TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/30 95/11/0022

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Veröffentlicht am 30.01.1996
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KDV 1967 §30 Abs1 Z1;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. September 1994, Zl. MA 67-8/400/94, betreffend Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 1994 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, sich binnen zwei Wochen ab Zustellung des Berufungsbescheides der amtsärztlichen Untersuchung im Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien zu unterziehen.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 1 KFG 1967 ist unverzüglich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkerberechtigung noch gegeben sind. Nach dem ersten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 ist vor der Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung ein neuerliches ärztliches Gutachten einzuholen. Leistet der Besitzer einer Lenkerberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, keine Folge, so ist ihm nach dem 2. Satz dieser Bestimmung die Lenkerberechtigung zu entziehen. Voraussetzung für die Einleitung eines Entziehungsverfahrens im Sinne des § 75 KFG 1967 sind begründete Zweifel am aufrechten Vorliegen einer der Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkerberechtigung. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 sind demnach unter anderem begründete Bedenken in der Richtung, daß der Inhaber der Lenkerberechtigung die geistige oder körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen, die von seiner Lenkerberechtigung erfaßt werden, nicht mehr besitzt. In diesem Stadium des Verfahrens zur Entziehung der Lenkerberechtigung geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung erschlossen werden kann. Es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände unter der hiefür notwendigen Mitwirkung des Besitzers der Lenkerberechtigung geboten erscheinen lassen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 94/11/0331, mit weiterem Judikaturhinweis).

Anlaß für die Einleitung des vorliegenden Verfahrens und damit zur Erlassung des angefochtenen Bescheides war ein Bericht des Bezirkspolizeikommissariates Favoriten vom 21. Juni 1994 an die Erstbehörde, die Bundespolizeidirektion Wien-Verkehrsamt, worin der Meldungsleger angab, daß die Beschwerdeführerin an diesem Tag bei ihm erschienen sei und angegeben habe, daß sie durch Dämpfe aus den Abflüssen im Waschbecken und aus der Wasserleitung in ihrer Wohnung betäubt worden sei und ihr angeblich, als sie betäubt gewesen sei, in der Wohnung von einem unbekannten Hund eine Verletzung zugefügt worden sei. Der Meldungsleger führte aus, daß ihm als Rayons-Kriminalbeamten die Beschwerdeführerin von derartigen Anzeigen her bekannt sei. Sie lebe allein und leide offensichtlich unter zwanghaften Verfolgungsvorstellungen. Sie habe angegeben, daß es sich bei den Personen, die ihr derartige Dinge antun würden (Kleider zerschneiden, sie betäuben und in ihre Wohnung kommen), um die Mafia handle. Da die Angaben unglaubwürdig und verworren geklungen hätten und die Beschwerdeführerin keinen Grund für die Vorfälle habe angeben können, sei keine Anzeige aufgenommen worden. Ferner findet sich im Akt ein polizeiamtsärztlicher Befund vom 21. Juni 1994, worin unter anderem festgehalten wird, daß die Beschwerdeführerin seit Jahren als Paranoikerin bekannt sei. Nach Erlassung des Bescheides der Erstbehörde kam die Beschwerdeführerin, wie sich aufgrund des Aktenvermerkes vom 21. Juli 1994 ergibt, zur Erstbehörde, weigerte sich, sich der amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen und machte wirre Angaben gegenüber dem Referenten. Daraufhin erging über die Berufung der Beschwerdeführerin vom 29. Juli 1994 der bestätigende (jedoch die Frist zur Vornahme der amtsärztlichen Untersuchung neu festsetzende) angefochtene Berufungsbescheid.

Die Beschwerdeführerin bestreitet mit dem Beschwerdevorbringen, daß begründete Bedenken gegen ihre geistige und körperliche Eignung bestünden. Die Angaben des Meldungslegers und des Polizeiamtsarztes vom 21. Juni 1994 seien unrichtig. Es dürfte sich um einen Willkürakt von seiten der Beamten des Bundespolizeikommissariates Favoriten handeln, die auf diese Art und Weise versuchen würden, ihr die Hilfestellung bei Anzeigen, von denen sie auch in der Vergangenheit einige gemacht habe bzw. zu machen versucht habe, zu verweigern. Die "lapidare Feststellung" des Amtsarztes, sie sei seit Jahren als Paranoikerin amtsbekannt, entbehre jeder Grundlage. Der Amtsarzt habe bei der Beschwerdeführerin am 21. Juni 1994 keine Untersuchung durchgeführt, es sei auch unrichtig, daß sie eine Untersuchung verweigert habe, der Amtsarzt verschweige darüberhinaus, daß sie ihm tatsächlich Verletzungen gezeigt habe. Ein Verfahren, in dem sich Bedenken hinsichtlich der Verkehrszuverlässigkeit der Beschwerdeführerin ergeben hätten, sei nie eingeleitet worden.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun:

Zunächst ist der Beschwerdeführerin zu entgegnen, daß es im vorliegenden Fall nicht um ihre Verkehrszuverlässigkeit geht, sondern um ihre geistige Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, an der begründete Bedenken bestehen. Die Beschwerdeführerin verkennt Sinn und Zweck der Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967. Der Verwaltungsgerichtshof kann jedenfalls nicht erkennen, daß die Behörde im Hinblick auf das festgestellte Verhalten der Beschwerdeführerin und die Äußerung des Amtsarztes vom 21. Juni 1994 voreilig und ohne begründeten Anlaß die geistige Eignung der Beschwerdeführerin in Zweifel gezogen hätte. Es wäre an der Beschwerdeführerin gelegen, durch die Duldung der Untersuchung durch den Amtsarzt die Zweifel zu zerstreuen. Die Unterlassung weiterer Erhebungen durch die belangte Behörde führt nicht dazu, daß die Bedenken der Behörde als unbegründet und nicht zur Stützung des angefochtenen Bescheides geeignet anzusehen sind. Im übrigen vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, welche Relevanz die ihrer Behauptung nach am 21. Juni 1994 dem Amtsarzt im Bezirkspolizeikommissariat Favoriten vorgezeigte Verletzung bzw. der Grund ihres damaligen Erscheinens im Kommissariat für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens haben sollte.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110022.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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