Index
63/08 SonstigesNorm
B-VG Art7 Abs1 / GerichtsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht betreffend die Versagung einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung durch das diskriminierende Festsetzen eines geringeren Ruhebezugs auf Grund der sexuellen Orientierung; Gültigkeit des Bundes-GleichbehandlungsG auch für Beamte im Ruhestandsverhältnis; Anspruch auf Schadenersatz wegen persönlicher Beeinträchtigung auch nach zwischenzeitig erfolgtem Ausgleich des VermögensschadensSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der am 1. Jänner 1942 geborene Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund.
2. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. September 1974 wurde er – damals Polizeibeamter des Aktivstandes – wegen des versuchten Verbrechens der "Gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen" nach §129 I. Strafgesetz 1945, ASlg. 2 (StG), die Vorgängerbestimmung des späteren §209 Strafgesetzbuch, BGBl 60/1974 (im Folgenden: StGB), zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Eine Berufung des Beschwerdeführers an das Oberlandesgericht Wien blieb erfolglos.
3. Mit Erkenntnis der Disziplinarkommission bei der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. Juni 1975 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, "seine Standespflichten (§24 Abs1 DP.) dadurch verletzt zu haben, daß er am 25. Februar 1974 gegen Abend, außer Dienst, im Wiener Prater den 15-jährigen […] und den 14-jährigen […] zur Vornahme einer so genannten Handonanie an ihm aufforderte, weshalb er wegen Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach den §§8, 129 I. StG. verurteilt wurde. Er hat dadurch ein Dienstvergehen (§87 DP.) begangen; es wird deshalb über ihn die Disziplinarstrafe der Versetzung in den dauernden Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuß verhängt und der Abzug von dem normalmäßigen Ruhegenuß mit 25 % (fünfundzwanzig Prozent) festgesetzt (§93 Abs1 litd in Verbindung mit §97 Abs1 DP.)".
4. Mit Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 24. März 1976 wurde der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Der Beschwerdeführer wurde damit mit Wirkung vom 1. April 1976 in den Ruhestand versetzt.
5. Mit Bescheid vom 17. Mai 1976 wurde der Ruhebezug des Beschwerdeführers auf Basis seiner Ruhestandsversetzung mit Wirkung vom 1. April 1976 und unter Berücksichtigung der von der Disziplinarbehörde verfügten 25-prozentigen Kürzung bemessen.
6. §209 StGB wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 16.565/2002 mit Wirkung vom 28. Februar 2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Dem Wirksamwerden dieser Aufhebung kam der österreichische Bundesgesetzgeber zuvor, indem er mit dem Bundesgesetz BGBl I 134/2002 §209 StGB seinerseits schon mit Wirkung vom 13. August 2002 aufhob.
7. Am 11. Februar 2009 stellte der Beschwerdeführer mehrere (teilweise später modifizierte) Anträge bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (nunmehr Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, im Folgenden: BVAEB). Unter anderem beantragte er "auszusprechen, dass der Bund [dem Beschwerdeführer] für die persönliche Beeinträchtigung, die er bei der Gewährung der Arbeitsbedingungen und der Festsetzung des Entgeltes durch die auf Grund seiner sexuellen Orientierung diskriminierenden Vorenthaltung von Ruhebezügen erlitten habe, eine Entschädigung idHv EUR 50.000,-- samt 4% Zinsen seit 11.02.2009 zu bezahlen hat".
8. Nach Modifikation einzelner Anträge durch den Beschwerdeführer sowie teilweiser Aufhebung von Vorentscheidungen durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH 10.10.2012, 2011/12/0007, 0008) und Fortsetzung eines zwischenzeitig gemäß §38 AVG unterbrochenen Verfahrens wurden mit Bescheid vom 11. Juni 2015 sämtliche offenen Anträge abgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhob. Mit Erkenntnis vom 25. Mai 2016 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Abweisung dieser Anträge und wies die Beschwerde des Beschwerdeführers ab.
9. Mit Beschluss vom 23. September 2016, E1547/2016, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde des Beschwerdeführers ab.
10. Parallel dazu erhob der Beschwerdeführer Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Nach einem Ersuchen um Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union betreffend die Vereinbarkeit der Aufrechterhaltung der Rechtskraftwirkungen des Disziplinarerkenntnisses vom 24. März 1976 mit Art2 der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL 2000/78; vgl VwGH 27.4.2017, EU 2017/0001-1, sowie EuGH 15.1.2019, Rs C-258/17, E.B.) hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes – soweit die Revision nicht zurückgewiesen wurde (hinsichtlich Spruchpunkt 4. betreffend die Verfahrenskosten) – wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf (VwGH 28.2.2019, Ra 2016/12/0072).
Der Verwaltungsgerichtshof gelangt auf Basis der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union zu dem Ergebnis, "dass eine Situation wie die aus dem Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 resultierende, die auf einer auf die sexuelle Orientierung gestützten Ungleichbehandlung beruht, eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art2 Abs2 lita RL 2000/78 darstellt" (Rz 59). Daraus folge, "dass die Minderung der Ruhebezüge des Revisionswerbers ab dem 3. Dezember 2003 um 25 Prozent zur Gänze zu entfallen hätte" (Rz 63). In Bezug auf den (im vorliegenden Fall verfahrensgegenständlichen) Antrag auf Zuerkennung von Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung (Spruchpunkt 3. des Bescheides vom 11. Juni 2015) führt der Verwaltungsgerichtshof unter Rz 66 aus:
"Aus dem oben unter Rn 59 Gesagten folgt auch, dass das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Zuerkennung von Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung nicht mit der Begründung versagen durfte, eine Diskriminierung des Revisionswerbers nach der sexuellen Orientierung liege nicht vor. Eine solche ist vielmehr in der Vorenthaltung des ungekürzten Ruhebezuges für Zeiträume ab dem 3. Dezember 2003 zu erblicken."
11. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Februar 2020, wurde daraufhin der Beschwerde Folge gegeben, der angefochtene Bescheid vom 11. Juni 2015 gemäß §28 Abs3 VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
12. Mit Bescheid vom 4. Jänner 2021 wies die BVAEB den Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Februar 2009 "[…] auszusprechen, dass der Bund dem […] für die persönliche Beeinträchtigung, die er bei der Gewährung der Arbeitsbedingungen und der Festsetzung des Entgeltes durch die auf Grund seiner sexuellen Orientierung diskriminierenden Vorenthaltung von Ruhebezügen erlitten habe, eine Entschädigung idHv EUR 50.000,-- samt 4% Zinsen seit 11.02.2009 zu bezahlen hat", ab.
13. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde änderte der Beschwerdeführer seinen verfahrensgegenständlichen Antrag dahingehend, dass er eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung durch die diskriminierende Vorenthaltung von Ruhebezügen auf Grund seiner sexuellen Orientierung sowie nunmehr auch auf Grund seines Geschlechts beantragt.
14. Diese Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10. September 2021 als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung wörtlich wie folgt:
"Mit seinem im Rahmen der vorliegenden Beschwerde neuerlich modifizierten Antrag auf Entschädigung für erlittene persönliche Beeinträchtigung aufgrund seiner sexuellen Orientierung sowie nunmehr auch aufgrund seines Geschlechts durch die diskriminierende Vorenthaltung von Ruhebezügen macht der BF Ansprüche geltend, die in den Vollzugsbereich der Pensionsbehörde fallen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgehalten hat, geht das BDG 1979 nach seiner Systematik vom komplementären Begriffspaar 'Beamter des Dienststandes' und 'Beamter des Ruhestandes' aus und umschreibt damit einen jeweils unterschiedlichen Status innerhalb eines aufrechten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, das grundsätzlich auf Lebenszeit angelegt ist. Ein Beamter ist entweder Beamter des Dienststandes oder Beamter des Ruhestandes, er kann nicht beides gleichzeitig sein. Das Ausscheiden aus dem Dienststand bei Aufrechterhaltung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses bedeutet daher die Begründung der Eigenschaft als Beamter des Ruhestandes. Das BDG 1979 grenzt nämlich unter Verwendung anderer Begriffe den Fall der Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses klar von der Ruhestandsversetzung ab (vgl hierzu etwa VwGH 8.11.1995, VwSlg 14.355 A/1995). Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis (einschließlich des Ruhestandsverhältnisses) und Rechtsverhältnisse im Rahmen des Sozialversicherungswesens zählen zu grundlegend verschiedenen Rechtsgebieten (vgl VwGH 17.8.2000, 98/12/0489).
Daraus folgt, dass der Ruhebezug nach innerstaatlichem Recht als Fortzahlung eines Entgelts im Rahmen eines nach Übertritt des Beamten in den Ruhestand weiterbestehenden Dienstverhältnisses anzusehen ist. Der Umstand, dass im hier vorliegenden Fall die Ruhestandsversetzung als Folge eines Disziplinarerkenntnisses eintrat, ändert am Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als Ruhestandsverhältnis nichts (vgl VwGH 28.02.2019, Ra 2016/12/0072).
Wie die belangte Behörde im bekämpften Bescheid richtig ausführte, sind durch sie ausschließlich die Umstände des Ruhestandes zu prüfen. Grundlage dieser Prüfung ist das oben zitierte Gleichbehandlungsgesetz.
Aus den Regelungen des 3. Hauptstückes (Gemeinsame Bestimmungen für das 1. Und 2. Hauptstück), 1. Abschnitt (Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes, Begründung eines Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses) geht in Zusammenschau mit den Bestimmungen des 1. Und 2. Hauptstückes ganz eindeutig hervor, dass im Rahmen des B-GlBG ausschließlich aktive Dienstverhältnisse eine Regelung erfahren sollten jedoch keine Ruhestandsverhältnisse. Dies ist insbesondere aus §18a Abs2 ersichtlich, wonach der Ersatzanspruch eines Beamten mit der Bezugsdifferenz von mindestens drei Monaten zwischen dem Monatsbezug, den der Beamte bei erfolgter Betrauung mit der Verwendung (Funktion) erhalten hätte, und dem tatsächlichen Monatsbezug beträgt. Die Begrenzung mit der Ruhestandsversetzung ergibt sich daraus, dass das B-GlBG nur auf eine Differenz zum tatsächlichen Monatsbezug iSd §3 Abs2 GehG 1956 abstellt und nicht auch auf Pensionsansprüche (vgl BVwG W221 2220963-1, 11.01.2021).
Da bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.03.2021, basierend auf dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, festgestellt wurde, dass der 25%-ige Abschlag auf den Ruhebezug des BF mit 01.07.2002 zu entfallen hat, liegt eine Diskriminierung aufgrund der Vorenthaltung von Ruhebezügen auch nicht mehr vor."
15. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt sowie die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art267 AEUV angeregt wird.
16. Die BVAEB hat den Verwaltungsakt vorgelegt und – ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht – von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen. Der Gerichtsakt wurde dem Verfassungsgerichtshof vom Verwaltungsgerichtshof übermittelt.
II. Rechtslage
Das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung im Bereich des Bundes (Bundes-Gleichbehandlungsgesetz – B-GlBG), BGBl 100/1993 idF BGBl I 153/2020, lautet auszugsweise:
"I. Teil
Gleichbehandlung
Geltungsbereich
§1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird, für
1. Bedienstete, die in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen,
2. Personen mit einem freien Dienstvertrag zum Bund,
3. Lehrlinge des Bundes,
4. Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Verwaltungspraktikum nach Abschnitt Ia des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl Nr 86,
5. Personen im Ausbildungsdienst und
6. Personen, die sich um Aufnahme in ein Dienst- oder Ausbildungsverhältnis zum Bund bewerben oder sich in einem Ausbildungsverhältnis befinden.
(2) Das 1. bis 3. Hauptstück des I. Teiles dieses Bundesgesetzes sind auf die Besetzung von Planstellen für Verwendungen nicht anzuwenden, für die ein bestimmtes Geschlecht oder ein bestimmtes Merkmal unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit darstellt.
(3) Der II. Teil dieses Bundesgesetzes gilt nur für die Dienststellen des Bundes, der 5. Abschnitt des II. Teiles nur für die im Inland gelegenen Dienststellen des Bundes.
(4) §5 Z3 dieses Bundesgesetzes ist auf eingetragene Partnerinnen und Partner von Bewerberinnen oder Bewerbern nach dem Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG), BGBl I Nr 135/2009, sinngemäß anzuwenden.
Begriffsbestimmungen
§2. (1) Dienststellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die Behörden, Ämter und anderen Verwaltungsstellen sowie die Anstalten und Betriebe des Bundes, die nach ihrem organisatorischen Aufbau eine verwaltungs- oder betriebstechnische Einheit darstellen.
(2) Zentralstellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind das Bundeskanzleramt, die übrigen Bundesministerien sowie jene Dienststellen, die keinem Bundesministerium nachgeordnet sind.
(3) Ressorts im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die Zentralstellen mit den ihnen nachgeordneten Dienststellen und die Dienststellen, die keinem Bundesministerium nachgeordnet sind.
(4) Vertreterin oder Vertreter des Dienstgebers im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jede Bundesministerin, jeder Bundesminister, jede Dienststellenleiterin, jeder Dienststellenleiter, jede und jeder Vorgesetzte sowie jede und jeder Bedienstete, soweit die betreffende Person auf Seiten des Dienstgebers maßgebenden Einfluss auf Personalangelegenheiten oder Regelungen gegenüber den Bediensteten hat.
(5) Dienstnehmerin oder Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die in §1 Abs1 genannten Personen.
1. Hauptstück
Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern
Gleichstellung
§3. Ziel dieses Hauptstückes ist die Gleichstellung von Frauen und Männern.
1. Abschnitt
Gleichbehandlungsgebot
Gleichbehandlungsgebote im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis
§4. Auf Grund des Geschlechtes - insbesondere unter Bedachtnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat - darf im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gemäß §1 Abs1 niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
1. bei der Begründung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses,
2. bei der Festsetzung des Entgelts,
3. bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen,
4. bei Maßnahmen der ressortinternen Aus- und Weiterbildung,
5. beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höher entlohnter Verwendungen (Funktionen),
6. bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und
7. bei der Beendigung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses.
[…]
2. Hauptstück
Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung (Antidiskriminierung)
Gleichbehandlungsgebote im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis
§13. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung – insbesondere unter Bedachtnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat – darf im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gemäß §1 Abs1 niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
1. bei der Begründung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses,
2. bei der Festsetzung des Entgelts,
3. bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen,
4. bei Maßnahmen der ressortinternen Aus- und Weiterbildung,
5. beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höher entlohnter Verwendungen (Funktionen),
6. bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und
7. bei der Beendigung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses.
(2) Abs1 gilt nicht für unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen ergibt.
[…]
3. Hauptstück
Gemeinsame Bestimmungen für das 1. und 2. Hauptstück
1. Abschnitt
Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes
[…]
Festsetzung des Entgelts
§17a. Erhält eine vertraglich Bedienstete oder ein vertraglich Bediensteter wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nach §4 Z2 oder §13 Abs1 Z2 durch den Bund für gleiche Arbeit oder für eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, ein geringeres Entgelt als eine Bedienstete oder ein Bediensteter, bei der oder bei dem eine Diskriminierung wegen eines im §4 oder §13 genannten Grundes nicht erfolgt, so hat sie oder er gegenüber dem Bund Anspruch auf Bezahlung der Differenz und einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
[…]
Beruflicher Aufstieg von Beamtinnen und Beamten
§18a. (1) Ist eine Beamtin oder ein Beamter wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nach §4 Z5 oder §13 Abs1 Z5 nicht mit einer Verwendung (Funktion) betraut worden, so ist der Bund zum Ersatz des Vermögensschadens und einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet.
(2) Der Ersatzanspruch beträgt, wenn die Beamtin oder der Beamte
1. bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich aufgestiegen wäre, die Bezugsdifferenz für mindestens drei Monate, oder
2. im Verfahren für den beruflichen Aufstieg diskriminiert worden ist, aber die zu besetzende Planstelle wegen der besseren Eignung der oder des beruflich aufgestiegenen Bediensteten auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte, die Bezugsdifferenz bis zu drei Monate
zwischen dem Monatsbezug, den die Beamtin oder der Beamte bei erfolgter Betrauung mit der Verwendung (Funktion) erhalten hätte, und dem tatsächlichen Monatsbezug.
Gleiche Arbeitsbedingungen
§18b. Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nach §4 Z6 oder §13 Abs1 Z6 hat die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer Anspruch auf die Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen wie eine Dienstnehmerin oder ein Dienstnehmer, bei der oder bei dem eine Diskriminierung wegen eines im §4 oder §13 genannten Grundes nicht erfolgt, oder auf Ersatz des Vermögensschadens und jeweils auf eine Entschädigung für die erlittenen persönliche Beeinträchtigung.
§18c. (1) Ist das Dienst- oder Ausbildungsverhältnis oder ein Probedienstverhältnis der Dienstnehmerin oder des Dienstnehmers wegen eines im §4 oder §13 Abs1 genannten Grundes gekündigt, vorzeitig beendet oder aufgelöst worden (§4 Z7 oder §13 Abs1 Z7), so ist die Kündigung, Entlassung oder Auflösung auf Grund eines Antrages oder einer Klage der betroffenen Dienstnehmerin oder des betroffenen Dienstnehmers nach den für das betreffende Dienst- oder Ausbildungsverhältnis geltenden Verfahrensvorschriften für rechtsunwirksam zu erklären und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zuzusprechen.
(2) Ist ein befristetes, auf Umwandlung in ein unbefristetes Dienstverhältnis angelegtes, Dienstverhältnis wegen eines im §4 oder §13 Abs1 genannten Grundes durch Zeitablauf beendet worden, so kann auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Dienstverhältnisses und auf Entschädigung der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung geklagt werden.
(3) Lässt die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer die Beendigung gegen sich gelten, so hat sie oder er Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
[…]
Erlittene persönliche Beeinträchtigung
§19b. Die Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung ist so zu bemessen, dass dadurch die Beeinträchtigung tatsächlich und wirksam ausgeglichen wird und die Entschädigung der erlittenen Beeinträchtigung angemessen ist sowie solche Diskriminierungen verhindert."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann dem Verwaltungsgericht unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn es den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn die angefochtene Entscheidung wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).
2. Solche Fehler sind dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
2.1. Das B-GlBG gilt gemäß dessen §1 Abs1 Z1 für "Bedienstete, die in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen". Dass der Beschwerdeführer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund steht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen (vgl VwGH 10.10.2012, 2011/12/0007; VwGH 28.2.2019, Ra 2016/12/0072).
2.2. In der rechtlichen Begründung der angefochtenen Entscheidung wird zwar – im Einklang mit den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 10.10.2012, 2011/12/0007; 28.2.2019, Ra 2016/12/0072) – ausgeführt, dass die Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand als Folge eines Disziplinarerkenntnisses "am Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als Ruhestandsverhältnis" nichts ändere. In der Folge führt das Bundesverwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung jedoch aus, "dass im Rahmen des B-GlBG ausschließlich aktive Dienstverhältnisse eine Regelung erfahren sollten jedoch keine Ruhestandsverhältnisse". Damit verneint das Bundesverwaltungsgericht schon dem Grunde nach, dass das B-GlBG auf den Beschwerdeführer anwendbar sei.
2.3. Eine solche Auslegung widerspricht jedoch – wie die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zeigt – dem eindeutigen Wortlaut des §1 Abs1 Z1 B-GlBG und ist daher denkunmöglich.
2.4. Auch das Argument des Bundesverwaltungsgerichtes, dass mit der Feststellung, dass der 25-prozentige Abschlag auf den Ruhebezug des Beschwerdeführers mit 1. Juli 2002 zu entfallen hat, eine Diskriminierung auf Grund der Vorenthaltung von Ruhebezügen nicht mehr vorliege, entbehrt der gesetzlichen Grundlage:
In seinem Erkenntnis vom 28. Februar 2019, Ra 2016/12/0072, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass "das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Zuerkennung von Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung nicht mit der Begründung versagen durfte, eine Diskriminierung des Revisionswerbers nach der sexuellen Orientierung liege nicht vor" (Rz 66). Ein (ebenfalls auf Grund dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes) zwischenzeitig erfolgter Ausgleich des Vermögensschadens führt nicht dazu, dass ein allfälliger Anspruch auf Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung entfällt.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Gleichbehandlung, Homosexualität, Ruhegenuss, Ruhestandsversetzung, Bezüge Kürzung, Schadenersatz, Strafrecht, Disziplinarrecht, FrühpensionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E3845.2021Zuletzt aktualisiert am
05.12.2022