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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend einen Antrag auf Wiederaufnahme der Untersuchung eines Flugunfalles, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit der vorliegenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend, weil diese nicht innerhalb von sechs Monaten über seinen Antrag vom 4. Mai 1995 auf Wiederaufnahme einer Flugunfallsuntersuchung, den er mit Eingabe vom 1. Juni 1995 wiederholt habe, entschieden habe.
Gemäß § 137 Abs. 1 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957 in der Fassung BGBl. Nr. 452/1992, sind Unfälle von Luftfahrzeugen, die zur Tötung oder schweren Verletzung von Personen oder zur erheblichen Beschädigung eines Luftfahrzeuges geführt haben, unbeschadet sonstiger behördlicher Erhebungen von einer Flugunfallkommission zu untersuchen. Zweck der Untersuchung ist es, ein Gutachten über die Unfallursachen zu erstatten und Maßnahmen zur Vermeidung derartiger Unfälle vorzuschlagen.
Gemäß § 30 Abs. 1 der Zivilluftfahrt-Störungsverordnung - ZSV 1978, BGBl. Nr. 152, sind Flugunfallsuntersuchungen in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der §§ 45 bis 55 AVG zu führen. Als Parteien des Verfahrens sind jedenfalls die betroffenen Zivilluftfahrzeughalter, Besatzungsmitglieder und Unfallsgeschädigten zu behandeln. Die Flugunfallskommissionen haben sich bei den Untersuchungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.
Gemäß § 32 Abs. 1 leg. cit. ist dem Gutachten und den Vorschlägen der Flugunfallskommission eine Sachverhaltsdarstellung mit einem näher bestimmten Inhalt voranzustellen.
Abs. 3 der genannten Bestimmung sieht vor, daß das Bundesministerium für Verkehr (jetzt: der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) die Wiederaufnahme der Untersuchung anzuordnen hat, wenn neue Tatsachen bekannt werden, aufgrund deren ein anderes Untersuchungsergebnis zu erwarten ist.
In § 33 leg. cit. sind schließlich Vorschriften betreffend die Aussendung des Gutachtens und der Vorschläge enthalten.
Im Schrifttum (Halbmayer-Wiesenwasser, Das österreichische Luftfahrtrecht, Anm. 137.3.3 zu § 137 LFG) wird die - nach Meinung des Verwaltungsgerichshofes zutreffende - Auffassung vertreten, daß die Gutachten und Vorschläge der Flugunfallskommission keine Verwaltungsakte sind und keiner Anfechtung unterliegen, weil die Flugunfallskommissionen keine Behörden, sondern Sachverständigenkollegien sind und die Gutachten und Vorschläge nur tatsächliche Feststellungen und an diese Feststellungen geknüpfte Würdigungen enthalten, die für niemanden rechtsverbindlich sind.
Der dargestellten Rechtslage zufolge werden Flugunfallsuntersuchungen somit ausschließlich zur Wahrung öffentlicher Interessen (Sicherheit der Luftfahrt) durchgeführt. Den in § 30 Abs. 1 ZSV 1978 als "Parteien des Verfahrens" genannten Personen werden keine subjektiven Rechte auf Vornahme oder Abstandnahme von Flugunfallsuntersuchungen eingeräumt. Diese Personen werden demnach auch nicht in subjektiven Rechten verletzt, wenn gemäß § 32 Abs. 3 leg. cit. eine Wiederaufnahme der Flugunfallsuntersuchung angeordnet wird oder wenn eine solche Anordnung unterbleibt. Eine derartige Entscheidung bedarf nicht der Rechtsform des Bescheides als eines individuellen, hoheitlichen, im Außenverhältnis ergehenden, normativen Verwaltungsaktes (vgl. zum Begriff des Bescheides Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 377 ff). Demgemäß trifft die Behörde auch nicht die Verpflichtung, über einen Antrag auf Anordnung der Wiederaufnahme einer Flugunfallsuntersuchung im Sinne des § 32 Abs. 3 ZSV 1978 mit Bescheid abzusprechen. Daß ein solcher Antrag nicht etwa unter § 69 Abs. 1 AVG fällt, ergibt sich schon daraus, daß die dort normierte Voraussetzung "eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens" nicht erfüllt sein kann. Es kann darin lediglich eine an die Behörde herangetragene Anregung erblickt werden.
Der Beschwerdeführer war somit im Verwaltungsverfahren als Partei nicht zur Geltendmachung einer Entscheidungspflicht der belangten Behörde berechtigt. Es fehlt ihm daher gemäß Art. 132 B-VG die Berechtigung zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde (vgl. den hg. Beschluß vom 10. November 1980, Slg. Nr. 10287/A).
Aus diesem Grunde war die Beschwerde - auch auf dem Boden der Rechtslage nach dem hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung Besondere RechtsgebieteOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere RechtsgebieteVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter wegen mangelnder Behördeneigenschaftöffentlicher Verkehr Fluglinien SchiffahrtBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete DiversesAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996030001.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017