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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1175;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 15. Juni 1992, Zl. UVS-06/22/169/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. Februar 1992, MBA 22-18/032/1/Str, wurde die Beschwerdeführerin mehrerer Übertretungen des Heimarbeitsgesetzes schuldig erkannt und mit Geldstrafen im Ausmaß von insgesamt S 17.000,-- (einer Woche Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft.
Dagegen erhob ein näher bezeichneter Wirtschaftstreuhänder "namens und auftrags" der Beschwerdeführerin Berufung.
Die belangte Behörde erteilte dem Einschreiter gemäß § 13 Abs. 3 AVG den Auftrag, die erteilte Vollmacht binnen zwei Wochen vorzulegen. Dieser legte daraufhin die Kopie einer Vollmacht vom 2. April 1991 vor, welche als Vollmachtgeberin die S-Gesellschaft nach bürgerlichem Recht nennt und mit den Unterschriften der Beschwerdeführerin und eines weiteren Gesellschafters versehen ist. Darin wird der Wirtschaftstreuhänder bevollmächtigt, die Vollmachtgeber "in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegenüber den zuständigen Behörden und Personen rechtsgültig zu
vertreten, ... Steuererklärungen etc. zu unterfertigen,
Akteneinsicht zu nehmen, alles dem Bevollmächtigten ... zweckdienlich Erscheinende zu verfügen, Rechtsmittel einzubringen und zurückzuziehen sowie verbindliche Erklärungen abzugeben".
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, es sei weder durch die Vorlage einer unbeglaubigten Fotokopie einer Vollmachtsurkunde noch durch den Hinweis, daß sich das Original bei einer anderen Behörde befinde, dem Verbesserungsauftrag entsprochen worden. Im übrigen ergebe sich aus dem Inhalt der Urkunde, daß der Einschreiter nicht zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen das angefochtene Straferkenntnis legitimiert sei, sondern nur zur Vertretung vor dem Finanzamt für den 21. und 22. Bezirk. Weiters scheine als Vollmachtgeber nicht die Beschwerdeführerin, sondern eine Gesellschaft n.b.R. auf.
Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher diese nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom 22. März 1993, B 1105/92-4, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Die Beschwerdeführerin begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte den Ersatz des Vorlageaufwandes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die Berufung auf die erteilte Vollmacht ersetze gemäß § 33 Abs. 1 lit. c Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung den urkundlichen Nachweis. Dem ist zu erwidern, daß diese Bestimmung nur die Vertretung im ABGABEN- UND ABGABENSTRAFVERFAHREN vor den Finanzbehörden des Bundes und der übrigen Gebietskörperschaften betrifft, nicht jedoch die Vertretung in einem Strafverfahren nach dem Verwaltungsstrafgesetz 1991.
Bei ihrem unter Hinweis auf den bisherigen Verfahrensablauf erhobenen Einwand, es liege jedenfalls eine konkludente Vollmachtserteilung vor, beruft sich die Beschwerdeführerin zu Unrecht auf das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1980, Zl. 2908/79, Slg. 10043/A. Dort ging es nämlich um eine mündliche Vollmachtserklärung im Rahmen einer Verhandlung und um die Auslegung dieser Erklärung. Im Beschwerdefall geht es hingegen darum, daß sich der einschreitende Wirtschaftstreuhänder, bei dem die auf Rechtsanwälte und Notare abstellende Ausnahmebestimmung des § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG nicht zum Tragen kommt, auf eine von der Beschwerdeführerin erteilte Vollmacht berief, die jedoch der Eingabe nicht angeschlossen war. Aus diesem Grund lag ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG vor (vgl. Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 145 mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die belangte Behörde war daher entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin berechtigt, einen Verbesserungsauftrag nach dieser Gesetzesstelle zu erteilen.
Verfehlt ist aber die Ansicht der belangten Behörde, dem erteilten Auftrag sei durch die Vorlage einer Kopie der Vollmacht verbunden mit dem Hinweis, das Original befinde sich bei einer anderen Behörde, nicht entsprochen worden. Der an den Wirtschaftstreuhänder ergangene Auftrag lautete auf Übermittlung der "erteilten Vollmacht", ohne eine Beifügung dahin, daß die Vollmacht im Original oder in beglaubigter Kopie vorzulegen sei. Im Hinblick auf diese Formulierung des Verbesserungsauftrages kann nicht davon ausgegangen werden, die Beschwerdeführerin hätte diesem Auftrag nicht entsprochen. Die gegenteilige Ansicht liefe auf einen dem AVG fremden übertriebenen Formalismus hinaus und hätte eine ungerechtfertigte Verkürzung der Parteirechte der Beschwerdeführerin zur Folge.
Verfehlt sind auch die übrigen für die Zurückweisung der Berufung angeführten Gründe:
Die vorgelegte Kopie enthält eingangs den Vermerk "Finanzamt (evtl. andere Behörde): f.d. 21. u. 22. Bez.". Der Zusatz "evtl. andere Behörde" läßt erkennen, daß diese Vollmacht entgegen der Ansicht der belangten Behörde den Vertreter nicht nur zum Einschreiten vor dem bezeichneten Finanzamt, sondern auch vor anderen Behörden legitimiert.
Vollmachtgeberin ist die Beschwerdeführerin, die die Vollmacht neben einer anderen Person unterfertigt hat, und nicht - wie die belangte Behörde angenommen hat - die als Vollmachtgeberin genannte Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Einer solchen Gesellschaft fehlt die Rechtspersönlichkeit; wenn von ihr die Rede ist, sind damit in Wahrheit die Gesellschafter gemeint (Strasser in Rummel, ABGB2, § 1175 Rz 13;
Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 56 ff). Die Vollmacht ist daher der Beschwerdeführerin als Gesellschafterin der genannten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zuzurechnen.
Die belangte Behörde hat durch die verfehlte Zurückweisung der Berufung den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist für das fortzusetzende Verfahren festzuhalten:
Das Einschreiten eines Wirtschaftstreuhänders als Vertreter ist im gegebenen Zusammenhang mit § 10 Abs. 3 AVG nicht vereinbar. Danach sind solche Personen als Bevollmächtigte nicht zuzulassen, die die Vertretung anderer unbefugt zu Erwerbszwecken betreiben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt ausgesprochen, daß die Vertretungsbefugnis von Wirtschaftstreuhändern einen UNMITTELBAREN Zusammenhang mit wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten voraussetzt und diese Voraussetzung unter anderem in bezug auf ein gewerberechtliches Konzessionsverfahren (Erkenntnis vom 2. Oktober 1959, Slg. 5067/A), ein Verfahren betreffend die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung (Erkenntnis vom 13. Februar 1981, Slg. 10369/A) und ein Verwaltungsstrafverfahren nach dem Familienlastenausgleichsgesetz (Erkenntnis vom 1. Juli 1970, Zl. 1244/69) verneint. Dies gilt in gleicher Weise für Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften. Mangels eines unmittelbaren Zusammenhanges mit wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten ist auch in solchen Verfahren das Einschreiten eines Wirtschaftstreuhänders als Vertreter des Beschuldigten einem Fall des § 10 Abs. 3 AVG gleichzuhalten. Die belangte Behörde wird daher nach § 10 Abs. 3 AVG vorzugehen und die Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufzufordern haben, entweder die Berufung selbst zu unterfertigen oder sich eines geeigneten Vertreters zu bedienen (vgl. hiezu das vorhin genannte Erkenntnis Slg. 10369/A/1981 und das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Jänner 1985, Slg. 11633/A).
Schließlich wird - im Hinblick auf den Zusammenhang mit den übrigen gegen die Beschwerdeführerin geführten Verfahren wegen ihres Unternehmens - von einer begründeten Berufung auszugehen sein, mögen Berufungsantrag und Begründung auch in getrennten Schriftstücken enthalten sein.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Umsatzsteuer konnte nicht zugesprochen werden, da diese bereits im vorgesehenen Schriftsatzaufwand enthalten ist.
Stempelgebührenersatz war nur für die in dreifacher Ausfertigung beizubringende Beschwerde und eine Kopie des angefochtenen Bescheides zuzusprechen.
Schlagworte
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ECLI:AT:VWGH:1996:1993110092.X00Im RIS seit
20.04.2001Zuletzt aktualisiert am
04.01.2012