TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/30 95/04/0060

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Veröffentlicht am 30.01.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
GewO 1994 §87 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Jänner 1995, Zl. MA 63 - K 496/94, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Jänner 1995 wurde dem Beschwerdeführer die Gewerbeberechtigung "Tischler (nunmehr gemäß § 94c Z. 37 Gewerbeordnung 1994) im Standort W, S-Gasse 90, gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 entzogen". Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 14. Juli 1993 und des weiteren mit Beschluß dieses Gerichtes vom 7. Juli 1994 seien jeweils Anträge auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beschwerdeführers mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Auf Grund der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe mit seinen Hauptgläubigern Ratenvereinbarungen getroffen, sei zu prüfen gewesen, ob die weitere Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger liege. Die Wiener Gebietskrankenkasse habe der Behörde mit Schreiben vom 7. September 1994 mitgeteilt, daß der Rückstand an Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum Juli 1993 bis Juli 1994 S 30.650,42 betrage. Seit der Abweisung des Konkursantrages seien lediglich Zahlungen in der Höhe von S 21.404,-- geleistet worden. Eine Zahlungsvereinbarung sei mit dem Gewerbeinhaber nicht abgeschlossen worden. Die gleichfalls befragte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe der Behörde mit Schreiben vom 19. September 1994 mitgeteilt, daß auf dem Beitragskonto des Gewerbeinhabers derzeit ein Rückstand in der Höhe von S 46.338,94 bestehe, wobei in dieser Summe die Beiträge bis inklusive September 1994 und Verzugszinsen bis 17. Juli 1994 enthalten seien. Der Gewerbeinhaber habe am 21. Juli 1994 bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vorgesprochen und zugesagt, binnen 14 Tagen den Gesamtrückstand zu begleichen. Es sei bis dato jedoch weder eine Zahlung noch eine weitere Vorsprache erfolgt. Das Bezirksgericht Döbling habe bekanntgegeben, daß insgesamt 30 Exekutionen in das Vermögen des Beschwerdeführers bewilligt worden seien, welche Forderungen von insgesamt S 604.155,35 beträfen. Dieses Ermittlungsergebnis sei dem Beschwerdeführer unter Einräumung einer Frist von drei Wochen zur Stellungnahme bekanntgegeben worden. Insbesondere sei der Beschwerdeführer ersucht worden, darzustellen, ob und wie es ihm möglich sein werde, die bei den genannten Sozialversicherungsträgern offenen Beitragsrückstände sowie die Forderung, zu deren Hereinbringung Exekutionen bewilligt worden seien, zu begleichen bzw. zu vermindern und woher er dafür die erforderlichen Mittel habe bzw. wie er sich diese Mittel beschaffen werde. Innerhalb der gewährten Frist und bis zur Erlassung dieser Entscheidung habe sich der Beschwerdeführer zum Vorhalt des Ermittlungsergebnisses jedoch nicht geäußert. Zur Feststellung, ob der Beschwerdeführer die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der sich aus einer weiteren Gewerbeausübung ergebenden Verbindlichkeiten besitze und wie es ihm konkret möglich sein werde, aus den Einkünften der weiteren Gewerbeausübung seine Gläubiger zu befriedigen, treffe den Beschwerdeführer eine Mitwirkungspflicht zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes. Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht, daß ihm nur im Falle des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen die Gewerbeberechtigung entzogen werde, sowie in dem Recht auf ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren verletzt. Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe die Rechtsfrage, ob die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen sei, unrichtig gelöst. Sie habe übersehen, daß die Anzahl der gegen ihn eingeleiteten Exekutionen und die Höhe der ursprünglich gegen ihn betriebenen Forderungen zur abschließenden Beurteilung der hier maßgebenden Rechtsfrage, ob die Gewerbeausübung im Interesse der Gläubiger gelegen sei, nicht ausreichend sei. Die gegen ihn anhängigen Exekutionsverfahren seien teilweise schon 1990 eingeleitet worden und die diesen Verfahren zugrundeliegenden Forderungen seien zum Teil schon zur Gänze bezahlt, zum Teil bereits erheblich reduziert worden. Die meisten Exekutionsverfahren würden jedoch nicht formell durch Einstellung gemäß § 39 EO beendet, sondern nach erfolgter Zahlung würden einfach keine neuen Anträge mehr gestellt und die Verfahren solcherart beendet. Die belangte Behörde habe - als Folge ihrer unrichtigen rechtlichen Beurteilung - keine Feststellungen getroffen, ob und in welcher Höhe tatsächlich Verbindlichkeiten bestünden bzw. ob mit den Gläubigern Ratenzahlungsvereinbarungen abgeschlossen worden seien und ob diese eingehalten würden. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß die belangte Behörde im gegenständlichen Fall ihrer Manuduktionspflicht nicht nachgekommen sei. Auf Grund des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens hätte die belangte Behörde ihm nicht bloß Gelegenheit zu einer schriftlichen Äußerung ohne entsprechende Belehrung geben dürfen, sondern die Behörde hätte ihn laden und konkret befragen müssen. Die Behörde hätte den Beschwerdeführer in ihrem Schreiben vom 22. September 1994 auch ausdrücklich auf die Folgen der Nichterstattung einer Stellungnahme hinweisen müssen. Darüber hinaus hätte sie ihn darüber aufklären müssen, daß sie für den Fall, daß keine Stellungnahme erstattet werde, auf Grund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens der Berufung nicht Folge geben werde.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 hat die Behörde (§ 361) die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 leg. cit. angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluß bewirken, vorliegt.

Gemäß § 13 Abs. 3 leg. cit. sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) Rechtsträger ausgeschlossen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde oder gegen die der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt, der Antrag aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde.

Gemäß § 87 Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde von der im Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.

Unstrittig steht fest, daß mit Beschlüssen des Handelsgerichtes Wien vom 14. Juli 1993 und vom 7. Juli 1994 Anträge auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens des Beschwerdeführers abgewiesen wurden. Auf Grund der durch den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten gedeckten Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer die mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Wien, geschlossene Ratenvereinbarung nicht eingehalten.

Davon ausgehend vermag der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken, wenn die belangte Behörde eine weitere Gewerbeausübung durch den Beschwerdeführer als nicht vorwiegend im Interesse der Gläubiger gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 gelegen erachtete. Letzteres ist nämlich nur dann der Fall, wenn auf Grund seiner nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden kann, daß der Gewerbetreibende auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Es muß die pünktliche Erfüllung aller Zahlungspflichten erwartet werden können. Wie hoch der Schuldenstand des Beschwerdeführers ist und welche Rückzahlungen aus dem vorhandenen Vermögen gezahlt werden könnten und in welchem Zeitraum mit der Abtragung der vorhandenen Schulden zu rechnen ist, ist allein nicht entscheidungserheblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0186, und vom 28. Februar 1995, Zl. 94/04/0177). Auf die Ausführungen in der Beschwerde, daß die gegen den Beschwerdeführer anhängigen Exekutionsverfahren teilweise schon im Jahre 1990 eingeleitet worden seien, die diesem Verfahren zugrundeliegenden Forderungen zum Teil schon zur Gänze bezahlt, zum Teil bereits erheblich reduziert seien und die Anzahl der eingeleiteten Verfahren daher überhaupt nichts darüber aussage, ob bzw. in welcher Höhe zum entscheidungswesentlichen Zeitpunkt tatsächlich Verbindlichkeiten bestanden hätten, ist nicht näher einzugehen, zumal unbestritten feststeht, daß der Beschwerdeführer die Ratenvereinbarung mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft nicht eingehalten hat.

Auch wenn dem Vorbringen des Beschwerdeführers insoweit zu folgen wäre, daß im Falle des Abschlusses einer Zahlungsvereinbarung nicht die Gesamtforderung, sondern lediglich die jeweilige Rate für die Beurteilung des Gläubigerinteresses von Bedeutung sei, durfte die belangte Behörde auf Grund des vom Beschwerdeführer - trotz eingeräumter Gelegenheit zur Erstattung von Gegenvorbringen - unwidersprochen gebliebenen Schreibens der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Wien, vom 19. September 1994 davon ausgehen, daß er offenbar nicht über die erforderlichen liquiden Mittel verfügte, um die mit der Sozialversicherungsanstalt abgeschlossene Zahlungsvereinbarung innerhalb der dafür vereinbarten Frist zu erfüllen.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. September 1994 die Ermittlungsergebnisse mitgeteilt und ihn aufgefordert, innerhalb der darin festgesetzten Frist darzulegen, ob und wie es ihm konkret möglich ist, die bei den genannten Sozialversicherungsträgern offenen Beitragsrückstände sowie die Forderungen, die im Exekutionsverfahren bewilligt wurden, zu begleichen bzw. zu vermindern, und hiefür entsprechende Beweise anzubieten. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, Zl. 95/04/0043), korrespondiert dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind, was auch für die Bestimmung des § 87 Abs. 2 GewO 1994 insofern zutrifft, als die damit im Zusammenhang stehenden Feststellungen notwendigerweise ein entsprechendes Vorbringen und Bescheinigungsanbieten der Partei voraussetzen. Ein solches - die Verpflichtung der Behörde zu weiteren Ermittlungen auslösendes - Vorbringen hat der Beschwerdeführer auf Grund des Schreibens der belangten Behörde vom 22. September 1994 jedoch nicht erstattet.

Insoweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang seine unterlassene Mitwirkung mit einer unterbliebenen "Anleitung der belangten Behörde über die Folgen der Nichterstattung einer Stellungnahme" zu erklären sucht und daraus ableitend eine Verfahrensverletzung rügt, ist zu erwidern, daß für eine derartige "Manuduktionspflicht" eine gesetzliche Grundlage nicht besteht. Abgesehen davon, läßt auch das nur allgemein gehaltene Vorbringen der Beschwerde keinen schlüssigen Hinweis erkennen, daß die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht im vorangegangenen Verwaltungsverfahren verletzt hätte.

Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze erkennen lassen, daß die Entscheidung des Beschwerdefalles nicht von einer Klarstellung des Sachverhaltes abhängt, sodaß eine mündliche Erörterung keine weiter Klärung erwarten ließ. Der Beschwerdeführer hat nämlich auch im Zusammenhang mit seinem Verhandlungsantrag keine Gründe vorgebracht, die im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage eine Erörterung des vorliegenden Beschwerdefalles in einer mündlichen Verhandlung angezeigt erschienen ließen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995040060.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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