TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/30 95/11/0363

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Veröffentlicht am 30.01.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §19 Abs3;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 18. Oktober 1995, Zl. 11/II B 259-95, betreffend Ladung in einem Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 21. April 1995 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G auf die Dauer von neun Monaten von der Zustellung dieses Bescheides (die am 25. April 1995 erfolgte) entzogen. Der Grund für diese Maßnahme war, daß der Beschwerdeführer am 31. März 1995 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ("0,71 mg/l=1,42 %o") einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden verschuldet habe. Im Spruch dieses Bescheides ist auch der Satz enthalten, der Beschwerdeführer werde "gemäß § 75 Abs. 2 KFG aufgefordert, sich vor Wiederausfolge des Führerscheines einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen". Diesem Spruchteil entspricht in der Begründung die Aussage: "Da wegen des hohen Alkoholisierungsgrades außerdem Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

bestehen, war ... gemäß § 75 Abs. 2 KFG zur amtsärztlichen

Untersuchung zu verpflichten".

Mit Schriftsatz vom 27. April 1995 erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Mit Aktenvermerk vom 3. Mai 1995 leitete die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren ein (Einholung einer Strafregisterauskunft, "Verkehrszuverlässigkeitsanfrage" an den zuständigen Gendarmerieposten).

Mit Schreiben vom 17. Mai 1995 beantragte der Beschwerdeführer, das Außerkrafttreten des Mandatsbescheides vom 21. April 1995 schriftlich zu bestätigen und ihm den Führerschein wieder auszufolgen. Mit Bescheid vom 6. Juni 1995 wurde der Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines abgewiesen; in der Begründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß der Mandatsbescheid infolge rechtzeitiger Einleitung des Ermittlungsverfahrens nicht außer Kraft getreten und die Entziehung der Lenkerberechtigung daher weiterhin wirksam sei.

Mit gewöhnlicher Ladung (Form. 1 zu § 19 AVG) vom 25. September 1995 wurde der Beschwerdeführer für den 6. Oktober 1995 vor die belangte Behörde geladen. Als Betreff wurde ausgeführt: "Verdacht der mangelnden gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen"; mitzubringen wäre ein "aktueller Leberbefund vom Hausarzt". Diese Ladung wurde nicht befolgt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer daraufhin gemäß § 19 AVG für den 31. Oktober 1995, 08.00 Uhr, vor die belangte Behörde geladen. Für den Fall der unentschuldigten Nichtentsprechung wurde dem Beschwerdeführer die zwangsweise Vorführung angedroht. Betreff und mitzubringende Unterlagen entsprechen wörtlich der Ladung vom 25. September 1995.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer "formelle und materielle Rechtswidrigkeit" des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer brachte in der Folge gemäß § 36 Abs. 8 VwGG einen weiteren Schriftsatz ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt gegen den angefochtenen

Bescheid der Sache nach zweierlei vor: Erstens seien die Bedenken gegen seine gesundheitliche Eignung völlig unbegründet, da er bisher im Straßenverkehr überhaupt nicht auffällig geworden sei, insbesondere auch nicht im Hinblick auf Alkohol. Zweitens dürfe die Kraftfahrbehörde im Entziehungsverfahren den Inhaber der Lenkerberechtigung nicht unter Androhung der zwangsweisen Vorführung laden, um sich ein Bild von dessen gesundheitlicher Eignung zu machen, sondern sie sei auf den Weg des § 75 Abs. 2 KFG 1967 verwiesen, könne also nur bescheidmäßig zur Vornahme einer Untersuchung oder zur Vorlage von Befunden mit der Sanktion auffordern, bei Nichtentsprechung die Lenkerberechtigung zu entziehen.

Der Beschwerdeführer ist mit beiden Behauptungen im Recht.

Im Vordergrund steht dabei das Zutreffen der zweiten der wiedergegebenen Behauptungen des Beschwerdeführers. Durch das Rechtsinstitut der bescheidmäßigen Aufforderung mit der Sanktion der Entziehung der Lenkerberechtigung im § 75 Abs. 2 KFG 1967 wurde im gegebenen Zusammenhang eine lex specialis zu § 19 AVG geschaffen. Es ist daher rechtswidrig, den Beschwerdeführer mit der Sanktion der zwangsweisen Vorführung bescheidmäßig zu laden, um seine geistige oder körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen festzustellen. Dies allein führt bereits zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Zu den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, wonach die Absicht bestanden hätte, den Beschwerdeführer anläßlich seiner Vorsprache mit mündlichem Bescheid gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1975 aufzufordern, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ist zu bemerken, daß es zum Ausspruch einer derartigen Aufforderung nicht der persönlichen Anwesenheit des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde bedurft hätte.

Angemerkt sei jedoch, daß die Einleitung eines Entziehungsverfahrens wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung aufgrund eines einzigen Alkoholdeliktes - mag der Grad der Alkoholisierung auch verhältnismäßig hoch gewesen sein - nicht in Betracht kommt, wenn dies der einzige Anhaltspunkt für Alkoholmißbrauch darstellt. Bedenken im Sinne des § 75 Abs. 1 KFG 1967, daß die körperliche oder geistige Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr bestünden, können in einem solchen Fall nicht als begründet angesehen werden. Dazu kommt im vorliegenden Fall, daß hinsichtlich des Beschwerdeführers im Gendarmeriebericht vom 9. Mai 1995 ausgeführt wird, er sei "im allgemeinen und insbesondere im Straßenverkehr nicht negativ in Erscheinung getreten" und es habe "auch keine Neigung zum Alkoholkonsum und kein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten festgestellt werden" können; darüber hinaus war der Beschwerdeführer auch strafgerichtlich unbescholten.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Stempelgebührenersatz nur im Betrag von S 390,-- (S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen und S 30,-- für eine Kopie des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110363.X00

Im RIS seit

16.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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