TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/14 LVwG-2022/33/2055-5 , LVwG-2022/33/2030-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.11.2022
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Entscheidungsdatum

14.11.2022

Index

90/01 Straßenverkehrsrecht
90/02 Führerscheingesetz

Norm

StVO 1960 §5 Abs1
FSG 1997 §26 Abs1
FSG 1997 §26 Abs2
  1. StVO 1960 § 5 heute
  2. StVO 1960 § 5 gültig ab 14.01.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 6/2017
  3. StVO 1960 § 5 gültig von 01.09.2012 bis 13.01.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012
  4. StVO 1960 § 5 gültig von 01.07.2005 bis 31.08.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2005
  5. StVO 1960 § 5 gültig von 01.01.2003 bis 30.06.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 128/2002
  6. StVO 1960 § 5 gültig von 25.05.2002 bis 31.12.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 80/2002
  7. StVO 1960 § 5 gültig von 22.07.1998 bis 24.05.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/1998
  8. StVO 1960 § 5 gültig von 06.01.1998 bis 21.07.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 3/1998
  9. StVO 1960 § 5 gültig von 01.10.1994 bis 05.01.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  10. StVO 1960 § 5 gültig von 25.04.1991 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 207/1991
  11. StVO 1960 § 5 gültig von 01.05.1986 bis 24.04.1991 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 105/1986

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Visinteiner über die Beschwerden des Herrn AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, **** Z, gegen

1.  das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 27.06.2022, Zl ***, wegen einer Übertretung nach der StVO, sowie

2.  gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 27.06.2022, Zl ***, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung,

nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannschaft Z wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 320,00 zu leisten.

2.       Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannschaft Z wird als unbegründet abgewiesen.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

zu Spruchpunkt 1.:

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten Folgendes vorgeworfen:

„1.  Datum/Zeit:                 18.12.2021, ca. 01:16 Uhr

     Ort:                         *** Y, Adresse 2 bei der
                 90° Rechtskurve auf Höhe des Klärwerks beim Nord-Ost-Eck
                 des Gst.Nr. **1, KG **1 Y, in Fahrtrichtung Osten

     Betroffenes Fahrzeug:    PKW, Kennzeichen: *** (A)

Sie haben das angeführte Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der am 18.12.2021 um 10:15 Uhr am geeichten Alkomaten mit 0,40 mg/l festgestellte Alkoholgehalt der Atemluft wurde vom Landessanitätsdirektor medizinisch gutachterlich auf den Lenkzeitpunkt rückgerechnet. Der dabei ermittelte Wert ergab einen Blutalkoholgehalt von zumindest 1,70 Promille.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   § 99 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 5 Abs. 1 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von

Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

€ 1.600,00

14 Tage(n) 0 Stunde(n)

0 Minute(n)

§ 99 Abs. 1 lit. a StVO

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 160,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€1.760,00“

Dagegen hat Herr AA rechtsfreundlich vertreten fristgerecht Beschwerde erhoben und darin ausgeführt wie folgt:

„Der Beschwerdeführer, vertreten durch BB, Rechtsanwalt in **** Z, erhebt gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27.06.2022, ***, zugestellt am 29.06.2022, binnen offener Frist nachstehende

BESCHWERDE

gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG

an das Landesverwaltungsgericht Tirol:

Das Straferkenntnis wird in seinem gesamten Umfang angefochten.

Als Beschwerdegründe werden die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die unrichtige Sachverhaltsfeststellung geltend gemacht.

I. Sachverhalt:

1.1. Der Beschwerdeführer verbrachte am 17.12.2021 einen ruhigen Abend zu Hause. Ungefähr gegen Mitternacht wurde der Beschwerdeführer durch einen Anruf seines Freundes CC aus dem Schlaf gerissen und gebeten, diesen vom Ausgehen in Y abzuholen. Es ist im Freundeskreis des Beschwerdeführers so üblich, dass derjenige, der zu Hause bleibt, die anderen bei Bedarf abholt.

Der Beschuldigte stieg daher vollkommen nüchtern in sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen *** und holte seinen Freund ab. Sie machten noch einen kurzen Zwischenstopp bei der Shell-Tankstelle, wobei der Beschwerdeführer auch hier keinen Alkohol konsumierte.

Auf der Weiterfahrt ereignete sich sodann nachfolgender unstrittiger Verkehrsunfall mit Sachschaden. Der Beschwerdeführer lenkte sein Fahrzeug auf der Adresse 2 in Y und geriet um ca. 01:16 Uhr aufgrund der nassen Straße von der Fahrbahn ab und fuhr gegen einen Laternenmast, welcher hierdurch beschädigt wurde. Sodann ließ der Beschwerdeführer sein Fahrzeug zwar ordnungsgemäß von der Firma DD abschleppen, verständigte aber nicht die Polizei.

1.2. Aufgrund der mit dem Verkehrsunfall verbundenen Aufregung hatte der Beschwerdeführer das Bedürfnis, sich herüber auszutauschen. Der Beschwerdeführer und CC suchten daher um ca. 02:00 Uhr den gemeinsamen Freund EE auf. Dort tranken sie bis in die frühen Morgenstunden gemeinsam Bier, konkret Zipfer in 0,5I Flaschen. CC verließ um ca. 05:00 Uhr die Wohnung, während der Beschwerdeführer noch eine Zeit dort verweilte und weiter Bier trank. Erst um ca. 07:00 Uhr verließ der Beschwerdeführer die Wohnung von EE und ging zu Fuß nach Hause.

Während des Besuches bei EE - sohin von ca. 02:00 Uhr bis 07:00 Uhr - trank der Beschuldigte ca. sieben bis acht Bier.

1.3. Währenddessen wurde die PI Y um ca. 05:52 von dem Verkehrsunfall durch einen Streuwagenfahrer informiert. Aufgrund des vor Ort gefundenen Impfzertifikates des Beschwerdeführers wurde dieser als möglicher Unfallsverursacher ausfindig gemacht.

Die Beamten der PI Y begaben sich daher zur Wohnadresse des Beschwerdeführers und trafen dort dessen Vater an. Als diesem der Kenntnisstand der PI Y nähergebracht wurde, erwiderte er, dass der Beschwerdeführer nicht zu Hause und sein Auto auch nicht in der Garage sei.

Etwas später begaben sich die Beamten erneut zur Wohnadresse des Beschuldigten, wobei diesmal die Mutter des Beschuldigten die Tür öffnete. Auch diese gab an, dass der Beschuldigte nicht zu Hause sei und sie auch nicht wisse, wo er sich aufhalte. Sie werde ihm allerdings ausrichten, dass er sich bei der PI Y melden soll.

1.4. Sodann rief der Beschwerdeführer gegen 09:00 Uhr bei der PI Y an, wobei er gebeten wurde, diese persönlich aufzusuchen. Dort angekommen, wurde beim Beschwerdeführer um 10:15 Uhr und um 10:16 Uhr eine Alkomatmessung durchgeführt, welche einen Wert von 0,40 mg/l Atemalkoholluft bzw 0,80 ‰ Blutalkohol ergab.

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer von der PI Y einvernommen, wobei er entgegen der tatsächlich konsumierten sieben bis acht Bier und einem Aufenthalt bis 07:00 Uhr angab, dass er lediglich drei bis vier Bier getrunken hatte und dies ca. nur bis 04:00 Uhr. Gleichermaßen sagte auch der nach der Einvernahme telefonisch kontaktierte EE aus, als auch der am 22.12.2021 Einvernommene CC.

Die Landessanitätsdirektion ging bei ihrer Berechnung von den vorgenannten unrichtigen Angaben aus und errechnete, dass der Beschwerdeführer zum Unfallzeitpunkt um 01:16 Uhr ohne Berücksichtigung der Nachtrunkbehauptung ein Blutalkoholgehalt von 1,70 ‰ und mit Berücksichtigung der Nachtrunkbehauptung ein Blutalkoholgehalt von 0,79 ‰ habe aufweisen müssen.

Im Laufe des Ermittlungsverfahrens wurden die Zeugen CC und EE von der Behörde einvernommen, tätigten hierbei allerdings von ihren ursprünglichen Angaben divergierende Aussagen. So gab CC an, dass er selbst ca. vier bis fünf Bier getrunken hatte und bereits früher um ca. 05:00 Uhr nach Hause gegangen war, der Beschwerdeführer aber noch geblieben war. EE gab an, dass sowohl er und AA bis ca. 07:00 Uhr ungefähr sieben bis acht Bier getrunken hatten; CC hingegen nur so drei bis vier Bier, da er bereits früher gegangen ist.

1.5. Mit dem Straferkenntnis vom 27.06.2022, zugestellt am 29.06.2022, wurde dem Beschwerdeführer wegen eines Verstoßes gegen § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs 1 StVO eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.760,00 auferlegt.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die gegenständliche Beschwerde.

II. Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Das angefochtene Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 29. Juni 2022 zugestellt. Die gegenständliche, am 26. Juli 2022 mittels E-Mail an ***@tirol.qv.at bei der Behörde eingebrachte Beschwerde ist daher jedenfalls rechtzeitig.

III. Zu den einzelnen Beschwerdegründen:

Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 27.06.2022, ***, verletzt den Beschwerdeführer in seinen subjektiven Rechten. Insbesondere erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Unterbleiben einer Geldstrafe sowie in seinem Recht, dass ein Straferkenntnis ausreichend begründet ist und in seinem Recht auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften verletzt.

Diese Rechtsverletzungen ergeben sich im Detail aus folgenden Überlegungen:

A. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

1. Die Behörde wies die in der Stellungnahme vom 15.06.2022 angeführten neuen Beweismittel als unerheblich zurück (Straferkenntnis Seite 7). Konkret handelt es sich um nachstehende vom Beschwerdeführer beantragte Beweismittel:

       • Einvernahme des Beschwerdeführers

       • Zeugenvernehmung FF (Mutter des Beschwerdeführers)

       • Blutalkoholberechnung von Frau GG vom 14.06.2022

Der Beschwerdeführer wurde zum Beweis der gesamten Geschehnisse geführt. FF wurde zum Beweis der Geschehnisse des Vorabends geführt sowie zu der Tatsache, dass sich der Beschuldigte im Zeitpunkt ihrer Befragung durch die PI Y nicht zu Hause befand. Die Blutalkoholberechnung von Frau GG diente dem Beweis, dass sich der von der PI Y gemessene Restalkoholgehalt von 0,40 mg/l Atemalkoholluft bei der Statur des Beschwerdeführers aus einem Nachtrunk von sieben bis acht Bier von 02:00 Uhr bis 07:00 Uhr ergibt.

Es wäre die Pflicht der Behörde gewesen, die vorgenannten Beweismittel aufzunehmen und zu würdigen. Da die Behörde dies nicht getan hat, wurde diesen Beweismitteln von vorherein Bedeutsamkeit abgesprochen, weshalb das Straferkenntnis aufgrund einer vorweqqreifenden Beweiswürdiqunq rechtswidrig ist.

2. Der Beschwerdeführer gab in seiner Stellungnahme vom 15.06.2022 an, dass er am Vorabend des Verkehrsunfalles einen ruhigen Abend zu Hause verbracht und ihn sein Freund CC ungefähr erst gegen Mitternacht angerufen hatte.

Gemäß dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit hat die Behörde vor Erlassung ihrer Entscheidung den wirklichen, für die Entscheidung bedeutsamen Sachverhalt festzustellen. Die Behörde hätte daher auch zum vorgenannten Vorbringen des Beschwerdeführers Feststellungen treffen müssen. In Ermangelung dieser ist der dem Straferkenntnis zugrunde gelegte Sachverhalt unvollständig und das Straferkenntnis sohin rechtswidrig.

3.1. Der Beschwerdeführer wurde am 18.12.2021 (Ende um 10:50 Uhr) - also noch am Tag des Unfalles und des Nachtrunkes - von der PI Y einvernommen. Hierbei gab der Beschwerdeführer an, er habe im Zeitraum von 02:00 Uhr bis 04:00 Uhr circa drei bis vier große Bier getrunken und habe sich anschließend nach Hause begeben.

Unmittelbar vor der Einvernahme - konkret um 10:15 Uhr und 10:16 Uhr - wurde beim Beschwerdeführer eine Alkoholmessung durchgeführt. Es war daher für die PI Y offensichtlich, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einvernahme noch in einem alkoholisierten Zustand befand (0,8 %o). Hinzu tritt noch der Umstand, dass der Beschwerdeführer übernächtigt war. Da er um ca. 07:00 Uhr die Wohnung von EE verlassen und bereits um ca. 09:00 Uhr die PI Y angerufen hatte, schlief er nicht einmal zwei Stunden.

Folglich befand sich der Beschwerdeführer in einem die Aussaqefähiqkeit ausschließenden Zustand und hätte von vornherein nicht einvernommen werden dürfen. Da er dennoch einvernommen wurde, hätte die Behörde seine Aussage dem Straferkenntnis nicht zugrunde legen dürfen, weshalb dieses rechtswidrig ist.

Vielmehr hätte die Behörde - wie vom Beschwerdeführer auch beantragt - diesen erneut in nüchternem Zustand einvernehmen müssen (vgl. Punkt 1).

3.2. Jedenfalls war der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einvernahme aufgrund seiner Alkoholisierung und des Schlafmangels in seinen kognitiven Fähigkeiten sowie seinem Erinnerungsvermögen und sohin in seiner Aussagefähigkeit beeinträchtigt. Die Aussage des Beschwerdeführers, insbesondere hinsichtlich detaillierter Geschehnisse, wie die konkrete Anzahl der konsumierten Biere und die Uhrzeit des Verlassens der Wohnung von EE, ist dementsprechend zu würdigen.

Auch ein Vergleich der Einvernahme des Beschwerdeführers mit jenen der Zeugen CC und EE zeigt, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen und sohin unzuverlässig sind. Sowohl CC als auch EE gaben in ihren Einvernahmen an, dass sie weit mehr als die vom Beschwerdeführer angegebene Anzahl an Bieren getrunken haben.

Konkret gab CC zunächst an, er habe drei bis vier Bier getrunken (Einvernahme vom 22.12.2021 PI Y) und sodann, er habe vier bis fünf Bier getrunken (Einvernahme vom 04.05.2022 BH Z). EE gab an, er selbst habe sechs bis sieben Bier getrunken und CC habe glaublich drei bis vier Bier getrunken.

Hingegen gab der Beschwerdeführer an, CC habe glaublich ein Bier getrunken und EE glaublich kein Bier.

4.1. Dass die tatsächliche Anzahl der konsumierten Biere (sieben bis acht) sowie die konkrete Aufenthaltsdauer bei EE (02:00 bis 07:00 Uhr) erst im Laufe dieses Verfahrens bezeichnet werden konnten und nicht sogleich wenige Stunden danach, ist auf die Alkoholisierung des Beschuldigten sowie der Zeugen EE und CC im Zeitpunkt der Einvernahme bzw der Telefongespräche mit der PI Y am 18.12.2021 zurückzuführen. Nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch der Zeuge CC und EE machten in einem alkoholisierten Zustand Angaben gegenüber der Polizei; dies telefonisch wenige Stunden nach Beendigung des Alkoholkonsums.

Es ist üblich und lebensnah, dass Erinnerungen einer durchzechten Nacht am „nächsten Morgen“ und auch Tage danach lediglich verzerrt und bruchstückartig vorhanden sind und erst mit der Zeit und vor allem durch den Austausch mit Beteiligten wieder konkreter werden. Es verwundert daher nicht, dass die ursprünglichen Angaben des Zeugen CC vom 18.12.2021 und vom 22.12.2021 sowie des Zeugen EE vom 18.12.2021 mit jenen aus der Einvernahme vor der BH Z hinsichtlich Details wie der konkreten Trinkmenge und der Aufenthaltsdauer nicht übereinstimmen. In diesem Zusammenhang ist noch anzumerken, dass CC seine erste telefonische Aussage am 18.12.2021 gegenüber der PI Y sogleich bei erster Gelegenheit am 22.12.2021 revidierte.

Bekanntlich führt auch eine Alkoholisierung zum Verlust eines jeglichen Zeitgefühls. Eine unrichtige Zeitangabe ist daher weder dem Beschuldigten noch den Zeugen CC und EE vorwerfbar. Dies zumal es in den Wintermonaten aufgrund der bis in die frühen Morgenstunden anhaltenden Finsternis nicht erkennbar ist, ob es nun 04:00 Uhr oder 07:00 Uhr früh ist.

4.2. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist es auch nicht „wenig plausibel“, dass die Angaben des Beschwerdeführers sowie der Zeugen CC und EE nach Bekanntwerden des Alkomatergebnisses und der amtsärztlichen Rückrechnung von den vorherigen divergieren.

Dem Beschwerdeführer wurde das Straferkenntnis vom 06.04.2022 am 08.04.2022 zugestellt. Am 14.04.2022 fand das Erstgespräch mit dem ausgewiesenen Rechtsvertreter statt.

Gerade erst durch Erhalt des Straferkenntnisses konnte dem Beschwerdeführer aufgezeigt werden, dass er mehr als drei bis vier Bier getrunken haben muss. Eine Aufarbeitung der Geschehnisse vom 18.12.2021 erfolgte daher auch erst nach Erhalt des Straferkenntnisses im Rahmen des anwaltlichen Gespräches. Hierbei stellte sich heraus, dass der Beschwerdeführer mindestens fünf bis sechs Bier - möglicherweise sogar mehr – getrunken hat und dies von 02:00 bis 07:00 Uhr. In der Vorstellung vom 22.04.2022 wurde lediglich aus Gründen der Einfachheit ein Mittelwert von sechs Bier angegeben.

Auch für die Zeugen CC und EE gab es erst durch das Einleiten des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens gegen ihren Freund einen Grund, sich mit den konkreten Gegebenheiten des 18.12.2021 genauer auseinanderzusetzten.

Ein späterer Austausch zwischen den Freunden, insbesondere in einer Situation wie dieser, ist absolut nachvollziehbar und darüber hinaus auch lebensnah. Es handelt sich immerhin nicht um eine Alltagssituation, dass gegen einen selbst oder einen Freund ein Verwaltungsstrafverfahren geführt wird. Es ist daher lebensnah, dass sich die Freunde über ihre Erinnerungen ausgetauscht haben und im Zuge dessen neue Umstände hervortraten bzw konkretisiert werden konnten. Hierin ist aber keinesfalls eine Absprache zwischen den Freunden zu sehen.

4.3. Dass der Besuch bei EE nicht bis 04:00 Uhr, sondern bis ca. 07:00 Uhr andauerte, ergibt sich nicht nur aus den Einvernahmen der Zeugen CC und EE vor der Behörde, sondern auch aus den Aussagen der Eltern des Beschuldigten gegenüber der PI am Tag des Unfalles.

Unmittelbar nach Aufnahme des Unfalles um 05:52 begaben sich die Beamten der PI Y zur Wohnadresse des Beschwerdeführers, wobei dessen Vater sogleich die Tür öffnete. Dieser teilte ihnen mit, dass weder der Beschwerdeführer zu Hause, noch dessen Auto in der Garage seien. Einige Zeit später - wobei aus den Stellungnahmen der PI Y keine Uhrzeit entnommen werden kann - suchten die Beamten erneut die Wohnadresse des Beschwerdeführers auf. Auch die Mutter des Beschwerdeführers teilte den Beamten mit, dass der Beschwerdeführer nicht zu Hause ist.

Die Eltern des Beschwerdeführers wurden daher zu einer Uhrzeit befragt, in der der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben sowie jenen der Zeugen CC und EE noch bei EE war; dies auch unabhängig voneinander und in einem zeitlich versetzten Abstand. Hieraus ergibt sich zweifelsfrei, dass die Angaben, wonach der Beschwerdeführer erst um ca 07:00 Uhr und nicht bereits um 04:00 Uhr die Wohnung des EE verlassen hat, den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.

Ausdrücklich beantragt wird daher die Einvernahme der Zeugen FF und JJ im Rahmen der anzuberaumenden mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.

4.4. Zusammengefasst gilt für Punkt 4.1 bis 4.3., dass das Straferkenntnis auf einer unrichtigen Beweiswürdigung basiert und daher rechtswidrig ist.

Hinsichtlich des Punkt 4.3. ist hinzuzufügen, dass der Beschwerdeführer bereits in der Stellungnahme vom 15.06.2022 vorbrachte, dass seine Eltern gegenüber der PI Y angaben, dass er nicht zu Hause war. Nicht nur nahm die Behörde den hierzu angebotenen Beweis nicht auf (s Punkt 1), sondern setzte sich auch mit dieser Argumentation nicht auseinander. Da die Behörde die Aussagen der Eltern - welche sich im Übrigen auch aus der Stellungnahme der PI Y vom 10.05.2022 und 19.05.2022 geben – schlichtweg übergeht und sohin keiner Würdigung unterzieht, liegt ein Begründungsmangel vor. Auch aus diesem Grund ist das Straferkenntnis rechtswidrig.

5. Wie soeben ausgeführt, trank der Beschwerdeführer zwischen 02:00 und 07:00 Uhr ca. sieben bis acht Bier. Folglich ging die Landessanitätsdirektion bei der Rückrechnung des Blutalkoholgehaltes des Beschwerdeführers im Zeitpunkt des Unfalles von unrichtigen Angaben aus; konkret von einem Nachtrunk von drei bis vier Bier zwischen 02:00 und 04:00 Uhr.

Zum Beweis seines nüchternen Zustandes im Zeitpunkt des Verkehrsunfalles hat der Beschwerdeführer daher unter Zugrundelegung der tatsächlich konsumierten Biere und Trinkdauer eine Neuberechnung seines Blutalkoholgehaltes im Tatzeitpunkt von Frau GG, Internistin in **** X, durchführen lassen. Dieser lässt sich entnehmen, dass ab Beginn des Alkoholkonsums pro Stunde ca. 0,1 ‰ Blutalkohol abgebaut wird, sohin von 02:00 bis 10:15 Uhr 0,9 ‰. Bei der Statur des Beschwerdeführers (1,80 m und 90 kg) und einem Nachtrunk von 02:00 bis 07:00 Uhr errechnet sich daher um 10:15 Uhr nachfolgender Restalkohol:

Bier

Gesamter

Blutalkoholgehalt

Restalkohol

Blutalkoholgehalt

Restalkohol

Altemluftalkohol

7

1,55 ‰

0,65 ‰

0,33 mg/l

8

1,8 ‰

0,9 ‰

0,45 mg/l

Der um 10:15 Uhr von der PI Y gemessene Blutalkoholgehalt von 0,8 ‰ bzw. 0,4 mg/l Atemluftalkohol ergibt sich daher aus dem Nachtrunk von 02:00 bis 07:00 Uhr von nicht ganz acht Bier.

B. Zur unrichtigen Sachverhaltsfeststellung:

1.1. Die Behörde hat in unrichtiger Weise festgestellt wie folgt:

„Ohne einen hier unbeachtlichen Nachtrunk wies der Vorstellungswerber daher zum Unfallzeitpunkt zumindest einen Blutalkoholgehalt von 1,70 Promille auf. “

Begründend führte die Behörde dazu aus, dass die Aussagen des Beschwerdeführers und des Vorstellungswerbers hinsichtlich Uhrzeiten und Trinkmengen derart stark divergieren, dass sie als Beweis für eine konkrete Nachtrunkmenge nach dem vom Beschwerdeführer verschuldeten Verkehrsunfall, die vom gemessenen Atemalkoholgehalt in Abzug gebracht werden könnte, nicht tauglich sind (Straferkenntnis Seite 6).

Hierdurch spricht die Behörde den Aussagen des Beschwerdeführers sowie der Zeugen CC und EE aufgrund der Divergenzen ihre gänzliche Beweiskraft ab, anstelle diese auf ihren konkreten Wahrheitsgehalt zu prüfen.

Von Beginn an gaben der Beschwerdeführer als auch die Zeugen CC und EE übereinstimmend an, dass erst nach dem Unfall bei EE Bier getrunken wurde; dies ab ca 02:00 Uhr. Es ist daher evident, dass ein Nachtrunk stattgefunden hat. Hiervon geht auch die Behörde offensichtlich aus, denn die Feststellung, dass der Nachtrunk unbeachtlich ist, beinhaltet auch zugleich, dass ein Nachtrunk stattgefunden hat.

Überdies sind die gesamten ursprünglichen Aussagen der Zeugen CC (Einvernahme am 22.12.2021 bei der PI Y) und EE (telefonische Aussage am 18.12.2021 gegenüber der PI Y) sowie des Beschwerdeführers (Einvernahme am 18.12.2021 bei der PI Y) nahezu deckungsgleich. Alle drei gaben an, dass der Beschwerdeführer während eines Zeitraumes von 02:00 Uhr bis 04:00 Uhr (CC in der Einvernahme am 22.12.2021 PI Y: bis 03:30 Uhr) ca. drei bis vier Bier getrunken hatte.

Hiervon mögen zwar die Angaben der Zeugen vor der Behörde sowie die Angaben des Beschuldigten in diesem Verfahren divergieren, so ist jedoch aufgrund der Übereinstimmung der ursprünglichen, vorgenannten Angaben evident, dass ein Nachtrunk von zumindest drei bis vier Bier während eines Zeitraumes von ca. 02:00 bis 04:00 Uhr stattqefunden hat. Immerhin stützt sich die Behörde selbst auf die Rsp des VwGH, wonach bei der ersten Befragung in der Regel am ehesten richtige Angaben gemacht werden (VwGH 06.08.2020, Ra 2020/02/0156).

Offensichtlich geht auch die Behörde von einem Nachtrunk im zumindest vorgenannten Ausmaß aus, da sie exakt diese Angaben der Landessanitätsdirektion für die Rückrechnung mitteilte.

Das Straferkenntnis ist daher aufgrund der anfangs angeführten unrichtigen Feststellung rechtswidrig.

1.2. Vielmehr hätte die Behörde feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer zumindest von 02:00 bis 04:00 Uhr mindestens drei bis vier Bier trank und daher im Zeitpunkt des Unfalles um 01:16 Uhr höchstens einen Blutalkoholgehalt von 0,79 ‰ (s. Berechnung Landessanitätsdirektion) hatte.

Ausgehend von diesem erheblich geringeren Blutalkoholgehalt ist die Geldstrafe in Höhe von EUR 1.760,00 jedenfalls überhöht. Die Behörde legt ihrer Entscheidung den Strafrahmen des § 99 Abs 1 lit a StVO zugrunde. Bei einem Blutalkoholgehalt von 0,79 ‰ liegt jedoch kein Verstoß gegen § 5 Abs 1 StVO vor. Allenfalls liegt eine Übertretung der § 4 Abs 7 und § 14 Abs 8 FSG vor, weshalb lediglich eine Geldstrafe nach § 37a FSG in Frage kommt. Eine allfällige Strafe des Beschwerdeführers ist daher erheblich zu mindern.

Aus all diesen Gründen stellt der Beschwerdeführer nachfolgende

ANTRÄGE:

Das Landesverwaltungsgericht möge

1.   eine mündliche Verhandlung durchführen; dies unter gleichzeitiger Ladung der Zeugen

     a. CC, p.A. Adresse 3, **** W

     b. EE, p.A. Adresse 4, *** Y

     c. FF, p.A. des Beschwerdeführers

     d. JJ, p.A. des Beschwerdeführers

2.   der Beschwerde Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis vom 27.06.2022, ***, ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen;

in eventu

3.   der Beschwerde Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis aufheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverweisen.

Z, am 26.07.2022  AA“

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu
Zl ***, insbesondere in die Anzeige der Polizeiinspektion Y vom 28.02.2022, Zl ***, Einsichtnahme in die Niederschrift über die Vernehmung des AA vor der PI Y am 18.12.2021, Einsichtnahme in die Niederschrift über die Vernehmung des CC vor der PI Y am 22.12.2021, Einsichtnahme in das Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Z vom 29.03.2022, Zl ***. Weiters wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Parallelakt betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung zu Zl ***, Einsichtnahme in die Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen CC vor der Bezirkshauptmannschaft Z am 04.05.2022, Einsichtnahme in die Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen EE vor der Bezirkshauptmannschaft Z vom 16.05.2022, Einsichtnahme in die Stellungnahme der PI Y vom 10.05.2022, Zl ***.

Weiters fand am 14.10.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der Beweis aufgenommen wurde durch Einvernahme des Beschwerdeführers, Einvernahme der Zeugen CC, EE, FF sowie Einvernahme der Meldungslegerin KK.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer lenkte am 18.12.2021 gegen 01:16 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen *** in Y auf der Adresse 2 (Nordumfahrung Y) bei der 90° Rechtskurve auf Höhe des Klärwerks in Fahrrichtung Osten. Dabei fuhr der Beschwerdeführer mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h und verursachte einen Verkehrsunfall, in dem er geradeaus fuhr und dadurch einen Zaun und eine Straßenlaterne beschädigte, sodass der ganze Straßenzug (insgesamt 7 Laternen) ausgefallen ist. Am Beifahrersitz befand sich sein Freund CC. CC informierte den ÖAMTC wegen einer eventuellen Abschleppung, dort wurde jedoch auf die Firma DD verwiesen. Die Firma DD hat sodann auch das Fahrzeug abgeschleppt und zum Firmenstandort in V gebracht. Eine Verständigung bei der Polizei erfolgte nicht. Erst gegen 05:50 Uhr wurde die PI Y vom Streuwagenfahrer informiert, dass sich an der gegenständlichen Stelle ein Verkehrsunfall ereignet haben muss. Die dort eingetroffene Streife konnte ein Impfzertifikat lautend auf AA vorfinden. Bei einer Nachschau an der Wohnadresse des AA konnte dieser nicht angetroffen werden. Erst gegen 09:00 Uhr konnte der Beschwerdeführer telefonisch erreicht werden und wurde aufgefordert umgehend zur PI Y zu kommen. Nach dem Eintreffen bei der PI Y wurde mit dem Beschwerdeführer ein Alkomattest durchgeführt und hat die Alkomatmessung um 10:15 Uhr einen Atemalkoholgehalt von 0,40 mg/l ergeben. Die Rückrechnung durch den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Z hat ergeben, dass ohne Berücksichtigung einer Nachtrunkbehauptung für den Vorfallszeitpunkt um 01:16 Uhr des 18.12.2021 ein Blutalkoholgehalt von 1,7 ‰ sich ergibt.

Der Beschwerdeführer hat den Pkw mit den Kennzeichen *** in Y am 18.12.2021 um 01:16 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der vom Amtsarzt ermittelte Wert ergab durch Rückrechnung einen Blutalkoholgehalt von 1,7 ‰.

III.     Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen betreffend Tatzeitpunkt, Tatort und Fahrzeug sowie Lenker ergeben sich insbesondere aufgrund der Anzeige der Polizeiinspektion Y vom 28.02.2022, Zl ***.

Die getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen *** am 18.12.2021 um 01:16 Uhr in Y auf der Adresse 2 gelenkt und dabei einen Unfall mit Sachschaden verursacht hat, ergibt sich ebenfalls aus der Anzeige er Polizeiinspektion Y vom 28.02.2022.

Dass der Test am geeichten Alkomaten einen Atemalkoholgehalt von 0,40 mg/l am 18.12.2021 um 10:15 Uhr ergeben hat, ergibt sich ebenfalls aus der Anzeige der Polizeiinspektion Y vom 28.02.2022.

Dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Unfalls durch Alkohol beeinträchtigt war und zwar mit einem Blutalkoholgehalt von 1,7 ‰ ergibt sich aus dem Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Z vom 29.03.2022, Zl ***. Zusammenfassend hat der Amtsarzt ausgeführt, dass unter Heranziehung der geführten Fakten und Berechnungsgrundlagen sich zum Tatzeitpunkt am 18.12.2021 um 01:16 Uhr bei Herrn AA ohne Berücksichtigung der Nachtrunkbehauptung ein Blutalkoholgehalt von 1,7 ‰ ergebe und mit Berücksichtigung der Nachtrunkbehauptung (3 – 4 große Bier zwischen 02:00 Uhr und 04:00 Uhr am 18.12.2021) ein Blutalkoholgehalt von 0,79 ‰. Der Amtsarzt hat darauf hingewiesen, dass die Trinkverantwortung insgesamt nicht geeignet ist, den als objektiv geltenden Alkomat-Messwert im Gesamtzusammenhang zwanglos zu erklären und muss die Trinkverantwortung als unvollständig beurteilt werden.

Mit der Stellungnahme vom 15.06.2022 hat der Beschwerdeführer eine Berechnung des Blutalkoholgehaltes für AA von Frau GG vorgelegt. Die GG kommt in ihrer Berechnung zum Ergebnis, dass ausgehend von einer Messung um 10:15 Uhr von 0,4 mg Atemalkohol (= 0,8 ‰ Blutalkoholgehalt) unter Berücksichtigung des Abbaus zum Tatzeitpunkt um 01:16 Uhr 1,7 ‰ Blutalkohol vorgelegen seien. Auch bei Berücksichtigung der nach 02:00 Uhr konsumierten Alkoholmenge (Nachtrunk von 4 Bier) muss um 01:16 Uhr ein Blutalkoholgehalt von 1,635 ‰ bestanden haben. Ihre Schlussfolgerung daraus: Die angegebene Nachtrunkmenge stimmt nicht bzw muss bei der angegebenen Nachtrunkmenge bereits vor 02:00 Uhr Alkohol konsumiert worden sein.

Die Trinkverantwortung des Beschuldigten, aber auch der Zeugen CC und EE differieren sowohl hinsichtlich der Zeit des konsumierten Alkohols als auch hinsichtlich der Menge und des Ortes an dem der Alkohol getrunken wurde. CC hat beim Telefonat mit der Polizei am 18.12.2021 angeben, dass der Beschwerdeführer vermutlich beim Zusteigen bereits alkoholisiert gewesen sei und nach dem Unfall habe er und Beschuldigter bei CC zu Hause bis gegen 04:00 Uhr jeweils 1 bis 2 Bier getrunken. Am 22.12.2021 bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der PI Y hat CC angegeben, dass er bis gegen 03:30 Uhr in der Wohnung des EE gewesen ist und sowohl der Beschwerdeführer als auch EE und auch er selbst 3 – 4 Bier getrunken haben. Anschließend hat der Beschwerdeführer zeitgleich mit dem Zeugen CC die Wohnung von EE verlassen. In der Niederschrift vor der belangten Behörde hatte der Zeuge CC angegeben, dass er in der Wohnung des EE bis 05:00 Uhr dort gewesen ist und der Beschwerdeführer 6 – 8 Bier getrunken hat. Er selbst sei bis 05:00 Uhr geblieben und habe 4 – 5 Bier getrunken.

Der Zeuge EE hat beim Telefonat mit der Polizei am 18.12.2021 angegeben, dass der Beschwerdeführer in der Wohnung des EE von 02:00 Uhr bis 04:00 Uhr 3 – 4 große Bier getrunken hat und zusammen mit CC um 04:00 Uhr die Wohnung verlassen hat. Bei der Zeugeneinvernahme vor der belangten Behörde am 16.05.2022 hat EE angegeben, dass von ca 01:00 Uhr bis 02:00 Uhr in der Früh bis 07:00 Uhr in der Früh in der Wohnung des EE der Beschwerdeführer und er selbst 6 – 7 große Bier getrunken hat, CC bis 04:00 Uhr oder 05:00 Uhr 3 – 4 Bier.

Der Beschuldigte hat in der niederschriftlichen Einvernahme bei der PI Y am 18.12.2021 angegeben, dass er von 02:00 Uhr bis 04:00 Uhr in der Wohnung des EE selbst 3 – 4 große Bier getrunken hat und gegen 04:00 Uhr die Wohnung des EE verlassen hat und nach Hause gegangen ist. In der Vorstellung, nachdem dem Beschwerdeführer das Gutachten des Amtsarztes übermittelt wurde und der Mandatsbescheid erlassen wurde, hat der Beschwerdeführer angegeben, dass er bis ca 07:00 Uhr Früh Bier konsumiert hat, insgesamt 6 Bier. In der Stellungnahme vom 15.06.2022 hat der Beschwerdeführer dann ausgeführt, dass er von ca 02:00 Uhr bis 07:00 Uhr Früh in der Wohnung des EE selbst ca 7 – 8 Bier konsumiert hat.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol hat der Beschwerdeführer unter anderem angegeben, dass er um ca 02.00 Uhr bis 07:00 Uhr Früh bei EE gewesen ist und dort 6 – 8 Bier getrunken hat. Über Vorhalte der Aussage vor der Polizeiinspektion Y vom 18.12.2021, wo er angegeben hat, dass er sich zwischen 02:00 Uhr und 04:00 Uhr in der Früh bei EE aufgehalten hat und 3 – 4 getrunken hat, hat der Beschwerdeführer angegeben, dass diese Aussage nicht richtig war.

Der Zeuge CC hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 14.10.2022 unter anderem ausgesagt, dass er sich an die Uhrzeiten nicht mehr genau erinnern kann und zuerst angegeben hat, dass er ca um 04:00 Uhr nach Hause gegangen sein wird. Auf die Frage wieviel Bier bei EE konsumiert wurde, hatte der Zeuge CC angegeben, dass es ein paar Bier gewesen sein werden, 4, 6, 7 Bier, genau hat er das nicht mehr angeben können. Über Vorhalt der Stellungnahme der PI Y vom 10.05.2022, dass der Zeuge CC angegeben hat, dass er und AA direkt nach dem Unfall zu CC nach Hause gegangen sind und dort Bier getrunken hätten und auf die Frage, wieviel Bier AA nach dem Unfall konsumiert hat, hatte der Zeuge CC geantwortet, dass beide jeweils 1 – 2 Bier getrunken hätten. Sonstige Getränke bzw weiterer oder anderweitiger Alkohol sei von beiden nicht konsumiert worden. Weiters hat der Zeuge CC angegeben, dass der Beschwerdeführer gegen 04:00 Uhr die Wohnadresse des CC verlassen hat und ihm gegenüber angegeben hat, nach Hause zu gehen. Über Vorhalt dieser Stellungnahme hat der Zeuge ausgesagt, dass er sich an diese Aussage nicht mehr erinnern kann. Auch über Vorhalt der Aussage bei der Einvernahme der PI Y am 22.12.2021, dass CC und der Beschwerdeführer bei EE jeder 3 – 4 Bier getrunken habe und gegen 03:30 Uhr zeitgleich mit dem Beschwerdeführer nach Hause gegangen ist, hatte der Zeuge anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht angegeben, dass diese Aussage nicht stimmt und der Zeuge CC alleine nach Hause gegangen ist.

Auch der Zeuge EE hat anlässlich seiner Einvernahme vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol in der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2022 angegeben, dass der Beschwerdeführer zwischen 02:00 Uhr und 07:00 Uhr in der Früh 5 – 6 Bier getrunken hat, doch nicht mehr ganz genau sagen kann, wieviel Bier getrunken wurde. Der Zeuge CC sei ca um 04:00 Uhr gegangen, der Beschwerdeführer dann in der Früh ca um 07:00 Uhr.

Aufgrund der wechselnden Trinkverantwortung sowohl des Beschwerdeführers als auch der beiden Zeugen CC und EE, insbesondere nach Übermittlung des Gutachtens des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Z, ist den wechselnden Angaben hinsichtlich der Menge des konsumierten Alkohols sowie der Zeit in der dieser Alkohol konsumiert wurde, als auch der Ort wenig Glauben zu schenken. Wie sich auch aus der zusammenfassenden Beurteilung des Amtsarztes des Bezirkshauptmannschaft Z ergibt, hat sich zum Tatzeitpunkt am 18.12.2021 um 01.16 Uhr bei dem Beschwerdeführer ohne Berücksichtigung der Nachtrunkbehauptung ein Blutalkoholgehalt von 1,7 ‰ ergeben und mit Berücksichtigung der Nachtrunkbehauptung ein Blutalkoholgehalt von 0,79 ‰.

Der Amtsarzt hat festgesellt, dass die Trinkverantwortung insgesamt nicht geeignet ist, den als objektiv geltenden Alkomat-Messwert im Gesamtzusammenhang zwanglos zu erklären und muss die Trinkverantwortung als unvollständig beurteilt werden. Auch die GG ist in ihrer Berechnung des Blutalkoholgehaltes für den Beschwerdeführer AA zum Schluss gekommen, dass um 01:16 Uhr 1,7 ‰ Blutalkoholgehalt vorgelegen sein müssten, damit um 10:15 Uhr ein Blutalkoholgehalt von 0,8 ‰ gemessen werden kann. Selbst bei Berücksichtigung der nach 02:00 Uhr konsumierten Alkoholmenge (Nachtrunk von 4 Bier) muss um 01:16 Uhr ein Blutalkoholgehalt von 1,635 ‰ bestanden haben.

Als Ergebnis der Beweisaufnahme insbesondere der Rückrechnung und gutachterlichen Beurteilung des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Z, der auch die Berechnung der GG nicht entgegengetreten ist, steht für das Landesverwaltungsgericht Tirol fest, dass der Beschwerdeführer am 18.12.2021 um 01:16 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen *** in Y auf der Adresse 2 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat, da der Test am geeichten Alkomaten einen Alkoholgehalt um 10:15 Uhr von 0,40 mg/l ergeben hat und die Rückrechnung durch den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Z einen Blutalkoholgehalt von 1,7 ‰ zum Zeitpunkt um 01:16 Uhr ergeben hat. Weiters hat der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht.

IV.      Rechtsgrundlagen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung lauten wie folgt:

㤠5.

Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol

(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

[…]

§ 99.

Strafbedingungen

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,

[…]“

V.       Rechtliche Erwägungen:

Aufgrund des Ergebnisses des Beweisverfahrens ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht verwirklicht hat. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er am 18.12.2021 um ca 01:16 Uhr einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hat. Weder der Beschwerdeführer noch der Zeuge CC haben angesichts des angerichteten Schadens, eine Laterne und Zaun wurde beschädigt und sind insgesamt 7 Straßenlaternen ausgefallen, es nicht für notwendig erachtet die nächste Polizeidienststelle zu verständigen. Der Beschwerdeführer hat das Auto abschleppen lassen und sich von der Unfallstelle entfernt, konnte aufgrund eines an der Unfallstelle vorgefundenen Impfzertifikates als Zulassungsbesitzer ausgeforscht werden. Der Beschwerdeführer hat sich erst gegen 09:00 Uhr telefonisch bei der PI Y gemeldet und ist dann gegen 10:00 Uhr auf der PI Y erschienen. Dort hat der Alkomattest um 10:15 Uhr den Alkoholgehalt von 0,40 mg/l Atemalkohol ergeben. Die Rückrechnung des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Z hat zum Tatzeitpunkt um 01:16 Uhr am 18.12.2021 einen Alkoholgehalt im Blut von 1,7 ‰ ergeben.

Was die subjektive Tatseite betrifft so ist anzuführen, dass zur Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung fahrlässiges Verhalten (§ 5 Abs 1 VStG) ausreicht. Der Beschuldigte hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft. Dabei hat der Beschwerdeführer im Sinne der § 5 VStG initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht, sei es durch geeignete Tatsachenvorbringen, durch Beibringung von Beweismitteln oder durch Stellung konkreter Beweisanträge.

Den vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträgen ist das Landesverwaltungsgericht nachgekommen und hat die Beweise aufgenommen, insbesondere eine mündliche Verhandlung durchgeführt, den Beschwerdeführer einvernommen und sowohl die vom Beschwerdeführer angebotenen Zeugen, nämlich CC, EE und FF einvernommen sowie die Meldungslegerin KK. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Betroffene die Nachtrunkmenge konkret zu behaupten und zu beweisen (VwGH 27.02.2007, 2007/02/0018; und andere). Wechselnde Angaben im Verfahren machen die Nachtrunkbehauptung unglaubwürdig (VwGH 07.09.2007, 2006/02/0274). Bei unglaubwürdiger Nachtrunkbehauptung erübrigt es sich, in diesen Zusammenhang ein ergänzendes medizinisches Gutachten einzuholen

Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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