsbruck gestellt worden sei, weshalb das Landesgericht Innsbruck zur Beschlussfassung zuständig „ist/bleibt“ (ON 7).

[8]       Das Landesgericht Innsbruck verfügte zunächst die Vorlage des Akts an den Obersten Gerichtshof im Wege des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt (ON 8 und 9), führte jedoch dann – nach Neuerfassung des Verfahrens (ON 10) zu AZ 26 BE 30/22v – am 6. Oktober 2022 eine Anhörung des Strafgefangenen im Weg einer Videokonferenz durch (ON 11 und 12). Mit Beschluss vom selben Tag (ON 12 S 2 und ON 13) lehnte es die bedingte Entlassung des * V* ab. Dessen dagegen gerichteter Beschwerde (ON 12 S 2) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 12. Oktober 2022, AZ 7 Bs 227/22y, (ON 17 [doppelt vergeben] des BE-Akts) dahingehend Folge, dass der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur Vorlage an den Obersten Gerichtshof gemäß § 38 letzter Satz StPO verwiesen wurde.

[9]       Das Landesgericht Innsbruck legte nun den Akt gemäß § 38 letzter Satz StPO (iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG) dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor (ON 17 [doppelt vergeben]).

[10]     Gemäß § 16 Abs 2 Z 12 StVG entscheidet das Vollzugsgericht unter anderem über die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe (§ 46 StGB) und die damit zusammenhängenden Anordnungen.

[11]     Vollzugsgericht ist gemäß § 16 Abs 1 erster Satz StVG das in Strafsachen tätige Landesgericht, in dessen Sprengel die Freiheitsstrafe vollzogen wird. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens, hier also des Einlangens des Antrags bei Gericht (RIS-Justiz RS0087500 [T2]; Drexler/Weger, StVG5 § 16 Rz 3), abzustellen.

[12]     „Vollzogen“ im Sinn des § 16 Abs 1 erster Satz StVG wird die Freiheitsstrafe in der hierfür zuständigen Justizanstalt und nicht in jener, in der sich der Strafgefangene (vorübergehend) tatsächlich aufhält. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richtet sich demzufolge nach dem Ort der zuständigen Justizanstalt, der nicht ident mit dem Ort des tatsächlichen Aufenthalts des Strafgefangenen sein muss (14 Ns 48/20z, Pieber in WK2 StVG § 16 Rz 4).

[13]     Die Zuständigkeit der Justizanstalt ergibt sich allgemein aus § 9 StVG. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 1 oder 2 StVG hat das Bundesministerium für Justiz allgemein oder im Einzelfall die Zuständigkeit einer anderen als der nach § 9 StVG zuständigen Anstalt anzuordnen. Die vom Bundesministerium für Justiz gemäß § 10 Abs 1 StVG als zuständig bestimmte Anstalt ist auch dann schon zuständig, wenn noch keine Überstellung des Strafgefangenen von jener Justizanstalt, in der die Strafe angetreten worden war, erfolgt ist (14 Ns 48/20z, vgl Pieber in WK2 StVG § 16 Rz 4 mwN).

[14]     Für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit des Vollzugsgerichts in den Fällen der Strafvollzugsortsänderung gemäß § 10 Abs 1 StVG kommt es demnach nicht auf das tatsächliche Eintreffen des Strafgefangenen in der zuständigen Justizanstalt an, sondern darauf, welche Justizanstalt zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens nach der Entscheidung der Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz für den Strafvollzug zuständig war (14 Ns 48/20z).

[15]     Das Verfahren über die bedingte Entlassung des * V* wurde durch die Vorlage der Akten an das Gericht durch die Justizanstalt am 30. August 2022 eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz bereits gemäß § 10 StVG die Zuständigkeit der Justizanstalt Wien-Simmering für den weiteren Strafvollzug angeordnet. Damit fällt die Entscheidung über die bedingte Entlassung des Strafgefangenen in die Kompetenz des Landesgerichts für Strafsachen Wien.

Textnummer

E136696

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0130NS00071.22B.1123.000

Im RIS seit

09.12.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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